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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.05.2000
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/D38-99
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 42 Buchst. c, § 41 Abs. 1 Buchst. a, b, § 36 Abs. 1 Satz 2, § 60 Abs. 4 Satz 3, § 63 Buchst. c, BSHG § 19, § 20
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen Az.: 2 M 46/99; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 4/00, S. 180; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2001, S. 38
Schlagworte:Eingruppierung von Mitarbeitern nach den §§ 19, 20 BSHG
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Leitsatz:

1. Für nach den §§ 19, 20 BSHG Beschäftigte gilt der BAT-KF nicht (§ 3 Buchst. d BAT-KF).
2. Das eingeschränkte Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung (§ 42 Buchst. c MVG.EKD) umfaßt nicht das Recht, die Rechtmäßigkeit einer Vergütungsordnung zu prüfen.
3. Die Mitarbeitervertretung darf die Zustimmung zur Eingruppierung von gemäß §§ 19, 20 BSHG Beschäftigten, für die die Dienststelle Entgelt nur in der Höhe zahlen will, die vom Sozialamt erstattet wird - hier: 85% des Entgeltes nach BAT-KF - nicht mit der Begründung verweigern, die Dienststelle müsse die ungekürzte Vergütung als das "übliche Arbeitsentgelt" i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG zahlen.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Schiedsspruch der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen vom 1. Oktober 1999 - 2 M 46/99 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung der im Rahmen des Programms "Arbeit statt Sozialhilfe - AsS" einzustellenden Mitarbeiterin mit 85 % des nach BAT-KF zu zahlenden Entgeltes zu Recht verweigert hat.
Im Rahmen des Programms "AsS" haben die Sozialämter im Kreis R. die Erstattung nach § 19 BSHG davon abhängig gemacht, daß die Entlohnung für Ledige 85%, für Alleinerziehende mit mindestens zwei Kindern und für Verheiratete 95% des üblichen Entgelts beträgt. In der kreisfreien Stadt B. beträgt der Satz 100%. AsS-Kräfte sind grundsätzlich in den unteren Lohngruppenbereichen anzustellen.
Die antragstellende Dienststellenleitung hörte die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Einstellung und Eingruppierung der Frau A. als AsS-Kraft nach den §§ 19, 20 BSHG an. Die Einzustellende wohnt im Landkreis R.; der für sie maßgebliche Lohnsatz beträgt 85%. Die Mitarbeiterin sollte ab 2. Juli 1999 befristet bis zum 1. Juli 2000 eingestellt und zur Betreuung und Bedienung alter Menschen und deren Angehörigen in einem Kommunikationszentrum der Dienststelle eingesetzt werden. Die Mitarbeitervertretung stimmte zwar der Einstellung zu, sie verweigerte jedoch ihre Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin in eine Vergütung von 85% der nach BAT-KF vorgesehenen Vergütungsgruppe. Die Angelegenheit wurde unter den Beteiligten am 22. Juli 1999 ohne Erfolg erörtert.
Die Dienststellenleitung hat am 4. August 1999 die Schlichtungsstelle angerufen und geltend gemacht: Mit der Entlohung halte sie die Vorgabe des Kreises R. ein. Anspruch auf Entlohnung nach BAT-KF habe die Mitarbeiterin nicht, weil Mitarbeiter nach den §§ 19, 20 BSHG von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind (§ 3 Buchst. d BAT-KF). Die Dienststellenleitung hat beantragt, festzustellen, daß für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung von Frau A. in 85 v.H. der Vergütungsgruppe Kr 1 Stufe 1 BAT-KF vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen, und hat entgegnet: AsS-Kräfte hätten Anspruch auf den vollen Lohn, da sie dieselben Arbeiten verrichteten wie angestellte Altenpflegehelferinnen und die Tätigkeit deshalb mit Arbeitsförderungsmaßnahmen in Beschäftigungsgesellschaften vergleichbar sei. Die Beschäftigung der einzustellenden Mitarbeiterin werde nach Auskunft des zuständigen Sozialamtes auch gefördert, wenn der volle Lohn gezahlt werde; die Differenz müsse dann die Dienststelle tragen. Hierzu sei die Dienststelle auch in der Lage, wenn entsprechend dem Vorschlag der Mitarbeitervertretung eine Personalstelle eingespart werde.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag durch ihren Schiedsspruch vom 1. Oktober 1999 stattgegeben. Gegen den ihr am 14. Oktober 1999 zugestellten Schiedsspruch hat die Mitarbeitervertretung am 12. November 1999 Beschwerde eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie vor: Bereits im früheren Verfahren vor der Schlichtungsstelle - 2 M 30/99 - habe die Mitarbeitervertretung versucht zu erreichen, daß AsS-Kräfte die volle Vergütung nach BAT-KF erhielten. Dort habe sich die Dienststellenleitung auf eine solche Vergütung eingelassen, nachdem die Schlichtungsstelle erklärt habe, sie halte eine Absenkung der tariflichen Vergütung von AsS-Kräften durch Individualvereinbarungen für nicht möglich. Die Dienststellenleitung verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn sie ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse von der dort gefundenen gemeinsamen Linie abweiche, weil der Mitarbeitervertretung die Möglichkeit einer weiteren Auseinandersetzung vor der Schlichtungsstelle genommen worden sei. § 19 BSHG stelle auf das "übliche" Entgelt ab. Dies sei Bezahlung nach dem BAT-KF, nicht aber eine, die erheblich darunter liege. Daran ändere nichts, daß die Fördersätze von den Sozialämtern festgesetzt würden. Diese stellen nicht das übliche Entgelt dar, zumal das Sozialamt der kreisfreien Stadt B. auch den vollen Lohn als förderbar anerkenne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der beigezogenen Akte des oben bezeichneten Verfahrens vor der Schlichtungsstelle - 2 M 30/99 - Bezug genommen.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat dem Antrag zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. In der Beschwerde sind keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte zu erkennen.
1. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 16 VGG.EKD, § 125 Abs. 2, § 130a VwGO).
2. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.EKD statthaft. Zwar entscheidet die erstinstanzliche Schieds- oder Schlichtungsstelle in den Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 42 MVG.EKD gemäß § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD grundsätzlich abschließend. Zur Prüfung in den Fällen des § 42 MVG.EKD gehört auch die Vorfrage, ob eine Eingruppierung nach der behaupteten Vergütungsordnung zu erfolgen hatte (vgl. VerwG.EKD, Beschluß vom 17. März 1999 - 0124/D7-99 - ZMV 1999, 294f). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. In der Sache geht der Streit darum, ob es zu den gesetzlichen Aufgaben der Mitarbeitervertretung zählt, eine dienststelleneigene Vergütungsordnung zu verlangen. Denn der Sache nach bedeutet das Begehren der Mitarbeitervertretung nichts anderes als das, wenn sie den BAT-KF trotz der ausdrücklichen Ausnahme auf Beschäftigungsverhältnisse nach den §§ 19, 20 BSHG angewendet wissen will.
3. Die Beschwerde ist indessen nicht begründet. Die Mitarbeitervertretung durfte die Zustimmung zur hier in Rede stehenden Eingruppierung der AsS-Mitarbeiterin nicht deshalb verweigern, weil sie meint, die Dienststelle müsse ein anderes Entlohnungssystem einführen. Ein solches Recht steht der Mitarbeitervertretung nicht zu.
a) Die Eingruppierung mit Mitarbeitern unterliegt gemäß § 42 Buchst. c MVG.EKD der eingeschränkten Mitbestimmung (§ 41 MVG.EKD) und ist lediglich als Kontrolle der Anwendung von Entlohnungsregelungen ausgestaltet. Der Mitarbeitervertretung steht insoweit nur zu, darauf zu achten, daß die Entlohnungsregelungen eingehalten werden, die der Dienststelle vorgegeben sind oder die die Dienststelle selbst aufgestellt hat bzw. aufgrund äußerer Vorgaben aufstellen muß. Werden sie verletzt, so liegt ein die Zustimmungsverweigerung nach § 41 Abs. 1 Buchst. a (und ggf. auch Buchst. b) MVG.EKD rechtfertigender Grund vor. Die Mitarbeitervertretung hat dagegen nicht das Recht, die Zustimmung zur Eingruppierung von AsS-Kräften mit der Begründung zu verweigern, auch dann, wenn der BAT-KF nach dessen § 3 Buchst. d nicht gelte, müsse der Dienstgeber entsprechend BAT-KF bezahlen und sei es um den Preis der Streichung oder Nichtbesetzung einer vorhandenen Stelle. Denn damit verläßt die Mitarbeitervertretung den ihr gesetzten rechtlichen Rahmen.
b) Gegenstand der eingeschränkten Mitbestimmung bei der Eingruppierung von Mitarbeitern ist die erstmalige Zuordnung in ein für die Eingruppierung vorgegebenes Vergütungssystem. Insoweit gilt nichts anderes als für die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Personalvertretungsgesetzen. Deshalb kann auf die Rechtsprechung zu diesen Gesetzen zurückgegriffen werden. Die erstmalige Zuordnung bei der Eingruppierung erschöpft sich in der Anwendung vorgegebener Vergütungsmerkmale. Es handelt sich insoweit nicht um rechtliche Gestaltung, sondern um die Anwendung strikter rechtlicher Regeln (vgl. BAG, Urt. v. 27.5.1987 - 4 AZR 613/86 - AP BAT § 74 Nr. 6, ihm folgend: BVerwG, Beschluß vom 15.2.1988 - 6 P 21.85 - AP LPVG Baden-Württemberg § 79 Nr. 2; BVerwG, Beschluß vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2 m.w.N.). Entsprechend dem erkennbaren Schutzzweck der eingeschränkten Mitbestimmung bei der Eingruppierung (§ 42 Buchst. c MVG.EKD) soll die Mitarbeitervertretung bei der Eingruppierung einschließlich der Festlegung der Fallgruppe, aber auch beim Wechsel der Fallgruppe und bei der Umgruppierung von Mitarbeitern nicht nur nachvollziehend mitprüfen, daß die Eingruppierung mit dem anzuwendenden Vergütungssystem im Einklang steht, sondern auch auf die Wahrung des Vergütungsgefüges in der Dienststelle achten und insoweit zur Verwirklichung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes innerhalb des vorgegebenen Vergütungssystems beitragen. Vor allem soll verhindert werden, daß durch unsachliche Beurteilungen innerhalb der Auslegungsspielräume einzelne Arbeitnehmer bevorzugt bzw. benachteiligt werden (vgl. BAG, Beschluß vom 3.12.1985 - 4 ABR 60/85 - BAGE 50, 258, 273 = AP BAT § 74 Nr. 2; BVerwG, Beschluß vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2). Diese Aufgaben schließen aber nicht ein, im Mitbestimmungsverfahren die Rechtmäßigkeit des Vergütungssystems selbst in Frage zu stellen. Vielmehr ist dies der Auseinandersetzung des jeweiligen einzelnen Mitarbeiters mit seinem Dienstgeber vorbehalten (vgl. Beschluß vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2).
c) Der Dienststelle vorgegeben sind die auf dem Weg der einschlägigen Arbeitsrechtsregelungsgesetze geschaffenen Vergütungsregelungen, seien es Arbeitsvertragsrichtlinien, sei es der BAT-KF. Um die Anwendung vorgegebener Regelungen, hier des BAT-KF, geht es vorliegend nicht. Nach seinem § 3 Buchst. d ist der BAT-KF auf Beschäftigungsverhältnisse nach den §§ 19, 20 BSHG nicht anwendbar.
d) Indessen ändert sich am Umfang und Inhalt des eingeschränkten Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung nichts, wenn es sich nicht um der Dienststelle vorgegebenes Vergütungssystem selbst handelt, sondern - wie hier - um die Umsetzung einer Vorgabe der Sozialämter hinsichtlich der Höhe des für eine Beschäftigung nach § 19 BSHG erstattbaren "üblichen" Lohnes, der als Vom-Hundert-Satz der tarifierten Vergütung, hier nach BAT-KF, ausgedrückt wird. Selbst dann, wenn die antragstellende Dienststelle dieser Vorgabe in der Weise folgt, daß sie die derart bestimmte Erstattbarkeit der Vergütung nach dem BSHG als Vergütungsmaßstab setzt, handelt es sich um ein Entlohnungssystem. Die Mitbestimmung nach § 42 Buchst. c MVG.EKD besteht dann darin, kontrollierend mitzuprüfen, ob die Vorgaben des Systems, d.h. der - je nach Träger der Sozialhilfe ggf. unterschiedlich festgelegte - für die Dienststelle maßgebliche Vom-Hundert-Satz und die an sich einschlägige Vergütungsgruppe u.s.w. eingehalten sind. In diesem Rahmen ist auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.
e) Ob die Festlegung der Erstattungsfähigkeit der Vergütung als "üblicher" Lohn i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG anzusehen ist, hat die festlegende Behörde zu prüfen und zu verantworten. Der Beschäftigungsträger - hier die Dienststelle - hat dies schon nicht mehr zu prüfen. Die Mitarbeitervertretung hat schon von daher keinen rechtlichen Ansatz, die Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, die Festlegung des Erstattungssatzes verstoße gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG. Eine andere Frage ist, ob die Dienststelle es im Rahmen der gesetzmäßigen Zusammenarbeit ggf. ablehnen darf, AsS-Kräfte unterhalb des tarifierten Entgeltes zu beschäftigen, wenn sie Mitarbeiter mit denselben Aufgaben hat, die die volle Bezahlung erhalten.
4. Zudem durfte die Zustimmung zur Eingruppierung der AsS-Mitarbeiterin auch nicht mit der Erwägung verweigert werden, auch wenn der BAT-KF zwar nicht anwendbar sei, müsse gleichwohl Entgelt in dessen Höhe als das "übliche" Entgelt von der Dienststelle gezahlt werden. Denn diese Erwägung bedeutet nichts anderes als die Erstreckung des Geltungsbereichs des BAT-KF über dessen selbst gesetzte Grenzen hinaus oder die Schaffung eines dienststelleneigenen Entlohnungssystems. Beides wäre mit § 36 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD grundsätzlich nicht vereinbar. Die Findung und Festsetzung des "gerechten Lohnes" ist nach dem System der Arbeitsrechtsregelungsgesetze in den evangelischen Kirchen nicht Sache der Dienststellen und deren Mitarbeitervertretungen, sondern der hierzu berufenen Kommissionen. Ein solches Vorgehen ist zur Rechtfertigung der Zustimmungsverweigerung nach § 41 Abs. 1 MVG.EKD rechtlich nicht geeignet.
5. Zu Unrecht meint die Mitarbeitervertretung, die Dienststelle habe rechtsmißbräuchlich gehandelt, als sie - nach entsprechendem Hinweis der Schlichtungsstelle - im Verfahren 2 M 30/99 darauf, daß Vergütungen der AsS-Kräfte einzelvertraglich nicht unterhalb des BAT-KF vereinbart werden könnten, auch ihrerseits das damalige Verfahren für erledigt erklärt habe und sie sich jetzt nicht mehr daran halte, AsS-Mitarbeitern die volle Vergütung nach BAT-KF zu zahlen. Wie die Schlichtungsstelle im angefochtenen Beschluß ausdrücklich mitgeteilt hat, war ihr damals, als sie diesen Hinweis gab, nicht bewußt, daß der BAT-KF Beschäftigungen nach den §§ 19, 20 BSHG aus seinem Geltungsbereich ausnimmt. Darüber hinaus hat die Erledigungserklärung nicht zur Folge, daß die Mitarbeitervertretung dadurch gehindert wäre, ihre Auffassung auf dem Rechtsweg zu verfolgen. Dies zeigt bereits das vorliegende Verfahren.
III. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen (§ 13 VGG.EKD).