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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 26.11.1997 |
Aktenzeichen: | VerwG.EKD 0124/B18-97 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 61 Abs. 10, § 63 Abs. 1 Buchst. b) und g), VGG.EKD § 13 Abs. 2, VwGO §§ 123; 146, 150, 101 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V., Az.: - 9/97 HH -; Fundstellen: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 13/98 S. 726; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1999 S. 22; Die Mitarbeitervertretung 3/98 S.136 |
Schlagworte: | Auslegung einer Dienstvereinbarung und Beschwerde zum Verwaltungsgericht |
Leitsatz:
Wird ein Unterlassungsanspruch der Mitarbeitervertretung gegen die Dienststellenleitung aus einer Dienstvereinbarung geltend gemacht, so entscheidet die Schlichtungsstelle über die Auslegung der Dienstvereinbarung abschließend. Ein Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung ist nicht gegeben.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V. vom 22. September 1997 - AZ 9/97 HH - wird verworfen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird auf 4.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten trafen im Juni 1997 eine "Dienstvereinbarung zur Existenzsicherung". Aufgrund dieser Vereinbarung verhandelten sie über die finanziell bedingte Einschränkung und Auflösung von Dienststellen und Arbeitsbereichen. Die Verhandlungen zogen sich bis zum 15. August 1997 hin, kamen jedoch zu keinem Abschlußergebnis. Mit Schreiben vom 29. August 1997, der Antragsstellerin zugegangen am 1. September, leitete die Antragsgegnerin u. a. das Anhörungsverfahren zu beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen von Mitarbeitern ein.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Einleitung des Anhörungsverfahrens sei rechtsunwirksam, weil das Erörterungsverfahren nach der Dienstvereinbarung noch nicht abgeschlossen sei. Mit der gleichwohl eingeleiteten Anhörung vereitele die Antragsgegnerin das in § 45 MVG.EKD vorgeschriebene Erörterungsrecht der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin habe zuerst das Erörterungsverfahren beenden müssen, bevor sie das Anhörungsverfahren zu den beabsichtigten Kündigungen habe einleiten dürfen. Das Erörterungsverfahren sei jedoch noch nicht für beendet erklärt worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, personelle Einzelmaßnahmen in Gestalt eines Anhörungsverfahrens zu beabsichtigten Kündigungen einzuleiten und umzusetzen, solange nicht das laufende Erörterungsverfahren gemäß §§ 46 a, 45 MVG betreffend die beabsichtigten Einrichtungseinschränkungen abgeschlossen ist.
Die Antragsgegnerin hat um Zurückweisung des Antrages gebeten und vorgetragen: Für einen Unterlassungsanspruch bestehe keine Rechtsgrundlage, weil das Beteiligungsverfahren nach der „Dienstvereinbarung“ vom Juni 1997 beendet gewesen sei und es einer weiteren Beteiligung der Antragstellerin im Rahmen dieses Verfahrens nicht bedurft habe.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag der Antragstellerin durch Beschluß vom 22. September 1997 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei nicht begründet, weil es an einem Anordnungsanspruch fehle. Zwar hätten betriebsbedingte Kündigungen erst nach Abschluß des Mitberatungsverfahrens nach der Dienstvereinbarung vom Juni 1997 erfolgen sollen, das Mitberatungsverfahren sei jedoch durch die schriftlich begründete Erklärung der Antragsgegnerin vom 29. August 1997 abgeschlossen worden. Mit diesem Schreiben habe die Antragsgegnerin die weitere Erörterung des Mitberatungsverfahrens für beendet erklärt und auch die schriftliche Begründung für die Beendigung gegeben. Danach sei die Antragstellerin in der vom Gesetz geforderten Weise an dem Mitberatungsverfahren beteiligt worden und folglich der erhobene Unterlassungsanspruch nicht begründet.
Gegen den ihr am 24. September 1997 zugestellten Beschluß der Schlichtungsstelle hat die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 2. Oktober 1997 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor:
Die Schlichtungsstelle sei rechtsirrig davon ausgegangen, daß auch ohne vorherige Unterrichtung über die betriebswirtschaftlichen Daten das Erörterungsverfahren begonnen habe. Gemäß §§ 45, 34 MVG in Verbindung mit der Präambel der Dienstvereinbarung vom Juni 1997 beginne die Erörterung über weitergehende Anpassungsmaßnahmen, nachdem die Geschäftsführung zuvor rechtzeitig vor Verhandlungsbeginn eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung über die bereits erzielten Einsparungen, die Einnahmen und den weiteren erforderlichen Einsparumfang vorgelegt habe. Hieran habe sich die Antragsgegnerin nicht gehalten. Deshalb habe die Erörterung im Blick auf die weitergehenden Anpassungsmaßnahmen noch nicht begonnen. Dies sei erst dann der Fall, wenn die verabredeten Unterlagen rechtzeitig vorgelegt würden. Solange das Erörterungsverfahren nicht begonnen habe, sei die Antragsgegnerin gehindert, aus dem gleichen Lebenssachverhalt ein Verfahren zu beabsichtigten Kündigungen einzuleiten und umzusetzen.
Darüber hinaus sei das Erörterungsverfahren aber auch deshalb nicht abgeschlossen, weil es an einer abweichenden Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 8 MVG fehle. Eine abweichende, schriftlich begründete Entscheidung gegenüber der Mitarbeitervertretung könne entgegen der Ansicht der Schlichtungsstelle nicht in dem eingeleiteten Anhörungsverfahren vom 29. August 1997 zu beabsichtigten Kündigungen gesehen werden.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
1. den Beschluß der Schlichtungsstelle vom 22. September 1997 - Az.: 9/97 HH - abzuändern;
2. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, es zu unterlassen, personelle Einzelmaßnahmen in Gestalt eines Anhörungsverfahrens zu beabsichtigten Kündigungen gemäß §§ 42 Buchst. b), 41 Abs. 2, 41 Abs. 3 in Verbindung mit § 38 MVG einzuleiten und durch Ausspruch von Kündigungen gegenüber Mitarbeitern umzusetzen, solange nicht das laufende Erörterungsverfahren gemäß §§ 46 Buchst. a), 45 MVG betreffend der beabsichtigten Einrichtungseinschränkung abgeschlossen ist.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft, weil sie keinen der in § 146 Abs. 4 VwGO, § 63 Abs. 1 MVG.EKD aufgeführten Tatbestände betrifft. Sie mußte daher verworfen werden.
1. Die Beteiligten streiten nicht darüber, welche Rechte und Pflichten den Beteiligten „im Einzelfall“ aus der Mitberatung oder Mitbestimmung erwachsen (§ 63 Abs. 1 Buchst. b) MVG.EKD). Es geht vorliegend nicht um einen mitarbeitervertretungsrechtlichen Einzelfall (oder mehrere Einzelfälle dieser Art), sondern darum, ob der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin aus der „Dienstvereinbarung“ vom Juni 1997 und ihrer möglichen Nichteinhaltung durch die Antragsgegnerin in Verbindung mit bestimmten Vorschriften des Mitarbeitervertretungsgesetzes ein Unterlassungsanspruch zusteht. Die Entscheidung hierüber setzt eine Auslegung der genannten Dienstvereinbarung voraus. Genau diese Auslegung ist dem Verwaltungsgericht aber nicht zugänglich, seine Kompetenz ist in diesem Punkt durch § 63 Abs. 1 Buchst. g) MVG vielmehr ausdrücklich beschränkt auf die Frage des „Bestehens oder Nichtbestehens“ von Dienstvereinbarungen. Eine Zuständigkeit über inhaltliche Auslegungsfragen ist nicht gegeben; hier entscheidet die Schlichtungsstelle abschließend (so zutr.: Bach u. a., MVG für den Bereich der Evangelischen Kirchen und Diakonischen Werke im Rheinland, Westfalen und Lippe, 1995, § 63 Rn 1.9; Jessen in Fey/Rehren (Hrsg), MVG.EKD, Stand Januar 1997, § 63 Rn 12).
2 .Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 150, 101 Abs. 3 VwGO). Die Kostenregelung folgt aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Festsetzung des Gegenstandswertes aus § 8 Abs. 2 BRAGO (vgl. Streitwertkatalog in Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl., § 165 Rn 19 I 7).