.
Kirchengericht:Disziplinarhof der Evangelischen Kirche der Union
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:10.09.2001
Aktenzeichen:DH 2/01
Rechtsgrundlage:§ 3 Abs. 1 PfDG
Vorinstanzen:Diszipliarkammer der Evangelischen Kirche im Rheinland - DK 3/2000
Schlagworte:Unterschlagung, Zugrundelegung der Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils
#

Leitsatz:

Eine Unterschlagung rechtfertigt die Aberkennung des Ruhegehalts.

Tenor:

Die Berufung des Beschuldigten gegen das Urteil der Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 21. Oktober 2000 – DK 03/2000 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beschuldigte.

Gründe:

Die Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche im Rheinland hat mit Urteil vom 21. Oktober 2000 den Beschuldigten einer Amtspflichtverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn die Disziplinarstrafe der Aberkennung des Ruhegehalts verhängt. Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beschuldigten ist unbegründet.
I.
Der zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarhof 51-jährige Beschuldigte hat im Jahre 1970 die dem Abitur vergleichbare Abschlussprüfung abgelegt. Anschließend begann er mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, das er aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Nach einer kurzen Tätigkeit als Buchhalter arbeitete er bis 1976 – zuletzt in einer leitenden Position als Direktor – in einem ökumenischen Laienzentrum. 1975 erhielt der Beschuldigte ein Stipendium des Lutherischen Weltbundes zum Studium in Deutschland. Seit 1976 lebt er in Deutschland. 1986 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit.
Von 1976 bis 1983 studierte der Beschuldigte Sozialwissenschaften und seit 1977 außerdem evangelische Theologie. Sein Studium schloss er 1982/83 mit der theologischen Magisterprüfung und der Promotion in Sozialwissenschaften ab. In der Evangelischen Kirche im Rheinland legte er 1984 das 1. theologische Examen ab. Anschließend war er Vikar. Seine Ausbildung beendete er Anfang 1986 mit dem 2. theologischen Examen. 1986 wurde er zum Pfarrer ordiniert. 1987 wurde der Beschuldigte auf eine Pfarrstelle berufen. Er war dort als Seelsorger tätig, bis er mit Wirkung zum 1. Juli 1994 in den Wartestand versetzt wurde. Durch Bescheid des Landeskirchenamtes vom 28. Juli 1997 ist er mit Wirkung zum 1. September 1997 in den Ruhestand versetzt worden.
Der Beschuldigte heiratete 1972. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil 1996 geschieden. – Der Beschuldigte lebt mit einem Pastor jetzt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, die 2001 als Lebenspartnerschaft in das zuständige Re¬gister des Standesamtes eingetragen worden ist.
II.
Der Beschuldigte ist durch ein rechtskräftiges Urteil 1996 i. V. mit dem Berufungsurteil 1997 wegen veruntreuender Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Mit Beschluss von 2001 wurde die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.
Schon vor der Einleitung des Strafverfahrens beantragte der Beschuldigte mit einer Selbstanzeige vom 12. April 1994, wegen des Vorwurfs finanzieller Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung einer Amerika-Reise ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst einzuleiten. Mit Beschlüssen vom 26. April und 12. Juli 1994 leitete das Landeskirchenamt disziplinarische Ermittlungen gegen den Beschuldigten ein. Diese wurden wegen des oben erwähnten Strafverfahrens unterbrochen und nach dessen rechtskräftigem Abschluss am 02. März 2000 fortgesetzt. Mit Beschluss des Landeskirchenamtes vom 30. Mai 2000 wurde wegen des Tatvorwurfs, der Gegenstand des Strafverfahrens war, das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet, das Disziplinarverfahren wegen weiterer Vorwürfe jedoch eingestellt. – Auf Grund der von dem Landeskirchenamt erhobenen Anschuldigungsschrift vom 20. Juli 2000 und auf Grund der am 21. Oktober 2000 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der Beschuldigte durch Urteil der Disziplinarkammer der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 21. Oktober 2000 der Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gesprochen. Als Disziplinarstrafe wurde die Aberkennung des Ruhegehalts verhängt. Gegen dieses dem Beschuldigten am 19. Januar 2001 zugestellte Urteil richtet sich seine am 15. Februar 2001 form- und fristgerecht eingelegte Berufung, mit der er weiter begehrt, freigesprochen zu werden.
III.
Das Landgericht hat in seinem rechtskräftigen Urteil 1997 zum Tatvorwurf im Kern den folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Beschuldigte betreute als Seelsorger seit 1987 zwei hoch betagten Schwestern. Zu einem nicht genau festgestellten Zeitpunkt um den Jahreswechsel 1992/93 übergab Frau B dem Beschuldigten einen Bargeldbetrag von 5.000,- DM mit der Weisung, das Geld für die Renovierung der Kirche zu verwenden. Der Beschuldigte tat das nicht, sondern behielt das Geld für eigene Zwecke. – Zu einem ebenfalls nicht genau festgestellten Zeitpunkt im 1. Halbjahr 1994 übergab Frau B dem Beschuldigten bei zwei verschiedenen Gelegenheiten in bar je einen Betrag von 6.000,- DM, zusammen also 12.000,- DM. Sie wies den Beschuldigten dabei an, dieses Geld zur Pflege ihres und ihrer – damals schon verstorbenen – Schwester Grabes zu verwenden. Der Beschuldigte befolgte auch diese Weisungen nicht, sondern behielt das Geld ebenfalls für sich.
Diese Feststellungen des Landgerichts beruhen auf den Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung von dem Landgericht vernommenen Zeugen. Hiernach hat die damals 94-jährige Frau B Anfang Juli 1994 der Zeugin C den von dem Landgericht festgestellten Sachverhalt berichtet. Die Zeugin C war früher Presbyterin in der von dem Beschuldigten betreuten Gemeinde; sie hatte im Rahmen der Frauenhilfe der Gemeinde Frau B in deren Zimmer besucht. Die Zeugin
C teilte den ihr von Frau B geschilderten Sachverhalt dem Vorsitzenden des Presbyteriums mit. Über das Pfarrbüro wurde eine weitere Zeugin, die in der Gemeinde ebenfalls als Pfarrerin tätig ist, informiert. Sie suchte daraufhin Mitte Juli 1994 Frau B auf. Diese wiederholte in dem Gespräch den schon der Zeugin C berichteten Sachverhalt. – Daraufhin führten drei weitere Zeugen 15. August 1994 ein Gespräch mit Frau B. Auch in diesem Gespräch wiederholte sie den schon vorher von ihr Frau C und der Pfarrerin geschilderten Sachverhalt. – Im Zuge des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens führte der dort zuständige Richter am 8. Mai 1995 eine richterliche Vernehmung der Frau B durch. Auch in dieser Vernehmung schilderte sie den Sachverhalt so, wie sie ihn im Juli und August 1994 bereits der Zeugin C und den kirchlichen Amtspersonen berichtet hatte. Die Zeugen, denen Frau B selbst den Sachverhalt geschildert hatte, haben vor dem Landgericht bekundet, dass sie von der Wahrheit der von Frau B berichteten Tatsachen über¬zeugt waren. Das Landgericht hat die Bekundungen dieser Zeugen sorgfältig gewürdigt, aber keinen gegen die Glaubwürdigkeit der Bekundungen sprechenden Anhaltspunkt finden können. Es hat seine Überzeugung von der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes insbesondere auch darauf gestützt, dass der Vernehmungsrichter auch als Vormundschaftsrichter tätig war und deshalb in der Anhörung alter Menschen und der kritischen Würdigung deren Mitteilungen erfahren ist.
Der Beschuldigte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarhof den von dem Landgericht festgestellten Sachverhalt weiter bestritten und zu seiner Verteidigung im Kern vorgetragen:
1. Ihm sei in einer Besprechung vom 23. Juni 1994 von dem Superintendenten und der Landeskirchenrätin geboten worden, Verschwiegenheit zu wahren. Deshalb habe er sich im Verfahren nicht geäußert.
2. Er habe die von dem Landgericht festgestellten Geldbeträge von zusammen 17.000,- DM nicht von Frau B erhalten. – Die Zeugin C habe die falsche Beschuldigung gegen ihn erhoben, weil er seine Homosexualität offenbart habe und sie ihn deswegen aus der Gemeinde drängen wollte.
3. Außerdem rügt der Beschuldigte das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, weil der Vernehmungsrichter es versäumt habe, ihn zur richterlichen Vernehmung hinzuzuziehen, obwohl er erreichbar gewesen wäre.
IV.
Auch das vorliegende Verfahren ist nach § 117 Abs. 4 DiszG vom 09.05.1995 (ABl. EKD S. 561) die alte Fassung des DiszG vom 11.03.1955 (ABl. EKD S. 84) anwend¬bar. Denn das vorliegende Verfahren ist vor dem Inkrafttreten des DiszG n. F. am 01. Januar 1996, nämlich schon durch den Beschluss des Landeskirchenamtes vom 12. Juli 1994 eingeleitet worden. § 117 Abs. 4 DiszG n. F. enthält keine Beschränkung auf die Einleitung des förmlichen Verfahrens vor dem Disziplinargericht.
Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 DiszG a. F. legt der Disziplinarhof seiner Entscheidung die oben wiedergegebenen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts von 1997 zu Grunde. Die zitierte Bestimmung enthält eine Kannvorschrift. Der Disziplinarhof sieht jedoch keine Veranlassung, diese Kannvorschrift nicht anzuwenden.
Das zitierte Urteil des Landgerichts enthält die oben dargestellten klaren tatsächlichen Feststellungen. Das Landgericht hat sich auf Grund der oben wiedergegebenen umfangreichen Beweisaufnahme, die es sehr sorgfältig gewürdigt hat, von der Richtigkeit des festgestellten Sachverhalts überzeugt. Die Argumente, die der Beschuldigte zu seiner Verteidigung vorgetragen hat, geben dem Disziplinarhof keine Veranlassung, die Beweisaufnahme zu wiederholen.
1. Es trifft nicht zu, dass der Superintendent oder die Landeskirchenrätin in der Besprechung vom 23. Juni 1994 oder jemals zu einem anderen Zeitpunkt dem Beschuldigten geboten hätten, über den ihm vorgeworfenen Sachverhalt Stillschweigen zu wahren. Die dem Disziplinarhof vorliegenden Akten enthalten keinen Hinweis auf eine solche Weisung. Der Annahme, die von dem Beschuldigten benannten Personen oder auch andere kirchliche Amtsträger hätten ihm Schweigen geboten, steht auch die Tatsache entgegen, dass eine solche Weisung dem § 28 Abs. 2 Satz 1 PfDG a. F., der zur Zeit der von dem Beschuldigten konkret behaupteten Besprechung vom 23. Juni 1994 noch anwendbar war, widersprochen hätte. Denn der dem Beschuldigten vorgeworfene Sachverhalt ist ihm nicht in Ausführung seines seelsorgerlichen Amtes anvertraut oder bekannt geworden. Er ist ihm vielmehr im Rahmen des Disziplinarverfahrens vorgehalten worden. Als Beschuldigtem stand ihm selbstverständlich das Recht zur umfangreichen Verteidigung zu. In diesem Rahmen durfte er auch alles erklären, was er zu seiner Verteidigung als sachdienlich erachtete.
So hat der Beschuldigte sich im Übrigen auch verhalten. Denn er hat schon in seinen mündlichen Anhörungen vom 31. August und 21. Oktober 1994 sowie in seinen schriftlichen Stellungnahmen vom 27. August 1994 und 27. März 2000 alles geschildert, was er in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarhof zu seiner Verteidigung vorgetragen hat. ― Im Übrigen hat der Beschuldigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarhof erklärt, sein Verteidiger habe ihm geraten, im strafgerichtlichen Verfahren zu schweigen. So hat der Beschuldigte sich dort auch verhalten. Denn das Urteil des Landgerichts stellt ausdrücklich fest (UA S. 16) der Beschuldigte habe sich zur Sache nicht eingelassen. Der Disziplinarhof schließt es aber aus, dass der Beschuldigte diesen für das Strafverfahren bestimmten Ratschlag seines Verteidigers dahin missverstanden hat, er müsse im kirchlichen Disziplinarverfahren schweigen. Zwar hat der Beschuldigte durch sein an die Disziplinarkammer gerichtetes Schreiben vom 30. September 2000, in dem er auf seine Verschwiegenheitsverpflichtung hinweist, versucht, einen solchen Eindruck zu erwecken. Der Disziplinarhof ist jedoch davon überzeugt, dass der Beschuldigte einem solchen Missverständnis nicht erlegen ist. Denn er ist intelligent und wortgewandt. Er hat sich sowohl im disziplinarischen Ermittlungsverfahren zeitweise wie auch im strafgerichtlichen Verfahren vollständig anwaltlichen Beistandes bedient. Es ist deshalb nicht vorstellbar, dass er selbst den eingeschränkten Umfang der Verschwiegenheitspflicht nicht erkannt oder zumindest sich von seinen Rechtsanwälten dar-über nicht hat aufklären lassen, dass eine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hier nicht bestand. ― Letztlich spricht gegen ein Missverständnis des Beschuldigten über den Umfang der Verschwiegenheitspflicht auch die Tatsache, dass er alle Argumente, mit denen er sich im Berufungsverfahren vor dem Disziplinarhof verteidigt, auch schon im disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren vorgebracht hat.
2. Es kann als wahr unterstellt werden, dass die von dem Landgericht gehörte Zeugin C die homosexuellen Neigungen des Beschuldigten missachtete und deshalb in der Gemeinde gegen ihn sprach. Gleichwohl ist es eine unglaubhafte Schutzbehauptung des Beschuldigten, dass sie wider besseres Wissen auf Grund eines erdachten, unwahren Sachverhalts die Einleitung des vorliegenden Disziplinarverfahrens gegen den Beschuldigten verursacht hat. Wenn die Behauptung des Beschuldigten richtig wäre, würde dieses nämlich folgendes bedeuten:
Die Zeugin C müsste sich die Unterschlagung des Geldbetrages von 5.000,- DM Anfang des Jahres 1992 und der beiden Beträge von je 6.000,- DM im ersten Halbjahr 1994 erdacht haben. Diesen unwahren Sachverhalt müsste sie im Juli 1994 der damals schon 94-jährigen Frau B erzählt haben.
Diese müsste sich den erdachten und ihr zugetragenen Sachverhalt eingeprägt und – bis auf geringe Abweichungen im zeitlichen Ablauf – immer gleichbleibend Mitte Juli 1994 der Pfarrerin, am 15. August 1994 den kirchlichen Amtspersonen und – fast ein Jahr später – am 8. Mai 1995 den Vernehmungsrichter mit solcher Überzeugungskraft berichtet haben, dass diese Amtspersonen von der Richtigkeit des Berichts der Frau B überzeugt waren. Eine solche Annahme ist soweit entfernt von jeder Realität, dass der Disziplinarhof von der Unwahrheit dieser Einlassung des Beschuldigten überzeugt ist. Besonderes Gewicht kommt hierbei der Bekundung des Vernehmungsrichters vor dem Landgericht zu. Er war nach den Feststellungen des Landgerichts als Richter mit Vormundschafts- und Betreuungssachen befasst. Er ist deshalb in der Vernehmung alter Menschen und der kritischen Würdigung ihrer Bekundungen besonders erfahren. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass er außerdem als Vernehmungsrichter, wie es § 57 StPO vorschreibt, die von ihm als Zeugin vernommene Frau B über ihre Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen, und die Strafdrohung für eine unwahre Aussage belehrt hat. Außerdem hat der Beschuldigte vor dem Disziplinarhof selbst angegeben, Frau B sei ihm gewogen gewesen und habe keine Feindschaft gegen ihn gehegt. Wenn sie gleichwohl dem Ermittlungsrichter wieder denselben Sachverhalt bekundete, den sie früher schon den kirchlichen Amtsträgern berichtet hatte, und der Vernehmungsrichter nach dem persönlichen Eindruck der Zeugin von der Richtigkeit der Bekundungen überzeugt war, dann ist die Einlassung des Beschuldigten über die Entstehung einer unwahren Anschuldigung widerlegt.
3. Letztlich rügt der Beschuldigte, der Vernehmungsrichter habe ihn unter Verstoß gegen Verfahrensregeln der Strafprozessordnung nicht zur richterlichen Vernehmung hinzugezogen. Auch diese Rüge ist unbegründet. Denn der Vernehmungsrichter kannte nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 11) die ladungsfähige Anschrift des Beschuldigten nicht, weil er nach seiner Scheidung nicht mehr in der Gemeinde lebte. Der Vernehmungsrichter durfte aus diesem Grunde nach § 168 c Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 StPO davon absehen, den Beschuldigten von dem Vernehmungstermin zu benachrichtigen. Denn aus der Sicht des Vernehmungsrichters war es nicht auszuschließen, dass die für die Ermittlung einer ladungsfähigen An¬schrift des Beschuldigten erforderliche Zeit den Untersuchungserfolg gefährden könnte. Die als Zeugin zu vernehmende Frau B war damals 94 Jahre alt; sie war – wie das Landgericht a a O ausdrücklich festgestellt hat – nach Erkenntnissen des Vernehmungsrichters krank, so dass damit gerechnet werden musste, sie könne bald sterben. Es war deshalb Eile geboten, die Vernehmung durchzuführen, ohne vorher Ermittlungen nach dem Aufenthalt des Beschuldigten anzustellen.
Im Übrigen ist die Verfahrensrüge des Beschuldigten auch deshalb unbegründet, weil er weder im disziplinarrechtlichen noch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jemals den Antrag gestellt hat, der Zeugin B gegenüber gestellt zu werden. Das hat er insbesondere auch nicht in den beiden mündlichen Anhörungen vom 31. August und 21. Oktober 1994 getan, zu denen er jeweils mit einem Verteidiger erschienen war. Es ist deshalb nicht anzunehmen, dass der Beschuldigte selbst erwartete, Frau B werde in sei¬ner Gegenwart als Zeugin anderes bekunden als sie ohne ihn mehrfach übereinstimmend getan hat.
V.
Der von dem Landgericht festgestellte und aus den oben dargelegten Gründen auch dem vorliegenden Urteil zu Grunde zu legende Sachverhalt erfüllt den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung in zwei Fällen nach §§ 246 Abs. 1 Alternative 2, 53, 56 StGB a. F. – Der Beschuldigte hat sich dadurch einer Amtspflichtverletzung nach § 2 Abs. 1 DiszG vom 11.03.55 (ABl. EKD S. 84) i. V. mit § 3 Abs. 1 PfDG vom 16.03.81 (ABl. EKD S. 176) schuldig gemacht.
1. Auf den vorliegenden Fall ist sowohl das DiszG wie auch das PfDG in der jeweils alten Fassung anzuwenden. Das ist oben für das DiszG bereits erörtert worden.
– Das PfDG vom 15.6.1996 (ABl. EKD S. 470) gilt nach Art. 14 EG PfDG vom 15.06.96 (ABl. EKD S. 487) i. V. mit § 107 PfDG n. F. erst seit dem 1. Januar 1997. Es ist also auf die hier schon im Jahre 1992 und 1994 begangenen beiden Taten nicht anwendbar.
2. Der materielle Inhalt der Amtspflicht eines Pfarrers ist für den hier zu entschei¬denden Fall im § 3 Abs. 1 Satz 1 PfDG a. F. und der Präambel zum DiszG a. F. festgelegt. Die zitierte Bestimmung des PfDG regelt nach ihrem In¬halt unmittel¬bar zwar nur die Anstellungsfähigkeit als Pfarrer; aus ihr kann aber der Inhalt der Amtspflicht erschlossen werden. Denn die Vorschrift setzt u. a. voraus, dass der Pfarrer „...sich eines Wandels befleißigt, wie er von einem Diener der Kirche erwartet wird“. Art. 67 Abs. 4 der Kirchenordnung der Evan¬gelischen Kirche im Rheinland i. d. F. vom 20. Januar 1979 (KABl. S. 41) konkretisiert diese Vorschrift als Voraussetzung der Ordination dahin, dass der Pfarrer einen „... dem Evangelium würdigen Wandel führen...“ muss. Ein Pfarrer, der gegen dieses Gebot verstößt, verletzt also seine Amtspflicht. – Die Präambel zum DiszG a. F. bestimmt in Abs. 3 Satz 1, dass eine kirchliche Amtsdisziplin nötig ist, „... um die Gemeinde vor Ärgernis und Unfrieden zu bewahren...“ Aus diesen Vor-schriften ist die Verpflichtung des ordinierten Pfarrers zu entnehmen, einen dem Evangelium würdigen, von der Kirche erwarteten untadeligen Lebenswandel zu führen, der dazu beiträgt, die Gemeinde vor Ärgernis und Unfrieden zu bewahren. Gegen diese Verpflichtung hat der Beschuldigte hier schuldhaft verstoßen. Das hat die Disziplinarkammer in dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Der Beschuldigte hat im Jahre 1992 einen Betrag von 5.000,- DM und im Jahr 1994 zwei Beträge von je 6.000,- DM unterschlagen. Er hat damit einen Lebenswandel geführt, der den oben dargelegten Geboten widerspricht. Er hat dadurch auch Ärgernis und Unfrieden in die Gemeinde getragen. Denn ein Pfarrer, der Gelder, die ihm von einem Gemeindemitglied mit einer bestimmten Weisung zur Verwendung übergeben worden sind, weisungswidrig für sich behält und deshalb im staatlichen Strafverfahren rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt worden ist, ist für die Gemeinde und die Kirche untragbar. Das ist offenkundig und bedarf deshalb keiner vertieften Begründung.
Die Disziplinarkammer hat in der angefochtenen Entscheidung nach § 5 Abs. 1 und 3 DiszG a. F. auch zutreffend auf die schwerste Disziplinarstrafe, nämlich die Aberkennung des Ruhegehalts erkannt. Der Schuldgehalt der beiden Taten wiegt schwer. Das Landgericht hat in seinem Berufungsurteil vom 4. Juli 1997 die von dem Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe von 13 Monaten deshalb bestätigt. – Der Beschuldigte hat weder der Disziplinarkammer noch dem Disziplinarhof irgend welche Gründe vorgetragen, die zu einer besonderen Strafmilderung hätten führen können. Solche Gründe sind auch sonst nicht zu erkennen. Der Schuldgehalt der beiden Taten wiegt so schwer, dass auch der bis dahin unbeanstandete Lebenswandel des Beschuldigten und seine im Übrigen ordentliche Amtsführung nicht verhindern können, dass die gegen einen Pfarrer im Ruhestand mögliche höchste Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Auch die Tatsache, dass die Freiheitsstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, kann den Schuldgehalt der festgestellten Tat nicht mindern. – Die aus der Lebensführung des Beschuldigten erkennbaren Milderungsgründe hat die Disziplinarkammer im Übrigen zutreffend dadurch berücksichtigt, dass sie nach § 85 Abs. 1 und 2 DiszG a. F. dem Beschuldigten auf die Dauer von 5 Jahren einen Unterhaltsbetrag von 75 % und danach auf Lebenszeit von 50 % des Ruhegehalts bewilligt hat, der an die ge¬schiedene Ehefrau und die Kinder des Beschuldigten zu zahlen ist, soweit er diesen gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 116 Abs. 1 DiszG a. F. Der Beschuldigte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos ist. Der Disziplinarhof hat keinen Anlass gesehen, abweichend von dem Regelfall davon abzusehen, dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.