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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.01.2005
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/K6-04
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 19, § 60 Abs. 1, § 61 Abs. 1
Vorinstanzen:Kirchengericht der EKD Erste Kammer für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Az.:I-2708/H19-03, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S. 33, Rechtsprechnungsbeilage Amtsblatt der EKD 2006, S. 17
Schlagworte:Beginn der Anrufungsfrist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD im Falle der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD; Begriff der "Maßnahme"; herausgreifende Arbeitszeitkontrolle durch elek-tronische Zeiterfassung und § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. Die Frist für die Anrufung des Kirchengerichts i.S.d. § 61 Abs. 1 MVG.EKD beginnt im Falle der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD, Behinderungs- und Benachteiligungsverbot, mit der Kenntnis des Beginns der tatsächlichen Durchführung der Anordnung; auf den Zeitpunkt der Kenntnis der in Aussicht genommenen möglicherweise gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD verstoßenden Anordnung kommt es nicht an.
2. Die herausgreifende Arbeitszeitkontrolle durch elektronische Zeiterfassung ausschließlich bei einem Mitglied der Mitarbeitervertretung verstößt jedenfalls dann gegen § 19 Abs. 1 Satz 2, wenn es an konkreten Anhaltspunkten oder an einem durch Tatsachen erhärteten Verdacht von Arbeitszeitmanipulation fehlt und nicht erkennbar ist, warum handschriftliche Eintragungen in Zeiterfassungsbögen nicht ausreichen.

Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichtes der Evangelischen Kirche in Deutschland - Erste Kammer für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten - vom 29. Januar 2004 - I-2708/H19-03 - wird unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen festgestellt,
dass die Anordnung der Dienststellenleitung vom 14. April 2003, durch Benutzung einer Chipkarte und hierfür geeigneter Lesegeräte an einer Arbeitszeitkontrolle teilzunehmen, unwirksam ist.
Der Dienststellenleitung wird aufgegeben, unter Rücknahme der dem Antragsteller ausgegebenen Chipkarte es zu unterlassen, vom Antragsteller die weitere Teilnahme an der Arbeitszeitkontrolle durch die jeweilige Betätigung des Chipkartenlesegerätes durch die Chipkarte bei Beginn und Ende der Tätigkeit in der jeweiligen Einrichtung zu fordern.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, der in der Migranten-Beratungsstelle, einer Teileinrichtung der Dienststelle, tätig ist, gemäß der Weisung der Dienststellenleitung vom 14. April 2003 durch Benutzung einer Chipkarte und hierfür geeigneter Lesegeräte an der Arbeitszeitkontrolle teilzunehmen hat, die durch Dienstvereinbarung für die kaufmännische Abteilung der Dienststelle eingerichtet worden war. Dabei geht es zunächst um die Frage der Verfristung der Anrufung des Kirchengerichtes.
In der Migranten-Beratungsstelle werden neben dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung die Leiterin sowie zwei weitere Mitarbeiterinnen beschäftigt.
Für die kaufmännische Abteilung schlossen die Mitarbeitervertretung und die Dienststellenleitung eine Dienstvereinbarung zur Einführung der flexiblen Arbeitszeit zusammen mit der Einführung einer elektronischen Zeitüberwachung durch Chipkarte. Außerhalb der kaufmännischen Abteilung gibt es eine solche Zeitüberwachung durch Chipkarte nicht.
Mit Schreiben vom 24. März 2003 stellte die Dienststellenleitung bei der Mitarbeitervertretung den Antrag, den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung in die Zeiterfassung analog der bei ihr existierenden Dienstvereinbarung für die kaufmännische Abteilung aufzunehmen. Die Mitarbeitervertretung stimmte in ihrer Sitzung am 24. März 2003 dem Antrag der Dienststellenleitung zu. An dieser Sitzung nahm der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung nicht teil. Er befand sich wegen einer Operation im Krankenhaus.
Das am 28. März 2003 gefertigte Protokoll über die Sitzung der Mitarbeitervertretung vom 24. März 2003 unterzeichnete der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung am 7. April 2003.
Am 14. April 2003 übergab die Dienststellenleitung dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung die Chipkarte für die elektronische Zeiterfassung.
Mit Schreiben vom 15. April 2003 legte der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung gegen seine Teilnahme an der elektronischen Zeiterfassung "Einspruch" ein. Die Dienststellenleitung wies mit ihrem Schreiben vom 24. April 2003 den "Einspruch" des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung zurück. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung hielt mit Schreiben vom 12. Mai 2003 seinen "Einspruch" aufrecht unter Hinweis darauf, dass es sich um eine "Kontrollmaßnahme" handele.
Die Mitarbeitervertretung forderte mit Schreiben vom 26. Mai 2003 die Dienststellenleitung auf, von der geplanten Maßnahme abzusehen.
Mit am 12. Juni 2003 bei der Schlichtungsstelle der EKD, jetzt Kirchengericht der EKD, eingegangenen Antrag vom 11. Juni 2003 begehrt der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung die Aufhebung der Weisung der Dienststellenleitung vom 14. April 2003, hilfsweise die Feststellung ihrer Unwirksamkeit, und Unterlassung, von ihm die Teilnahme an der elektronischen Zeiterfassung zu fordern. Er hat die Auffassung vertreten, er werde durch diese angeordnete Maßnahme in seiner Tätigkeit für die Mitarbeitervertretung benachteiligt. Niemand außer ihm außerhalb der kaufmännischen Abteilung werde der elektronischen Zeiterfassung unterzogen.
Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. die Weisung des Dienststellenleiters vom 14. April 2003, durch Benutzung einer Chipkarte und hierfür geeigneter Lesegeräte an der Arbeitszeitkontrolle teilzunehmen, aufzuheben,
2. hilfsweise festzustellen, dass die Anordnung zu 1. vom 14. April 2003 unwirksam ist,
3. der Dienststellenleitung aufzugeben, unter Rücknahme der dem Antragsteller ausgegebenen Chipkarte es zu unterlassen, vom Antragsteller die weitere Teilnahme an der Arbeitszeitkontrolle durch jeweilige Betätigung der Chipkartenlesegeräte durch die Chipkarte bei Beginn und Ende der Tätigkeit in der jeweiligen Einrichtung zu fordern.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle zum einen die Antragsbefugnis. Darüber hinaus sei die Anrufungsfrist gemäß § 61 Abs. 1 MVG.EKD nicht gewahrt. Im Übrigen werde mit der Zeiterfassung die Tätigkeit für die Mitarbeitervertretung weder behindert noch werde der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung benachteiligt. Die Zeiterfassung des Antragstellers sei seiner individualisierten Arbeitszeitregelung im Vergleich zu den anderen in den Migranten-Beratungsstellen vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern geschuldet.
Das Kirchengericht der EKD, vormals Schlichtungsstelle der EKD, hat die Anträge durch Beschluss vom 29. Januar 2004 zurückgewiesen. Es hat gemeint, Hauptantrag sowie Hilfsanträge seien unzulässig. Der Antragsteller habe mit seinen Anträgen das Kirchengericht der EKD verspätet angerufen. Spätestens mit seiner Unterschrift am 7. April 2003 auf dem Protokoll der Sitzung der Mitarbeitervertretung vom 24. März 2003 habe der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung Kenntnis darüber erlangt, dass er an der elektronischen Zeitmessung teilzunehmen habe. Somit habe die Antragsfrist für das Anrufen des Kirchengerichtes unter Berücksichtigung der Regelung des § 188 Abs. 2 BGB am 7. Juni 2003 geendet. Das am 12. Juni 2003 eingeleitete mitarbeitervertretungsrechtliche Beschlussverfahren liege außerhalb dieser Zwei-Monats-Frist und sei somit verspätet. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung könne auch nicht mit Erfolg einwenden, die Anrufungsfrist beginne erst mit dem Beginn der von ihm gerügten Benachteiligung, nämlich mit dem 14. April 2003. Schon allein nach dem Wortlaut der Regelung in § 61 Abs. 1 MVG.EKD stelle der Gesetzgeber expressis verbis auf die tatsächliche Kenntnis von einer Maßnahme und nicht etwa auf die Umsetzung einer Maßnahme ab. Entscheidend sei demnach nicht der Beginn einer Benachteiligung, sondern die tatsächliche Kenntnis der, wenn auch erst beabsichtigten, Benachteiligung. Spätestens mit dem 7. April 2003 sei die Antragsfrist zur Anrufung des Kirchengerichtes für den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung in Gang gesetzt worden.
Gegen diesen ihm am 29. März 2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung mit seiner am 28. April 2004 beim Kirchengerichteshof eingegangenen Beschwerde. Er rügt die Verkennung des Begriffs "Kenntnis einer Maßnahme oder eines Rechtsverstoßes im Sinne von § 60 Abs. 1" des § 61 Abs. 1 MVG.EKD. In der Sache selbst stelle die von der Dienststellenleitung verfügte Maßnahme eine Benachteiligung im Sinne von § 19 Abs. 1 MVG.EKD dar.
Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichtes der EKD vom 29. Januar 2004 - Az.: I-2708/H19-03
1. die Weisung des Dienststellenleiters vom 14. April 2003, durch Benutzung einer Chipkarte und hierfür geeigneter Lesegeräte an einer Arbeitszeitkontrolle teilzunehmen, aufzuheben,
2. hilfsweise, festzustellen, dass die Anordnung zu 1. vom 14. April 2003 unwirksam ist,
3. der Dienststellenleitung aufzugeben, unter Rücknahme der dem Antragsteller ausgegebenen Chipkarte es zu unterlassen, vom Antragsteller die weitere Teilnahme an der Arbeitszeitkontrolle durch die jeweilige Betätigung des Chipkartenlesegerätes durch die Chipkarte bei Beginn und Ende der Tätigkeit in der jeweiligen Einrichtung zu fordern.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss. Sie leugnet die Antragsbefugnis des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung. Jedenfalls sei die Anrufungsfrist nicht gewahrt. Im Übrigen sei es zwar zutreffend, dass der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung außerhalb der kaufmännischen Abteilung der einzige Mitarbeiter der Dienststelle sei, dessen Arbeitszeit entsprechend der bestehenden Dienstvereinbarung in der kaufmännischen Abteilung erfasst werde. Mit dieser Zeiterfassung werde aber seine Tätigkeit für die Mitarbeitervertretung nicht behindert. Der Antragsteller werde auch nicht wegen seiner Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung benachteiligt. Zum einen könne in der Zeiterfassung als solcher eo ipso weder eine Behinderung noch eine Benachteiligung gesehen werden. Bei der Zeiterfassung handele es sich nur um die Dokumentation eines Vorganges (Arbeitszeit), hinsichtlich dessen der Arbeitnehmer ohnehin auskunftspflichtig sei. Dass die Einführung der Zeiterfassung mitbestimmungspflichtig sei, führe nicht zu einer Wertung der Zeiterfassung als Behinderung der Tätigkeit des Antragstellers als Mitarbeitervertreter oder zu einer Benachteiligung wegen seiner Tätigkeit als Mitarbeitervertreter. Zum anderen sei die zweifelsfreie, also technische Erfassung seiner Arbeitszeit im Hinblick auf die Refinanzierung seiner Tätigkeit erforderlich - also nicht wegen seiner Tätigkeit als Mitarbeitervertreter -. Kein anderer Mitarbeiter in den Migranten-Beratungsstellen, der in Vollzeit tätig sei, habe derart individualisierte Arbeitszeiten wie der Antragsteller, die zudem im Hinblick auf seine Beanspruchung als Mitglied der Mitarbeitervertretung nicht "fix" seien und sein könnten.
II. Die Beschwerde ist nach § 63 MVG.EKD (n.F.) statthaft und auch sonst zulässig.
1. Für den Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt das neue Recht unmittelbar seit 1. Januar 2004. Die Voraussetzungen des § 63 MVG.EKD liegen vor. Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Juli 2004 die Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss zugelassen.
2. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.
3. Die Beschwerde ist auch im Wesentlichen begründet. Das Kirchengericht der EKD hat zu Unrecht die Anträge des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung als verspätet angesehen. Vielmehr war festzustellen, dass die Maßnahme rechtswidrig ist und die Dienststellenleitung die insoweit gegebene Behinderung des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung zu unterlassen hat.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Die Anträge sind hinreichend bestimmt. Es geht um eine bestimmte Maßnahme oder um ein konkretes Verhalten und/oder um ihre/seine Unterlassung.
2. Der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung ist antragsbefugt. Das hat das Kirchengericht der EKD zutreffend erkannt. Dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung steht ein Antragsrecht bezüglich der gestellten Anträge zu. Er macht eigene Rechte geltend. Für den Bereich des betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahrens des ArbGG ist anerkannt, dass diejenigen Personen, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen werden können, antragsbefugt sind. Eine Antragsbefugnis liegt für jede natürliche und juristische Person vor, die ausweislich ihres Antrags ein eigenes Recht geltend macht. Entscheidend ist, ob der Antragsteller durch die Entscheidung überhaupt in seiner Rechtsstellung betroffen wird, was immer dann der Fall ist, wenn er eigene Rechte geltend macht (vgl. z.B. LAG Niedersachsen 16. Februar 2001 - 16 TaBV 46/00 - LAGE § 34 BetrVG 1972 Nr. 1 zu II der Gründe). Daher besteht für § 78 BetrVG - Störungs-, Behinderungs-, Benachteiligungsverbot o.a. gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats - Einigkeit darüber, dass das betroffene Betriebsratsmitglied antragsbefugt ist (DKK-Buschmann, BetrVG 9. Auflage 2004, § 78 RdNr. 30; Kreutz, GK-BetrVG, § 78 RdNr. 31; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier BetrVG 22. Aufl. § 78 RdNr. 25). Das gilt auch für den Bereich des MVG.EKD. Der Antragsteller macht ein eigenes Recht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD - Behinderungs- und Benachteiligungsverbot hinsichtlich der Mitglieder der Mitarbeitervertretung - geltend. Der Antragsteller ist Vorsitzender der Mitarbeitervertretung. Er verlangt die Aufhebung einer Maßnahme, hilfsweise die Feststellung ihre Unwirksamkeit und Unterlassung der Maßnahme im Hinblick auf das Behinderungs- und Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD. Er sei durch die Maßnahme in seiner Rechtsstellung als Mitglied der Mitarbeitervertretung oder als deren Vorsitzender betroffen. Dies begründet die Antragsbefugnis im vorliegenden Verfahren. Darauf, dass zur Klärung der Streitigkeiten, die sich aus dem Behinderungsverbot ergeben, die Kirchengerichte in mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten nach § 60 Abs. 1 MVG.EKD angerufen werden können, war in dem durch das Kirchengesetz über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der EKD (ABl.EKD S. 408) aufgehobenen § 19 Abs. 4 (Artikel 5 Nr. 9 des Kirchengesetzes) deklaratorisch hingewiesen worden (vgl. insoweit Fey/Rehren MVG.EKD, Stand Januar 2004, § 19 RdNr. 17).
3. Entgegen der Auffassung des Kirchengerichtes der EKD hat der Antragsteller die Frist des § 61 Abs. 1 MVG.EKD gewahrt. Nach dieser Bestimmung beträgt "die Frist zwei Monate nach Kenntnis einer Maßnahme oder eines Rechtsverstoßes im Sinne von § 60 Abs. 1", sofern keine besondere Frist für die Anrufung der Kirchengerichte festgelegt ist.
a) Das Kirchengericht der EKD hat ausgeführt, spätestens mit seiner Unterschrift am 7. April 2003 auf dem Protokoll der Sitzung der Mitarbeitervertretung vom 24. März 2003 habe der Antragsteller Kenntnis darüber erlangt, dass er an der elektronischen Zeitmessung teilzunehmen habe. Somit habe die Antragsfrist für die Anrufung des Kirchengerichtes der EKD unter Berücksichtigung der Regelung des § 188 Abs. 2 BGB am 7. Juni 2003 geendet. Das am 12. Juni 2003 eingeleitete mitarbeitervertretungsrechtliche Beschlussverfahren liege außerhalb dieser Zwei-Monats-Frist und sei somit verspätet. Die Anrufungsfrist beginne nicht erst mit dem Beginn der vom Antragsteller gerügten Benachteiligung, nämlich mit dem 14. April 2003. Schon allein nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 MVG.EKD stelle der Gesetzgeber auf die tatsächliche Kenntnis von einer Maßnahme ab, nicht etwa auf die Umsetzung einer Maßnahme. Entscheidend sei nicht der Beginn einer Benachteiligung, sondern die tatsächliche Kenntnis der, wenn auch erst beabsichtigten, Benachteiligung.
b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Frist zur Anrufung des Kirchengerichtes in mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten beträgt nach § 61 Abs. 1 MVG.EKD grundsätzlich zwei Monate nach Kenntnis eines Tatbestandes i.S.d. § 60 Abs. 1 MVG.EKD, hier Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD (vgl. § 60 Abs. 1 Buchst. f MVG.EKD in der Fassung von 1992). Während "Kenntnis" positive Kenntnis meint, also dass die Kenntnis erlangt sein muss, ist hier zweifelhaft, ab wann die Frist läuft: ab der Unterschrift des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung am 7. April 2003 auf dem Protokoll der Sitzung der Mitarbeitervertretung oder ab Aushändigung der Chipkarte für die elektronische Zeiterfassung als Beginn der vom Antragsteller als Benachteiligung empfundenen Teilnahme an der elektronischen Zeiterfassung. § 60 Abs. 1 Buchst. f MVG.EKD in der Fassung von 1992 stellt auf "Verstöße gegen das Behinderungsverbot (§ 19 Abs. 1 und 2)" ab. Das steht dafür, dass es auf den eingetretenen Verstoß, nicht auf einen in Aussicht genommenen ankommt mit der Folge, dass es hier auf den 14. April 2003 ankäme. Denn erst an diesem Tag hat die Dienststellenleitung die tatsächlichen Voraussetzungen der Teilnahme des Antragstellers an der elektronischen Zeiterfassung geschaffen, indem sie dem Antragsteller die Chipkarte für die elektronische Zeiterfassung übergab. Das entspricht dem Begriff der "Maßnahme". Der Begriff "Maßnahme" im personalvertretungsrechtlichen Sinne umfasst jede Handlung und Entscheidung, die den Rechtsstand der Bediensteten oder eines einzelnen Bediensteten berührt. Ein derartiges "Berühren" setzt in Bezug auf mindestens einen einzelnen Bediensteten eine Änderung des bestehenden Zustandes voraus (BVerwG 23. Oktober 1992 - 6 Pb 15/92 - Buchholz 251.6 § 67 a Nds. Personalvertretungsgesetz Nr. 1). Nichts anderes gilt jedenfalls für den Bereich des § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD. Es reicht nur ein Sachverhalt aus, der den erstrebten Erfolg herbeiführt, ohne dass es noch eines weiteren Handelns durch die Dienststellenleitung bedarf. Und das war am 7. April 2003 noch nicht der Fall. Der Antragsteller hat an diesem Tage lediglich von einer in Aussicht genommenen Maßnahme Kenntnis genommen, welche sich die Dienststellenleitung hatte von der Mitarbeitervertretung absegnen lassen. Nachdem die Dienststellenleitung die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der in Aussicht genommenen Maßnahme erreicht hatte, bedurfte es noch eines weiteren Handelns der Dienststellenleitung. Dem Antragsteller musste die Weisung erteilt werden, tatsächlich an der elektronischen Zeiterfassung teilzunehmen, und er musste mit der dafür erforderlichen Technik versehen werden. Die Dienststellenleitung hätte auch - aus welchen Gründen auch immer - von der elektronischen Zeiterfassung durch den Antragsteller absehen können, an der Rechtstellung des Antragstellers hätte sich dann nichts geändert. Das war erst am 14. April 2003 anders, als die Dienststellenleitung dem Antragsteller die Chipkarte für die elektronische Zeiterfassung übergab mit der - jedenfalls konkludenten - Weisung, nunmehr an der elektronischen Zeiterfassung teilzunehmen. Dem lässt sich als weiteres Argument hinzufügen, dass in § 45 Abs. 2 MVG.EKD in zweiter Linie auf die Kenntnis ab rechtswidriger Durchführung der Maßnahmen abgestellt wird, wonach eine Maßnahme mehr als sechs Monate nach ihrer Durchführung nicht mehr zulässig angefochten werden kann.
4. Der Antragsteller wird als Vorsitzender der Mitarbeitervertretung dadurch im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD benachteiligt, dass er "analog" an einer für einen anderen Bereich der Dienststelle bestehenden Zeiterfassungsregelung als Einziger der (Teil-)Einrichtung, in der er tätig ist, und als einziger von dieser (Teil-)Einrichtung entsprechenden zwei weiteren (Teil-)Einrichtungen, teilnehmen muss. Die Dienststellenleitung hat die Teilnahme an der elektronischen Zeiterfassung damit begründet, dass die zweifelsfreie, also technische Erfassung der Arbeitszeit des Antragstellers im Hinblick auf die Refinanzierung seiner Tätigkeit erforderlich sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn es ist nach wie vor davon auszugehen, dass es sich um eine herausgreifende Kontrolle des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung handelt. Die herausgreifende Kontrolle der festliegenden Arbeitszeiten des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung ohne besondere konkrete Anhaltspunkte oder ohne einen auf Tatsachen gestützten Verdacht, etwa hinsichtlich nicht mit tatsächlicher Arbeit in der Migranten-Beratungsstelle ausgefüllter Arbeitsstunden, und außerhalb einer Stichprobenregelung verstößt gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Erfassung der Arbeitszeit des Antragstellers in der Migranten-Beratungsstelle im Hinblick auf die Refinanzierung seiner Tätigkeit erforderlich ist. Die elektronische Zeiterfassung, die dem Antragsteller angesonnen ist, richtet sich aber ausschließlich und herausgreifend gegen den Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung. Denn die anderen Mitarbeiter in der Migranten-Beratungsstelle und die Mitarbeiter von zwei weiteren der Teileinrichtung, in der der Antragsteller arbeitet, vergleichbaren (Teil-)Einrichtungen waren und sind nicht gehalten, an der elektronischen Zeiterfassung teilzunehmen. Hinzu kommt, dass nicht deutlich gemacht wurde, auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, warum nicht etwa handschriftliche Aufschriebe ausreichen; es ist nicht vorgetragen, dass die Refinanzierer handschriftliche Aufzeichnungen nicht anerkennen. Und wenn schriftliche Nachweise Manipulationen zugänglich sein sollen, ist das für die elektronische Zeiterfassung auch der Fall.
Verstößt die Maßnahme gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD, war ihre Rechtswidrigkeit festzustellen, außerdem der vom Antragsteller begehrten Unterlassung zu entsprechen; im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen; ein Anspruch auf Aufhebung der Maßnahme besteht nicht; er ist im MVG.EKD nicht vorgesehen, so dass es entsprechend der Betriebsverfassung bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Behinderungsmaßnahme und bei der Unterlassung der Behinderung zu verbleiben hat (vgl. DKK-Buschmann, aaO § 78 RdNr. 30 m. w. N.).
III. Ein Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der Fassung ab 1.1.2004 geltenden Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG).