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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.11.1998
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/C15-98
Rechtsgrundlage:MVG § 40 Buchst. k), § 63 Abs. 1 Buchst. a), VGG.EKD § 13 Abs. 2, BRAGO § 8 Abs. 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen in Münster, Az.: 2 M 44/98; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 1/99 S. 40
Schlagworte:Parkraumbewirtschaftung und Mitbestimmung
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Leitsatz:

Bei einer vom Dienstgeber eingeführten Parkraumbewirtschaftung erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (§ 40 Buchst. k) MVG) nicht nur auf die Parkraumbewirtschaftung selbst, sondern auch auf eine besondere "Sanktionsordnung".

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 25. Juni 1998 - 2 M 44/98 geändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 8.000,- (achttausend) DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gesamtmitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht zusteht hinsichtlich eines Sanktionskatalogs, den die Antragstellerin zur Durchsetzung der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ erarbeitet hat.
Die Antragstellerin entschloß sich im Jahre 1997, für die Fahrzeugstellplätze eine Benutzerordnung zu erlassen. Eines der angestrebten Ziele dieser Regelung besteht darin, durch Entgelterhebung die Nachfrage an Stellplätzen zu verringern. Die entsprechende Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ wurde am 11. Dezember 1997 unterzeichnet. Sie enthält Regelungen über die Vergabe der Parkerlaubnis, über Nutzungsentgelte sowie über die Überwachung der privaten Stellplätze und die Verwendung der Einnahmen. Im 3. Abschnitt, überschrieben mit „Ahndung von unerlaubten Stellplatznutzungen“, heißt es: „Falschparker sollen zunächst durch die Überwachungsstelle auf die Fehlnutzung hingewiesen und erst im mehrfachen Wiederholungsfall rechtlich belangt werden.“ In Ausführung dieser Regelung hat die Antragstellerin einen dreistufigen Sanktionskatalog entwickelt, der von einem sog. Begleitausschuß, in dem Mitglieder verschiedener Mitarbeitervertretungen mitgewirkt haben, erörtert wurde. Aus diesen Erörterungen ging ein Schreiben vom 6. Mai 1998 hervor, dessen Urheber die Abteilung Mobilitätsberatung und Parkraumbewirtschaftung ist. Dieses Schreiben bildet den Gegenstand der Auseinandersetzung der Beteiligten. Es hat folgenden Wortlaut:
„Ahndung von Stellplatzfehlnutzungen
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
zur Ahndung von Stellplatzfehlnutzungen werden folgende privatrechtliche Maßnahmen getroffen:
Bei der ersten Fehlnutzung wird hinter dem Scheibenwischer die bereits gebräuchliche ‘gelbe Karte’ angebracht.
Bei der zweiten Fehlnutzung wird hinter dem Scheibenwischer eine ‘rote Karte’ angebracht, Text:
Liebe Autofahrerin, lieber Autofahrer,
Ihr Fahrzeug wird nun zum wiederholten Mal ohne die dafür erforderliche Erlaubnis abgestellt.
Wir hatten bereits darauf hingewiesen, daß unsere Stellplätze reserviert sind für Besucherinnen und Besucher sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für deren Nutzung ein Entgelt entrichten.
Im Interesse der rechtmäßigen Stellplatznutzerinnen und -nutzer werden wir bei einem weiteren Wiederholungsfall anteilige Kosten der Parkraumbewirtschaftung in Rechnung stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Parkraumüberwachung
(...)
Bei der dritten Fehlnutzung wird der Fahrzeughalter ermittelt, ihm wird ein ‘blauer Brief’ geschrieben, Text:
Sehr geehrte..., sehr geehrter..,
Ihr Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... wurde wiederholt ohne die dafür erforderliche Erlaubnis abgestellt.
Wir haben den Fahrer /die Fahrerin bereits mehrfach schriftlich darauf hingewiesen, daß unsere Stellplätze für Besucherinnen und Besucher sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für deren Nutzung ein Entgelt entrichten, reserviert sind, und hatten im Interesse der rechtmäßigen Stellplatznutzerinnen und -nutzer auch rechtliche Schritte angekündigt.
Die uns durch die Überwachung, Halterermittlung und dieses Schreiben entstandenen Kosten beziffern wir pauschal mit 20,- DM. Desweiteren sind uns durch die Halterfeststellungsgebühren Kosten in Höhe von 10,- DM entstanden.
Durch die (fortgesetzte) Nutzung unserer Stellplätze ist faktisch ein Vertragsverhältnis entstanden. Das Nutzungsentgelt in Höhe von 6,- DM pro Tag berechnen wir für den (... Daten der festgestellten Verstöße ...).
In Zukunft werden wir für jeden Tag, an dem das o.g. Fahrzeug ohne Parkausweis auf unseren Stellplätzen abgestellt wurde, einen pauschalen Betrag in Höhe von 10,- DM in Rechnung stellen.
Nun fordern wir Sie auf, binnen 14 Tagen uns die bisher entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt ... DM durch Überweisung auf unser unten genanntes Konto zu erstatten. Als Verwendungszweck ist anzugeben: KST 1420307 sowie Ihr KFZ-Kennzeichen.
Für den Fall, daß Sie Mitarbeiter/Mitarbeiterin sind, erklären wir Ihnen hiermit die Aufrechnung mit Ihren Gehaltszahlungsansprüchen, Ihre Personalabteilung wird den genannten Betrag (und künftig die durch evtl. weitere Verstöße entstehenden Beträge) von der Gehaltszahlung einbehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Parkraumüberwachung
Kopie dieses Schreibens an Personalabteilung mit der Bitte um weitere Veranlassung.
Die nach Erhalt des ‘blauen Briefes’ erfolgenden Parkverstöße werden monatlich abgerechnet.
Sollte ein KFZ binnen eines Jahres nach Erhalt von gelber oder roter Karte oder nach Erhalt des ‘blauen Briefes’ nicht mehr aufgefallen sein, werden die entsprechenden Daten jeweils aus der Ahndungsliste gestrichen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Gesamtmitarbeitervertretung lehnte bereits mit Schreiben vom 28. April 1998 unter Berufung auf ihr Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. k) MVG den Sanktionskatalog ab, soweit er die Erteilung einer „roten Karte“ und auf der nächsten Stufe einen „blauen Brief“ vorsieht.
Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin die Feststellung, daß die Ausführungsbestimmungen zu Nr. 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ nicht mitbestimmungspflichtig sind.
Sie hat vorgetragen: Gegenstand der Ahndungsregelungen sei weder die Ordnung in der Dienststelle noch das Verhalten der Mitarbeiter im Dienst. Es gehe allein um das Verhalten des Mitarbeiters auf anstaltseigenen Verkehrsflächen außerhalb der Dienststelle und außerhalb des Dienstes. Die Ahndung richte sich überdies nach den allgemeinen gesetzlichen und rechtlichen Bestimmungen, die nicht mitbestimmungspflichtig seien. Das betreffe den Anspruch auf Aufwendungsersatz, auf eine Nutzungsentschädigung sowie das Recht auf Erteilung einer Abmahnung wegen Störung des Betriebsfriedens. Selbst eine Strafanzeige im Einzelfall unterliege nicht dem Mitbestimmungsrecht. Im übrigen habe zwischen ihr und der Gesamtmitarbeitervertretung Einigkeit darüber bestanden, daß die Einführung der Regelungen über die Parkraumbewirtschaftung nicht mitbestimmungspflichtig seien. Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit habe man dann gleichwohl die Dienstvereinbarung mit dem Abschnitt „Ahndung von unerlaubten Stellplatznutzungen“ abgeschlossen. Die Antragsgegnerin sei schon aus diesem Grunde prinzipiell verpflichtet, entsprechenden Regelungen und den daraus folgenden Einzelmaßnahmen zuzustimmen. Weil der übrige Inhalt der Dienstvereinbarung auch nach Auffassung der Gesamtmitarbeitervertretung nicht mitbestimmungspflichtig sei, sei nicht einzusehen, warum die vereinbarte Ahndung des Falschparkens den Mitbestimmungstatbestand des § 40 Buchst. k) MVG erfülle.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Ausführungsbestimmungen der Antragstellerin zu Nr. 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ (Sanktionskatalog) mit den darin vorgesehenen zivilrechtlichen Maßnahmen (der 2. und 3. Stufe) nicht der Mitbestimmung unterfallen,
hilfsweise,
2. die Zustimmung der Gesamtmitarbeitervertretung zum Sanktionskatalog der letzten Fassung zu ersetzen.
Die Gesamtmitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt: Über den Sanktionskatalog und über die Einzelmaßnahmen habe sie nach § 40 Buchst. k) und j) MVG mitzubestimmen. Wenn auch die Einführung der Parkraumbewirtschaftung mitbestimmungsfrei sei, so gelte das weder für die Regeln über die Benutzung der Beschäftigtenparkplätze noch für den Sanktionskatalog, denn Adressaten seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Falschparker. Bei dem Maßnahmenkatalog gehe es um generell-abstrakte Sanktionen bei Verstößen gegen das Konzept der Parkraumbewirtschaftung. Dazu bedürfe es einer gesonderten Dienstvereinbarung. Durch die bereits in Ziffer 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ erzielte Einigung darüber, daß unerlaubte Stellplatznutzungen geahndet werden sollten, sei die Antragstellerin nicht ermächtigt worden, selbst die Ahndungsmaßnahmen zu bestimmen. Das Mitbestimmungsrecht könne auch nicht mit dem Hinweis auf die im „blauen Brief“ vorgesehene Aufwandsentschädigung und das zusätzlich angedrohte Nutzungsentgelt verneint werden. Als Sanktion seien nämlich nicht nur allgemeine zivil- und arbeitsrechtliche Folgen angedroht, sondern darüber hinaus ein Bußgeld von 10,- DM. Der für die Zukunft angedrohte pauschale Betrag von 10,- DM für jeden Tag der Zuwiderhandlung müsse als ein solches Strafgeld angesehen werden. Mitbestimmungspflichtig sei aber auch die Ankündigung der Antragstellerin, die bei ihr Beschäftigten im Wiederholungsfall arbeitsrechtlich abzumahnen, weil die Abmahnung an den Tatbestand des Falschparkens anknüpfe. Die geplante Speicherung und Verwendung von Daten im Zusammenhang mit der Parkraumbewirtschaftung stelle außerdem eine Kontrolle mittels technischer Einrichtungen dar, so daß sich ein Mitbestimmungsrecht zusätzlich aus § 40 Buchst. j) MVG ergebe. Nicht dagegen spreche sie sich aus, daß Falschparken überhaupt geahndet werde. Die Antragstellerin habe aber ihre Mitbestimmungsrechte zu wahren, wenn sie in Konkretisierung der Ziffer 3 der Dienstvereinbarung einen Sanktionskatalog einführen wolle. Der Hilfsantrag sei unzulässig, zumindest unbegründet. Die Antragstellerin habe vor Erstellung des Sanktionskatalogs nicht um ihre Zustimmung nachgesucht. Über diesen Sanktionskatalog habe es bisher auch keinerlei Beratungen gegeben.
Die Schlichtungsstelle hat durch Beschluß vom 25. Juni 1998 festgestellt, daß der Sanktionskatalog zu Ziffer 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ nicht mitbestimmungspflichtig ist. Sie hat ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Einführung einer Parkraumbewirtschaftung und auch ein darin vorgesehener Sanktionskatalog sei nach § 40 Buchst. k) MVG mitbestimmungspflichtig. Enthalte ein Maßnahmenkatalog jedoch nur zivilrechtliche Maßnahmen, entfalle regelmäßig das Mitbestimmungsrecht. Die Antragstellerin wolle die Parkraumbewirtschaftung nicht mit kollektivrechtlichen, sondern allein mit zivil- und damit individualrechtlichen Mitteln durchsetzen. Zwar gebe es bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 46 Buchst. g) MVG ein Mitberatungsrecht. Um Schadensersatzansprüche gehe es der Dienststelle aber nicht. Es sei allerdings ratsam, in einem Fall wie dem vorliegenden einvernehmlich einen kollektivrechtlichen Sanktionskatalog anzustreben. Ein von der Mitarbeitervertretung mitgetragener Sanktionskatalog erhöhe nämlich die Akzeptanz der Regelung. Das liege im Interesse der Dienststelle und im Interesse der Mitarbeitervertretung, deren Vorstellungen sich dann nämlich in dem Sanktionskatalog niederschlagen könnten. Sie vertrete sowohl die Mitarbeiter, die eine Parkraumbewirtschaftung grundsätzlich ablehnten, als auch diejenigen, die das Nutzungsentgelt entrichteten und daher eine geordnete und gerechte Parkraumbewirtschaftung erwarteten.
Gegen den ihr am 6. Juli 1998 zugestellten Beschluß der Schlichtungsstelle hat die Gesamtmitarbeitervertretung mit Anwaltsschriftsatz vom 4. August 1998, eingegangen am 5. August 1998, Beschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 12. September 1998, eingegangen am 14. September 1998, begründet.
Sie hat weiter vorgetragen: Die Beschwerdegegnerin dürfe die Parkraumbewirtschaftung an sich gar nicht durchführen. An der grundsätzlichen Entscheidung, ob überhaupt eine Parkraumbewirtschaftung erfolgen solle, habe man sie nämlich nicht beteiligt. Zum Abschluß der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaf¬tung“ sei es dann nur deshalb gekommen, weil sie das ursprüngliche Konzept, insbesondere die darin vorgesehenen Parkgebühren, nicht habe akzeptieren können. Daraufhin sei es ihr praktisch aufgezwungen worden, und zwar durch den Hinweis, daß man nur bei Unterzeichnung des schon vorformulierten Textes bereit sei, die Parkgebühren abzusenken. Jedenfalls habe sie mitzubestimmen bei der Aufstellung des Sanktionskatalogs. Dieser beschränke sich hier nicht auf zivil- und individualrechtliche Maßnahmen, sondern betreffe auch die Ordnung und das Verhalten der Mitarbeiter im Hinblick auf die anstaltseigenen Parkflächen. Die Verrechnung vermeintlicher Ansprüche mit dem Arbeitsentgelt bei Zuwiderhandlung, ohne daß zuvor ein vollstreckbarer Titel erstritten werden müsse, stelle sich als betriebliche Disziplinarmaßnahme dar. Das gelte auch für die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Falschparker, die nicht zu den Beschäftigten gehörten, müßten demgegenüber gerichtlich verfolgt werden. Vor Gericht aber müsse die Beschwerdegegnerin ihre Aufwendungen bzw. ihren Schaden genau darlegen und könne sich nicht mit einer Pauschalisierung begnügen. Der zusätzlich zum täglichen Nutzungsentgelt von 6,- DM angedrohte Pauschbetrag von 10,- DM sei in Wahrheit ein Bußgeld, mithin weder Nutzungsentschädigung noch Schadensersatz.
Berücksichtige man ferner, daß die Beschwerdegegnerin Abmahnungen wegen Störung des Betriebsfriedens aussprechen wolle, wodurch zugleich weitergehende arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht würden, so sei auch aus diesem Grunde der Mitbestimmungstatbestand des § 40 Buchst. k) MVG erfüllt. Knüpfe die Beschwerdegegnerin nämlich an den Verstoß gegen eine generell-abstrakte Regelung die Versendung von Abmahnungsschreiben, so stelle dies eine mitbestimmungspflichtige Sanktion im Einzelfall dar.
Im übrigen stehe ihr das Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. j) MVG zu, weil es hier um Einführung und Anwendung von Maßnahmen gehe, die geeignet seien, das Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überwachen. Die Kontrolle bestehe in der geplanten Speicherung und Verwendung der bei der Parkraumüberwachung anfallenden persönlichen Daten. Dieses Mitbestimmungsrecht werde nicht bereits durch das generelle Einverständnis in der vorhandenen Dienstvereinbarung ersetzt. Das Einverständnis bedeute keine im Vorwege erteilte Zustimmung zu dem nunmehr vorliegenden Sanktionskatalog.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 25. Juni 1998 - 2 M 44/98 - aufzuheben und die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt dazu vor: Die Beschwerdeführerin könne die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung „Parkraumbe¬wirtschaftung“ nicht mehr in Frage stellen. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei allein die Mitbestimmung hinsichtlich des Sanktionskatalogs. Unter Hinweis darauf, daß dieser Katalog auf der zweiten und dritten Stufe lediglich zivilrechtliche Sanktionen vorsehe, habe die Schlichtungsstelle zu Recht ein Mitbestimmungsrecht verneint, und zwar sowohl hinsichtlich des Katalogs selbst als auch hinsichtlich der Ahndungsmaßnahmen im Einzelfall. Rechtsfolgen, die sich aus der Anwendung der allgemeinen Gesetze ergäben, seien mitbestimmungsfrei. Die Anwendung der allgemeinen Gesetze könne keineswegs unter dem Zustimmungsvorbehalt der Mitarbeitervertretung stehen. Das folge nicht zuletzt aus dem durch die Verfassung geschützten Selbstgestaltungsrecht der Kirchen und ihrer diakonischen Einrichtungen. Unzutreffend sei es auch, den im „blauen Brief“ vorgesehenen pauschalen Betrag von 10,- DM statt als gesetzlich normierten Aufwendungsersatz als Betriebsbuße zu qualifizieren. Selbst wenn man aber von einem Mitbestimmungsrecht ausgehen würde, wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet, sowohl dem Sanktionskatalog als auch etwaigen Einzelmaßnahmen zuzustimmen. Das folge aus der Einigung, die ihren Niederschlag in Ziffer 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ gefunden habe.
Wegen des weitergehenden Sachvortrags der Verfahrensbeteiligten wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 63 Abs. 1 Buchst. a) und b) MVG. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet. Nicht nur die Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaftung“ selbst, sondern auch der zu Ziffer 3 dieser Dienstvereinbarung erarbeitete Sanktionskatalog ist mitbestimmungspflichtig nach § 40 Buchst. k) MVG. Das Mitbestimmungsrecht der Gesamtmitarbeitervertretung entfällt nicht schon deshalb, weil im Sanktionskatalog auf der zweiten und dritten Stufe als zivilrechtliche Sanktionen ein Aufwendungsersatz und das übliche Nutzungsentgelt vorgesehen sind. Dazu ergibt sich im einzelnen folgendes:
1. Zu unterscheiden ist zwischen der grundsätzlichen Entscheidung, ob es überhaupt betriebseigene Parkplätze für Arbeitnehmer geben soll einerseits und der Einführung und Ausgestaltung einer Parkplatzordnung einschließlich etwaiger Sanktionen zur Durchsetzung einer solchen Ordnung andererseits. Das Zurverfügungstellen von Parkplätzen kann von einem Betriebsrat bzw. einer Mitarbeitervertretung nicht erzwungen werden (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels-FKHE, BetrVG, 19. Aufl., Rz. 71 zu § 87 Stich¬wort „Parkplätze“, m. w. Nachw.). Demgegenüber hat die Schlichtungsstelle zu Recht festgestellt, daß die Regeln über eine Parkraumbewirtschaftung tatbestandlich eine Betriebsordnung und eine Verhaltensregelung im Sinne von § 40 Buchst. k) MVG bilden und daher mitbestimmungspflichtig sind. Unerheblich ist der Einwand der Antragstellerin, Gegenstand der Dienstvereinbarung sei weder die Ordnung „in der Dienststelle“ noch das Verhalten der Mitarbeiter „im Dienst“. Betriebseigene Parkplätze sind oftmals nicht Teil einer Dienststelle und ihre Benutzung erfolgt auch regelmäßig nicht „im Dienst“. Trotzdem entspricht es allgemeiner Meinung, daß die Benutzerordnung für einen betriebseigenen Parkplatz eine mitbestimmungspflichtige Betriebsordnung ist. Im übrigen stellt die Antragstellerin selbst den betrieblichen Zusammenhang her, wenn sie an anderer Stelle von der Störung des Betriebsfriedens durch Falschparker spricht, die eine Abmahnung rechtfertige. Grundsätzlich erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht wegen des inneren Zusammenhangs auch auf die Sanktionen, und zwar unabhängig davon, ob diese bereits Inhalt der Benutzerordnung selbst sind oder ob sie in einem zweiten Schritt noch konkretisiert werden sollen. Betriebsordnung und Sanktionskatalog bilden eine Einheit, so daß auch das Mitbestimmungsrecht grundsätzlich unteilbar ist (BAG vom 17. Oktober 1989 - 1 ABR 100/88 - AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 „Betriebsbuße“, zu II 2 a der Gründe, sowie GK-Wiese, 5. Aufl., Rz. 204 zu § 87 und Baumann-Czichon/Germer, MVG.EKD, Rz. 86 zu § 40).
2. Diese „Akzessorietät“ (GK-Wiese, aaO) zwischen Betriebsordnung und Sanktionskatalog und die prinzipielle Unteilbarkeit des Mitbestimmungsrechts nach § 40 Buchst. k) MVG wird vorliegend nicht deshalb aufgehoben, weil der Sanktionskatalog zu Ziffer 3 der Dienstvereinbarung „Parkraumbewirtschaf¬tung“ auf der zweiten und dritten Stufe eine Aufwandsentschädigung und ein Nutzungsentgelt vorsieht. Richtig ist, daß die Betriebsbuße als Sanktion bei Verstößen gegen die kollektive betriebliche Ordnung gewöhnlich in einer Verwarnung oder in einem Verweis besteht und daß bei schweren Verstößen auch Geldbußen bis zu einem Tagesverdienst in Betracht kommen (vgl. FKHE, aaO, Rz. 88 zu § 87, m. w. Nachw.). Solche kollektivrechtlichen Mittel stellen Aufwandsentschädigung und Nutzungsentgelt nicht dar, wie die Schlichtungsstelle zutreffend ausgeführt hat. Kollektivrechtliche Mittel wie Verweis und Verwarnung würden, wollte man sie gegenüber betriebsfremden Falschparkern anwenden, aber auch ins Leere gehen. Das gilt in gleicher Weise für eine Geldbuße, weil dem geltenden Privatrecht die Verhängung einer Geldbuße gegenüber (externen) Dritten fremd ist. Mit der Feststellung, daß der hier streitige Sanktionskatalog zumindest auf den ersten Blick die klassischen Bußen einer betrieblichen Bußordnung nicht enthält, läßt sich das Mitbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin jedoch nicht verneinen.
3. Bei genauer Würdigung dessen, was sich hier mittels des Sanktionskatalogs auf drei Stufen vollzieht, ist nämlich festzuhalten, daß bereits die Reaktion auf der ersten Stufe eine Sanktion, und zwar auf der untersten Ebene darstellt. Die „gelbe Karte“, die vom Fußball her allgemein bekannt ist, bedeutet gewöhnlich, daß der, dem sie gezeigt wird, gewarnt bzw. verwarnt wird. Eine zweite „gelbe Karte“ hat (im Fußball) sogleich die „rote Karte“ zur Folge. Diese Begrifflichkeiten hat die Beschwerdegegnerin für ihre Zwecke übernommen. Sie spricht auch selbst von einem dreistufigen Sanktionskatalog sowie von Ahndungsmaßnahmen. Weil man ohne weiteres davon ausgehen kann, daß der Dienstgeber hier bewußt in Anlehnung an die soziale Funktion der „gelben“ und der „roten Karte“ bei Verstößen gegen die Parkplatzordnung zuerst die „gelbe Karte“ und sodann die „rote Karte“ eingeführt hat, stellen diese am Auto des Falschparkers zu befestigenden gelben und roten Karten selbst bereits Maßnahmen der Ahndung und damit Sanktionen dar. Sie werden jeweils als Sanktion, d. h. als „eine Maßnahme zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens“ (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1983, Stichwort „Sanktion“) eingesetzt. Die Parkraumbewirtschaftung soll mithin nicht allein mit individualrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden, wie die Schlichtungsstelle angenommen hat. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß die Berücksichtigung von Funktion und Bedeutung von „gelber“ und „roter Karte“ durch das Beschwerdegericht dem Verständnis der Beschwerdegegnerin widerspricht, zumal sie in der mündlichen Verhandlung, gefragt nach der Bedeutung von „gelber“ und „roter Karte“, selbst von Verwarnung gesprochen hat. Im übrigen müßte sie das allgemein in der Gesellschaft vorhandene Verständnis gegen sich gelten lassen, wenn sie die „gelbe“ und „rote Karte“ als Reaktion auf Regelverstöße einführt. Für den „blauen Brief“, der auf der dritten Sanktionsebene zur Verteilung kommt, kann angesichts der allgemein bekannten Funktion eines „blauen Briefs“ nichts anderes gelten. Ist danach festzustellen, daß die Beschwerdegegnerin bei richtiger Würdigung auf jeder Stufe ihrer Reaktion den Regelverstoß sanktioniert, setzt sie gegenüber den bei ihr beschäftigten Falschparkern durchaus auch kollektivrechtliche und nicht lediglich individualrechtliche Mittel ein, praktiziert sie mithin der Sache nach eine betriebliche Bußordnung. Daß hier nicht, zumindest nicht ausdrücklich, von Verweis oder Verwarnung die Rede ist, ändert an dieser Würdigung nichts. Dann aber kann das Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. k) MVG nicht allein deshalb entfallen, weil auf der dritten Stufe der Falschparker zusätzlich zivilrechtlich zur Kasse gebeten wird. Daß der betriebsfremde Falschparker erfolgreich allein zivilrechtlich in Anspruch genommen werden kann, weil ihm gegenüber Betriebsbußen ins Leere gehen, ist bereits dargelegt worden. Bleibt mithin das Mitbestimmungsrecht für den Sanktionskatalog zu Ziffer 3 der Dienstordnung „Parkraumbewirtschaftung“ bestehen, kann letztlich die Frage unbeantwortet bleiben, ob die im „blauen Brief“ vorgesehene Kostenpauschale von dem davon betroffenen Mitarbeiter als eine Geldbuße als letzte Konsequenz einer betrieblichen Bußordnung aufgefaßt werden muß.
4. Nicht zuzustimmen vermochte die Kammer der Beschwerdegegnerin darin, daß die Gesamtmitarbeitervertretung nunmehr verpflichtet sei, dem vorliegenden Sanktionskatalog zuzustimmen, weil man sich bereits in der Dienstvereinbarung über die Ahndung von Regelverstößen geeinigt habe. Die generelle Einigung über die Verfolgung von Verstößen gegen die Parkplatzordnung ist bei richtigem Verständnis der Mitbestimmung keine im Vorwege erteilte Zustimmung zu einem Maßnahmekatalog, der in seinen Einzelheiten noch gar nicht vorlag. Aus diesem Grunde konnte die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
5. Abschließend ist klarzustellen, dass bei der Dienststelle beschäftigte Falschparker zugleich gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die Pflicht zur Beachtung der für einen Betrieb geltenden Betriebsordnungen ist Inhalt jedes einzelnen Arbeitsverhältnisses (BAG vom 17. Oktober 1989, aaO, zu II 3 c der Gründe, sowie GK-Wiese, aaO, Rz. 216 zu § 87). Entschlösse sich die Beschwerdegegnerin daher zu einer Vertragsrüge in Form einer Abmahnung, wäre diese mitbestimmungsfrei. Es ginge nämlich allein darum, die betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Einhaltung ihrer Vertragspflichten hinzuweisen. Demgegenüber dient die Betriebsbuße dem Zweck, eine begangene Regelverletzung zu sanktionieren. Eine Abmahnung wird auch nicht dadurch zur Betriebsbuße, daß in ihr zusätzlich individualrechtliche Folgen wie beispielsweise arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden (GK-Wiese, aaO, Rzn. 209, 211 und 213). Die Abmahnung wegen Verstoßes gegen die Dienstordnung „Parkraumbewirtschaftung“, die sich auf die bloße Geltendmachung der Gläubigerposition beschränkte und keine darüber hinausgehende zusätzliche Sanktion enthielte, wäre entgegen der Auffassung der Gesamtmitarbeitervertretung nicht mitbestimmungspflichtig. Mitbestimmungspflichtige Betriebsbuße und mitbestimmungsfreie Abmahnung können nämlich nebeneinander bestehen (GK-Wiese, aaO, Rzn. 211 und 216). Das Schreiben an die Beschäftigten vom 6. Mai 1998, in dem die drei Stufen des Sanktionskatalogs enthalten sind, läßt aber auch erkennen, daß die Beschwerdegegnerin eine Abmahnung frühestens auf der dritten Stufe in Betracht zieht, weil erst die Kopie des „blauen Briefs“ der „Personalabteilung zur weiteren Veranlassung“ zuzuleiten ist.
6. Die Kostenregelung beruht auf § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 8 BRAGO.