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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.08.2000
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/D11-99
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 42, § 60 Abs. 4 Satz 3, MVG-AnwG B-B Art. I § 11, § 19
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Kammer für die Sprengel Cottbus und Neuruppin sowie für die landeskirchlichen Dienststellen, Az.: 2/99; Fundstelle: ZMV 6/99, S. 295; KuR 1999, 262 = 985, S. 78
Schlagworte:Endgültige Entscheidung der Schlichtungsstelle in Fällen des § 42 MVG.EKD
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Leitsatz:

Zu den Fällen des § 42 MVG, in denen die Schlichtungsstelle (Schiedsstelle) nach § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD endgültig entscheidet, gehören auch die Fälle, die dem § 42 MVG.EKD durch gliedkirchliche Rechtssetzung hinzugefügt worden sind.

Tenor:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der Schiedsstelle der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Kammer für die Sprengel Cottbus und Neuruppin sowie für die landeskirchlichen Dienststellen vom 18. März 1999 - Az.: 2/99 - wird verworfen.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf DM 12.000,-- festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung (Antragsgegnerin) die Zustimmung zur außerordentlichen, auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung des "unkündbaren" Mitarbeiters D. zu Recht verweigert hat um die das Konsistorium (Antragsteller) als Arbeitgeber gebeten hat.
Das Konsistorium hat entsprechend der kirchengesetzlichen Vorgabe das die Dienststelle der Mitarbeitervertretung B. zu schließen. Dort ist der Mitarbeiter D., Jahrgang 1947, Sozialpädagoge und Diplom-Pädagoge seit dem 1. Januar 1976 beschäftigt. Nach § 74 Abs. 1 des Tarifvertrags für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg - KMT - ist ein in hinreichendem Umfang beschäftigter Mitarbeiter nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren, frühestens jedoch nach Vollendung des 40. Lebensjahres "unkündbar"; nach § 74 Abs. 3 KMT kann aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen gekündigt werden. Das Konsistorium beschloß, neben anderen auch den Mitarbeiter D. mangels anderweitiger Verwendungsmöglichkeit außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Die Mitarbeitervertretung stimmte dem nicht zu.
Hierauf rief das Konsistorium die Schiedsstelle für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten mit dem Antrag an,
festzustellen, daß für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung entsprechend § 41 Abs. 2 MVG i.V.m. § 11 MVG-AnwG und § 42 Buchst. m MVG zu der mit Ablauf des Monats September 1999 beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters D. vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung hat die Zurückweisung des Antrags unter Hinweis auf die tarifvertragliche Unkündbarkeit des Mitarbeiters D. beantragt.
Die Schiedsstelle hat den Antrag mit ihrem Beschluß vom 18. März 1999 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluß Bezug genommen. Das Konsistorium wendet sich gegen den ihm am 14. April 1999 zugestellten Beschluß mit seiner am 14. Mai 1999 beim erkennenden Gericht eingereichten und zugleich mit einer Begründung versehenen Beschwerde.
Es hält das angerufene Gericht für zuständig. Die Beschwerde sei trotz § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD für statthaft, weil sich diese Bestimmung nicht auf die gliedkirchliche Ergänzung des § 42 Buchst. m MVG beziehe. Die Beschwerde sei auch begründet, weil vorliegend die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist statthaft und begründet sei. Das Konsistorium beantragt,
die Entscheidung der Schiedsstelle der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 18. März 1999 - Az.: 2/99 - aufzuheben und festzustellen, daß für die Mitarbeitervertretung des B. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Herrn D. - nunmehr zum 31. Dezember 1999 - besteht;
hilfsweise,
die Entscheidung der Schiedsstelle der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 18. März 1999 - Az.: 2/99 - aufzuheben und festzustellen, daß durch § 74 des Tarifvertrages für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg - KMT - vom 27. April 1993 (KABl. S. 82) eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund nach den Rechtsgrundsätzen über die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist von tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeitern nicht ausgeschlossen ist;
hilfsweise hierzu
festzustellen, daß entgegen der der Entscheidung der Schiedsstelle der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 18. März 1999 - Az.: 2/99 - zugrunde liegenden Rechtsauffassung durch § 74 des Tarifvertrages für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg - KMT - vom 27. April 1993 (KABl. S. 82) eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist nicht ausgeschlossen ist.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält sie unter Hinweis auf § 60 MVG für nicht statthaft und zudem für unbegründet.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze in beiden Rechtszügen und auf den angefochtenen Beschluß Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war zu verwerfen (§ 16 VGG.EKD, § 125 Abs. 1 VwGO).
1. Zwar ist das angerufene Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland zuständig. Art. I § 19 des Kirchengesetzes über die Geltung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 1992 in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (MVG-Anwendungsgesetz - MVG-AnwG), wonach früher die instanzielle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg gegeben war, ist durch das gliedkirchliche Änderungsgesetz vom 15. November 1997 mit Wirkung vom 1. Januar 1998 aufgehoben worden (Art. 1 Nr. 7, Art. 10 des KirchenG vom 15. November 1997 - KABl S. 216). Die Voraussetzungen der Übergangsregelung (Art. 9 des genannten KirchenG) sind nicht erfüllt, weil die vorliegende Rechtsstreitigkeit am 1. Januar 1998 noch nicht beim Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg anhängig war (vgl. auch VG Ev. K. B-B, Urteil vom 17. März 1999 - VG 8/98).
2. Indessen ist die Beschwerde nach § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD nicht statthaft, weil der Gegenstand der Mitbestimmung ein Fall des § 42 MVG ist. In solchen Fällen entscheidet die (erstinstanzliche) Schlichtungsstelle (hier: Schiedsstelle) endgültig (VerwG.EKD in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Beschlüsse vom 16. November 1995 - 0124/9-95, vom 14. Mai 1998 - 0124/C2-98 und 0124/C6-98 und vom 6. August 1998 - 0124/C10-98). Unter § 60 Abs. 4 Satz 3 (vormals: § 60 Abs. 1) MVG.EKD fallen alle Fälle des § 42 MVG.EKD, auch solche, die durch gliedkirchliche Rechtssetzung in den § 42 MVG.EKD eingefügt worden sind. Ob die Gliedkirchen einerseits neue Fälle in § 42 MVG.EKD einfügen und zugleich bestimmten können, daß die Entscheidung der Schlichtungsstelle in diesen neuen Fälle nicht endgültig sein soll, war vorliegend nicht zu entscheiden.
Im Bereich der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg ist durch Art. I § 11 Abs. 1 MVG-AnwG "die Aufzählung der Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in § 42 MVG um die folgenden Tatbestände ergänzt" worden: "l) ....
m) außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund,
n) ...."
Zugleich wurde in Art. I § 12 MVG-AnwG bestimmt: "Abweichend von § 46 Buchst. b) und c) unterliegen die außerordentliche Kündigung und .... der eingeschränkten Mitbestimmung (§ 11 Abs. 1 dieses Kirchengesetzes)."
Damit hat die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für ihren Bereich das MVG.EKD modifiziert anzuwenden. Zu Unrecht meint das Konsistorium indessen, daß § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD die Fälle des Art. I § 11 Abs. 1 MVG-AnwG als landeskirchliche Regelung nicht erfassen könne, auch wenn diese Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung systematisch der Buchstabenfolge des § 42 MVG.EKD hinzugefügt worden seien. Das Gegenteil ist richtig: Gerade weil der Katalog des § 42 MVG.EKD durch gliedkirchliche Rechtssetzung erweitert worden ist, hat der gliedkirchliche Gesetzgeber diese in § 42 MVG.EKD neu eingefügten Fallkonstellationen eben den Regeln unterstellt, die auch sonst für die Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung gelten, und damit auch der Bestimmung in § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD, wonach die Schlichtungsstelle (hier: Schiedsstelle) abschließend entscheidet. Ein anderes Verständnis läßt die vom gliedkirchlichen Gesetzgeber gewählte Gesetzessystematik nicht zu.
3. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich auch nicht aus § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD. Hiernach ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle bei grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen. § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD ist indessen in den Fällen unanwendbar, in denen die Schlichtungsstelle (Schiedsstelle) nach § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD "abschließend" entscheidet, nämlich in den Fällen des § 42 MVG.EKD. § 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD geht als speziellere Regelung der Statthaftigkeit der Beschwerde der allgemeinen Regelung des § 63 Abs. 1 MVG.EKD vor, und zwar auch insoweit als die Statthaftigkeit der Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen gestützt wird (Fey/Rehren, MVG.EKD § 63 Rz. 12a).
4. Unzulässig ist die Beschwerde auch hinsichtlich der in ihr erstmals gestellten Hilfsanträge. Mit den auf eine Sachentscheidung abzielenden Hilfsanträgen kann sich das angerufene Verwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht nur befassen, wenn die Beschwerde an sich statthaft ist. Daran fehlt es jedoch.
III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 8 Abs. 2 BRAGO.