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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 20.10.2010 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/S3-10 |
Rechtsgrundlage: | MVG.K § 40 Nr. 10, MVG.EKD § 40 Buchst. j) |
Vorinstanzen: | Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe, Kammer Diakonisches Werk Hannovers, 1 VR MVG 60/09, Fundstelle: ZMV 3/2011, S. 157 |
Schlagworte: | Mitbestimmungsrecht bei Überwachung durch einen Detektiv |
Leitsatz:
Nach dem System des MVG.K wie auch des MVG.EKD setzt das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung und Anwendung von Maßnahmen oder technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überwachen (§ 40 Nr. 10 MVG.K, § 40 Buchst. j) MVG.EKD) grundsätzlich einen kollektiven Bezug voraus. Das Mitbestimmungsrecht wird nur ausgelöst, wenn die Maßnahme der Dienststellenleitung nicht nur einen einzelnen Mitarbeiter betrifft, sondern die Mitarbeiterschaft als Kollektiv.
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg - Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 21. September 2009 - Az.: 1 VR MVG 60/09 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die Mitarbeitervertretung macht geltend, die Dienststellenleitung habe das Mitbestimmungsrecht nach § 40 Nr. 10 MVG.K - Einführung und Anwendung von Maßnahmen oder technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen - verletzt, indem sie an mehreren Tagen Ende Juli/Anfang August 2009 mit Hilfe einer Detektei das private Verhalten der Mitarbeiterin D während einiger Tage des Zeitraums habe ermitteln lassen, für die Frau D krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit attestiert worden war. Die Dienststellenleitung hegte den Verdacht, Frau D habe ihre ärztlich attestierte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Beauftragung von Detektiven zu überwachen, wenn diese Überwachung der Feststellung dient, ob arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden, sofern nicht die Mitarbeitervertretung dieser Maßnahme zuvor zugestimmt hat oder das Kirchengericht die Zustimmung ersetzt hat.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Schiedsstelle hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 21. September 2009 zurückgewiesen. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Mitarbeitervertretung. Sie meint, die Beschwerde sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung anzunehmen. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags im zweiten Rechtszug wird auf ihre Schriftsätze vom 11. Januar und 30. März 2010 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Ob sich die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde nach § 65 Abs. 2 MVG.K (i.d.F. vom 11. März 2006) oder nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD richtet, kann dahingestellt bleiben, weil beide Vorschriften wortwörtlich übereinstimmen.
2. Nach § 65 Abs. 2 Satz 1 MVG.K wie auch nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 MVG.K wie auch nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Annahmegründe liegt vor, vor allem nicht die zu Nummer der o.a. Annahmegründe.
Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung (Nummer 2 a.a.O.) ist nicht gegeben. Die Beschwerde hat nicht dargetan, inwieweit der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
a) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage i.S. dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD, Beschluss vom 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, 307, Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. g) MVG.EKD a.F.: KGH.EKD, Beschluss vom 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04 - ZMV 2006, S. 89).
b) Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist nur klärungsbedürftig, wenn darin ein kollektiver Tatbestand liegt. Daran fehlt es indessen. Es ist weder vorgebracht noch ersichtlich, dass die Anordnung und Durchführung der Überwachung des Verhaltens der Mitarbeiterin D während der ihr attestierten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Bezug auf die ganze Mitarbeiterschaft der Dienststelle oder einen Teil derselben hat oder auch nur haben kann.
Nach dem System des MVG.K wie auch des MVG.EKD setzt das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung und Anwendung von Maßnahmen oder technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überwachen (§ 40 Nr. 10 MVG.K, § 40 Buchst. j) MVG.EKD) grundsätzlich einen kollektiven Bezug voraus (Keilich in Berliner Kommentar zum MVG.EKD, Stand 2007, § 40 Rn. 3). Das Mitbestimmungsrecht wird nur ausgelöst, wenn die Maßnahme der Dienststellenleitung nicht nur einen einzelnen Mitarbeiter betrifft, sondern die Mitarbeiterschaft als Kollektiv. Daran fehlt es hier.
c) Auch ist die fallübergreifende allgemeine Bedeutung der von der Beschwerde formulierten Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan. Der konkrete Hinweis auf einen Fall aus der katholischen Kirche ist unbehelflich. Insoweit bestehen unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Die Behauptung, Arbeitgeber würden immer wieder das Verhalten von Arbeitnehmern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern während einer attestierten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Detektive überwachen lassen, ist zu unpräzise, um daraus auf eine fallübergreifende, allgemeine Bedeutung der hier in Rede stehenden Rechtsfrage der Mitbestimmungspflicht nach § 40 Buchst. j) MVG.EKD und/oder nach § 40 Nr. 10 MVG.K schließen zu lassen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).