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Kirchengericht: Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.04.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/R72-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 40 Buchstabe k) , WTG.NW* § 12 Abs. 1 und 5, DVO-WTG.NW**§ 4 * Gesetz über das Wohnen mit Assistenz und Pflege in Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen (Wohn- und Teilhabegesetz - WTG.NW) ** Durchführungsverordnung hierzu
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), 2 M69/09; Fundstelle: ZMV 5/2011, S. 268
Schlagworte:Polizeiliches Führungszeugnis
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Leitsatz:

Beruht eine an alle Mitarbeitenden gerichtete Aufforderung, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen, auf einer gesetzlichen oder behördlichen Vorgabe, so ist für ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 Buchstabe k) MVG.EKD kein Raum.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 25. August 2009, Az.: 2 M 69/09, wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung berechtigt ist, ohne Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens von allen ihren etwa 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses auf deren Kosten zu verlangen. Die Dienststellenleitung führt zwei Einrichtungen der Altenhilfe, eine Kindertagesstätte und einen Seniorenwohnpark; sie gehört dem Diakonischen Werk der Lippischen Landeskirche an.
Nach § 12 Abs. 1 des am 1. Juli 2009 in Kraft getretenen "Gesetz über das Wohnen mit Assistenz und Pflege in Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen (Wohn- und Teilhabegesetz - WTG.NW)" müssen die Beschäftigten einer Betreuungseinrichtung die erforderliche persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen auszuübende Tätigkeit besitzen. Nach § 4 der zu diesem Gesetz ergangenen Durchführungsverordnung (DVO-WTG.NW) dürfen bei der Leitung wie bei den Beschäftigten keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie für die Tätigkeit persönlich ungeeignet seien. Solche Ausschlussgründe sind insbesondere Straftaten, wie sie in einem polizeilichen Führungszeugnis aufgeführt werden. Die Frage, wer die Kosten für ein solches polizeiliches Führungszeugnis zu tragen hat, ist weder im WTG.NW, noch in der DVO-WTG.NW, geklärt worden.
Die Mitarbeitervertretung hat nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage der Kostentragung ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 Buchstabe k) MVG.EKD geltend gemacht. Demgegenüber stellt sich die Dienststellenleitung auf den Standpunkt, ihr Verlangen auf Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses sei nur die Durchführung einer gesetzlichen Auflage; die Heimaufsicht habe sie hierzu angehalten.
Die Mitarbeitervertretung hat daraufhin die Schichtungsstelle angerufen. Sie meint, aus dem Gesetz lasse sich eine Pflicht zur Vorlage eines persönlichen Führungszeugnisses nicht herleiten, geschweige denn, dass die Kosten hierfür von den Mitarbeitenden zu tragen seien. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes nebst Anlagen vom 30. Juni 2009 Bezug genommen.
Sie hat beantragt, festzustellen,
1. dass die an alle Mitarbeitenden gerichtete Anweisung, auf eigene Kosten ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen, der Mitbestimmung unterliege,
2. dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt sei, von den Mitarbeitenden die Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse zu verlangen, solange hierfür eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht vorliege oder durch die Schlichtungsstelle rechtskräftig ersetzt worden sei.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie betont, auf Veranlassung der Heimaufsicht gehandelt zu haben, welche die Vorlage von Führungszeugnissen als gesetzliche Vorgabe des WTG.NW und der dazu ergangenen DVO ansehe. Wegen der Kostentragung verhandele sie mit dem zuständigen Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 30.Juli 2009 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat durch ihren Beschluss vom 25. August 2009 die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, die Vorlage der polizeilichen Führungszeugnisse betreffe nicht die Ordnung in der Dienststelle, sondern das individuelle Arbeitsverhältnis.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde; sie meint das Ordnungsverhalten i.S. des § 40 Buchstabe k) MVG.EKD sei durch die Aufforderung, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen, betroffen, denn diese Aufforderung sei an alle Mitarbeitenden gerichtet worden; auf die Schriftsätze vom 28. September und 22. Oktober 2009 wird Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EG MVG-Lippe (Ges. u. VOBl. 1997 Bd. 11 S. 257, 2004 Bd. 13 S. 269/S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor.
3. Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird.
4. Solche Zweifel liegen nicht vor. Vielmehr hat die Vorinstanz zutreffend entschieden.
a) Beruht eine an alle Mitarbeitenden gerichtete Aufforderung, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen, auf einer gesetzlichen oder behördlichen Vorgabe, so ist für ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 Buchstabe k) MVG.EKD kein Raum. Das an alle Mitarbeitenden gerichtete Verlangen, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen, unterliegt angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 12 WTG.NW und in § 4 DVO-WTG.NW und der Haltung der Heimaufsichtsbehörde deshalb nicht der Mitbestimmung, weil es weder die Ordnung der Dienststelle, noch das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst betrifft. Um ein Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst geht es schon deshalb nicht, weil die Aufforderung nicht das Arbeitsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. Die Ordnung in der Dienststelle ist aber ebenfalls nicht betroffen. Hierunter sind alle diejenigen Anordnungen zu verstehen, die die Dienststellenleitung kraft ihres Direktionsrechts in der Dienststelle trifft und mit der sie z.B. in Form von Arbeitsordnungen, Vorschriften über das Aussehen der Dienstkleidung usw. kraft eigenen Rechts Regeln schafft. Die dem Schutz der Mitarbeitenden dienende Mitbestimmung betrifft die von der Dienststellenleitung verfügten Regelungen. Sie sollen der Kontrolle durch Mitbestimmung unterworfen sein.
b) Das aber trifft hier gerade nicht zu. Die Anforderung polizeilicher Führungszeugnisse beruht nicht auf einer Entscheidung der Dienststelle kraft eigenen Rechts, sondern auf den gesetzlichen Vorgaben i.V.m. der Haltung der Heimaufsicht. Vor allem die Formulierung in § 4 DVO-WTG.NW erfordert Auskünfte und Erklärungen, wie sie nur durch ein polizeiliches Führungszeugnis beigebracht werden können, will man sich nicht mit einer Selbstauskunft des einzelnen Mitarbeiters begnügen. Letzteres wäre angesichts des Zwecks von § 12 Abs. 1 WTG.NW unzureichend. Die Dienststellenleitung hat auch nicht etwa die wiederholte Vorlage solcher Zeugnisse angeordnet. Der von der Beschwerde herangezogene Beschluss des LAG Hessen vom 2. November 2006 (5 TaBVGa196/06 - juris) betrifft nicht die hier vorliegende Rechtslage. Die dort gebotene Zuverlässigkeitsprüfung nach dem sog. "Geldwäschegesetz" konnte - auch nach den behördlichen Vorgaben - mit unterschiedlichen Mitteln und nicht nur mit Hilfe eines polizeilichen Führungszeugnisses vorgenommen werden; zudem hatte die dortige Arbeitgeberin die Wiederholung der Vorlage von polizeilichen Führungszeugnissen im Rhythmus von zwei Jahren beabsichtigt.
c) Der eigentliche Anlass für die vorliegende Streitigkeit scheint indessen nicht in der Anordnung der Vorlage der polizeilichen Führungszeugnisse zu liegen, sondern in der Frage, wer die Kosten hierfür trägt. Diese Frage kann die Mitarbeitervertretung ohnehin nicht mit Hilfe ihres Mitbestimmungsrechts nach § 40 Buchstabe k) MVG.EKD regeln (vgl. für das Fehlen dieser betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz im Fall der Mitbestimmung beim Tragen von Personalkleidung zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: BAG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).