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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:01.10.2007
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/N29-07
Rechtsgrundlage:MVG.K § 35 Abs. 3 Satz 1
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen -Kammer DW Werk Oldenburg-, Sl 3-06
Schlagworte:Jahresabschluss und Bericht des Wirtschaftsprüfers
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Leitsatz:

Die Mitarbeitervertretung hat nach § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K Anspruch auf Aushändigung des Jahresabschlusses nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg, Kammer Diakonisches Werk Oldenburg, vom 22. Februar 2007 - Sl 3/06 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten nach Rücknahme der Beschwerde der beteiligten Mitarbeitervertretung noch darüber, ob die Dienststellenleitung und Beschwerdeführerin verpflichtet ist, der Antrag stellenden Mitarbeitervertretung den Jahresabschluss 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers auszuhändigen.
Beschwerdeführerin ist die Dienststellenleitung einer Einrichtung, die ein Krankenhaus betreibt, in dem regelmäßig mehr als 100 Beschäftigte tätig sind. Die Antragstellerin ist die im Krankenhaus gebildete Mitarbeitervertretung. Diese forderte die Dienststellenleitung mit Schreiben vom 18. Juli 2006 auf, ihr den Jahresabschluss 2005 und weitere Unterlagen auszuhändigen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 lehnte die Dienststellenleitung dieses Verlangen ab.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass die Dienststellenleitung ihr den Jahresabschluss 2005 nebst dem Bericht des Wirtschaftsprüfers auszuhändigen habe, weil sie in wirtschaftlichen Fragen denselben Wissensstand wie die Dienststellenleitung haben müsse.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, ihr Auskunft zu erteilen über ihre wirtschaftliche Lage durch Aushändigung des Jahresabschlusses für das Jahr 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers und des Wirtschaftsplanes für das Jahr 2006.
Die Beschwerdeführerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, zu einer Aushändigung des Jahresabschlusses nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers nicht verpflichtet zu sein.
Die Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg, Kammer des Diakonischen Werkes Oldenburg, hat auf den am 7. November 2006 bei ihr eingegangenen Antrag der Mitarbeitervertretung durch Beschluss vom 22. Februar 2007 unter Zurückweisung des Antrags der Mitarbeitervertretung im Übrigen festgestellt, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, der Antragstellerin den Jahresabschluss 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers auszuhändigen. Zur Begründung der teilweisen Stattgabe des Antrags der Mitarbeitervertretung hat die Schiedsstelle ausgeführt, dass aus § 35 Abs. 3 MVG.K folge, dass der Mitarbeitervertretung die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen seien. Ferner folge der Anspruch aus der in § 35 Abs. 2 MVG.K geregelten Informationspflicht. Bei dem Jahresabschluss handele es sich um ein komplexes und umfangreiches Zahlenwerk, das bei nur mündlicher Erläuterung nicht nachvollziehbar und verständlich sei. Hinzukomme, dass die Aussagen des Jahresabschlusses interpretationsbedürftig seien. Seine Würdigung setze voraus, dass die Inhalte in ihrer Gesamtheit erfasst werden könnten. Das sei der Mitarbeitervertretung sinnvoll nur möglich, wenn ihr die entsprechenden Unterlagen vorgelegt würden und sie die Möglichkeit habe, diese durchzuarbeiten. Es sei nicht ersichtlich, welches Interesse der Dienststellenleitung durch die Aushändigung der Unterlagen beeinträchtigt werden solle. Die Befürchtung, dass Informationen an Dritte weitergegeben würden, reiche nicht aus, weil die Mitglieder der Mitarbeitervertretung der Schweigepflicht unterlägen. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 7. März 2007 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 3. April 2007, beim Kirchengerichtshof per Fax eingegangen am 4. April 2007, Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Eine von der Mitarbeitervertretung zunächst eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Februar 2007 hat diese im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Kirchengerichtshof am 1. Oktober 2007 zurückgenommen.
Die Dienststellenleitung vertritt weiter die Auffassung, dass ein Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Aushändigung des Jahresabschlusses 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers nicht bestehe. Dabei handele es sich nicht um i.S.d. § 35 Abs. 3 MVG.K zur Durchführung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung erforderliche Unterlagen. Es sei weder ersichtlich und von der Mitarbeitervertretung vorgetra-gen, für welche Aufgabe sie die Unterlagen benötige. Aus dem Informationsanspruch der Mitarbeitervertretung nach § 35 MVG.K lasse sich kein Anspruch auf Aushändigung von Unterlagen ableiten. In dieser neu gefassten Vorschrift sei eine Regelung zur Vorlage von Unterlagen nicht enthalten. Vielmehr seien in § 35 Abs. 2 MVG.K nur eine Erläuterung und eine Informationspflicht vorgesehen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss insoweit abzuändern und den Antrag insoweit abzulehnen, als die Dienststellenleitung nicht verpflichtet ist, der Antragstellerin den Jahresabschluss 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers auszuhändigen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung der Schiedsstelle für zutreffend.
Der Erste Senat für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die Beschwerde durch Beschluss vom 9. August 2007 zur Entsche-dung angenommen.
II. Die Beschwerde der Dienststellenleitung ist zulässig, aber unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Abs. 1 MVG.EKD i.V.m. § 65 Abs. 1 MVG.K statthaft, § 63 Abs. 2 MVG.EKD i.V.m. § 65 Abs. 2 MVG.K entsprechend vom Kirchengerichtshof zur Entscheidung angenommen und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil der Antrag der Mitarbeitervertretung, soweit über ihn vom Kirchengerichtshof zu entscheiden ist, zulässig und begründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Das für ihn erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, weil davon auszugehen ist, dass die Dienststellenleitung einer feststellenden Verurteilung Folge leisten wird und Möglichkeiten zur Zwangsvollstreckung aus einem entsprechenden Leistungsantrag nicht bestünden. Dieser hat deshalb keinen Vorrang gegenüber dem Feststellungsantrag.
b) Der Antrag ist begründet. Die Mitarbeitervertretung kann nach § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K verlangen, dass ihr der Jahresabschluss für das Jahr 2005 nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers ausgehändigt wird. Nach dieser Regelung sind der Mitarbeitervertretung die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
Der Jahresabschluss nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers ist eine für die Durchführung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung erforderliche Unterlage. Die wirtschaftliche Lage der Dienststelle ist für eine Vielzahl von Aufgaben der Mitarbeitervertretung von Bedeutung. So trägt sie nach § 36 Abs. 1 Satz 2 MVG.K allgemein die Mitverantwortung für die Aufgaben der Dienststelle und damit auch für deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ohne die die Aufgaben nicht erfüllt werden können. Die Ausübung von Mitverantwortung erfordert es, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Dienststelle eingeschätzt werden können. Ohne die Kenntnis dieser Möglichkeiten kann die Mitarbeitervertretung nicht einschätzen, welche Belastungen eine Dienststelle tragen kann und was für ihre wirtschaftliche Entwicklung von Bedeutung ist. Diese Mitverantwortung muss die Mitarbeitervertretung bei der Wahrnehmung zahlreicher Aufgaben beachten. So erfordert schon der allgemeine Aufgabenkanon, den die Mitarbeitervertretung nach § 36 Abs. 3 MVG.K wahrnehmen soll, dass sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Dienststelle kennt und beurteilen kann, denn nur so kann sie gegenüber der Dienststelle, den Beschäftigten und dem Auftrag der Kirche entsprechend in den einzelnen Tätigkeitsgebieten verantwortlich tätig werden. Ferner ist im Rahmen der Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte nach § 40 MVG.K jeweils zu berücksichtigen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die dort zu treffenden Regelungen haben und ob und inwieweit sie deshalb von der Dienststelle verlangt sowie ggf. durchgesetzt werden können. Außerdem sind die Kenntnisse der wirtschaftlichen Lage der Dienststelle etwa erforderlich, um nach § 47 Ziffern 1, 4, 6 und 7 MVG.K verantwortlich mitberaten zu können. Ist damit die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage der Dienststelle und die Möglichkeit, diese einschätzen zu können, für die Wahrnehmung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung erforderlich, handelt es sich bei dem Jahresabschluss nebst dem Bericht des Wirtschaftsprüfers dazu auch um eine für die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung erforderliche Unterlage, weil sich gerade daraus die wirtschaftliche Lage der Dienststelle ergibt. Auf welche Weise die wirtschaftliche Lage der Dienststelle ohne Kenntnis des Jahresabschlusses und des dazugehörigen Berichts des Wirtschaftsprüfers beurteilt werden soll, ist nicht erkennbar. Hiervon geht ersichtlich auch die Dienststellenleitung nicht aus, die nur eben meint, dass die Unterrichtung auch mündlich ausreichend erfolgen könne. Aufgrund der Komplexität der Angaben und des Zahlenwerks in einem Jahresabschluss und dem Wirtschaftsprüferbericht ist die mündliche Unterrichtung aber gerade nicht ausreichend, weil eine derartige Vielzahl von Daten und sonstigen Aussagen in mündlicher Unterrichtung weder vermittelt noch aufgenommen werden kann. Die eigene Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Mitarbeitervertretung erfordert zwingend, dass ihr der Abschluss nebst Bericht auch zur Verfügung gestellt wird.
Aus § 35 Abs. 2 Satz 2 MVG.K folgt nicht, dass die Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage nur mündlich zu erfolgen braucht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich § 35 Abs. 2 und 3 MVG.K in dem Sinne gegenseitig ausschließen, dass nur entweder eine Unterrichtung nach § 35 Abs. 2 MVG.K oder eine Aushändigung von Unterlagen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K zu erfolgen hat. Es handelt sich vielmehr um nebeneinander stehende Regelungen mit unterschiedlichen, sich aber nicht ausschließenden Inhalten. So gibt es nach § 35 Abs. 2 MVG.K je nach Anzahl der Beschäftigten Unterrichtungs- und Erläuterungspflichten über Personalplanung und wirtschaftliche Lage und Planungen, während § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K davon unabhängig einen Anspruch auf die Vorlage von Unterlagen gibt. Anhaltspunkte dafür, dass ein Eingreifen von § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K ausgeschlossen sein soll, wenn Unterrichtungs- und Erläuterungspflichten nach § 35 Abs. 2 MVG.K bestehen, bestehen nicht. Hiergegen spricht schon, dass die Regelungen ohne Erkennbarkeit eines Rangverhältnisses hintereinander stehen. Die Nachordnung des § 35 Abs. 3 Satz 1 MVG.K hinter § 35 Abs. 1 und 2 MVG.K spricht vielmehr dafür, dass er auch eine Regelung für die in den vorstehenden Absätzen genannten Bereiche treffen können soll, wenn die Aushändigung von Unterlagen denn für die Erfüllung der Informationspflichten erforderlich ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welcher Weise die betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften zum Wirtschaftsausschuss entsprechende Ansprüche vorsehen. Die kirchenrechtlichen Regelungen zur Mitarbeitervertretung sind eigenständig und nicht aus der Perspektive des Betriebsverfassungsrechts auszulegen.
Einer Aushändigung des Abschlusses und des Berichts oder von Ablichtungen dieser Unterlagen stehen keine überwiegenden Interessen der Dienststellenleitung entgegen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Anspruch auf Aushändigung von Unterlagen nur dann besteht, wenn ihm überwiegende Interessen der Dienststelle nicht entgegenstehen. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 MVG.K besteht eine Schweigepflicht der Mitglieder der Mitarbeitervertretung, soweit die Geheimhaltung der Natur der Sache nach erforderlich ist. Das ist bei einem Jahresabschluss nebst Bericht des Wirtschaftsprüfers selbstverständlich der Fall. Außerdem könnte die Dienststelle die Schweigepflicht jedenfalls dadurch herbeiführen, dass sie die Angelegenheit für vertraulich erklärt. Anhaltspunkte, dass die Dienststelle auf eine Einhaltung der Schweigepflicht nicht vertrauen kann, sind von ihr nicht in prozessual erheblicher Weise in das Verfahren eingebracht worden. Ferner besteht nicht die Gefahr, dass bei der Mitarbeitervertretung ein nicht hinreichend gesichertes Archiv mit Wirtschaftsdaten der Dienststelle angelegt wird. Die Mitarbeitervertretung kann die Unterlagen nämlich nur für den Zeitraum behalten, der für ihre Arbeit erforderlich ist, dann sind sie zurückzugeben. Wann dieses der Fall ist, kann und braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, weil dieses nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.
Der Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Aushändigung der Unterlagen für das Jahr 2005 ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Auch wenn sich die wirtschaftliche Lage seitdem verändert haben wird, ist der damalige Abschluss die Grundlage dafür, etwaige Veränderungen im Jahre 2006 einschätzen und daraus Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Da die wirtschaftliche Lage nichts Statistisches ist und der Jahresabschluss demgemäß immer nur eine Momentaufnahme bedeutet, bedarf es der Kenntnis mehrerer aufeinander folgender Abschlüsse, um eine Entwicklung und damit die Lage der Dienststelle zutreffend einschätzen zu können.
III. Eine Kostenentscheidung ist nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 2 KiGG.EKD nicht veranlasst.