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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:22.04.2008
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/P6-08
Rechtsgrundlage:GVG § 17 a , MVG.K § 63 Abs. 9 i.V.m. § 1 Abs. 2 VerfOSchst, ArbGG § 83 Abs. 5, § 78, ZPO §§ 567 ff., MVG.EKD § 62, KiGG.EKD § 20
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers -, Verweisungsbeschluss, 1 VR MVG 55/07
Schlagworte:Zuständigkeit der Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke bei Befreiung der Dienststelle von der Verpflichtung zur Anwendung des MVG.K und bei Anwendung des MVG.EKD
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Leitsatz:

Aufgrund der Mitgliedschaft der Dienststelle im Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ist die Zuständigkeit der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe auch dann gegeben, wenn in der Dienststelle nicht mehr das MVG.K, sondern nach auf Antrag der Dienststellenleitung ergangenem Beschluss des Präsidiums des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers in der Dienststelle künftig das MVG.EKD angewendet wird; die Schiedsstelle kann dann bei mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten aus dem Bereich dieser Dienststelle das MVG.EKD zugrunde legen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - vom 21. Januar 2008 - Az.: 1 VR MVG 55/07 - aufgehoben.
Die Zuständigkeit der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe ist gegeben.
Das Verfahren wird an die Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe zurückverwiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Rauchverbots.
Die Mitarbeitervertretung hat mit am 2. Oktober 2007 bei der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers eingegangenen Schriftsatz vom 1. Oktober 2007 u.a. beantragt:
1. Das von der Dienststelle im Juli/August 2007 verhängte dauerhafte allgemeine Rauchverbot in allen Gebäuden der Dienststelle ist unwirksam.
2. Durch die Verhängung eines dauerhaften allgemeinen Rauchverbotes ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung, wie im Antrag zu 1 beschrieben, verletzt die Dienststelle die Rechte der Mitarbeitervertretung insbesondere aus § 40 Nr. 2, Nr. 8 und Nr. 11 MVG-K.
Mit Verfügung vom 22. Oktober 2007 teilte der Vorsitzende den Beteiligten folgendes mit:
"Die Dienststelle ist von einer Einrichtung außerhalb des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers übernommen worden. Die Dienststelle ist Mitglied im Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers.
Mit Schreiben vom 23. August 2007 beantragte die übernehmende Einrichtung gem. § 8 Abs. 2 d S. 2 der Satzung des Diakonischen Werkes von der Verpflichtung zur Anwendung des MVG-K befreit zu werden, um in ihren Einrichtungen einheitlich das MVG-EKD anzuwenden.
Mit Beschluss des Präsidiums vom 27. September 2007 wurde diesem Anliegen zur Aufhebung der Anwendung des niedersächsischen MVG-K für die Dienststelle gefolgt. Nach dem Beschluss wird in der Dienststelle künftig das MVG-EKD angewendet. Der Beschluss wurde der übernehmenden Einrichtung zugestellt.
Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KiGG.EKD entscheidet das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland über Streitigkeiten aus der Anwendung des MVG (EKD). Entsprechend überträgt § 60 MVG-EKD die Zuständigkeit für die Entscheidung über alle Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung des MVG-EKD ergeben, auf die Kirchengerichte.
Es ist daher beabsichtigt, das Schiedsverfahren gem. § 1 VerfOSchst i.V.m. §§ 80 Abs. 3, 48 ArbGG, § 17 a Abs. 2 - 4 GVG an das Kirchengericht der EKD (...) zu verweisen. Gem. § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG bedarf es keines Verweisungsantrages der Beteiligten, sondern die Schiedsstelle entscheidet ggf. von Amts wegen.
..."
Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2007 stimmte die Mitarbeitervertretung einer Entscheidung durch Beschluss des Vorsitzenden zu.
Auch die Dienststellenleitung stimmte mit Schriftsatz vom 15. November 2007 der Entscheidung durch den Vorsitzenden zu und führte aus:
§ 62 Abs. 1 MVG.K sehe eine Zuständigkeit der Schiedsstelle der Konföderation vor. Genauso sehe § 60 MVG.EKD die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle für sich vor. Damit würden aber jeweils lediglich die Zuständigkeiten in den einzelnen Regelungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes selber geregelt.
Aus der Satzung des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche Hannovers ergebe sich nach § 8 zunächst die Verpflichtung der Mitglieder zur Anwendung des MVG.K. Ebenso ergebe sich jedoch aus § 8, dass die Mitglieder von dieser Verpflichtung entbunden werden könnten, wie geschehen.
Wenn das Diakonische Werk eine Verpflichtung zur Anwendung des MVG.K vorsehe, müsse es auch für die Einhaltung Rechtswege zur Verfügung stellen. Das habe sie durch Einrichtung der Schiedsstelle getan.
Entsprechend habe sie jedoch auch für Rechtssicherheit zu sorgen, wenn sie von der eigenen Ausnahmeregelung Gebrauch mache und so bei der Dienststelle die Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD gestatte. Die Dienststelle sehe deshalb die angesprochene Verweisung als nicht geboten an.
Mit dem der Mitarbeitervertretung am 23. Januar 2008 zugestellten Beschluss vom 21. Januar 2008 verneinte die der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - ihre Zuständigkeit und verwies das Verfahren an das Kirchengericht der EKD. Eine Rechtsmittelbelehrung ist dahin erteilt, dass "gegen den Beschluss ... die Beschwerde nicht gegeben (§ 65 Abs. 1 MVG.K) .... ist".
Mit beim Kirchengerichtshof am 11. Februar 2008 eingegangenem Schriftsatz vom 8. Februar 2008 hat die Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schiedsstelle Beschwerde eingelegt. Sie macht die Zuständigkeit der Schiedsstelle geltend.
II. Die als sofortige Beschwerde aufzufassende Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist an sich statthaft, auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet.
Zuständig ist die Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe.
1. Gegen Beschlüsse Kirchengerichte erster Instanz, die die Zuständigkeit eines Kirchengerichts verneinen (§ 17 a Abs. 2 GVG in entsprechender Anwendung) oder bejahen (§ 17 a Abs. 3 GVG in entsprechender Anwendung), ist gem. § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG (vgl. § 20 KiGG.EKD) die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung gegeben, mithin ist nach § 63 Abs. 9 MVG.K i.V.m. § 1 Abs. 2 VerfOSchst, § 83 Abs. 5 i.V.m. § 78 ArbGG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO, die sofortige Beschwerde sonach statthaft, § 20 KiGG.EKD i.V.m. § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, § 62 MVG.EKD.
Die Beschwerde ist auch zulässig.
Die Mitarbeitervertretung hat zwar die Frist von zwei Wochen des § 569 ZPO versäumt. Der Beschluss vom 21. Januar 2008 war am 23. Januar 2008 zugestellt worden, die Beschwerde aber erst am 11. Februar 2008 beim Kirchengerichtshof eingegangen, also nach Fristablauf am 6. Februar 2008. Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist aber als sofortige Beschwerde gleichwohl zulässig. Denn die erteilte Rechtsmittelbelehrung ist unrichtig. Sie entspricht nicht der Rechtslage, d.h. sofortige Beschwerde. Die Rechtsmittelbelehrung war vielmehr dahin erteilt worden, dass gegen den Beschluss der Schiedsstelle die Beschwerde nicht gegeben ist (§ 65 Abs. 1 MVG). § 65 Abs. 1 MVG.K bezieht sich nur auf verfahrensbeendende Beschlüsse, nicht aber auf Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges bzw. der Zuständigkeit einzelner Kirchengerichte, hier einer Landeskirche und der EKD. Wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung beträgt die Beschwerdefrist gem. § 9 Abs. 5 S. 4 ArbGG ein Jahr seit Zustellung der Entscheidung (vgl. für den staatlichen Bereich BAG vom 26. September 2002 - 5 AZB 15/02 - BAGE 103, 16, 18 zu B I 2 der Gründe betreffend fehlerhafte Belehrung über die Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 S. 4 GVG: Rechtsbeschwerde).
Der Erlass eines Nichtabhilfebeschlusses i.S.d. § 572 ZPO ist nicht Voraussetzung für die Entscheidung der Beschwerdeinstanz (OLG Stuttgart vom 27. August 2002 - 14 W 3/02 - MDR 2003, 110; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 27. Auflage § 572 Rn. 11).
2. Die danach vorzunehmende Sachprüfung ergibt, dass - abweichend von der Ansicht der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - die Zuständigkeit der Schiedsstelle gegeben ist.
Aufgrund der Mitgliedschaft der Dienststelle im Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ist die Zuständigkeit der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - gegeben. Ihr sind die mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten für Einrichtungen zugewiesen, die dem Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers angehören.
Daran ändert auch nichts, dass nach dem Beschluss des Präsidiums des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers vom 27. September 2007, der auf Antrag der Dienststelle erging, in der Dienststelle "künftig das MVG-EKD angewendet" wird.
Das ändert an der Mitgliedschaft der Dienststelle im Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers nichts. Die Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers - hat dann bei mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten aus dem Bereich dieser Dienststelle das MVG.EKD zugrunde zu legen.
Das folgt aus der Verordnung des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle (VerfOSchst) vom 16.12.1996, die aufgrund des § 63 Abs. 9 des MVG.K ergangen ist, insbesondere aus deren § 2.
Eine Einschränkung auf Dienststellen, die das MVG.K anwenden, ist nicht vorgesehen, das wäre auch insofern nicht tragfähig, als das Diakonische Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers nicht durch einen Ausnahmebeschluss den Weg zu den Kirchengerichten versperren kann, die kraft des Rechts der verfassten Kirche zuständig sind.
§ 5 Abs. 2 Nr. 2 KiGG.EKD und § 60 MVG.EKD stehen nicht entgegen. Diese Bestimmungen legen den Zuständigkeitsbereich der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland fest. Er erfasst aber nicht Dienststellen, die Mitglied eines landeskirchlichen Diakonischen Werkes sind und aufgrund einer Ausnahmegenehmigung des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes nicht das gliedkirchliche Mitarbeitervertretungsrecht, sondern das MVG.EKD anwenden.
Auch ein Fall des § 57 a Nr. 2 S. 2 MVG.EKD liegt nicht vor: Die Zuständigkeit eines anderen Kirchengerichts nach § 57 Abs. 1 MVG.EKD ist gegeben: Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Hannovers. Diese Zuständigkeit ergibt sich aufgrund der Mitgliedschaft der Dienststelle im Diakonischen Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers.
III. Auf die sofortige Beschwerde der Mitarbeitervertretung war danach der Beschluss der Schiedsstelle aufzuheben und die Sache an die Schiedsstelle zurückzuverweisen (vgl. BGH vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 = MDR 1993, 802 zu III der Gründe).
Diese wird nunmehr über die Anträge der Mitarbeitervertretung zu entscheiden haben.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).