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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 03.04.2006 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/M1-06 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 38 , § 41 Abs. 2, 3 § 42 Buchst. b |
Vorinstanzen: | Vorinstanz: Kirchengericht der EKD Erste Kammer für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Az.: I-2708/L19-05, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S 245, Rechtsprechungsbeilage Amtsblatt der EKD 2007, S.20 |
Schlagworte: | Zustimmungsfiktion bei Mitbestimmung |
Leitsatz:
1. Die Verweigerung der Zustimmung (§ 38 Abs. 3 MVG.EKD) ist nur wirksam, wenn die Mitarbeitervertretung die insoweit gebotenen Form- und Fristvorschriften eingehalten hat.
2. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt.
3. Die schriftliche Verweigerung der Zustimmung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD muss nicht nur die Erklärung enthalten, dass die Zustimmung zur beabsichtigten Maßnahme verweigert wird, sondern auch die Gründe für die Zustimmungsverweigerung (§ 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 24. August 2005 - Az.: I-2708/L19-05 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten Kündigung des Dienstverhältnisses mit Herrn D zugestimmt hat.
Gründe:
I. Die antragstellende Dienststellenleitung beabsichtigt, das Dienstverhältnis mit Herrn D ordentlich aus personenbedingten, nämlich krankheitsbedingten Gründen zu kündigen. Sie ist der Ansicht, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung hierzu sei kraft Fiktion eingetreten, hilfsweise begehrt sie, die Zustimmung durch das Gericht zu ersetzen.
Herr D ist Malergeselle. Er ist seit dem 15. März 1977 bei der Antragstellerin angestellt und als Ausbilder im Bereich der Ausbildung Jugendlicher zu Bau- und Metallmalern tätig; er ist durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 10. Februar 2005 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden.
Gemäß nachstehender Aufstellung für die Jahre 2002 bis Juni 2005 versäumte Herr D die Arbeit in-folge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und leistete die Antragstellerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall:
Zeitraum | Arbeitstage | Entgeltfortzahlung |
1.1. bis 31. Dezember 2002 | 70 | 5.960,27 |
1.1. bis 31. Dezember 2003 | 189 | 3.590,47 |
1.1. bis 31. Dezember 2003 | 83 | 3.437,39 |
1.1. bis 30. Juni 2005 | 60 | 4.256,48 |
Mit ihrem Schreiben vom 4. Juli 2005, bei der Mitarbeitervertretung eingegangen am 7. Juli 2005, beantragte die Antragstellerin die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten krankheits-bedingten Kündigung des Herrn D. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen. Die Mitarbeitervertretung nahm in einem an Herrn Rechtsanwalt B (regelmäßig Verfahrensbevollmächtigter) gerichteten Schreiben vom 19. Juli 2005 wie folgt Stellung:
"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt B,
die Mitarbeitervertretung stimmt der Kündigung von Herrn D nicht zu.
Mit freundlichem Gruß
- Unterschrift des Vorsitzenden -
Vors. der MAV
Durchschrift an den Dienststellenleiter zur Kenntnis"
Mit Datum vom 25. Juli 2005 schrieb die Mitarbeitervertretung an das Integrationsamt, dass und aus welchen Gründen sie der Kündigung nicht zugestimmt habe; wegen der Einzelheiten wird auf den Ab-druck des Schreibens Bezug genommen. In der vom Integrationsamt auf den 1. August 2005 anberaumten mündlichen Verhandlung, an der auch die Antragstellerin teilgenommen hat, hat die Antragstellerin eine Kopie des genannten Schreibens der Mitarbeitervertretung erhalten.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung sei kraft Fiktion eingetreten, nachdem die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmungsverweigerung nicht innerhalb der Äußerungsfrist begründet habe. Am 1. August 2005 habe kein Einigungsgespräch mit der Mitarbeitervertretung stattgefunden, sondern auf Veranlassung des Integrationsamtes eine Erörterung wegen des Antrags auf Zustimmung dieses Amtes zur beabsichtigten Kündigung. Zumindest rechtfertigten die von der Mitarbeitervertretung im Schreiben an das Integrationsamt aufgeführten Gründe nicht deren Zustimmungsverweigerung. Wegen der Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 28. Juli, 17. und 18. August 2005 Bezug genommen. Sie hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten Kündigung des Dienstverhältnisses mit Herrn D aufgrund Zustimmungsfiktion zugestimmt hat,
2. hilfsweise festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Dienstverhältnisses mit Herrn D nicht besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Zustimmung form- und fristgerecht verweigert zu haben und hat auf die mit ihrem Schriftsatz vom 15. August 2005 vorgelegte nervenärztliche Stellungnahme vom 1. August 2005 hingewiesen, wonach nicht mit weiteren erheblichen Fehlzeiten des Herrn D zu rechnen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 11. und 15. August 2005 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat in seinem Beschluss vom 24. August 2005 den Hauptantrag zurückgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen; er ist der Antragstellerin am 7. Dezember 2005 und der Mitarbeitervertretung am 8. Dezember 2005 zugestellt worden.
Die Mitarbeitervertretung hat gegen den Beschluss am 2. Januar 2006 Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung sowie zur Entgegnung auf die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Schriftsatz nebst Anlagen vom 8. Februar 2006 vorgetragen. Die Antragstellerin hat mit ihrem Schriftsatz nebst Anlagen vom 3. Januar 2006 am 6. Januar 2006 Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung vor-getragen. Der Kirchengerichtshof hat die Beschwerde der Antragstellerin zur Entscheidung angenommen, die der Mitarbeitervertretung dagegen nicht (Beschluss vom 20. März 2006).
Die Antragstellerin hebt zur Begründung ihrer Beschwerde hervor, es habe am 1. August 2005 kein Einigungsgespräch mit der Mitarbeitervertretung stattgefunden. Innerhalb der Anhörungsfrist habe die Mitarbeitervertretung keine Begründung für ihre Zustimmungsverweigerung abgegeben. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 3. Januar, 17. und 28. März 2006 Bezug genommen. Sie beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 24. August 2005 - I-2708/L19-05 - festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten Kündigung des Dienstverhältnisses mit Herrn D aufgrund Zustimmungsfiktion zugestimmt hat.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen. Sie verteidigt den den Antrag zurückweisenden Teil des angefochtenen Beschlusses nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatz nebst Anlagen vom 8. Februar 2006.
II. Der Beschwerde der Antragstellerin war stattzugeben. Sie ist begründet. Die Vorinstanz hat den Hauptantrag zu Unrecht zurückgewiesen.
1. Angesichts des Beschlusses vom 20. März 2006 über die Annahme bzw. Ablehnung der Annahme der Beschwerden zur Entscheidung war nur noch über die Beschwerde der Antragstellerin zu befinden.
2. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Dienstverhältnisses mit Herrn D gilt nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD als erteilt. Die Mitarbeitervertretung hat ihre Zustimmungsverweigerung innerhalb der zweiwöchigen Anhörungsfrist zwar schriftlich erklärt, aber nicht schriftlich begründet (§ 42 Buchst. b, § 41 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 38 Abs. 3 Satz 1, Satz 5 MVG.EKD). Ebenso wenig hat die Mitarbeitervertretung innerhalb der Anhörungsfrist bei der Dienststellenleitung beantragt, die Angelegenheit mit ihr mündlich zu erörtern (vgl. § 38 Abs. 3 MVG.EKD).
a) Die Verweigerung der Zustimmung ist nur wirksam, wenn die Mitarbeitervertretung die insoweit gebotenen Form- und Fristvorschriften eingehalten hat. Nach § 41 Abs. 3 MVG.EKD gelten in Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung (§ 41 MVG.EKD, hier i.V.m. § 42 Buchst. b MVG.EKD) die Verfahrensvorschriften des § 38 MVG.EKD. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Nach § 38 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD beginnt die Frist mit dem Zugang der Mitteilung (der Dienststellenleitung) an den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung. Die schriftliche Verweigerung der Zustimmung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD muss nicht nur die Erklärung enthalten, dass die Zustimmung zur beabsichtigten Maßnahme verweigert wird, sondern auch die Gründe für die Zustimmungsverweigerung (§ 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD). Im Fall einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit (§ 42 Buchst. b MVG.EKD) darf die Mitarbeitervertretung nach § 41 Abs. 2 MVG.EKD ihre Zustim-mung nur verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Rege-lung, eine andere bindende Bestimmung oder gegen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ver-stößt.
b) Die Mitarbeitervertretung hat die Anhörungsfrist vorliegend nicht gewahrt.
aa) Die Anhörungsfrist hat nach § 38 Abs. 3 Satz 3 MVG.EKD am 7. Juli 2005 zu laufen begonnen, denn an diesem Tag ist dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung das Anhörungsschreiben der Dienststellenleitung vom 4. Juli 2005 zugegangen. Das Anhörungsschreiben erfüllt - hierüber streiten die Beteiligten auch nicht - alle Voraussetzungen, die an eine ordnungsgemäße Anhörung zu stellen sind.
bb) Das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 19. Juli 2005, mit welchem sie erklärt hat, die Zustimmung zu verweigern, mag der Dienststellenleitung zwar noch innerhalb der bis zum 21. Juli 2005 andauernden zweiwöchige Anhörungsfrist (§ 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD) zugegangen sein. Hiermit hat die Mitarbeitervertretung die Anhörungsfrist schon deshalb nicht gewahrt, weil die Mitarbeitervertretung darin entgegen § 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD keine Begründung für die Zustimmungsverweigerung angegeben hat. Von daher kann dahinstehen, inwieweit die Adressierung dieses Briefes an Rechtsanwalt B von rechtlicher Relevanz ist. Auch sonst hat die Mitarbeitervertretung innerhalb der Anhörungsfrist keine schriftlichen Gründe für ihre Zustimmungsverweigerung abgegeben.
cc) Die schriftliche Begründung der Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung in ihrem Schreiben an das Integrationsamt vom 25. Juli 2005 hat die Anhörungsfrist nicht gewahrt. Das Schreiben ist erst nach Ablauf der Anhörungsfrist erstellt worden; die Antragstellerin hat von diesem nicht an sie gerichteten Schreiben erst in der Anhörung vor dem Integrationsamt eine Abschrift erhalten. Von daher kann dahingestellt bleiben, ob die in dem Schreiben angeführten Gründe für die Zustimmungsverweigerung solche i.S. des § 41 Abs. 2 MVG.EKD sind.
c) Die Annahme der Vorinstanz, wonach sie schon deshalb nicht von der Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD ausgegangen sei, weil "offensichtlich" auch die Antragstellerin hiervon nicht ausgegangen sei, sondern am 1. August 2005 ein "Einigungsgespräch" geführt habe, findet keine tatsächliche oder rechtliche Grundlage. Am 1. August 2005 hat rechtlich kein "Einigungsgespräch", gemeint ist wohl eine mündliche Erörterung i.S. des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD, stattgefunden, sondern eine mündliche Verhandlung nach § 88 Abs. 1 SGB IX, mag auch die Mitarbeitervertretung dies in ihrem Schriftsatz vom 15. August 2005 als auf Veranlassung des Integrationsamts geführtes "Einigungsgespräch" bezeichnet haben.
d) Der Eintritt der Fiktion der Billigung der Maßnahme wäre auch ausgeschlossen, wenn die Mitarbeitervertretung innerhalb der Anhörungsfrist eine mündliche Erörterung der Angelegenheit (§ 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD) verlangt hätte. Daran fehlt es jedoch.
e) Nach allem ist vielmehr der Eintritt der Fiktion des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD festzustellen.
Auf den Hilfsantrag war deshalb nicht einzugehen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 12 Abs. 5 ArbGG).