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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:16.11.1995
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/7-95
Rechtsgrundlage:
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, Az.: 5/95; Fundstellen: Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1997 S. 28; Rechtsquellennachweisung für das deutsche Kirchenrecht 1997 Amtsblatt der EKD 52. Jg 1998 S. 355; Die Mitarbeitervertretung 3/96 S. 142; Zeitschrift für evangelisches Recht 1/97 S. 69
Schlagworte:Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Sozialplänen nach § 40 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. Bei der Aufstellung von Sozialplänen hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 MVG.EKD. Darüber hinaus steht der MAV ein Initiativrecht zu (§ 47 Abs. 1 MVG.EKD).
2. Für Bestand und Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 40 Buchst. f MVG.EKD kommt es grundsätzlich nicht auf die Vermögenslage des Sozialplanpflichtigen, hier einer Kirchengemeinde, an.
3. Wegen des Finanzzuweisungsrechts und der Möglichkeit des Finanzausgleichs innerhalb der Landeskirche und wegen der Annahme, daß die Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachkommen kann, ist die Überschuldung der einzelnen Kirchengemeinde für sich allein kein ausreichender Grund, um sich auf Sozialplanverhandlungen von vornherein gar nicht erst einzulassen.
4. Die Mitarbeitervertretung einer stillgelegten Einrichtung verfügt über ein Restmandat zu Verhandlungen über einen Sozialplan.

Tenor:

Der Beschluß der Schlichtungsstelle der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 6. April 1995 - 5/95 - wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Weigerung der Beteiligten zu 2), mit der Beteiligten zu 1) einen Sozialplan für die von der Schließung des Hauses E betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzustellen, rechtswidrig ist.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) bei der Aufstellung eines Sozialplans im Zusammenhang mit der Einstellung eines Pflegeheims außer Betracht bleibt, wenn die Kirchengemeinde, die ohnehin hoch verschuldet ist, zwecks Erfüllung von Sozialplanforderungen sich noch mehr verschulden müßte.
Die Antragsgegnerin, eine Kirchengemeinde, betrieb bis zum 30. Juni 1995 ein Alten- und Pflegeheim, das Haus E. Sie beschäftigte dort zuletzt 28 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Schließung des Heims beruht auf einem Beschluß des Kirchenvorstands. Zu dieser Entscheidung kam es, weil der Negativsaldo für das Heim Ende 1993 etwa 400.000,00 DM betrug. Die Antragsgegnerin nahm zur Aufrechterhaltung der Liquidität ein innerkirchliches Darlehen von 950.000,00 DM auf. Ende 1994 belief sich das Defizit bereits auf über eine Million Deutsche Mark. Das Geldvermögen der Antragsgegnerin beträgt demgegenüber etwa 250.000,00 DM.
Die Geschäftsführung des Alten- und Pflegeheims wurde bereits 1994 von der Antragsgegnerin auf das Kirchenkreisamt übertragen. Hierüber sowie über die beabsichtigte Schließung des Hauses informierte die Antragsgegnerin die MAV mit Schreiben vom 16. September 1994. Die Gründe wurden von Herrn F, der für die Diakonieabteilung des Kirchenkreisamtes als Geschäftsführer tätig wurde, im einzelnen mit Schreiben vom 1. Dezember 1994 mitgeteilt. Die Mitarbeitervertretung forderte sodann Herrn F in ihrer Antwort vom 15. Dezember 1994 auf, sobald wie möglich in Verhandlungen über einen Sozialplan einzutreten. Zugleich stellte sie wegen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Reihe von Fragen. Die Bitte um Zusendung der Bilanzen der Antragsgegnerin beantwortete Herr F am 19. Dezember 1994 dahin, daß über die Vermögenslage der Kirchengemeinde nur der Kirchenvorstand Auskunft erteilen könne. Die Diakonieabteilung des Kirchenkreises sei lediglich geschäftsführend für das Haus E tätig, das als ein kaufmännisch gebuchter, selbstabschließender Bilanzkreis geführt werde. Ein weitergehendes Mandat habe die Diakonieabteilung nicht. Die unter dem 4. Januar 1995 gestellte Frage der MAV, wer Ansprechpartner bzw. Verhandlungspartner hinsichtlich der Erstellung eines Sozialplans sei, wurde dahin beantwortet, daß Herr F Verhandlungspartner sei. Andererseits gab Herr F in seinem Antwortschreiben vom 9. Januar 1995 zu bedenken, daß es für einen Sozialplan keine Rechtsgrundlage und zudem auch keinen Auftrag durch die Kirchengemeinde gebe. Die Mitarbeitervertretung bat daraufhin am 23. Januar 1995 um ein Gespräch und unterbreitete zugleich Terminvorschläge. Außerdem wollte sie die Rechtsauffassung wegen der fehlenden Rechtsgrundlage erläutert haben. Im Antwortschreiben vom 25. Januar 1995 erbot sich Herr F, einschlägige Rechtsprechung herauszusuchen, fügte jedoch hinzu, die Mitarbeitervertretung möge ihrerseits darlegen, woraus sie den Anspruch auf einen Sozialplan herleite. Als Gesprächstermin schlug Herr F den 13. Februar 1995 vor, betonte aber noch einmal, daß er wegen des eingeschränkten Auftrags Sozialplanverhandlungen nicht führen könne. In einem weiteren Schreiben vom 10. Februar 1995 teilte Herr F mit, Gesprächsthema am 13. Februar könnten nur die von der Mitarbeitervertretung aufgeworfenen Fragen in bezug auf den Sozialplan sein.
Mit Schreiben vom 9. Februar 1995 rief die Antragstellerin daraufhin die Schlichtungsstelle an.
Sie hat beantragt
festzustellen, daß die Weigerung der Diakonieabteilung des Kirchenkreisamtes als Geschäftsführer des Hauses E in Vertretung der Kirchengemeinde C, in Verhandlungen über die Erstellung einer Dienstvereinbarung zum Abschluß eines Sozialplans einzutreten, rechtswidrig ist.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, das Schlichtungsbegehren sei bereits wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist nach § 47 Abs. 2 MVG.EKD unzulässig. Die Frist habe spätestens mit Zugang des Schreibens vom 9. Januar 1995 begonnen, nämlich durch die Mitteilung, daß es für einen Sozialplan keine Grundlage gebe. Bereits mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 sei der Mitarbeitervertretung hinreichend deutlich gemacht worden, daß das Alten- und Pflegeheim überschuldet sei und daß sie, die Antragsgegnerin, über keine nennenswerten Rücklagen verfüge, welche beiden Umstände einem Sozialplan entgegenstünden.
Zumindest sei der Antrag unbegründet, denn es fehlten finanzielle Mittel, wie sie für die Aufstellung eines Sozialplans nötig seien. Abgesehen von dem Negativsaldo Ende 1993 (ca. 400.000,00 DM) für das Haus E sowie der Aufnahme des Darlehens zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität (950.000,00 DM), habe sich ergeben, daß der Negativsaldo der Einrichtung per Ende 1994 1.350.000,00 DM übersteigen würde und bis zur Schließung des Heims am 30. Juni 1995 unter Berücksichtigung der dann voraussichtlich noch überhängenden Personalkosten ein Defizit in der Größenordnung von zwei Millionen DM zu erwarten sei.
Hinsichtlich der Lohn- und Gehaltskosten ist unstreitig, daß die Kündigungen sämtlich zum 30. Juni 1995 ausgesprochen wurden und daß die Antragsgegnerin in Fällen vorzeitigen Ausscheidens ersparte Gehälter als Abfindungen ausgezahlt hat. Kündigungsschutzklagen, die beim Arbeitsgericht Hamburg anhängig waren, wurden durch Klagerücknahme bzw. Prozeßvergleich beendet, wobei es zumindest in einem Fall zu einer Abfindungszahlung durch die beklagte Kirchengemeinde, die Antragsgegnerin, gekommen ist.
Die Schlichtungsstelle hat durch Beschluß vom 6. April 1995 festgestellt, daß die Weigerung des Kirchenvorstands der Kirchengemeinde rechtlich nicht zu beanstanden sei. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt: Die Kirchengemeinde sei im Hinblick auf die bereits erlittenen hohen finanziellen Verluste des Alten- und Pflegeheims finanziell außerstande, einen Sozialplan abzuschließen. Diese Wertung stehe nicht im Widerspruch zu dem Umstand, daß die Kirchengemeinde gesetzlich verpflichtet sei, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis zum 30. Juni 1995 die geschuldete Vergütung zu zahlen, und daß Herr F von der Kirchenkreisverwaltung im Einzelfall die Zusage erteilt habe, die ihnen zustehende Bruttovergütung auch dann zu zahlen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 30. Juni 1995 einvernehmlich beendet würde.
Gegen die am 26. Mai 1995 zugestellte Entscheidung der Schlichtungsstelle hat die Mitarbeitervertretung mit einem am 22. Juni 1995 eingegangenen Schriftsatz vom 21. Juni 1995 Beschwerde eingelegt, die sie mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 1995, eingegangen am 1. August 1995, begründet hat.
Die Mitarbeitervertretung verfolgt ihren Feststellungsantrag weiter. Sie ist der Auffassung, daß sie die Schlichtungsstelle rechtzeitig angerufen habe und daß es nicht im Ermessen der Antragsgegnerin gelegen habe, einen Sozialplan aufzustellen. Trotz der schlechten Finanzlage des Alten- und Pflegeheims seien finanzielle Mittel dafür vorhanden gewesen, was sich beispielsweise daraus ergebe, daß die Gemeinde individuelle Abfindungsvereinbarungen geschlossen habe, die über die Entgeltansprüche bis zum 30. Juni 1995 hinausgegangen seien und zwischen 30 und 50 % pro Mitarbeiter und Beschäftigungsjahr ausgemacht hätten.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
1. den Beschluß der Schlichtungsstelle vom 6. April 1995 - 5/95 - aufzuheben,
2. festzustellen, daß die Weigerung der Antragsgegnerin, mit ihr einen Sozialplan für die von der Schließung des Hauses E betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufzustellen, rechtswidrig ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Mitarbeitervertretung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Beschwerde könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle nicht rechtzeitig angerufen habe. Dabei sei es unerheblich, daß die Schlichtungsstelle in ihrer Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen sei.
Im übrigen weist die Antragsgegnerin erneut darauf hin, daß für einen Sozialplan kein Geld mehr zur Verfügung gestanden habe und auch nicht mehr hätte zur Verfügung gestellt werden können. Bei dieser Sachlage sei ihre Weigerung, Sozialplanverhandlungen aufzunehmen, nicht zu beanstanden. Außerdem seien sämtliche Arbeitsverhältnisse, um die es hier gehe, inzwischen abgewickelt, so daß die Mitarbeitervertretung nicht mehr legitimiert sei, für bereits ausgeschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch günstige Regelungen anzustreben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und auf die überreichten Anlagen Bezug genommen.
II. Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist zulässig und begründet.
1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben gegen Entscheidungen der Schlichtungsstelle darüber, welche Rechte und Pflichten den Beteiligten im Einzelfall aus der Mitberatung und Mitbestimmung erwachsen. Die Beschwerde ist weiter form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 3 MVG.EKD eingegangen sowie rechtzeitig begründet worden, so daß sie sich insgesamt als zulässig erweist.
2. Die Begründetheit der Beschwerde ergibt sich daraus, daß die Kirchengemeinde allein wegen der bestehenden Überschuldung nicht berechtigt war, von vornherein jegliche Verhandlung über einen Sozialplan zu verweigern.
2.1. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD kann die Schlichtungsstelle nur innerhalb von zwei Wochen nach Abschluß der Erörterung oder nach Ablehnung angerufen werden, wobei eine Ablehnung schriftlich zu begründen ist (§ 47 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD).
Diese Zweiwochenfrist ist eine prozessuale Frist. Wie im Zivilprozeß die Versäumung der Klagefrist zur Abweisung der Klage als unzulässig führt, ist der nicht fristgerechte Antrag der Mitarbeitervertretung an die Schlichtungsstelle als unzulässig zurückzuweisen.
Vorliegend ist die Anrufungsfrist jedoch gewahrt. Die Erörterung zwischen den Beteiligten wurde nicht bereits mit Schreiben vom 9. Januar 1995 abgeschlossen. Dabei kann es dahinstehen, ob der Abschluß der Erörterung gemeinsam festzustellen ist oder zumindest von einer der beiden Seiten ausdrücklich zu erfolgen hat (vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD, Rz. 24 zu § 47). Herr F von der Diakonieabteilung des Kirchenkreises bezeichnet sich im Schreiben vom 9. Januar 1995 erstmals als Verhandlungspartner in Sachen Sozialplan, fügt jedoch hinzu, daß es für einen Sozialplan seitens der Kirchengemeinde keinen Auftrag gebe und daß dafür auch keine Rechtsgrundlage bestehe. Diesen Ausführungen fehlt die für eine ausdrückliche Feststellung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD erforderliche Eindeutigkeit. Daß die Antragstellerin sie nicht bereits als abschließend verstehen mußte, machen auch die weiteren Erklärungen deutlich, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind. So beantwortet Herr F mit Schreiben vom 25. Januar 1995 die Bitte um Erläuterung seiner Rechtsauffassung dahin, es sei nicht seine Aufgabe, das Fehlen der Rechtsgrundlage zu begründen. Er hält sich aber ausdrücklich offen für das noch zu führende Rechtsgespräch. Er greift den Terminvorschlag der Gegenseite auf und erbietet sich, einschlägige Rechtsprechung herauszusuchen, betont jedoch erneut, daß er einen Auftrag für Sozialplanverhandlungen nicht erhalten habe. Sodann heißt es im Schreiben vom 10. Februar 1995 an die Antragstellerin, daß Gegenstand des Gesprächs vom 13. Januar 1995 (richtig: 13. Februar) die durch die Mitarbeitervertretung aufgeworfenen Fragen bezüglich des Sozialplans sein würden.
Auch die Widersprüchlichkeit der von Herrn F abgegebenen Erklärungen steht der Annahme entgegen, die Erörterungen über den Abschluß eines Sozialplans seien spätestens am 9. Januar 1995 abgeschlossen worden. Wenn Herr F sich einerseits als Verhandlungspartner bezeichnet und sich auch auf das entsprechende Rechtsgespräch einläßt, andererseits auf den beschränkten Auftrag hinweist, der ihm die Aufnahme von Sozialplanverhandlungen verbietet, so kann das nur als widersprüchlich bezeichnet werden. Mit Zugang des Schreibens vom 9. Januar 1995 kann nach allem der Beginn der Zweiwochenfrist nicht festgestellt werden.
2.2. Das Initiativrecht der antragstellenden MAV folgt aus § 47 Abs. 1 MVG.EKD in Verbindung mit § 40 Buchst. f MVG.EKD. Danach hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Sozialplänen. Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche hat das MVG.EKD zwar erst mit Wirkung ab 1. Januar 1995 übernommen, so daß es fraglich sein könnte, ob sich das Mitbestimmungsrecht vorliegend nicht noch nach dem Kirchengesetz über die Mitarbeitervertretungen in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Mitarbeitervertretungsgesetz-MAVG) in der Fassung vom 20. Januar 1985 richtet. Diese Frage kann jedoch unbeantwortet bleiben, weil § 40 Abs. 1 Buchst. m MAVG eine Regelung enthält, die § 40 Buchst. f MVG.EKD entspricht. Daraus folgt, daß der Antragstellerin auch nach dem MAVG insoweit ein Initiativrecht zustand. Das hat ihr auch die Antragsgegnerin nicht streitig machen wollen. Sie hat die Initiative der Mitarbeitervertretung allein mit dem Hinweis auf die fehlenden finanziellen Mittel zurückgewiesen.
Die für dieses Verfahren entscheidende Frage war daher, ob die Mitarbeitervertretung ihr Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. f MVG.EKD dann nicht ausüben kann oder ob dieses gar entfällt, wenn sich die Kirchengemeinde durch den Sozialplan noch mehr verschulden müßte. Aufgrund der Bedeutung der Mitbestimmung und der Besonderheiten der Kirchenfinanzverfassung ist diese Frage dahin zu beantworten, daß es für Bestand und Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 40 Buchst. f MVG.EKD grundsätzlich nicht auf die Vermögenslage der einzelnen Kirchengemeinde ankommt.
2.2.1. Das Recht der Mitarbeitervertretung zur Mitbestimmung bei der Aufstellung von Sozialplänen ist in den Katalog der Mitbestimmungsrechte nach § 40 MVG.EKD aufgenommen worden. Der Mitarbeitervertretung steht darüber hinaus ein Initiativrecht zu (§ 47 Abs. 1 MVG.EKD). Durch die Einräumung von Mitbestimmungs- und Mitberatungsrechten soll der Selbstbestimmung im Arbeitsverhältnis angemessen Rechnung getragen werden: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen mitwirkende Subjekte bei der Gestaltung des betrieblichen/dienstlichen Geschehens sein (vgl. Wiese, in: Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, Band I, 5. Aufl., Einl., Rz.50, m.w.N.). Diese Bedeutung und Funktion verliert das Mitbestimmungsrecht nach § 40 Buchst. f MVG.EKD nicht dadurch, daß der Abschluß eines Sozialplans nicht erzwungen werden kann (dazu Fey/Rehren, aaO, unter Hinweis auf §§ 36 Abs. 6 S. 2, 60 Abs. 2). Das Initiativrecht zum Abschluß eines Sozialplans ist bereits Ausdruck dieser mitwirkenden Gestaltung des dienstlichen Geschehens und damit der sich aus Art. 1 und 2 GG ergebenden Werteordnung.
2.2.2. Nach Art. 3 Abs. 2 der Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 (GVOBl. S.237) in der Neufassung vom 21. November 1990 (GVOBl. S. 46, 313) sind außer der Nordelbischen Kirche selbst u.a. auch ihre Kirchengemeinden und Kirchenkreise Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dieser Status ist verfassungsrechtlich anerkannt (vgl. nur Maunz/Dürig/Herzog, GG, Rz. 25 zu Art. 140) und beruht letztlich auf der Bedeutung der Kirche im öffentlichen Leben (BVerfG v. 13.12.1983, BVerfG E 66,1,23). Die Antragsgegnerin, die danach kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ordnet und verwaltet als Kirchengemeinde ihre Angelegenheiten nach Art. 9 Abs. 1 Verfassung-NEK in eigener Verantwortung. Der Kirchenvorstand als Vertreter der Kirchengemeinde (Art. 14 Abs. 4 S. 1 Verfassung-NEK) beschließt den Haushalt der Gemeinde (Art. 15 Abs. 1 Buchst. g Verfassung-NEK). Das Recht der kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts, Steuern zu erheben (BVerfG v. 13.12.1983, BVerfG E 66,1,24), steht nach Art. 111 Satz 1 Verfassung-NEK den Kirchenkreisen zu. Aus dem Kirchensteueraufkommen erhält die Nordelbische Kirche zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach näherer kirchengesetzlicher Regelung einen Anteil (Art. 112 Abs. 1 Verfassung-NEK). Im übrigen wird es durch Schlüsselzuweisungen auf die Kirchenkreise verteilt, wobei ein ausgewogener Finanzausgleich zu gewährleisten ist (Art. 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verfassung-NEK). Der Finanzbedarf der Kirchengemeinden und damit der Antragsgegnerin wird jedoch ausschließlich durch Zuweisungen durch den Kirchenkreis gedeckt (Art. 113 Abs. 2 S. 1 Verfassung-NEK). Will die Antragsgegnerin Darlehen aufnehmen, bedarf sie nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 35 Abs. 1 Verfassung-NEK zudem der Genehmigung des Kirchenkreisvorstandes.
Das Bundesverfassungsgericht (Entsch. v. 13.12.1983, E 66, 1) hat die Kirchen und ihre Organisationen, soweit sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, als konkursunfähig anerkannt und sie damit von der Pflicht zur Zahlung der Umlage für das Konkursausfallgeld ausgenommen (vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., Rz. 2 c zu § 213). In seiner Begründung verweist das Gericht u.a. auf das Recht der Kirche, Steuern zu erheben, wodurch ein finanzieller Status gesichert sei, der ihnen in ausreichendem Umfang die Mittel zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen belasse; sie verfügten nicht nur über die laufenden Einkünfte aus den Steuereinnahmen; sie hätten außerdem als Rückhalt die Möglichkeit des Finanzausgleichs innerhalb der gesamten Kirchenorganisation. Das Bundesverfassungsgericht (E 66,1,24) fährt sodann wörtlich fort:
" Ihr Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts setzt voraus, daß sie nach ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben, von ihrem Mitgliederbestand und ihren Vermögensverhältnissen her in der Lage sind, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen."
Ist aber die Antragsgegnerin von den Zuweisungen durch den Kirchenkreis abhängig und berücksichtigt man ferner die Möglichkeit des Finanzausgleichs innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und beruht der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts u.a. auf der Annahme, daß die Kirche ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachkommen wird, ist die Überschuldung der einzelnen Kirchengemeinde für sich allein kein ausreichender Grund, um sich auf Sozialplanverhandlungen von vornherein gar nicht erst einzulassen und damit das Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. f MVG.EKD zu unterlaufen. Die Kirchenverfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche sieht zudem die Möglichkeit eines Nachtragshaushaltsplans vor (§ 15 Kirchengesetz über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen i.d. NEK vom 19.11.1977 - GVOBl. S. 273). Ferner bildet der Haushaltsausschuß der Kirchenkreissynode einen allgemeinen Härtefonds, aus dem Mittel zum Ausgleich unvorhersehbarer und nicht beeinflußbarer außerordentlicher Belastungen gewährt werden (vgl. §§ 9 Abs. 4, 16 Abs. 1 Finanzsatzung f.d. Kirchenkreis). Die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung haben ergeben, daß der Versuch, über einen Nachtragshaushalt oder zumindest über den beim Kirchenkreis gebildeten Härtefonds finanzielle Mittel für etwaige Sozialplanforderungen zu erlangen, nicht unternommen wurde. Für die Entscheidung kann es keinen Unterschied machen, ob die Schuldenlast unmittelbar auf einer Tätigkeit der Kirchengemeinde beruht oder auf die mangelnde Rentabilität des von der Gemeinde betriebenen Alten- und Pflegeheims zurückzuführen ist, das als kaufmännisch gebuchter, selbstabschließender Bilanzkreis geführt wird. Die Überschuldung trifft die Kirchengemeinde, deren Liquidität unmittelbar berührt wird. Deshalb hat auch die Antragsgegnerin zwecks Aufrechterhaltung ihrer Liquidität ein Darlehen von 950.000,00 DM aufgenommen. Auch dieses Darlehen aber wird die Antragsgegnerin nicht selbst zurückführen können, so daß auch insoweit nach den Grundsätzen des Finanzausgleichs vorgegangen werden muß. Das gilt auch für die weiteren Verbindlichkeiten der Antragsgegnerin, die im Zusammenhang mit der Schließung des Hauses E insgesamt noch angefallen sind.
2.2.3. Erweist sich mithin das Argument der Schlichtungsstelle, die Antragsgegnerin sei finanziell außerstande, einen Sozialplan abzuschließen, als nicht tragfähig, so ist auch der Einwand nicht stichhaltig, die Arbeitsverhältnisse seien bereits zum 30. Juni 1995 abgewickelt worden und die Mitarbeitervertretung habe für den Abschluß eines Sozialplans kein Mandat mehr.
Die Funktionsfähigkeit der Mitarbeitervertretung bleibt auch erhalten, wenn die Einrichtung inzwischen stillgelegt worden ist. Sie kann mithin nach wie vor über einen Sozialplan verhandeln. Dieses sog. Restmandat ist für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes allgemein anerkannt (vgl. nur Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., Rz. 40 zu §§ 112, 112 a, m.w.N.). Was für den Betriebsrat gilt, muß hier entsprechend für die Mitarbeitervertretung gelten.
Die in einem Sozialplan vorgesehenen Leistungen sind ein Ausgleich dafür, daß der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin infolge einer hinzunehmenden Betriebsänderung den Arbeitsplatz einbüßt und im Laufe des Arbeitsverhältnisses erworbene Vorteile verliert. Außerdem hat er Überbrückungs- und Vorsorgefunktion für die Zeit nach Durchführung der nachteiligen Betriebsänderung (vgl. Weller, in: ArbR-Blattei, SD 1470.1 Sozialplan I A 2 und 3). Wenn Sozialpläne auch gewöhnlich Geldleistungen (Abfindungszahlungen) beinhalten, so hat die Antragstellerin doch zutreffend darauf hingewiesen, daß das Mitbestimmungsrecht (nach § 40 Buchst. f MVG.EKD) Pläne für Umschulung zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen und für die Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen einschließt, sich also nicht notwendig in Abfindungszahlungen erschöpft, ja nicht einmal zwingend und notwendig zu Geldzahlungen führen muß. Weil bei der Aufstellung eines Sozialplans der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist (vgl. Weller, a.a.O., Rz. 94, m.w.N.), hat der Sozialplan auch die Funktion eines gerechten Ausgleichs unter den von der Betriebsstillegung Betroffenen. Diese Zwecke des Sozialplans sind aber nicht schon deshalb entfallen, weil das Haus E bereits am 30. Juni 1995 geschlossen worden ist. Soweit noch Abfindungen gezahlt worden sein sollten, was in einem Fall eines Prozeßvergleichs zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses unstreitig ist, würde mittels eines Sozialplans zumindest im nachhinein noch ein gerechter Ausgleich unter den insgesamt von der Schließung des Heims betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erzielt werden können.
Insgesamt ergibt sich daher, daß die Weigerung der Antragsgegnerin, sich auf Sozialplanverhandlungen einzulassen und einen Sozialplan aufzustellen, rechtswidrig ist.