.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.07.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R82-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 34 Abs. 1 und Abs. 2 , § 35 Abs. 1, § 46 Buchstabe h , § 47
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 1 GS 4/2009; Fundstelle: ZMV 6/2010, S. 319
Schlagworte:Auskunftsanspruch der Mitarbeitervertretung
#

Leitsatz:

Der Unterrichtungsanspruch nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD setzt voraus, dass die Mit-arbeitervertretung die begehrte Unterrichtung benötigt, um prüfen zu können, ob sich für sie Aufgaben i.S. des Mitarbeitervertretungsrechts ergeben und ob sie zur Wahrnehmung einer solchen Aufgabe tätig werden muss oder will; die Grenze des Auskunftsanspruchs liegt dort, wo ein Beteiligungsrecht offenkundig nicht in Betracht kommt.

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 11. September 2009 - 1 GS 4/2009 - abgeändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die beschwerdeführende Dienststellenleitung bedient sich - beginnend mit dem Jahr 2006 - anstelle eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für bestimmte Dienstleistungen der Dienste zweier von ihr gegründeter Service-Tochtergesellschaften. Der Wechsel erfolgt permanent immer dann, wenn in der Dienststelle eine entsprechende personelle Vakanz oder Gelegenheit entsteht. Die Mitarbeitervertretung wird an der jeweiligen Teilausgliederung nach § 46 Buchstabe h MVG.EKD beteiligt.
Die Mitarbeitervertretung begehrt mit ihrem am 20. Januar 2009 eingereichten Antrag Auskunft darüber, welche Kosten im ersten Halbjahr 2009 durch den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser beiden Tochtergesellschaften entstanden sind und welche Leistungen hierfür erlangt wurden. Diese Auskunft benötige sie, um prüfen zu können, ob sie sich dafür einsetzen wolle, dass die zur Erbringung dieser Dienstleistungen eingesetzten Menschen wieder als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Dienststelle selbst eingegliedert werden. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 20. Januar, 9. März und 9. Juli 2009 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, der Antragstellerin Auskunft zu geben über die Kosten, die durch den Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zwei Service-Tochtergesellschaften im ersten Halbjahr 2009 entstanden sind und welche Leistungen (für welche Tätigkeiten wie viele Personen in welchem Gesamtumfang eingesetzt werden) erlangt wurden.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie meint, die begehrte Auskunft stehe der Mitarbeitervertretung nicht zu, es fehle ihr an einer entsprechenden mitarbeitervertretungsrechtlichen Aufgabe. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 3. März, 23. März und 22. Juni 200 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag durch ihren Beschluss vom 11. September 2009 stattgegeben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch ergebe sich zwar nicht aus § 34 Abs. 2, wohl aber aus § 34 Abs. 1 i.V.m. § 46 Buchstabe h MVG.EKD. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Dienststellenleitung mit ihrer Beschwerde. Sie hebt hervor, die Mitarbeitervertretung habe keinen Anspruch auf die begehrte Auskunft, weil es ihr nicht um eine Beteiligung bei der Ausgliederung nach § 46 Buchstabe h) MVG.EKD gehe, sondern darum, zu prüfen, ob sie sich für eine Wiedereingliederung verwenden solle. Insoweit bestehe jedoch kein Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrecht. Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 12. November 2009, 13. Januar 2010 und 5. Juli 2010 Bezug genommen.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss mit dem Hinweis, sie benötige die Auskunft, um unbeschadet dessen, dass ein förmliches Mitbestimmungsrecht fehle, entscheiden zu können, ob sie sich für eine Wiedereingliederung der ausgelagerten Dienste verwende. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im Beschwerderechtszug wird auf ihren Schriftsatz vom 28. Juni 2010 Bezug genommen.
II. Die vom Senat durch seinen Beschluss vom 3. Juni 2010 zur Entscheidung angenommene Beschwerde ist begründet. Die Vorinstanz hat dem Antrag zu Unrecht stattgegeben.
1. Auf § 34 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a MVG.EKD kann der Anspruch, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, nicht gestützt werden, weil es bei der Auskunft nicht um die wirtschaftliche Lage der Dienststelle geht, sondern um Auskunft über die wirtschaftlichen Folgen einzelner Vertragsbeziehungen.
2. Als Rechtsgrundlage für die begehrte Auskunft kommt allein § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD in Betracht. Hiernach ist die Mitarbeitervertretung „zur Durchführung ihrer Aufgaben“ rechtzeitig zu unterrichten.
a) Voraussetzung für den Unterrichtungsanspruch ist, dass die Mitarbeitervertretung die begehrte Unterrichtung benötigt, um prüfen zu können, ob sich für sie Aufgaben i.S. des Mitarbeitervertretungsrechts ergeben und ob sie zur Wahrnehmung einer solchen Aufgabe tätig werden muss oder will; die Grenze des Auskunftsanspruchs liegt dort, wo ein Beteiligungsrecht offenkundig nicht in Betracht kommt (KGH.EKD, Beschluss vom 29. Mai 2006 - II-0124/M6-06 - ZMV 2006, S. 306 m.w.N.).
b) Diese - von der Vorinstanz nicht näher geprüfte - Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Es fehlt, wie auch die Mitarbeitervertretung nicht verkennt, an einem Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung. Ein solches kommt offensichtlich nicht in Betracht. Nach dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung geht es ihr darum, prüfen zu können, ob sie hinsichtlich einer Wiedereingliederung der ausgelagerten Dienste initiativ werden will. Das in § 47 MVG.EKD geregelte Initiativrecht verweist zwar auf § 46 MVG.EKD. Die dortige Regelung umfasst nur die dauerhafte Vergabe von Arbeitsbereichen an Dritte, nicht aber die Wiedereingliederung ausgelagerter Dienste oder Arbeiten. Die Mitarbeitervertretung will sich zur Rechtfertigung ihres Auskunftsbegehrens auf ihre allgemeinen Aufgabe nach § 35 Abs. 1 MVG.EKD, nämlich die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, stützen. Diese Aufgabe rechtfertigt kein besonderes Unterrichtungsrecht, weil es insoweit an einem Beteiligungsrecht fehlt.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).