.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.08.2006
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/M27-06
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 2 Satz 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster -, Az.: 2 M 81/05, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S. 35
Schlagworte:Statthaftigkeit der Beschwerde - hier: Beschwer - als Voraussetzung für deren Annahme
#

Leitsatz:

Die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung setzt voraus, dass die Beschwerde nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD überhaupt gegeben und insgesamt statthaft ist. Zur Statthaftigkeit der Beschwerde gehört, dass die Beschwerdeführerin durch die von ihr angefochtene Entscheidung in ihren Rechten beschwert ist.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster - vom 17. März 2006 - 2 M 81/05 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Betriebsvereinbarung vom 12. Dezember 2003 seit dem 30. September 2004 nicht mehr gilt (Antrag und Tenor zu 1) und ob deren Rechtsnormen zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer geworden sind, die am 30. September 2004 Arbeitnehmer der Dienststelle waren und ob diese Rechtsnormen spätestens ab 1. Oktober 2005 geändert werden dürfen (Antrag und Tenor zu 2). Die Dienststelle gehörte bis zum 30. September 2004 dem Paritätischen Wohlfahrtsverband an. Seit dem 1. Oktober 2004 ist sie Mitglied des Diakonischen Werkes der Lippischen Landeskirche. Am 12. Dezember 2003 schlossen der damalige Betriebsrat und die Geschäftsführung der Dienststelle eine "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit". Deren Regelungen in § 8 - Arbeitszeitkonto - sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter günstiger als die des § 15 BAT-KF über die regelmäßige Arbeitszeit. Die Betriebsvereinbarung ist zum 15. März 2005 gekündigt worden. Die gem. § 4 zuständige Vorinstanz (VOBl. 1993 Bd. 10 Nr. 19, S. 352) hat den Anträgen der Dienststellenleitung stattgegeben (Beschluss vom 17. März 2006). Hiergegen wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde, die sie vorrangig auf ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit, nach-rangig auf grundsätzliche Bedeutung stützt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 27. Juni 2006 und auf die im Übrigen im zweiten Rechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG-Lippe (VOBl. 2004 Bd. 13 Nr. 7, S. 269 /2005 Bd. 13 Nr. 11, S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem weder die zu Nr. 1 noch die zu Nr. 2 des § 63 Abs. 2 MVG.EKD.
a) Ein Fall des § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD liegt nicht vor.
aa) An der Richtigkeit der Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung vom 12. Dezember 2003 nicht über den 30. September 2004 weiter gilt (Tenor zu 1.), bestehen keine ernstlichen Zweifel. Der Wech-sel der Zugehörigkeit der Dienststelle vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zum Diakonischen Werk der Lippischen Landeskirche am 1. Oktober 2004 stellt zugleich einen Wechsel aus dem säkularen Rechtskreis der mitbestimmungsrechtlichen Arbeitnehmerbeteiligung, nämlich aus der Betriebsverfassung, in den kirchlichen Rechtskreis, nämlich in das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht dar. Weder säkulare noch die kirchengesetzlichen Normen sehen für diesen Fall eine Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen vor. Dies hat die Vorinstanz unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 118 Abs. 2 BetrVG richtig erkannt.
bb) Auch hinsichtlich der Entscheidung zu 2. des Beschlusses liegen die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD nicht vor. Die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung setzt vor-aus, dass die Beschwerde nach § 63 Abs. 2 MVG.EKD überhaupt gegeben und insgesamt statthaft ist. Zur Statthaftigkeit der Beschwerde gehört, dass die Beschwerdeführerin durch die von ihr angefochtene Entscheidung in ihren Rechten beschwert ist. Diese Rechte können nur kollektivrechtliche Positionen aus dem MVG.EKD i.V.m. dem Lippischen Einführungsgesetz hierzu sein, denn diese Kirchengesetze sind die alleinige Rechtsgrundlage für die Existenz der Beschwerde führenden Mitarbei-tervertretung; sie ist nicht etwa Rechtsnachfolgerin des vormaligen Betriebsrates. Fehlt es an einer kollektivrechtlichen Betroffenheit, ist die Beschwerde nicht statthaft und schon deshalb nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Ob in einem solchen Fall, in welchem es nicht um einen Wechsel der Rechtsträgerschaft der - hier von der Dienststelle - betriebenen Einrichtung(en) geht, die entsprechende Anwendbarkeit des § 613a BGB gegeben ist, und ob daraus folgt, dass die Rechtsnormen der früheren Betriebsvereinbarung gelten, mag dahinstehen. Die Entscheidung zu 2. des angefochtenen Beschlusses beschwert die Beschwerdeführerin nicht in ihren kollektiven Rechten nach dem MVG.EKD. Dies scheidet schon deswegen aus, weil diese Entscheidung nur die Frage betrifft, nach welchen Bedingungen hinsichtlich ihrer arbeitsvertraglich, d.h. individualrechtlich geschuldeten Arbeitszeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu arbeiten haben, die im Zeitpunkt des Wechsels der Dienststelle vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zum Diakonischen Werk der Lippischen Landeskirche bei dem Verein beschäftigt wa-ren. Der Mitarbeitervertretung kommt insoweit auch keine - wie auch immer einzuordnende - "Stellvertreterposition" oder die Aufgabe zu, die Individualinteressen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vertreten, noch deren "Tarifierungs"interessen wahrzunehmen.
b) Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD) liegt nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchlich oder diakonische Rechtsordnung ist (vgl. KGH.EKD vom 30. Juni 2006 - I-0124/M21-06 - zur Veröffentli-chung vorgesehen; vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung nach § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD a.F.: KGH.EKD vom 19. Mai 2005 - II-0124/K40-04). Dazu muss die Rechtsfrage in aller Regel eine greifbare Vielzahl von Fällen betreffen. Dass diese Voraussetzung vorliegt, ist weder dargetan noch sonst erkennbar.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 12 Abs. 5 ArbGG).