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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 22.12.2011 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/T21-11 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 36 Abs. 5, BGB § 626 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), 2 M 120/09, ZMV 3/2012 S. 156 |
Schlagworte: | Außerordentliche Kündigung einer Dienstvereinbarung |
Leitsatz:
1. Eine für eine bestimmte oder unbestimmte Dauer geltende Dienstvereinbarung kann nicht nur ordentlich (fristgemäß) gekündigt werden (vgl. § 36 Abs. 5 MVG.EKD); sie kann auch außerordentlich (fristlos) gekündigt werden.
2. Die außerordentliche Kündigung einer Dienstvereinbarung setzt voraus, dass dem Kündigenden das Festhalten an der Dienstvereinbarung unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles nicht zugemutet werden kann.
3. Für die Prüfung, ob ein Festhalten an einer Dienstvereinbarung unzumutbar ist oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob dies ggf. im Zeitpunkt deren (angeblicher) Verletzung der Fall gewesen sein mag, sondern auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung der außerordentlichen Kündigung.
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 29. März 2011 - Az. 2 M 120/09 - wird unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 1. Dezember 2009 erklärte außerordentliche Kündigung der Dienstvereinbarung gemäß Beschäftigungssicherungsordnung (DV.BSO) vom 14. November 2006 berechtigt war.
Die Dienststelle befasst sich u.a. mit stationärer Suchtkrankenhilfe. Im Jahr 2006 sank die Auslastung der Einrichtung; es entstand eine wirtschaftliche Notlage. Die Beteiligten schlossen die genannte "Dienstvereinbarung gemäß der Beschäftigungssicherungsordnung" (DV.BSO). In deren Ziffer 2 wurde eine Absenkung der für das Jahr 2006 zustehenden Sonderzuwendung vereinbart. Die Absenkungsbeträge - etwa 170.000 Euro - behielt die Dienststellenleitung ein. Ziffer 3 Satz 1 DV.BSO lautet:
"Betriebsbedingte Kündigungen und die Ausgliederung von Arbeits- und Funktionsbereichen sind bis zum 31.12.2009 ausgeschlossen."
Nach ihrer Ziffer 6 "endet" die Dienstvereinbarung "am 31.12.2009".
In Ziffer 7 DV.BSO heißt es:
"Diese Dienstvereinbarung kann "nur aus wichtigem Grund" gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die Dienststellenleitung während der Laufzeit dieser Dienstvereinbarung betriebsbedingte Kündigungen bzw. Änderungskündigungen ausspricht, die Dienststelle oder Teile dieser Dienststelle auf einen anderen Inhaber übergehen, ohne dass die Mitarbeitervertretung diesem Übergang ausdrücklich zugestimmt oder die Dienststellenleitung den Gemeinsamen Ausschuss nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend beteiligt hat und die von der Mitarbeitervertretung entsandten Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses die Erfüllung der Pflichten durch die Dienststellenleitung mit einer Frist von 10 Tagen schriftlich angemahnt haben.
Wird die Dienstvereinbarung aus wichtigem Grunde gekündigt, so ist die Dienststelle verpflichtet, die einbehaltenen Bezüge nachzuzahlen. Der Anspruch entsteht mit Zugang der Kündigung. Auf die Nachzahlung kann einzelvertraglich nicht verzichtet werden."
Bis zum Sommer 2009 betrieb die Dienststelle zwei Waschhäuser, in denen insgesamt vier Mitarbeiterinnen im Umfang von zusammen 2,25 Vollzeit-Stellen beschäftigt wurden. Bis dahin wurde von dem Wäscheaufkommen von etwa 290 Jahrestonnen in allen Teilen der Dienststelle der weitaus größte Teil dezentral in den einzelnen Einrichtungsteilen in Haushaltswaschmaschinen gewaschen; etwa 15 % des Wäscheaufkommens wurde von fremden Unternehmen gewaschen; in den beiden Waschhäusern wurde das verbleibende Wäscheaufkommen in Industriewaschmaschinen gewaschen.
Die Antragstellerin hatte der Mitarbeitervertretung angekündigt, im Frühjahr oder Sommer 2009 die beiden Waschhäuser schließen zu wollen. Die Mitarbeitervertretung hat die Antragstellerin daraufhin mit dem Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25. März 2009 auf die DV.BSO hingewiesen und angekündigt, im Fall der Schließung der Wäscherei und Übertragung von deren Aufgaben auf einen Dritten im Jahr 2009 "werde die Mitarbeitervertretung darüber zu befinden haben, ob sie von ihrem Kündigungsrecht gemäß Ziff. 7 der Dienstvereinbarung Gebrauch mache. Auf die dort geregelten Rechtsfolgen weist sie ausdrücklich hin". Die Dienststellenleitung antwortete hierauf mit ihrem Schreiben vom 17. April 2009, es werde keine Ausgliederung vorgenommen und keine betriebsbedingten Kündigungen erklärt werden.
Ab Sommer 2009 wurde der Waschbetrieb in den beiden Waschhäusern eingestellt; der an fremde Unternehmen vergebene Anteil der Wäsche stieg auf etwa 27 %. In einem Waschhaus werden seitdem durch eine Teilzeitmitarbeiterin nur noch Randarbeiten wie Sortieren, Kennzeichnen oder Reparieren der Wäsche durchgeführt, in dem anderen Waschhaus werden im Wesentlichen nur noch Wischbezüge von einer Teilzeitmitarbeiterin gewaschen und gepflegt. Soweit die bisher in den Waschhäusern tätigen Mitarbeiterinnen dort wegen der skizzierten Änderung nicht mehr eingesetzt werden können, werden sie in der Einrichtung für andere hauswirtschaftliche Arbeiten eingesetzt. Betriebsbedingte Kündigungen oder Änderungskündigungen sind in diesem Zusammenhang nicht ausgesprochen worden.
Mit dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Dezember 2009 hat die Mitarbeitervertretung die Dienstvereinbarung außerordentlich gekündigt und zur Begründung ausgeführt, die Dienststellenleitung habe "die Wäscherei geschlossen und die Funktion auf externe Unternehmen übertragen".
Am 23. Dezember 2009 hat die Dienststellenleitung das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Sie hat im ersten Rechtszug im Wesentlichen darauf verwiesen, dass kein Grund i.S. der Ziffer 7 Abs. 1 DV.BSO für eine außerordentliche Kündigung vorliege. Es gebe weder einen Betriebsübergang hinsichtlich der Wäscherei, noch sei eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beschlossen habe, die DV.BSO außerordentlich zu kündigen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Antragstellerin wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 23. Dezember 2009, 2. Juni, 23. Juli, 5. August, 15. November 2010 und vom 22. März 2011 Bezug genommen.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zur außerordentlichen Kündigung der Dienstvereinbarung vom 14. November 2006 "Dienstvereinbarung zwischen der Geschäftsführung und der Mitarbeitervertretung gem. Beschäftigungssicherungsordnung" mit der außerordentlichen Kündigung vom 1. Dezember 2009 zur Seite steht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, es habe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigende Ausgliederung des Funktionsbereiches der beiden Wäschehäuser stattgefunden. Sie habe im Oktober oder November 2009 beschlossen, die DV.BSO außerordentlich zu kündigen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im ersten Rechtszug wird auf die von der Mitarbeitervertretung eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen vom 1. März, 3. Mai, 7. Juni, 6. und 31. August 2010 sowie vom 8. und 14. Februar und vom 24. März 2011 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Dienststellenleitung durch ihren Beschluss vom 29. März 20011 stattgegeben. Sie hat in der weitgehenden Aufgabe des Wäschereibetriebes in den beiden Waschhäusern und in der Fremdvergabe der Waschaufträge keinen wichtigen Grund i.S. der Ziffer 7 DV.BSO gesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen. Der vollständige, mit Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss ist der Mitarbeitervertretung am 20. April 2011 zugestellt worden.
Am 9. Juni 2011 (Fax) und am 10. Juni 2011 (Original nebst Abschriften) ist bei der Geschäftsstelle des Kirchengerichtshofs der EKD eine das vorliegende Verfahren betreffende Beschwerdebegründungsschrift der Mitarbeitervertretung eingegangen. Eine Beschwerdeschrift war beim KGH.EKD nicht eingegangen. Am 20. Juni 2011 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt, die bis dahin beim KGH.EKD nicht eingegangene Beschwerdeschrift (Anwaltsaktenzeichen 1088/09) in Kopie überreicht und unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten D um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Sie habe die Beschwerdeschrift am 16. Mai 2011 wegen einer technischen Störung nicht - wie üblich - vorab per Fax an das Gericht senden können, habe sie deshalb noch am selben Tag per Post auf den Weg gebracht. Allerdings habe sie vergessen, den Eingang der Beschwerdeschrift beim Gericht zu überprüfen. Auf Nachfrage habe sie der am 19. Mai 2011 für die Fristenkontrolle zuständigen Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten die Erledigung der Frist bestätigt. Auf Anforderung durch das Gericht hat die Beschwerdeführerin eine beglaubigte Kopie aus dem Postausgangsbuch vorgelegt; darin ist ein Postausgang "KGH Beschwerde 1088/09 1,45" vermerkt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 9. und 19. Juni, 15. und 27. Juli sowie vom 5. Dezember 2011 Bezug genommen.
Sie beantragt,
ihr gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren,
die Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses anzunehmen,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung tritt dem Vortrag und dem Begehren der Beschwerdeführerin nach näherer Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 7. und 11. Juli 2011 entgegen.
II. Die Beschwerde war nicht nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 517 ZPO, § 233, § 238 ZPO mangels Einhaltung der Beschwerdefrist unter gleichzeitiger Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags durch den Vorsitzenden allein zu verwerfen. Vielmehr ist der Beschwerdeführerin gegen diese Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und darüber zu befinden, ob die Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nach den §§ 234, 236 ZPO zulässig und nach § 233 ZPO begründet. Es ist vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, dass ein Wiedereinsetzungsgrund i.S. des § 233 ZPO vorliegt. Der Antrag zeigt auf, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin eine hinreichende Ausgangskontrolle hinsichtlich der Fristwahrung der Beschwerdeschrift organisiert hat. Für die Ausgangskontrolle ist erforderlich, dass in einem geordneten Verfahren kontrolliert wird, ob ein per Post einzureichender fristwahrender Schriftsatz hinreichend zeitig vor Fristablauf richtig adressiert und frankiert zur Post gegeben wird. Dies kann durch entsprechende Eintragungen im Postausgangsbuch geschehen. Die Beschwerdeführerin hat eine beglaubigte Ablichtung der diese Eintragungen ausweisenden Seite aus dem Postausgangsbuch ihres Verfahrensbevollmächtigten vorgelegt. Ferner muss dargetan und glaubhaft gemacht werden, dass die derart versandfertig gemachte Post tatsächlich zur Post gegeben worden ist. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt.
III. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die zu § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 10. März 2011 - I-0124/S62-10 - ZMV 2011, 213). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Solche Zweifel liegen hier nicht vor. Die Vorinstanz hat dem Antrag zumindest im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich der Erklärung der außerordentlichen Kündigung durch das Anwaltsschreiben vom 1. Dezember 2009 hat für die Mitarbeitervertretung kein Grund (mehr) bestanden, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.
aa) Eine für eine bestimmte oder unbestimmte Dauer geltende Dienstvereinbarung kann nicht nur ordentlich (fristgemäß) gekündigt werden (vgl. § 36 Abs. 5 MVG.EKD); sie kann auch außerordentlich (fristlos) gekündigt werden. Letzteres ist zwar im Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD nicht ausdrücklich normiert worden; es ergibt sich aber aus dem Grundgedanken des § 626 BGB (vgl. Fey/Rehren, Praxiskommentar zum MVG.EKD, Stand Juli 2011, § 36 Rn. 20; Berliner Kommentar zum MVG.EKD/Andelewski, Stand 2007, § 36 Rn. 44).
bb) Die Voraussetzungen der besonders normierten Gründe für eine außerordentliche Kündigung (Ziffer 7 Abs. 1 Satz 2 DV.BSO) liegen nicht vor. Die Reduzierung des Betreibens der beiden Waschhäuser stellt keinen der in Ziffer 7 Abs. 1 Satz 2 DV.BSO genannten Kündigungsgründe dar. Insbesondere liegt kein Übergang des Betriebes oder Betriebsteiles auf Dritte vor. Es ist lediglich ohne jeden Übergang von Betriebsmitteln, wie z.B. Waschmaschinen oder Trocknern, der Wäscheauftrag an externe Wäschereien von etwa 15 auf ca. 27 v.H. des gesamten Wäscheaufkommens erhöht worden. Ebenso ist es nicht zu einer betriebsbedingten Beendigungs- oder Änderungskündigung gekommen.
cc) Es hat für die Mitarbeitervertretung aber auch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach Ziffer 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Ziffer 3 Satz 1 DV.BSO bestanden. Vielmehr war es ihr zuzumuten, den Ablauf der DV.BSO abzuwarten.
(1) Die außerordentliche Kündigung einer Dienstvereinbarung setzt voraus, dass dem Kündigenden das Festhalten an der Dienstvereinbarung unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles nicht zugemutet werden kann (vgl. für die außerordentliche Kündigung einer Betriebsvereinbarung: BAG, Beschluss vom 28. April 1998 - 1 ABR 43/97 - EzA § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung Nr. 1). Daran fehlt es hier. Es war der Mitarbeitervertretung im maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung durch das Kündigungsschreiben vom 1. Dezember 2009 nicht unzumutbar, für die nicht einmal mehr einen Monat betragende Restlaufzeit an der DV.BSO festzuhalten, nachdem die Dienstgeberin die von ihr beabsichtigten Veränderungen im Frühjahr 2009 angekündigt und im Sommer 2009 verwirklicht hatte.
(2) Dies ergibt die gebotene Gesamtabwägung aller Umstände, selbst wenn man zu Gunsten der Mitarbeitervertretung unterstellt, die in Rede stehenden Veränderungen bei "der Wäscherei" seien nach der DV.BSO unzulässig gewesen.
(3) Der erkennbare Sinn der Gegenleistung der Dienstgeberin für die einmalige Kürzung der Sonderzahlung für das Jahr 2006 hat darin bestanden, dass die Arbeitsverhältnisse erhalten bleiben sollten. Sie sollten weder betriebsbedingt gekündigt, noch durch Ausgliederungen auf Dritte übertragen werden. Der Sinn der Gegenleistung besteht dagegen erkennbar nicht in der bloßen Beibehaltung der bei Abschluss der DV.BSO bestehenden betrieblichen Gegebenheiten, insbesondere des unveränderten Weiterbetreibens der beiden Waschhäuser oder der Durchführungsstruktur der Wäschepflege als solcher. Die von der Mitarbeitervertretung als Verletzung der DV.BSO angesehenen Veränderungen bei den Waschhäusern haben auf keinen Fall dem Sinn der Gegenleistung widersprochen.
(4) Zudem spricht der Zeitablauf gegen die Möglichkeit, im maßgeblichen Zeitpunkt der Erklärung der außerordentlichen Kündigung sei es für die Mitarbeitervertretung (noch) unzumutbar gewesen, an der DV.BSO festzuhalten. Entgegen der nicht näher begründeten Annahme der Mitarbeitervertretung kommt es für die Prüfung, ob ein Festhalten an einer Dienstvereinbarung unzumutbar ist oder nicht, nicht darauf an, ob dies ggf. im Zeitpunkt deren (angeblicher) Verletzung der Fall gewesen sein mag, sondern auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung der außerordentlichen Kündigung. Denn zu dieser Zeit muss es unzumutbar sein, an der Dienstvereinbarung auch nur bis zu deren regulärer Beendigung (oder Beendigungsmöglichkeit, z.B. durch eine ordentliche Kündigung) festzuhalten. Anderenfalls kann nicht geprüft werden, ob dem Kündigenden die Einhaltung der Dienstvereinbarung (noch) zugemutet werden kann.
(5) Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier der Zugang der Erklärung der außerordentlichen Kündigung der DV.BSO im Anwaltsschreiben vom 1. Dezember 2009. Die am 14. November 2006 abgeschlossene DV.BSO war jedenfalls bis zum Sommer 2009 unbeanstandet eingehalten worden. Zwischen dem Ausspruch der Kündigung durch das Anwaltsschreiben vom 1. Dezember 2009 und dem Ende der DV.BSO wegen Fristablaufs am 31. Dezember 2009 lag kein voller Monat mehr. Die von der Mitarbeitervertretung als wichtiger Grund angesehene Veränderung war ihr im Frühjahr 2009 angekündigt und im Sommer 2009 durchgeführt worden. Zumindest dieser lange Abstand lässt es nicht (mehr) als unzumutbar erscheinen, für den letzten Monat der für insgesamt etwas mehr als 37 Monate vereinbarten DV.BSO an ihr festzuhalten.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).