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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.11.2011
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/T8-11
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 34 Abs. 3 Satz 3, § 42 Buchstabe a), § 46 Buchstabe h), § 61 Abs. 1
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Rheinland und des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche im Rheinland, 1 GS 39/2010
Schlagworte:Informationspflicht über Mitarbeiter Dritter
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Leitsatz:

1. Die Grenze der Informationspflicht ist dort erreicht, wo mitarbeitervertretungsrechtliche Beteiligungsrechte offenkundig auszuschließen sind (Bestätigung von KGH.EKD, Beschluss vom 24. August 2010 - II-0124/R28-09 - z.V.v.).
2. Dies gilt nicht nur, wenn von Anfang an kein Beteiligungsrecht bestanden hat, sondern auch, wenn es wegen Zeitablaufs nach § 61 Abs. 1 MVG.EKD verfallen und deshalb nicht mehr mit gerichtlicher Hilfe durchsetzbar ist.
3. Die Unterrichtung nach § 34 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD über Personen und Einsatz von Mitarbeitern dritter Unternehmen dient dem Zweck, Tatsachen zu erfahren, aus denen die Mit-arbeitervertretung erkennen kann, ob es sich bei der Betätigung der Fremdarbeitskräfte in der Einrichtung um Arbeitnehmerüberlassung handelt oder um die Erbringung einer gegenständlich bestimmten Dienst- oder Werkleistung.
4. Ist eine Einstellung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung erfolgt, so kann sie des-wegen innerhalb der zweimonatigen Frist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD das Kirchengericht anru-fen. Diese Frist stellt eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar. Wird sie überschritten, so kann die Mitarbeitervertretung die Rechtsverletzung nicht mehr geltend machen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststelle verpflichtet ist, der antragstellenden Mitarbeitervertretung unter Nennung von Personen und unter Angabe von Betriebsteil, Abteilung und Station mitzuteilen, welche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dritter Arbeitgeber, vor allem der beiden der Dienststelle zugeordneten Dienstleistungsunternehmen, in der Dienststelle regelmäßig tätig sind. Die Mitarbeitervertretung hatte die Dienststellenleitung mit ihrem Schreiben vom 16. April 2010 um eine entsprechende Auskunft gebeten und mit ihrem Schreiben vom 17. Juni 2010 die hierauf gerichtete Erörterung für beendet erklärt. Am 19. Juli 2010 (Fax) hat sie deswegen die Schlichtungsstelle angerufen.
Sie hat geltend gemacht, ihr Anspruch auf eine solche Auskunft folge aus § 34 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD. Eine solche Auskunft habe sie zuletzt im Jahr 2007 erhalten. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass die Mitarbeitervertretung umfassend über die in der Einrichtung tätigen Mitarbeiter von Drittfirmen informiert werde bzw. informiert worden sei. Wegen der Einzelhei-ten des erstinstanzlichen Vorbringens der Antragstellerin wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 16. Juli 2010 und 6. Dezember 2010 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, der Antragstellerin darüber Auskunft zu erteilen, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von dritten Arbeit-gebern im Betrieb der Dienststelle regelmäßig tätig sind.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, sie informiere die Mitarbeitervertretung laufend über den Einsatz jeden Mitarbeiters der beiden Dienstleistungsunternehmen mit Namen, Einsatzbereich und Einsatzort sowie zu erbringender Stundenzahl, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Die Antragstellerin könne sich aus diesen Daten die von ihr vermutlich gewünschte Liste selbst erstellen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststel-lenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 12. August, 23. September und 24. Dezember 2010 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag mit in Kern der Begründung zurückgewiesen, das mit dem Antrag verfolgte Begehren sei durch die laufende Unterrichtung, die die Dienststellenlei-tung erteile, erfüllt.
Gegen diesen ihr am 10. Februar 2011 zugestellten Beschluss vom 10. Januar 2011 wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 8. März 2011 per Fax eingereichten Beschwerde. Sie hält den Beschluss für unrichtig und hebt hervor: Die Dienststellenleitung unterrichte die An-tragstellerin dann, wenn eine bislang von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrgenommene Aufgabe auf Arbeitnehmer dritter Unternehmen übertragen werde. In diesem Fall erhalte die Antragstellerin Auskunft über die Identität der eingesetzten Person, den Einsatzort (in den meisten Fällen, aber nicht immer), den Zeitraum des Einsatzes sowie einen Hinweis darauf, welcher frühere Arbeitnehmer der Dienststelle ersetzt werde und aus welchen Gründen die Ersetzung erforderlich sei. Die Mitarbeitervertretung werde allerdings nicht darüber unterrich-tet, welche Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften eingesetzt werden, die bereits vor Ein-führung dieser Informationspraxis tätig waren; sie werde auch nicht unterrichtet, wenn Mitar-beiter dieser Dienstleistungsgesellschaften vorübergehend oder dauerhaft ausschieden oder durch andere Arbeitnehmer dieser Dienstleistungsgesellschaften ersetzt würden. Wegen der Einzelheiten ihrer Vorbringens in der Beschwerdeinstanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beschwerdeführerin vom 8. März, 11. April und 20. April und 10. September 2011 Bezug genommen. Sie verfolgt der Sache nach ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.
Die Dienststellenleitung ist der Beschwerde nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes nebst Anlagen vom 29. August 2011 entgegengetreten.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund ge-geben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG.EKiR (KABl. 2005, S. 142).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlus-ses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die zu § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Be-schlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrschein-lichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen ge-setzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 10. März 2011 - I-0124/S62-10 - ZMV 2011, 213). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Der in der Beschwerde uneingeschränkt weiter verfolgte Antrag der Mitarbeitervertretung ist insgesamt zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden. Unbegründet ist die Beschwerde schon nach dem eigenen Vorbringen der beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung, soweit sie einräumt, dass die Dienststellenleitung sie über den Einsatz fremder Arbeitnehmer im Einzelfall unterrichtet. Im Kern macht sie nur noch geltend, keine Unterrichtung über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dritter Unternehmen erhalten zu haben, die schon seit der Zeit vor dem Beginn der Unterrichtungspraxis im Jahre 2007 in der von der Dienststelle geleiteten Einrichtung tätig sind. Hierauf kann aber der jetzt verfolgte Antrag nicht (mehr) gestützt werden. Unterrichtungsansprüche nach § 34 MVG.EKD sind auf die Aufgaben der Mitarbeitervertretung bezogen. Der Mitarbeitervertretung soll durch die Aus-kunft ermöglicht werden zu erkennen, ob aus den mitgeteilten Tatsachen und Umständen Aufgaben der Mitarbeitervertretung folgen und ob sie zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden muss oder will. Die Grenze der Informationspflicht ist dort erreicht, wo mitarbei-tervertretungsrechtliche Beteiligungsrechte offenkundig auszuschließen sind (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 24. August 2010 - II-0124/R28-09 - z.V.v.). Dies gilt nicht nur, wenn von An-fang an kein Beteiligungsrecht bestanden hat, sondern auch, wenn es wegen Zeitablaufs nach § 61 Abs. 1 MVG.EKD verfallen und deshalb nicht mehr mit gerichtlicher Hilfe durchsetzbar ist.
c) So liegt es auch hier. Aus einer Unterrichtung für die Zeit vor Beginn der skizzierten Unterrichtungspraxis im Jahr 2007 kann die Mitarbeitervertretung jetzt keine für sie noch mit gerichtlicher Hilfe durchsetzbaren Mitbestimmungsrechte gegen die Dienststellenleitung mehr herleiten.
aa) Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Informationsanspruch der Mitarbeiter-vertretung kommt nur § 34 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD in Betracht. Die Unterrichtung nach § 34 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD über Personen und Einsatz von Mitarbeitern Dritter Unternehmen dient dem Zweck, Tatsachen zu erfahren, aus denen die Mitarbeitervertretung erkennen kann, ob es sich bei der Betätigung der Fremdarbeitskräfte in der Einrichtung um Arbeitnehmerüberlassung handelt oder um die Erbringung einer gegenständlich bestimmten Dienst- oder Werkleistung. Der Einsatz von Mitarbeitern auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen löst als solcher keine Mitbestimmungstatbestände nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD aus, für die es auf die von der Mitarbeitervertretung begehrte Unterrichtung ankommt. Nur die Arbeitnehmerüberlassung kann zu derartigen Mitbestimmungsrechten führen, nicht zuletzt deshalb, weil der überlassene Mitarbeiter in den Betrieb der Einrichtung eingegliedert und insoweit i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD "eingestellt" wird. Ist eine Einstellung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung erfolgt, so kann sie deswegen innerhalb der zweimonatigen Frist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD das Kirchengericht anrufen. Diese Frist stellt eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar. Wird sie überschritten, so kann die Mitarbeitervertretung die Rechtsverletzung nicht mehr geltend machen. Die Frist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD ist hinsichtlich der Einsätze von Mitarbeitern Dritter Firmen in der Zeit vor Beginn der Unterrichtungspraxis im Jahr 2007 schon lange verstrichen. Die Einstellung ist ein einmaliger Vorgang, jedoch kein Dauertatbestand. Sie ist mit der Eingliederung in die Dienststelle vollzogen.
bb) Auf andere Mitbestimmungs- oder Mitwirkungs- oder Mitberatungsrechte nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD kann die Mitarbeitervertretung zur Rechtfertigung des hier verfolgten Informationsbegehrens nicht zurückgreifen. Dies gilt namentlich für das Mit-bestimmungsrecht nach § 46 Buchstabe h) MVG.EKD im Fall der dauerhaften Vergabe von Arbeitsbereichen an Dritte, die bisher von dienststelleneigenen Mitarbeitern wahrgenommen worden sind. Um erkennen zu können, ob ein solches Mitberatungsrecht ausgelöst sein kann, kommt es auf die Nennung von Namen u.s.w. der Mitarbeiter des Dritten nicht an.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).