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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.07.2009
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R22-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs und des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs e.V., 5/08
Schlagworte:Grundsätzliche Bedeutung
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Leitsatz:


1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD, Beschluss vom 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, S. 307; Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09 n.v.; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. g) MVG.EKD a.F.: KGH.EKD, Beschluss vom 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04 - ZMV 2006, S. 89).
2. Die Beschwerde muss die abstrakte Rechtsfrage in der anzufechtenden Entscheidung aufzeigen und sie konkret benennen. Eine Rechtsfrage liegt regelmäßig nur vor, wenn sie mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; eine differenzierte Beantwortung wird damit nicht ausgeschlossen, wohl aber handelt es sich nicht mehr um eine abstrakte Rechtsfrage, wenn deren Beantwortung von Umständen des Einzelfalles abhängt (BAG vom 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - AP Nr. 66 zu § 72a ArbGG 1979 = NZA 2008, S. 376 = NJW 2007, S. 1165; Friedrich in Bader/Creutzfeld/Friedrich, Kommentar zum ArbGG, 5. Auflage 2008, § 72a Rn. 5). Bloße Regelungszusammenhänge stellen ebenso wenig wie "Legeldefinitionen" "Rechtsfragen" dar.
3. Von abstrakten Rechtsfragen sind die Fragen zu unterscheiden, die sich bei der Subsumtion des Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff oder einen Rechtssatz stellen können. Dies betrifft die Frage der Rechtsanwendung. Werden insoweit Fehler gerügt, so geht es hinsichtlich eines Grundes für die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD nicht um abstrakte Rechtsfragen von grunsätzlicher Bedeutung (Nummer 2), sondern ggf. um andere Annahmegründe.

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die Gesamtmitarbeitervertretung B am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt ist.
2. Die Beschwerden der regionalen Mitarbeitervertretung und der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs und des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs e.V. vom 13. März 2009 - 5/08 - werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. streiten darüber, ob der regionalen Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung von drei medizinischen Fachkräften und vier pädagogischen Fachkräften in EG 7 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs e.V. (AVR.DWM) sowie von drei Nichtfachkräften in EG 3 AVR.DWM bestanden hat. Die Antragstellerin betreibt ein psychosoziales Wohnheim mit 30 Plätzen; überwiegend sind dort Menschen mit Depressionen untergebracht, einige dieser Menschen stehen unter rechtlicher Betreuung. Die Einrichtung dient der Eingliederungshilfe nach SGB XII. Am 1. Januar 2008 ist eine reformierte Fassung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs e.V. (AVR.DWM) in Kraft getreten. Die Beteiligten hatten zunächst versucht, eine generelle Lösung im Wege einer Dienstvereinbarung mit der Gesamtmitarbeitervertretung zu finden; dies misslang.
Die Dienststellenleitung hat die Schlichtungsstelle angerufen. Sie hat gemeint, nicht die regionale Mitarbeitervertretung (Beteiligte zu 2), sondern die Gesamtmitarbeitervertretung sei für die Mitbestimmung bei der Eingruppierung der in Rede stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig, und hat deshalb ihren Antrag auch gegen die Gesamtmitarbeitervertretung gerichtet. In der Sache hat sie die Ansicht vertreten, die Fachkräfte seien in EG 7, die Nichtfachkräfte in EG 3 AVR.DWM eingruppiert. Die Mitarbeitervertretung hätte ihre Zustimmung ohne Grund verweigert. Die Dienststellenleitung hat entsprechende Anträge an die Schlichtungsstelle gestellt. Die regionale Mitarbeitervertretung hat geltend gemacht, wegen der übergreifenden pflegerischen und pädagogischen Fähigkeiten seien die Fachkräfte in EG 8, wegen der höheren Anforderungen seien die in Rede stehenden Nichtfachkräfte in die EG 4 AVR.DWM eingruppiert.
Die Schlichtungsstelle hat durch ihren Beschluss vom 13. März 2009 den Anträgen hinsichtlich der Fachkräfte gegenüber der regionalen Mitarbeitervertretung stattgegeben, sie im Übrigen jedoch zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die regionale Mitarbeitervertretung mit dem Antrag, ihre Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen; sie meint, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Vorinstanz wichtige Rechtsfragen zur Eingruppierung nach der neuen Rechtsgrundlage in ihrem Beschluss nicht angesprochen oder geklärt habe und noch keine Entscheidung des KGH.EKD hierzu ergangen sei. Einen Sachantrag hat sie nicht angekündigt. Ihrem Vorbringen ist jedoch das Begehren zu entnehmen, den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen, soweit festgestellt worden ist, dass für sie kein Grund bestanden hat, ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Fachkräfte in EG 7 zu verweigern. Wegen der Einzelheiten wird auf ihren Schriftsatz vom 12. Mai 2009 Bezug genommen.
Auch die Dienststellenleitung hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen und ihrem Antrag hinsichtlich der drei Nichtfachkräfte stattzugeben und rügt den angefochtenen Beschluss insoweit als unrichtig. Gegen die Abweisung ihrer gegen die Gesamtmitarbeitervertretung gerichteten Anträge wendet sie sich nicht. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes nebst Anlagen vom 16. Juni 2009 Bezug genommen.
II. Verfahrensleitend war festzustellen, dass die Gesamtmitarbeitervertretung nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt ist. Der gegen sie gerichtete Antrag ist erstinstanzlich abgewiesen worden; die insoweit unterlegene Dienststellenleitung hat gegen den Beschluss keine Beschwerde eingelegt.
III. Die Beschwerden waren nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerden richtet sich nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD i. V. m. § 1 MVG.Mecklenburg vom 7. Oktober 2006 (KABl. S. 79),
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.
3. Die regionale Mitarbeitervertretung stützt ihre Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD (dazu unter a). Ohne es ausdrücklich hervorzuheben, lassen sich die Ausführungen dieser Beschwerde aber auch als Vorbringen zum Annahmegrund "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung" (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD) verstehen (dazu unter b).
a) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung (Nummer 2 a.a.O.) ist nicht gegeben. Weder hat die Beschwerde dargetan, noch ist sonst ersichtlich, inwieweit der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
aa) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder diakonische Rechtsordnung ist (KGH.EKD Beschluss vom 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - ZMV 2006, 307, Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09 n.v.; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. g) MVG.EKD a.F.: KGH.EKD Beschluss vom 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04- ZMV 2006, S. 89).
Die Beschwerde muss die abstrakte Rechtsfrage in der anzufechtenden Entscheidung aufzeigen und sie konkret benennen. Eine Rechtsfrage liegt regelmäßig nur vor, wenn sie mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; eine differenzierte Beantwortung wird damit nicht ausgeschlossen, wohl aber handelt es sich nicht mehr um eine abstrakte Rechtsfrage, wenn deren Beantwortung von Umständen des Einzelfalles abhängt (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - AP Nr. 66 zu § 2a ArbGG 1979 = NZA 2008, 376 = NJW 2007, 1165; Friedrich in Bader/Creutzfeld/Friedrich, Kommentar zum ArbGG, 5. Auflage 2008, § 72a Rn. 5). Bloße Regelungszusammenhänge stellen ebenso wenig wie "Legaldefinitionen" "Rechtsfragen" dar.
Von abstrakten Rechtsfragen sind die Fragen zu unterscheiden, die sich bei der Subsumtion des Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff oder einen Rechtssatz stellen können. Dies betrifft die Frage der Rechtsanwendung. Werden insoweit Fehler gerügt, so geht es hinsichtlich eines Grundes für die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD nicht um abstrakte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (Nummer 2), sondern ggf. um andere Annahmegründe.
bb) Hieran gemessen zeigt die Beschwerde keine Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung auf. Die Beschwerde führt aus, der "Streitstoff insgesamt" habe grundsätzliche Bedeutung, dies auch, weil die Vorinstanz zu einer Reihe von Einzelfragen im Zusammenhang mit § 12 AVR.DW.EKD und Anlage 1 Stellung genommen habe, hebt sodann aber hervor, dass die Vorinstanz zu § 12 Abs. 2 Satz 2, wonach "eine Tätigkeit prägend sei, wenn sie unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrags" sei, lediglich ausgeführt habe: Das "Aufgabenspektrum eines Heilerziehungspflegers oder einer Heilerziehungspflegerin präge die Tätigkeit der Fachkräfte im Sinne des § 12 Abs. 2 AVR" und rügt, die Vorinstanz habe sich mit der "Legaldefinition des § 12 Abs. 2 AVR" nicht auseinandergesetzt. Die Frage, "wie die Prägung i.S. von § 12 Abs. 2" zu verstehen sei, habe für die Anwendung der Anlage 1 grundsätzliche Bedeutung. Sie zeigt aber nicht auf, inwieweit es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt und nicht nur um eine - aus ihrer Sicht fehlerhafte - Subsumtion.
Entsprechendes gilt für die Rüge, die Vorinstanz habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, wann "vertieftes und erweitertes Fachwissen" (EG 8 AVR.DWM) vorliege, sondern nur festgestellt, dass solches nicht vorliege.
b) Auch der Annahmegrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (Nummer 1 a.a.O.) liegt nicht vor.
aa) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. (std. Rspr. des KGH.EKD; z.B. Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, S. 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09 n.v.).
bb) Auch diese Voraussetzung liegt nicht vor. Es ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein werde. Insbesondere der Hinweis auf die in EG 8 Teil A aufgeführten Richtbeispiele spricht eher für die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung als für deren Unrichtigkeit. Bei der in Rede stehenden Einrichtung handelt es sich nicht um eine "Psychiatrie", sondern um ein Wohnheim, auch wenn darin Menschen mit Depressionen untergebracht sind. Es ist auch sonst anhand der Beschwerde und unter Berücksichtigung der erstinstanzlich eingeführten Tatsachen nicht erkennbar, dass die Subsumtion der Vorinstanz, die in Rede stehenden Fachkräfte bedürften für die ihnen übertragenen Tätigkeiten nicht des "vertieften oder erweiterten Fachwissens oder entsprechender Fähigkeiten", mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig und deshalb das Gegenteil anzunehmen sei. Aus dem bloßen Umstand, dass die Fachkräfte in einem psychosozialen Wohnheim tätig sind, lässt sich nicht zwingend oder auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit herleiten, ihnen seien Aufgaben übertragen, die in die EG 8 Teil A AVR.DWM fielen. Wie vor allem die Richtbeispiele der EG 7 Teil A AVR.DWM zeigen, sind auch dort Tätigkeiten aufgeführt, die die Pflege / Betreuung oder Erziehung auch seelisch gestörter Menschen zum Gegenstand haben. Insgesamt zeigt die Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt nur auf, dass eine andere Entscheidung möglich ist, nicht aber, dass diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu treffen sein wird.
4. Die Dienststellenleitung stützt sich, ohne dies besonders hervorzuheben, auf den Annahmegrund "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung" (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD). Ihre Ausführungen lassen indessen - ähnlich wie die der Beschwerde der regionalen Mitarbeitervertretung - nicht erkennen, dass die Abweisung ihres Antrags, festzustellen, dass die regionale Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung der Nichtfachkräfte in EG 3 AVR.DWM zu Recht verweigert habe, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig und darüber anders, nämlich stattgebend, zu befinden sei.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).