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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:07.04.2008
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/N80-07
Rechtsgrundlage:MVG.EKD §§ 34, 38, § 41 Abs. 2, § 42 Buchst. B, BetrVG §§ 81, 82, 87, 92
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, 2 GS 78/2007, Fundstelle: ZMV 5/2008
Schlagworte:Eingeschränktes Mitbestimmungsrecht und in Aussicht genommene betriebsbedingte Kündigung
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Leitsatz:

1. Die schriftlich zu begründende Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung zu einer in Aussicht genommenen ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit muss so gefasst sein, dass die Dienststellenleitung erkennen kann, worauf es der Mitarbeitervertretung ankommt. Bloße Stichwörter oder die Wiederholung von Gesetzestexten reichen nicht aus.
2. Zustimmungsverweigerungsgründe, die die Mitarbeitervertretung innerhalb der Rügefrist nicht vorgebracht hat, darf die Mitarbeitervertretung im Zustimmungsersetzungsverfahren nicht nachschieben.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werks der Ev. Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 28. September 2007 - 2 GS 78/2007 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung beantragte mit Schreiben vom 27. August 2007 bei ihrer Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung zum 31. Dezember 2007 gegenüber der Mitarbeiterin C. Mit "Stellungnahme der Mitarbeitervertretung" vom 5. September 2007 stimmte die Mitarbeitervertretung der Kündigung nicht zu. Mit am 20. September 2007 bei der Gemeinsamen Schlichtungsstelle eingegangenen Schriftsatz vom 19. September 2007 beantragte die Dienststellenleitung die "Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung". Die Mitarbeitervertretung ist diesem Antrag entgegengetreten. Mit dem der Mitarbeitervertretung am 19. November 2007 zugestellten Beschluss vom 28. September 2007 hat die Gemeinsame Schlichtungsstelle die Zustimmung zu der von der Dienstgeberseite beabsichtigten Kündigung der Mitarbeiterin C ersetzt. Als Begründung ist ausgeführt, die Dienstgeberseite habe vorgetragen, bei ihr seien 22 Dienstnehmer beschäftigt, davon drei Sozialpädagogen. Wegen der Kürzung der im sozialpädagogischen Bereich zugewiesenen Fördermittel müssten nach Ansicht der Dienststellenleitung die sozialpädagogischen Stellen von drei auf zwei reduziert werden. Einwände gegen die Sozialauswahl würden von der Mitarbeitervertretung nicht erhoben.
Hiergegen richtet sich die am 18. Dezember 2007 beim Kirchengerichtshof eingegangene Beschwerde der Mitarbeitervertretung vom 14. Dezember 2007, mit der sie - ohne Ankündigung eines Antrages - der Sache nach in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Zurückweisung des Antrages der Dienststellenleitung beantragt. Sie meint, der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle sei rechtsfehlerhaft, was im Einzelnen ausgeführt wird. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Dienstnehmerin auch nicht zu geänderten Arbeitsbedingungen unter wirtschaftlichen und tatsächlichen Gründen möglich geworden sein soll. Jedenfalls sei die von der Dienststellenleitung vorgenommene Sozialauswahl fehlerhaft.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 19. Dezember 2007 Bezug genommen.
Nachdem der Senat eine Begründung der Mitarbeitervertretung für ihre Verweigerung zu der Zustimmung zur in Aussicht genommenen Kündigung der Mitarbeiterin C in den Akten nicht hatte feststellen können, hat die Mitarbeitervertretung aufgrund der Nachfrage des Senats vom 27. Februar 2008 mit Schriftsatz vom 11. März 2008 das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 5. September 2007 an die Dienststellenleitung vorgelegt (Bl. 23 der Senatsakten).
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und über das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 MVG-EKiR (KABl. 2005 S. 142).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses gem. § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD, welcher Zulassungsgrund der Sache nach mit dem Vortrag, der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle sei rechtsfehlerhaft, geltend gemacht wird.
Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. Die Gründe, aus denen sich der ernstliche Zweifel ergeben soll, müssen in der Beschwerdebegründung aufgezeigt sein (KGH.EKD, Beschluss v. 20.12.2007 - I-0124/N43-07; Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2007 § 63 Rz. 7 m.w.N.).
Die Entscheidung der Gemeinsamen Schlichtungsstelle ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
Nach § 42 Buchst. b MVG.EKD unterliegt die "ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit" der eingeschränkten Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung. Nach § 41 Abs. 2 MVG.EKD darf die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung im Falle des § 42 Buchst. b MVG.EKD - ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit - nur verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt. Nach § 41 Abs. 3 MVG.EKD gilt für das Verfahren bei der eingeschränkten Mitstimmung § 38 MVG.EKD entsprechend. Nachdem nach dem Aktenbild zunächst davon auszugehen war, dass die Mitarbeitervertretung die Verweigerung ihrer Zustimmung nicht begründet hatte, ist nach entsprechendem Hinweis durch den Senat das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 5. September 2007 an die Dienststellenleitung vorgelegt worden (Bl. 23 der Senatsakten). Ausgehend von diesem Schreiben ergibt sich Folgendes:
Die Mitarbeitervertretung muss ihre Zustimmungsverweigerung schriftlich begründen. Die Begründung muss so gefasst sein, dass die Dienststellenleitung erkennen kann, worauf es der Mitarbeitervertretung ankommt. Ein bloßes Stichwort oder eine formelhafte Wiedergabe der in § 41 Abs. 2 MVG.EKD genannten Verweigerungsgründe reichen nicht aus. Vielmehr muss stets erkennbar sein, auf welche konkreten Umstände und Tatsachen die Mitarbeitervertretung einen bestimmten Ablehnungsgrund stützt. Nicht begründete oder nicht ausreichend begründete Ablehnungen sind rechtsunwirksam. Fehlt eine ordnungsgemäße Begründung, gilt die Zustimmung als erteilt (vgl. Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2007 § 38 Rz. 53).
In dem Schreiben vom 5. September 2007 beanstandet die Mitarbeitervertretung, ihr liege kein schriftlich dargestellter wesentlicher Kündigungsgrund vor, ebenso sei sie nicht umfassend und derart detailliert über wesentliche Kündigungsgründe informiert worden, dass die Mitarbeitervertretung sich ein eigenständiges Urteil bilden könne. Die Mitarbeitervertretung sei nicht schlüssig darüber informiert worden, dass diese beabsichtigte Kündigung betriebswirtschaftlich notwendig sei.
Dabei verkennt die Mitarbeitervertretung, dass die Unterrichtung mündlich erfolgen kann, wenngleich aus Beweisgründen es zweckmäßig ist, wenn dies schriftlich geschieht und mit dem Antrag auf Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme verbunden wird.
Nachdem aber die Dienststellenleitung vorgetragen hat, mehrmals in Gesprächen am 6. Juni, 12. Juli, 23. August und 18. September 2007 mit der Mitarbeitervertretung dargelegt zu haben, Grund für die Entlassung von Teilen des Betreuungspersonals sei die drastische Mittelreduzierung in der neuen Förderperiode des Europäischen Sozialfonds (ESF) im Jahre 2008 um 44 % (Förderschwerpunkt C: Kürzung in 2008 um 2/3 des Mittelansatzes gegenüber dem Jahr 2007), im Rahmen mehrerer Gespräche, zuletzt anhand einer 18-seitigen Präsentation das Ende der "alten" Förderperiode - keine Maßnahme sei über den 31. Dezember 2007 hinaus verlängert worden - das Ausmaß der Mittelkürzung in 2008, speziell im Bereich des ESF-Förderschwerpunktes C, mitgeteilt zu haben, etwaige Maßnahmealternativen für das Jahr 2008 aufgezeigt zu haben, Kürzungen von Bereichen genannt, Entscheidungswege der Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung mündlich erläutert zu haben, der Mitarbeitervertretung Übersichten der Mitarbeiter, getrennt nach Berufsgruppen (Anleiter, Sozialarbeiter, Pädagogen) und fachliche Anforderungen (Anleiter) durch die Geschäftsführung vorgelegt zu haben, die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2004: Kriterien der Sozialauswahl in Ansatz gebracht zu haben, was die Mitarbeitervertretung nicht bestritten hat, wäre es an ihr gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, dass und warum sie gleichwohl die Unterrichtung durch die Dienststellenleitung für unzureichend hält.
Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 33 Abs. 1 MVG.EKD) verpflichtet die Mitarbeitervertretung, die Dienststellenleitung innerhalb der Äußerungsfrist darauf hinzuweisen, dass sie die Unterrichtung für unvollständig hält. Unterlässt sie dies, gilt die Zustimmung trotz unzureichender Information als erteilt (vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD Stand Juli 2007 § 38 Rz. 46; vgl. für den staatlichen Bereich BAG vom 14. März 1989 - 1 ABR 80/87 - AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 64 zu II 3 der Gründe).
Die Mitarbeitervertretung durfte sich in ihrem Schreiben vom 5. September 2007 (Bl. 23 der Senatsakten) im Lichte der vorangegangenen Gespräche nicht mit dem Hinweis begnügen, die Mitarbeitervertretung sei nicht umfassend und derart detailliert über wesentliche Kündigungsgründe informiert worden, dass die Mitarbeitervertretung sich ein eigenständiges Urteil bilden könne. Sie sei nicht schlüssig darüber informiert worden, dass diese beabsichtigte Kündigung betriebswirtschaftlich notwendig sei. Die Mitarbeitervertretung hätte vielmehr deutlich machen müssen, welche, die Gespräche ergänzende Auskünfte sie über das hier aufgrund der Gespräche Bekannte hinaus benötigt, um eine abschließende Stellungnahme abzugeben.
Die Mitarbeitervertretung beanstandet einen Verstoß gegen § 82 BetrVG. Abgesehen davon, dass die Dienststelle dem Mitarbeitervertretungsgesetz und nicht dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegt, ergänzt die Vorschrift des § 81 BetrVG den § 82 BetrVG. Der einzelne Arbeitnehmer soll von sich aus die Initiative ergreifen können, um Auskunft über seine persönliche Stellung im Betrieb und seine berufliche Entwicklung zu erhalten. Mit einer in Aussicht genommenen Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer hat das "Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers " des § 82 BetrVG nichts zu tun.
Soweit - wiederholt - die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung der Mitarbeitervertretung gerügt wird, gilt das oben Gesagte. Die Mitarbeitervertretung hätte im Einzelnen aufzeigen müssen, hinsichtlich welcher Punke sie nach den vorangegangenen Gesprächen weiteren Aufklärungsbedarf sieht.
§ 92 BetrVG - Personalplanung - ist, abgesehen davon, dass die Dienststelle dem Betriebsverfassungsrecht nicht unterfällt - kündigungsbezogen nicht einschlägig.
Das gilt auch für § 87 BetrVG - Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in im Einzelnen aufgeführten sozialen Angelegenheiten. Die Kündigung ist nicht genannt.
§ 34 MVG.EKD, auf den die Mitarbeitervertretung weiter abstellt, regelt das "Informationsrecht der Mitarbeitervertretung", ist aber nicht kündigungsbezogen.
Die Mitarbeitervertretung trägt weiter vor, die Kündigung verstoße gegen § 42 MVG.EKD. § 42 MVG.EKD regelt "Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen". Buchstabe b nennt die "ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit", unterstellt diesen Fall somit der eingeschränkten Mitbestimmung. Hier hätte die Mitarbeitervertretung gem. § 41 Abs. 2 MVG.EKD, der sich gerade auf Buchstabe b des § 42 MVG.EKD bezieht, im Einzelnen dar tun müssen, inwiefern die in Aussicht genommene Kündigung gegen welche Rechtsvorschrift, gegen welche arbeitsrechtliche Regelung, gegen welche andere bindende Bestimmung oder gegen welche rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstoßen soll. Der Hinweis auf den Mitbestimmungstatbestand des § 42 Buchst. b MVG.EKD als solcher reicht nicht aus.
Ablehnungsgründe, die die Mitarbeitervertretung innerhalb der Rügefrist nicht vorgetragen hat, darf sie im Zustimmungsersetzungsverfahren nicht nachschieben (Fey/Rehren, MVG.EKD Stand Juli 2007 § 38 Rz. 53; vgl. für den staatlichen Bereich BAG 3. Juli 1984 - 1 ABR 74/82 - AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 20 zu 2 c der Gründe).
Auf die Rügen der Beschwerde kommt es sonach im Ergebnis nicht an. Die Mitarbeitervertretung hätte bereits im Rahmen der Beteiligung geltend machen müssen, dass aufgrund des nunmehr in der Beschwerde vorgetragenen Sachverhaltes nicht nachvollziehbar sei, wieso eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Dienstnehmerin auch zu geänderten Bedingungen unter wirtschaftlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich geworden sein soll. Soweit die Beschwerde darauf abstellt, die "vorgenommene Sozialauswahl" sei "fehlerhaft", ist auch dieser Punkt von der Mitarbeitervertretung in ihrer Stellungnahme vom 5. September 2007 nicht angesprochen worden, abgesehen davon, dass nach Seite 2 des Protokolls des Einigungsgesprächs am 28. September 2007 (Bl. 25 der Vorakten) aufgrund des Hinweises des Vorsitzenden, die Sozialauswahl dürfte seitens der Dienststellenleitung korrekt vorgenommen worden sein, da nur vergleichbare Mitarbeiter in diese einbezogen werden dürften, die Vertreter der Mitarbeitervertretung erklärt haben, dass keine weiteren Einwände gegen die Sozialauswahl erhoben würden, so dass dieser Punkt von der Beschwerde kaum dürfte mit Erfolg aufgegriffen werden können.
Weitere Annahmegründe sind nicht geltend gemacht und nicht erkennbar.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).