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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.11.1998
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/C19-98
Rechtsgrundlage:MVG.K §§ 39, 42 Nr. 2, 62 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, VGG.EKD §§ 13 Abs. 2, 16, BRAGO § 8 Abs. 2
Vorinstanzen:Schiedsstelle DW der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V., Az.: 4 VR MVG 2/98 (SZ); Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 1/99 S. 41
Schlagworte:Unterlassungsanspruch der Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

Bleibt in den Fällen des Mitbestimmungsrechts die Erörterung nach § 39 Abs. 3 MVG.K erfolglos und wird sie für abgeschlossen erklärt, weil keine Einigung zwischen den Beteiligten zustande gekommen ist, muß die Dienststellenleitung, wenn sie nicht von der geplanten Maßnahme Abstand nehmen will, die Schiedsstelle anrufen, um die Ersetzung der Zustimmung zu erreichen. Vorher darf sie die geplante Maßnahme nicht durchführen.
Bei drohender Verletzung des Mitbestimmungsrechts kann die Mitarbeitervertretung die Schiedsstelle anrufen und Unterlassung der Maßnahme verlangen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes der ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. vom 25. März 1998 - 4 VR MVG 2/98 (SZ) - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.000,- (achttausend) DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten waren und sind weiterhin aus gegebenem Anlaß unterschiedlicher Auffassung darüber, ob der Dienstgeber nach Abschluß einer gescheiterten Erörterung ( 39 Abs. 4 MVG.K) ohne vorherige Anrufung der Schiedsstelle eine ordentliche Kündigung (nach Ablauf der Probe-zeit) aussprechen darf.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, der Antragsgegner habe bereits in der Vergangenheit mehrere Kündigungen (nach Ablauf der Probezeit) gegenüber Mitarbeitern erklärt, ohne seiner gesetzlichen Verpflichtung, vorher die Schiedsstelle anzurufen, nachgekommen zu sein. Es sei daher zu befürchten, daß derartige Fälle auch in Zukunft vorkämen und dadurch das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt würde.
Die Antragstellerin hat beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, nach einer für abgeschlossen erklärten Erörterung gemäß § 39 Abs. 4 MVG.K, bei der keine Einigung zustande gekommen ist, ordentliche Kündigungen nach Ablauf der Probezeit gegenüber Mitarbeitern auszusprechen, solange nicht die fehlende Zustimmung der Antragstellerin gemäß §§ 42 Nr. 2 i.V.m. § 39 Abs. 4, § 63 Abs. 5 MVG.K ersetzt ist bzw. als ersetzt gilt.
Der Antragsgegner hat um Zurückweisung des Antrags nachgesucht und vorgetragen: Der Antrag sei in jedem Fall zu weitgehend. Bei antragsgemäßer Entscheidung sei der Antragsgegner gezwungen, selbst bei einer völlig unbeachtlichen Zustimmungsverweigerung (z.B. keine hinreichende Begründung der Zustimmungsverweigerung gemäß § 45 Abs. 3 MVG.K) ein - nicht erforderliches - Schiedsstellenverfahren durchzuführen. Wenn nach durchgeführter Erörterung die Zustimmung aus Gründen verweigert werden, die außerhalb des Gesetzes liegen, sei die Verweigerung der Zustimmung unbeachtlich mit der Folge, daß der Dienstgeber die beabsichtigte Maßnahme durchführen könne, ohne noch ein Schiedsstellenverfahren einleiten zu müssen. Die Schiedsstelle solle in den Fällen des § 42 Abs. 2 MVG.K prüfen und feststellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 45 Abs. 3 MVG.K vorgelegen habe. Diese Überprüfung sei nur auf der Grundlage einer von der Mitarbeitervertretung vorgelegten schriftlichen Begründung der Verweigerung der Zustimmung möglich. Wenn die Mitarbeitervertretung nur eine Erörterung beantrage und sich anschließend verschwiegen habe, gebe es weder eine Verweigerung der Zustimmung noch eine schriftliche Begründung der Zustimmungsverweigerung. Die Schiedsstelle könne dann nichts überprüfen.
Die Schiedsstelle hat dem Antrag durch Beschluß vom 25. März 1998 entsprochen. Auf ihre Begründung wird Bezug genommen.
Gegen den Beschluß hat der Antragsgegner mit Anwaltsschriftsatz vom 1. September 1998, ein-gegangen am folgenden Tage, rechtzeitig Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Mit eingehenden Rechtsausführungen verteidigt er seinen bisherigen Standpunkt.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluß der Schiedsstelle aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß als zutreffend.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 MVG.K, sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Er-folg haben.
1. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 MVG.K darf eine der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegende Maßnahme erst vollzogen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder die nicht erteilte Zustimmung durch die Schiedsstelle ersetzt worden ist. Im anderen Falle ist die Maßnahme unwirksam (Satz 2). Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der geplanten Maßnahme gilt als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht binnen zwei Wochen diese schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Kommt dabei keine Einigung zwischen den Beteiligten zustande und will die Dienststellenleitung von der geplanten Maßnahme nicht Abstand nehmen, kann sie binnen zwei Wochen nach Abschluß der Erörterung die Schiedsstelle anrufen. Die Erörterung ist abgeschlossen, wenn die Dienststellenleitung oder die Mitarbeitervertretung oder beide gemeinsam diese für abgeschlossen erklären (§ 39 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 MVG.K).
Ist die Erörterung ohne Einigung der Beteiligten abgeschlossen (§ 39 Abs. 4 Satz 2 MVG.K), kommt eine Fristsetzung der Dienststellenleitung gegenüber der Mitarbeitervertretung zur ab-schließenden schriftlichen Stellungnahme nicht mehr in Betracht. Sie wäre wirkungslos und könnte einen erneuten Fristenlauf nicht mehr in Gang setzen, so daß auch die Zustimmungsfiktion nach § 39 Abs. 3 Satz 1 MVG.K nicht mehr eintreten kann. Die Dienststellenleitung kann, wenn sie die bei der Erörterung vertretene Auffassung der Mitarbeitervertretung nicht für erheblich im Sinne des § 45 Abs. 2 oder Abs. 3 MVG.K hält, nun nicht ihrerseits die geplante Maßnahme durchführen. Vielmehr ist der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg zur Konfliktlösung die Anrufung der Schiedsstelle. Im anderen Falle würde die Dienststellenleitung bei fehlender Zustimmung selbst entscheiden, ob die Zustimmungsverweigerungsgründe der Mitarbeitervertretung (§ 45 Abs. 2, Abs. 3 MVG.K) erheblich sind oder nicht. Das stünde je-doch in einem nicht tragbaren Wertungswiderspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Abs. 1 Satz 1 MVG.K, der die Durchführung der Maßnahme von der Zustimmung seitens der Mitarbeitervertretung oder der Ersetzung der Zustimmung durch die Schiedsstelle abhängig macht.
2. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß der Antragsgegner in der Vergangenheit nach erfolgloser Erörterung (§ 39 Abs. 4 MVG.K) mehrfach ordentliche Kündigungen ausgesprochen habe, ohne vorher die Schiedsstelle anzurufen. Der Antragsgegner ist der Ansicht, daß er hierzu berechtigt sei. Bei dieser Sachlage besteht ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung:
Ist eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts zu befürchten, kann die Mitarbeitervertretung die Schiedsstelle anrufen und Unterlassung der Maßnahme verlangen (in Anlehnung an BAG B. v. 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III der Gründe, m. krit., aber im Ergebnis zust. Anm. von Richardi; vgl. weiter Richardi, NZA 95, 8; vgl. auch Unkel in Fey/Rehren (Hrsg.), MVG.EKD, Stand Jan. 1996, § 38 Rn 41 a-c; sowie Baumann-Czichon/Germer, MVG.EKD (1997), § 38 Rn 1). Dieser Anspruch kann sogar im Verfahren der einstweiligen Anordnung geltend gemacht werden (vgl. zum BetrVG Fit-ting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 87 Rn 402, 411; ferner LAG Berlin, B. v. 7. September 1998 - 10 TaBV 5/95 - AP Nr. 39 zu § 111 BetrVG 1972).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 8 Abs. 2 BRAGO.