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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 18.11.2003 |
Aktenzeichen: | VerwG.EKD II-0124/H26-03 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 40 Buchst. k , § 63 Abs. 1 Buchst. a , VwGO § 130a |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen in Münster - 2. Kammer -, Az.: 2 M 31/03, Fundstelle: Rechtsprechungsbeilage Amtsblatt EKD, 2004, S. 40 |
Schlagworte: | Mitbestimmung bei Einführung einer Dienstkleidung, deren Tragen dem einzelnen Mitarbeiter überlassen bleibt |
Leitsatz:
Die Einführung einer Dienstkleidung unterfällt dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. k MVG.EKD, wenn das Tragen der Dienstkleidung zwar nicht zur Pflicht gemacht wird, aber die Benutzung der Dienstkleidung an Verpflichtungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geknüpft wird.
Tenor:
1. Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen in Münster - 2. Kammer - vom 4. Juli 2003, Az.: 2 M 31/03, wird zurückgewiesen.
2. Die Dienststellenleitung hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einführung von Dienstkleidung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflege- und Hauswirtschaft auch dann der Mitbestimmung durch die Mitarbeitervertretung unterliegt, wenn die Mitarbeitenden die Dienstkleidung freiwillig nutzen können, aber nicht nutzen müssen.
Nachdem die Mitarbeitervertretung die Mitbestimmung zur Einführung von Dienstkleidung unter Hinweis auf § 40 Buchst. k MVG.EKD eingefordert und die Aufstellung einer gemeinsamen Regelung zum Umgang mit Dienstkleidung für wünschenswert erachtet hatte, beharrte die Dienststellenleitung auf ihre Auffassung, die Zurverfügungstellung von Dienstkleidung sei nicht mitbestimmungspflichtig. Die Mitarbeitenden könnten die Dienstkleidung freiwillig nutzen. Für die Reinigung der Dienstkleidung sollten die Mitarbeitenden selber Sorge tragen. Dies sei die einzige Verpflichtung, die mit der Nutzung der Dienstkleidung verbunden sei.
Daraufhin beantragte die Mitarbeitervertretung mit am 7. März 2003 bei der Schlichtungsstelle eingegangen Schriftsatz vom selben Tage festzustellen,
dass die Mitarbeitervertretung bei der Einführung von Dienstkleidung mitzubestimmen hat.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, eine Ordnungsmaßnahme solle mit Einführung dieser Dienstkleidung gerade nicht erfolgen. Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt sei dies nicht gegeben. Erst wenn es zur Pflicht werde, die Dienstkleidung zu tragen, sei das Mitbestimmungsrecht gegeben. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege und Betreuung, die dies wünschten, sollten vier Garnituren Dienstkleidung zur Verfügung gestellt werden. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter könne völlig frei entscheiden, ob er dieses Angebot wahrnehmen wolle. Es gebe keine bindende Team- oder Einrichtungsentscheidung. Es werde auch darauf verzichtet, für die überlassene Dienstkleidung ein Pfand hinterlegen zu lassen. Für eventuell verlorene oder aus Versehen verwaschene Dienstkleidung werde auch auf einen möglichen Regress verzichtet. Die einzige Verpflichtung, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die individuell auf ihre Größe angepassten und ständig angepassten Kleidungsstücke übernähmen, sei, dass von Seiten des Dienstgebers erwartet werde, diese Kleidung sorgfältig und gepflegt - gewaschen- zu halten. Erst beim Ausscheiden aus der Tätigkeit seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtet, die Dienstkleidung zurückzugeben.
Die Schlichtungsstelle hat mit Beschluss vom 4. Juli 2003 dem Antrag der Mitarbeitervertretung entsprochen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, an der Mitbestimmungspflicht bei der Einführung von Dienstkleidung ändere nichts, dass das Tragen der Dienstkleidung nicht angeordnet werde, sondern auf freiwilliger Basis erfolgen solle. Die Zurverfügungstellung von Dienstkleidung und damit das Fördern des Tragens von Dienstkleidung sei eine Maßnahme der Dienststelle, die zumindest das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst, wenn auch ohne Zwang, regele. Dass die Maßnahme auf freiwilliger Basis erfolgen solle, sei mitarbeitervertretungsrechtlich gesehen unerheblich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten nicht durch ihr Einverständnis mit einer Maßnahme zu Lasten der Mitarbeitervertretung auf deren kollektives Recht verzichten. Ein Antrag oder das Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters sei nur dann von Bedeutung, wenn die Mitbestimmung bei einem Antrag oder dem Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters ausdrücklich ausgeschlossen sei. Dass im Falle des Einverständnisses der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Mitbestimmungsrecht entfalle, sehe § 40 Buchst. k MVG.EKD nicht vor. Im Übrigen seien durch die Einführung von Dienstkleidung auf freiwilliger Basis auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, die die Dienstkleidung nicht zu tragen beabsichtigten. Trage ein Teil der Mitarbeiter - freiwillig - Dienstkleidung und ein anderer Teil keine Dienstkleidung, könne für Dritte leicht der Eindruck entstehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keine Dienstkleidung trügen, nicht zur Einrichtung gehörten oder zumindest nur eine untergeordnete Stellung hätten. Trage der überwiegende Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Dienstkleidung, könnten sich diejenigen, die das Tragen der Dienstkleidung nicht wünschten, zumindest subjektiv unter Druck gesetzt fühlen, sich der Mehrheit anzupassen. Die freiwillig getragene Dienstkleidung könne so geschmacklos oder sogar so lächerlich sein, dass sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Dienstkleidung nicht trügen, beeinträchtigt fühlen könnten, weil sie in einer Einrichtung arbeiteten, in der eine derartige Dienstkleidung üblich sei.
Gegen diesen ihr am 11. Juli 2003 zugestellten Beschluss hat die Dienststellenleitung am 7. August 2003 Beschwerde eingelegt. Sie hält den Beschluss für unrichtig. Der Umstand der Freiwilligkeit im Zusammenhang mit dem Tragen der Dienstkleidung löse das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Zwar liege bei der Einführung freiwilliger Dienstkleidung eine "Maßnahme" vor. Nicht jede Maßnahme der Dienststellenleitung sei aber eine mitbestimmungspflichtige Handlung. Um ein Mitbestimmungsrecht auszulösen, fehle es an einer Regelung. Eine Regelung sei Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht. Die Beschwerdeführerin wolle gerade keine Regelung treffen. Die Zurverfügungstellung von Dienstkleidung stelle ein Entgegenkommen dar und auf die Mitarbeitenden werde kein Druck ausgeübt, die Kleidung zu tragen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt bedeute auch, dass die Mitarbeitenden jederzeit ihre Entscheidung ändern könnten, und zwar sowohl zum Tragen als auch zum Nichttragen der Dienstkleidung. Die Dienststellenleitung wolle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dieser Maßnahme "etwas Gutes tun". Dieses Entgegenkommen solle gerade keinen Regelungscharakter beinhalten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten die Möglichkeit erhalten, ihre persönliche Kleidung zu schonen. Damit entfalle der Regelungscharakter. Mit dem Wegfall der Regelung entfalle das Mitbestimmungsrecht gem. § 40 Buchst. k MVG.EKD.
Dieser Wegfall des Mitbestimmungsrechts stelle keinen Verzicht auf das kollektive Recht der Mitarbeitervertretung dar. Ein solcher wäre nicht möglich. Er sei von der Beschwerdeführerin auch weder beabsichtigt noch vertreten. Die Rechte der Mitarbeitervertretung seien gar nicht berührt. Eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle habe die Beschwerdeführerin nicht aufgestellt. Den Mitarbeitenden bleibe es freigestellt, wie sie den Dienst versähen.
Der Hinweis, es könne eine soziale Drucksituation zum Tragen der Dienstkleidung entstehen, greife nicht durch. Im Falle geschmackloser oder lächerlicher Kleidung bleibe es der Mitarbeitervertretung unbenommen, ihre Rechte wahrzunehmen. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten unmittelbar die Möglichkeit, gegen diese Diffamierung vorzugehen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Schlichtungsspruches festzustellen,
dass die Mitarbeitervertretung bei der Einführung einer Dienstkleidung, deren Tragen dem einzelnen Mitarbeiter überlassen bleibt, nicht mitbestimmungspflichtig ist.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, - der Sache nach -
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für richtig. Entscheidend sei, dass die Dienststellenleitung grundsätzlich eine bestimmte Dienstkleidung einführen und für das Tragen der Dienstkleidung entsprechende Grundsätze aufstellen wolle. Diese "Benutzungsbedingungen" seien dann gerade Gegenstand /Inhalt des Mitbestimmungsrechtes.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Einführung einer Dienstkleidung unterfällt auch dann dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. k MVG.EKD, wenn das Tragen der Dienstkleidung nicht zur Pflicht gemacht wird.
1. Die Beschwerde ist an sich statthaft, § 63 Abs. 1 Buchst. a MVG.EKD. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag ist dahin zu verstehen, dass in Abänderung des angegriffenen Beschlusses die Abweisung des Antrages der Mitarbeitervertretung begehrt wird.
2. Die Beschwerde ist indes unbegründet. Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Mitarbeitervertretung zurecht stattgegeben.
Die Mitarbeitervertretung hat auch bei der Einführung einer Dienstkleidung, deren Tragen den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlassen bleibt, mitzubestimmen. Dies hat die Schlichtungsstelle richtig erkannt. Die Beschwerde gibt keinen Anlass, den Beschluss der Schlichtungsstelle abzuändern.
Ausgangspunkt ist der Wortlaut des Gesetzes. § 40 MVG.EKD regelt "Fälle der Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten". Buchstabe k nennt als Fall die "Regelung der Ordnung in der Dienststelle (Haus- und Betriebsordnungen) und des Verhaltens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst". Der Kirchengesetzgeber unterscheidet in Buchst. k des § 40 MVG.EKD zwei Fallgestaltungen: Regelung der Ordnung in der Dienststelle (Haus- und Betriebsordnungen) sowie die Regelung des Verhaltens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst.
Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist sonach nicht nur die Ordnung in der Dienststelle, was in der Tat nur normativen Charakter hat, also verbindlich ist, sondern eben auch das Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst. Das spricht dafür, dass durch die Maßnahme oder Anordnung des Dienstgebers den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht eine bestimmte Verhaltensweise zur Pflicht gemacht werden muss, um das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung auszulösen, jedenfalls dann, wenn, wie hier, das Tragen der Dienstkleidung mit Bedingungen verknüpft ist wie das Inordnunghalten der Dienstkleidung.
Richtig ist, wenn die Beschwerde darauf abstellt, eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle habe die Beschwerdeführerin nicht aufgestellt. Eine Dienstkleidungs-"Ordnung", Kleider-"Ordnung" hat die Beschwerdeführerin nicht aufgestellt und will sie auch nicht aufstellen. Sie will aber eine Dienstkleidung auf freiwilliger Basis einführen mit "Nutzungsbedingungen". Das reicht aus. Es handelt sich um eine Regelung des Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst. Denn dabei geht es um bestimmte angestrebte Verhaltensweisen der Arbeitnehmer - Tragen von Dienstkleidung -, auch wenn diese Verhaltensweise nicht zur Pflicht gemacht wird, aber mit bestimmten Verpflichtungen verbunden ist, wenn Dienstkleidung getragen wird. Diesen Aspekt übersieht die Beschwerde. Hinzu kommt, dass nach dem Zweck der Vorschrift - Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers - das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung unabhängig davon bestehen soll, ob es sich um verbindliche Ordnungen oder es sich um sonstige, auf das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienst bezogene Maßnahmen ohne verpflichtenden Charakter handelt, jedenfalls dann, wenn die Wahrnehmung der Möglichkeit, Dienstkleidung zu tragen, Pflichten des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin auslöst.
Vorstehendem entspricht die herrschende Meinung für den Bereich der Betriebsverfassung, wenngleich nicht zu übersehen ist, dass § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG anders formuliert ist. Bei allem Streit um die Auslegung dieser Norm ist anerkannt, dass jedenfalls unter Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb auch Maßnahmen fallen, die nicht verbindliche Anordnungen des Arbeitergebers enthalten (BAG 24. März 1981 - 1 ABR 32/78 - EzA § 87 BetrVG 1972 betriebliche Ordnung Nr. 6 zu II 1 a, b der Gründe; BAG 8. August 1989 - 1 ABR 65/88 - EzA § 87 BetrVG 1972 betriebliche Ordnung Nr. 13 zu B I 2 der Gründe; BAG 11. Juni 2002 - 1 ABR 46/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 38 zu B I der Gründe; vgl. aus der Literatur Hess/Schlochauer/Glock/Worzalla BetrVG 6. Aufl. 2003 § 87 RdNr. 100; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 8. Aufl. 2002 § 87 RdNr. 42; Wiese Anm. zum BAG v. 8. August 1989, aaO S. 11; Pfarr Anm. zu BAG 9. Dezember 1980 - 1 ABR 1/78 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 2 zu 2; GK-Wiese BetrVG 7. Aufl. § 87 RdNr. 178, 210 f.; a. A. Stege/Weinspach/Schiefer BetrVG 9. Aufl. 2002 § 87 RdNr. 44).
Sonach war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte nach § 130a S. 1 VwGO i.V.m. § 16 VGG.EKD ohne mündliche Verhandlung ergehen.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 Abs. 2 VGG.EKD, § 8 BRAGO.