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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:25.01.2013
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/U27-12
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 41 Abs. 1, § 42 Buchstabe c)
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - 2 M 14/11
Schlagworte:Eingruppierung einer Lehrkraft
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Leitsatz:

1. Die eingeschränkte Mitbestimmung nach § 41 Abs. 1 MVG.EKD erstreckt sich bei der Eingruppierung nach § 42 Buchstabe c) MVG.EKD auf die rechtsfehlerfreie Anwendung von verbindlichen Regelungen für die Stufenzuordnung.
2. Ein Erlass, der für staatliche Schulträger die Ausübung des in Tarifvorschriften eingeräumten Ermessens regelt, ist auf Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Bereich anzuwenden, wenn arbeitsvertraglich geregelt ist, dass die tariflichen Bestimmungen und diese ergänzende, ändernde oder ersetzende Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung, die für vergleichbare Lehrkräfte im Schuldienst eines Bundeslandes gelten, Anwendung finden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 2. Juli 2012, Az. 2 M 14/11, abgeändert und der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die richtige Stufenzuordnung einer Lehrkraft.
Die Dienststelle betreibt ein Gymnasium, dessen die Dienstherrenfähigkeit vom Land Nordrhein-Westfalen anerkannt ist. Die dort tätigen Lehrkräfte werden in der Regel zu Beamten ernannt. Die Dienststelle schloss mit Herrn D einen Arbeitsvertrag für eine befristete Tätigkeit als Lehrkraft für Deutsch und Englisch im Zeitraum vom 23. August 2010 bis 22. August 2012. In dem Arbeitsvertrag ist unter anderem vorgesehen:
"§ 2
Für das Arbeitsverhältnis gelten die tariflichen Bestimmungen und diese ergänzende, ändernde oder ersetzende Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung, die für vergleichbare Lehrkräfte im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen gelten. Dies ist zurzeit vor allem
- der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
...
§ 4
Die Vergütung von Herrn D wird nach Maßgabe der tarifrechtlichen Bestimmungen errechnet, die für vergleichbare Lehrkräfte im Land Nordrhein-Westfalen gelten."
Neben seiner befristeten Tätigkeit durchlief Herr D erfolgreich eine berufsbegleitende Ausbildung. Herr D wird über August 2012 hinaus weiter beschäftigt.
Wegen der Einzelheiten des Lebenslaufes von Herrn D wird auf die Anlage AG 1 zum Schriftsatz der Mitarbeitervertretung vom 31. März 2011 verwiesen. Herr D hatte folgende Vorbeschäftigungen:
- Leitung eines Übersetzungskurses an einer FU im Fachbereich Ältere deutsche Sprache und Literatur im Wintersemester 1997/1998
- Redakteur und Lektor für Lexikonverlage von April 2002 bis Juni 2004
- Dozent für englische Sprache und Literatur an einem College in China von Juli 2004 bis Juli 2006
- Publicity Officer für ein Büro in Hongkong von August 2006 bis Oktober 2010
Die von der Dienststellenleitung beteiligte Mitarbeitervertretung stimmte der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 des TV-L zu, nicht aber der Einstufung in die Stufe 2. Die Mitarbeitervertretung teilte der Dienststellenleitung mit Schreiben vom 3. Februar 2011 mit, dass sie die Einstufung in die Stufe 4 für zutreffend halte.
Im Land Nordrhein-Westfalen gibt es einen Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 23. Februar 2008 (Winands-Erlass), wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 2 f des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen wird.
Die Dienststelle hat die Auffassung vertreten, dass der Winands-Erlass für sie nicht gelte, weil sie nicht Teil der Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen sei. Nur die Berufserfahrungszeiten von Herrn D als Dozent für englische Sprache und Literatur in der Zeit von Juli 2004 bis Juli 2006 sei nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L anzuerkennen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 Stufe 2 TV-L zustehe.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Winands-Erlass anzuwenden sei und anordne, dass jede für den Lehrerberuf förderliche berufliche Vorerfahrung großzügig berücksichtigt werden solle. Dazu gehörten neben der Tätigkeit als Dozent für englische Sprache auch die übrigen genannten Berufstätigkeiten von Herrn D. Als Publicity Officer habe er die englische Sprache souverän beherrschen müssen und Medienkompetenz erworben.
Die Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen hat dem Antrag der Dienststellenleitung durch Beschluss vom 2. Juli 2012 entsprochen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf die erstinstanzliche Akte verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 20. Juli 2012 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 20. August 2012, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 20. September 2012, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, hat sie eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 22. Oktober 2012 beantragt. Diesem Antrag hat der Kirchengerichtshof stattgegeben. Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2012, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, hat die Mitarbeitervertretung die Beschwerde begründet.
Die Mitarbeitervertretung hält die erstinstanzliche Entscheidung für unzutreffend, weil bei Anwendung des Winands-Erlasses die Tätigkeit von Herrn D als Publicity Officer für die Stufenzuordnung ebenso zu berücksichtigen sei wie die übrigen Tätigkeiten.
Die Mitarbeitervertretung beantragt nach Annahme der Beschwerde durch den Kirchengerichtshof,
den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 2. Juli 2012 - 2 M 14/11 - abzuändern und den Schlichtungsantrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Dienststelle ist der Ansicht, dass der Winands-Erlass nicht anzuwenden sei, weil er an staatliche Schulen gerichtet sei. Im Übrigen zwinge er nicht dazu, das Ermessen dahingehend auszuüben, dass weitere berufliche Tätigkeiten bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen seien. Schließlich habe die Schlichtungsstelle zutreffend entschieden, dass die nicht berücksichtigten Tätigkeiten für die Arbeit von Herrn D als Lehrkraft keine förderliche Bedeutung hätten und deshalb bei der Stufenzuordnung nicht zu berücksichtigen seien.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet, weil der von der Dienststellenleitung verfolgte Antrag zulässig, aber unbegründet ist.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 MVG.EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist begründet, weil der Antrag der Dienststellenleitung zulässig, aber unbegründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Nach § 60 Abs. 1 und 5 Satz 1 MVG.EKD, der ebenso wie die übrigen hier zu beachtenden Regelungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland nach § 1 des Einführungsgesetzes zum Mitarbeitervertretungsgesetz für die Evangelische Kirche von Westfalen anwendbar ist, können die Kirchengerichte angerufen werden, um bei einer Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer Maßnahme, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegt, feststellen zu lassen, ob ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.EKD vorliegt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung zu einer Stufenzuordnung verweigert, die nach § 42 Buchstabe c) MVG.EKD als Teil der Eingruppierung der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegt. Die Eingruppierung umfasst nämlich nicht nur die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe, sondern auch die Stufenzuordnung (KGH.EKD, Beschluss vom 22. November 2010 - I-0124/R89-09 - ZMV 2011, S. 156). Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass diese Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sein könnte. Die Dienstellenleitung hat das Kirchengericht mit einem am 15. Februar 2011 (Fax) eingegangenen Antrag innerhalb der Frist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD angerufen, nachdem ihr das Ablehnungsschreiben der Mitarbeitervertretung vom 3. Februar 2011 am 4. Februar 2011 zugegangen war.
b) Der Antrag ist unbegründet. Die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung zu der Stufenzuordnung nach § 41 Abs. 1 MVG.EKD zu Recht verweigert.
aa) Das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung erstreckt sich auf die zutreffende Stufenzuordnung (KGH.EKD, Beschluss vom 22. November 2010 - I-0124/R89-09 - a.a.O.). Der Wegfall des Merkmals "Fallgruppe" aus der früheren gesetzlichen Regelung in der Neufassung des § 42 Buchstabe c) MVG.EKD hat die Ausdehnung des Mitbestimmungstatbestandes auf alle Zuordnungsmerkmale des anzuwendenden Entgeltschemas, also auch zur Stufenzuordnung, zur Folge. Damit ist die Richtigkeitskontrolle jedenfalls im Sinne einer Rechtskontrolle auf alle bei Eingruppierungen bedeutsamen Parameter erstreckt. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Mitbestimmungsrecht bei der Stufenzuordnung auch erfasst, dass die Arbeitgeberseite Gestaltungsspielräume gleichmäßig nutzt (Baumann-Czichon, Kommentar zum MVG.EKD, 4. Auflage, § 42 Rn 53 a). Dieses wird allerdings nach der eindeutigen Fassung des § 41 Abs. 1 MVG.EKD nur dann der Fall sein können, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der durch die Maßnahme betroffene oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benachteiligt werden, ohne dass dieses aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Eine solche Besorgnis besteht aber nicht schon immer dann, wenn die Dienststellenleitung Gestaltungsspielräume nicht gleichmäßig ausnutzt. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 41 Abs. 1 MVG.EKD besteht aber jedenfalls dann, wenn die Eingruppierung gegen eine Rechtsvorschrift verstößt. Dabei kann es sich auch um den Verstoß gegen eine einzelvertragliche Vertragsbestimmung handeln (Baumann-Czichon, a.a.O., § 41 Rn 3). Für § 41 Abs. 1 MVG.EKD ist maßgeblich, dass es sich um eine verbindliche Regelung gleich welcher Rechtsnatur handelt, die bei der Stufenzuordnung zu beachten ist.
bb) Nach diesen Grundsätzen war die Mitarbeitervertretung berechtigt, die Zustimmung zu der Stufenzuordnung zu verweigern. Die Zuordnung von Herrn D in die Stufe 2 stellt sich bei der vertraglich gebotenen Anwendung des Winands-Erlasses als rechtsfehlerhaft dar.
aaa) Auf die Stufenzuordnung ist der Winands-Erlass anzuwenden, weil er Teil des in der Dienststelle angewendeten Vergütungssystems ist, dessen Geltung einzelvertraglich vereinbart ist. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Kirchengerichtshof der EKD übereinstimmend erklärt, dass das angewendete Vergütungssystem in den arbeitsvertraglichen Regelungen von Herrn D seinen Ausdruck findet. Dort ist geregelt, dass die tariflichen Bestimmungen und diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden, die für vergleichbare Lehrkräfte im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen gelten. Hieraus folgt, dass der Winands-Erlass für die Stufenzuordnung anzuwenden ist. Dabei handelt es sich um eine die tariflichen Bestimmungen ergänzende Regelung, die für vergleichbare Lehrkräfte im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen gilt. Auch wenn ein solcher Erlass nur verwaltungsinterne Bedeutung hat, folgt aus ihm doch, dass er Vorgaben enthält, die zur Einhaltung einer gleichmäßigen Verwaltungsübung im Handeln der Verwaltung nach außen beachtet werden müssen. Das gilt sowohl gegenüber den unmittelbar im Schuldienst von Nordrhein-Westfalen stehenden Lehrkräften als auch gegenüber solchen Lehrkräften, bei denen sich die Arbeitgeberin vertraglich zur Gleichbehandlung mit nordrhein-westfälischen Lehrkräften verpflichtet hat. Eine derartige Gleichbehandlung kann nur dann erreicht werden, wenn auch die verwaltungsinternen Regelungen zur Tarifanwendung beachtet werden. Die vertragliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit nordrhein-westfälischen Lehrkräften ergibt sich unmittelbar aus der Regelung in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Der Inhalt der Regelung macht deutlich, dass Herr D (und die anderen angestellten Lehrkräfte, für die das im Arbeitsvertrag nach Angaben der Beteiligten zum Ausdruck kommende Vergütungssystem gilt) tariflich so behandelt werden soll wie im Schuldienst Nordrhein-Westfalens stehende Lehrkräfte.
bbb) Bei Anwendung des Winands-Erlasses sind auch die Beschäftigungszeiten von Herrn D als Redakteur und Lektor und als Publicity-Officer zu berücksichtigen.
Nach dem Winands-Erlass hat die Dienststellenleitung von der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L Gebrauch zu machen. Im Winands-Erlass ist dieses ausdrücklich so geregelt. Ein Ermessen der Dienststelle, ob sie solche förderlichen beruflichen Vorerfahrungen für die Stufenzuordnung berücksichtigen will, besteht nicht. Wenn der Winands-Erlass vorsieht, dass bei Neueinstellungen von dem Ermessensinstrument des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L Gebrauch zu machen ist, bringt dieses zweifelsfrei den Willen des Erlassgebers zum Ausdruck, dass die Vorerfahrungen zu berücksichtigen sind.
Die Tätigkeiten als Redakteur und Lektor sowie als Publicity Officer sind im Sinne des Winands-Erlasses berücksichtigungsfähig, weil sie nicht nur, aber erst recht bei der vom Erlass gebotenen großzügigen Auslegung für den Lehrerberuf dienlich sein können. Die Tätigkeit als Redakteur und Lektor ist geprägt durch den professionellen Umgang mit der Schriftsprache und damit unmittelbar dem Sprachvermögen, dem Sprachverständnis und dem Sprachgebrauch dienlich. Gleiches gilt für die Tätigkeit als Publicity Officer, für die noch die nach außen gerichtete, Inhalte vermittelnde und werbende Tätigkeit, die sich gleichsam als Steigerung der im Lehrerberuf erforderlichen Vermittlung von Inhalten an einen unbegrenzten Personenkreis darstellt, wesentlich hinzukommt. Die dadurch auch erworbene Medienkompetenz ist angesichts der gegenwärtigen Informations- und Kommunikationsstrukturen von erheblicher Bedeutung auch und gerade für den Lehrerberuf. Es ist nicht ersichtlich, dass Herr D die dadurch gewonnen Erfahrungen und Kenntnisse in gleicher Weise in anderen Ausbildungs- und Berufsstationen erworben hat. Darauf kommt es auch nicht an, weil der Winands-Erlass zum Ausdruck bringt, dass alle derartigen Erfahrungen berücksichtigungsfähig sind und eine Obergrenze erst bei sechs Jahre erreicht wird.
Bei der vom Winands-Erlass angeordneten großzügigen Handhabung hätte die Dienststellenleitung auch diese Vortätigkeiten mit der Folge berücksichtigen müssen, dass Herr D nicht der Stufe 2 hätte zugeordnet werden dürfen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).