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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.04.1995
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/1-95
Rechtsgrundlage:
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: Schl A VIII/94; Fundstellen: Die Mitarbeitervertretung 1/96 S. 40; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1997 S. 34
Schlagworte:Mitgliedschaft in einer Kreissynode und Wählbarkeit zur MAV
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Leitsatz:

Für die Frage der Inkompatibilität von Mandanten ist letztlich entscheidend, ob die Funktionen sachlich miteinander vereinbar sind oder nicht. Zwischen dem Mandat als Mitglied der Mitarbeitervertretung und der Mitgliedschaft in einer Kreissynode ergibt sich die Unvereinbarkeit nicht.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluß des Schlichtungsausschusses nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz in der Ev. Kirche von Westfalen vom 21. Juni 1994 - Schl A VIII/94 - teilweise, auf die Beschwerde der Frau B wird der bezeichnete Beschluß in vollem Umfang aufgehoben.
Der Antrag der Mitarbeitervertretung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin zu 2) in der Kreissynode des Kirchenkreises C mit ihrem durch die Wahl zur Mitarbeitervertretung A erworbenen Mandat vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist sodann auch die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung mit der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Kuratorium in Frage gestellt worden.
Beschwerdeführerin zu 1) ist die Mitarbeitervertretung A. Die Beschwerdeführerin zu 2), Diakonin und Krankenhausseelsorgerin (ohne Status als Pastorin) und als solche Mitarbeiterin des Kirchenkreises C, ist Mitglied dieser Mitarbeitervertretung. Die Wahl fand vom 7. bis zum 9. März 1994 statt.
Beschwerdegegnerin ist die Dienststellenleitung A. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluß von drei Ev. Krankenhäusern. Träger ist laut Satzung der Kirchenkreis C. In der Satzung vom 11. Juni 1986 heißt es u.a.:
§ 1
Zweck
(1) . . .
(2) . . .
(3) Die Dienststelle verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.
Der Satzungszweck wird verwirklicht durch den Betrieb von drei Evangelischen Krankenhäusern, einer Zentralen Krankenpflegeschule und einer Kindertagesstätte. Die Dienststelle ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
§ 2
Verbandszugehörigkeit
( . . . )
§ 3
Organe der Dienststelle
Die Organe der Dienststelle sind:
1. Die Kreissynode
2. Der Kreissynodalvorstand
3. Das Kuratorium
4. Die Geschäftsführung
§ 4
Aufgaben der Kreissynode
(1) Die Kreissynode beschließt über die Errichtung und Schließung von Krankenhäusern.
Zu diesen Beschlüssen ist die Zustimmung des Landeskirchenamtes erforderlich.
(2) Die Kreissynode nimmt den Jahresbericht des Kreissynodalvorstandes entgegen.
Sie erteilt dem Kreissynodalvorstand Entlastung aufgrund des Ergebnisses der Wirtschaftsprüfung und des Berichtes des Kreissynodalrechnungsausschusses.
(3) Die Kreissynode beschließt über Satzungsänderungen.
§ 5
Aufgaben des Kreissynodalvorstandes
( . . . )
§ 6
Das Kuratorium
(1) Das Kuratorium besteht aus 15 stimmberechtigten Mitgliedern:
a) 3 Mitgliedern, die vom Kreissynodalvorstand benannt werden; hiervon soll 1 Mitglied dem Kreissynodalvorstand angehören;
b) 6 Mitgliedern, und zwar je 2 Vertretern der 3 Gesamtverbände, von denen je 1 Mitglied Nichttheologe sein muß;
c) 3 Mitgliedern der politischen Gemeinden;
d) 3 Mitgliedern der Mitarbeitervertretungen, und zwar je 1 Mitglied aus jedem Haus.
(2) Die Mitglieder des Kuratoriums werden vom Kreissynodalvorstand für 4 Jahre berufen. Der Berufungszeitraum soll mit dem für die Presbyterwahlen gültigen übereinstimmen.
(3) Die Mitglieder zu (1) b) und c) werden in Übereinstimmung mit dem Kreissynodalvorstand benannt.
(4) Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende werden vom Kreissynodalvorstand bestellt.
(5) 1. Die Geschäftsführer und die Leitenden Ärzte der Krankenhäuser, letztere als Vertreter der Hausvorstände, nehmen an den Sitzungen des Kuratoriums teil.
2. Zu den Sitzungen kann der Vorsitzende zu einzelnen Punkten der Tagesordnung weitere Sachverständige zuziehen.
§ 7
Aufgaben des Kuratoriums
(1) Das Kuratorium hat dafür zu sorgen, daß der gesamte Dienst in den Krankenhäusern dem diakonischen Auftrag entsprechend in rechter Weise getan wird und die Verwaltung und Wirtschaftsführung im Rahmen des genehmigten Wirtschafts- und Stellenplanes ordnungsgemäß erfolgt.
(2) Dem Kuratorium sind die in die Zuständigkeit der Kreissynode und des Kreissynodalvorstandes fallenden Angelegenheiten von den Geschäftsführern zur Stellungnahme vorzulegen.
(3) Der Vorsitzende des Kuratoriums hat dem Kreissynodalvorstand halbjährlich über die Ergebnisse der Arbeit zu berichten.
Die Mitarbeitervertretung beschloß am 24. März 1994, Frau B gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. d) der Satzung als Mitglied der Mitarbeitervertretung aus einem Ev. Krankenhaus in das Kuratorium zu entsenden. Dementsprechend wurde Frau B vom Kreissynodalvorstand nach Absatz 2 Satz 1 dieser Satzungsnorm für vier Jahre berufen.
Frau B ist außerdem Mitglied der Kreissynode des Kirchenkreises C. Ihre Entsendung durch den Kreissynodalvorstand als Vertreterin der Berufsgruppe der KrankenhausseelsorgerInnen erfolgte etwa 1990/91 nach Art. 91 Abs. 2 Buchst. d) der Kirchenordnung, ihre erneute Berufung im Zusammenhang der Neubildung der Kreissynode im Jahre 1992. Der Wahlvorstand zur Durchführung der Wahl zur Mitarbeitervertretung vom März 1994 wußte nicht, daß Frau B Mitglied der Kreissynode ist. Das wurde erst Ende März /Anfang April 1994 nach Ablauf der Frist für die Wahlanfechtung bekannt. Gegen eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der Kreissynode einerseits und in der Mitarbeitervertretung andererseits entstanden daraufhin erhebliche Bedenken.
Am 10. Mai 1994 wandte sich die Beschwerdeführerin zu 1) deshalb mit folgenden Fragen an den Schlichtungsausschuß in der Ev. Kirche von Westfalen:
Kann Frau B ordentlich gewähltes Mitglied der MAV bleiben, obwohl innerhalb des Gremiums wegen ihrer Mitgliedschaft in der Kreissynode Bedenken bezüglich ihrer Wählbarkeit in die MAV bestehen?
Kann im Fall der Nichtwählbarkeit zur MAV diese durch Niederlegung des Mandats in der Kreissynode wiederhergestellt werden und sie somit Mitglied im Gremium bleiben?
Auch Frau B wandte sich mit der Frage an die Schlichtungsstelle, ob sie als berufenes Mitglied der Kreissynode gleichzeitig Mitglied der Beschwerdeführerin zu 1) sein könne.
Der Schlichtungsausschuß hat am 21. Juni 1994 im schriftlichen Verfahren festgestellt:
Infolge der Mitgliedschaft von Frau B in der Kreissynode des Kirchenkreises C als Krankenhausseelsorgerin in der Dienststelle A erlischt nach § 18 Abs. 1 e) i.V.m. §§ 9 Abs. 3, 10 Abs. 1 MVG ihre durch Wahl im März 1994 erworbene Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung.
Die vorgenannte Mitgliedschaft von Frau B in der Mitarbeitervertretung erlischt nach § 18 Abs. 1 e) i.V.m. § 10 Abs. 2 c) MVG auch durch ihre Mitgliedschaft im Kuratorium.
Die Mitarbeitervertretung (Beschwerdeführerin zu 1)) wendet sich mit ihrer am 28. Juli 1994 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde gegen die Feststellung im zweiten Teil des Beschlusses vom 21. Juni 1994. Sie hält die Rechtsauffassung des Schlichtungsausschusses, das Kuratorium sei ein Leitungsorgan, für rechtsirrig. Dem Kuratorium seien laut Satzung lediglich Kontrollfunktionen zugewiesen worden. Der angefochtene Beschluß sei daher insoweit aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin zu 2) wendet sich mit Schreiben vom 31. Juli 1994 gegen den ihr am 4. Juli 1994 zugestellten Beschluß vom 21. Juni 1994. Sie vermag keine Interessenkollision zwischen ihrer Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung und in der Kreissynode zu sehen. Die Frage, ob sie als Mitglied der MAV zugleich als stimmberechtigtes Mitglied dem Kuratorium angehören könne, sei weder von ihr noch von der Mitarbeitervertretung zur Entscheidung unterbreitet worden. Die Beschwerdeführerin zu 2) bittet um Klärung "dieses mißverständlichen Sachverhalts" und um Einstellung "dieses nicht notwendigen Verfahrens".
Die Dienststellenleitung verteidigt den Beschluß des Schlichtungsausschusses, soweit er das Erlöschen der Mitgliedschaft von Frau B in der Mitarbeitervertretung wegen Mitgliedschaft in der Kreissynode feststellt. Hinsichtlich der Feststellung bezüglich der Mitgliedschaft im Kuratorium weist sie darauf hin, daß die in der Satzung vorgeschriebene Mitgliedschaft im Kuratorium in Vertretung der Mitarbeitervertretung zumindest dann unproblematisch sei, wenn sich die Präsenz auf eine beratende Funktion beschränken würde.
II. Die Rechtsmittel der Antragstellerinnen sind an sich statthaft (§ 63 Abs. 1 Buchst. d) MVG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt worden sind (§ 63 Abs. 3 MVG), auch im übrigen zulässig.
Das von der Mitarbeitervertretung eingelegte Rechtsmittel ist begründet, weil der Schlichtungsausschuß zugleich die Frage der Vereinbarkeit von Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung und Mitgliedschaft im Kuratorium beantwortet hat, obwohl ihm diese Frage nicht zur Entscheidung vorgelegt worden war. Das führt zur Aufhebung des zweiten Teils des Beschlusses.
Das weitergehende Rechtsmittel der Frau B ist begründet, weil die Kreissynode kein leitendes Organ i.S.v. § 9 Abs. 3 Satz 2 MVG ist, so daß die Beschwerdeführerin zu 2) nicht ihre Wahlberechtigung und mithin auch nicht ihre Wählbarkeit i.S.v. § 10 Abs. 1 MVG verloren hat.
1. Im Verwaltungsgerichtsprozeß und im Zivilprozeß gilt der unabdingbare Grundsatz, daß das Gericht eine Sachentscheidung nur im Rahmen der gestellten Anträge treffen darf. Nach § 88 VerwGO darf das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Keine der Antragstellerinnen hat jedoch die Mitgliedschaft von Frau B im Kuratorium problematisiert, so daß der Schlichtungsausschuß mit dem zweiten Teil seiner Entscheidung über das Klagebegehren hinausgegangen ist. Dieser Verstoß gegen den Dispositionsgrundsatz führt zur Aufhebung dieses Teils des angefochtenen Beschlusses.
Im übrigen ist das Kuratorium kein leitendes Organ i.S.v. § 9 Abs. 3 Satz 2 MVG. Nach § 3 Ziff. 3 der Satzung gehört das Kuratorium zwar zu den Organen der Dienststelle. Da es aber nach § 7 der Satzung lediglich überwachende und kontrollierende Aufgaben hat, übt es keine leitende Funktionen aus. Dann aber bestehen gegen die Entsendung von Mitgliedern der Mitarbeitervertretungen in das Kuratorium und deren Berufung durch den Kreissynodalvorstand nach § 6 Abs. 1 Buchst. d) Abs. 2 der Satzung keine rechtlichen Bedenken.
2. Die Mitgliedschaft von Frau B in der Kreissynode hat ebenfalls nicht den Verlust ihrer Wählbarkeit i.S.v. § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 3 MVG zur Folge. Die Kreissynode nimmt nach § 4 Abs. 2 der Satzung den Jahresbericht des Kreissynodalvorstandes entgegen und erteilt ihm Entlastung. Selbst wenn man die sicherlich seltene Beschlußfassung der Kreissynode über Errichtung und Schließung von Krankenhäusern in Betracht zieht (§ 4 Abs. 1 der Satzung) und darüber hinaus berücksichtigt, daß sie über Satzungsänderungen zu beschließen hat (§ 4 Abs. 3), hat die Kreissynode keine leitenden Funktionen, so daß sie nicht als Leitungsorgan angesehen werden kann.
Wie sich aus § 9 Abs. 3 MVG ergibt, soll die Doppelmitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung einerseits und in einem leitenden Organ andererseits verhindert werden, um den Rollenkonflikt zu vermeiden, in den eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter gerät, wenn er beiden "Betriebsparteien" angehört. In § 9 Abs. 3 Satz 2 MVG heißt es nämlich, daß nicht wahlberechtigt Mitglieder der Dienststellenleitung und die Personen nach § 4 Abs. 2 sind, es sei denn, daß sie nach Gesetz oder Satzung als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin in die leitenden Organe gewählt oder entsandt sind. Nach § 4 Abs. 2 MVG gehören aber u.a. die Personen zur Dienststellenleitung, die zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt sind, die nach dem MVG der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Als Mitglied der Kreissynode ist Frau B nicht mit Angelegenheiten befaßt, die der Mitberatung und Mitbestimmung unterliegen. Nicht einmal die Beschlußfassung über die Schließung eines Krankenhauses wäre mitbestimmungspflichtig. Mit der Aufstellung eines Sozialplans (§ 40 Buchst. f) MVG) hat die Kreissynode nichts zu tun.
Auch im Staatsrecht begegnet man dem Problem der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat. So dürfen nach Art. 94 Abs. 1 Satz 3 GG die Richter am Bundesverfassungsgericht weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören, während trotz des Gewaltenteilungsgrundsatzes der Status des Abgeordneten mit dem des Ministers vereinbar ist (vgl. v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, Band 14, 3. Aufl., Rzn. 6 ff zu Art. 137; sowie K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl., Rz. 489). Mag es vor allem historische Gründe dafür geben, daß der Bundeskanzler und jedes andere Regierungsmitglied zugleich Mitglied des Bundestags sein dürfen (vgl. E. Stein, Staatsrecht, 14. Aufl., § 19 IV 4), obwohl der Bundestag die Bundesregierung kontrollieren soll, so ist für die Frage der Inkompatibilität letztlich entscheidend, ob die Funktionen sachlich miteinander vereinbar sind oder nicht. Aus den oben dargelegten Gründen ergibt sich nicht die Unvereinbarkeit zwischen dem Mandat als Mitglied der Mitarbeitervertretung und der Mitgliedschaft in der Kreissynode. Die Unvereinbarkeit folgt insbesondere auch nicht aus dem Zweck des § 9 Abs. 3 MVG, wie er sich aus der Verweisung auf § 4 Abs. 2 MVG ergibt (vgl. auch Fey/Rehren, PraxisKommentar zum MVG.EKD, Rz. 25 zu § 10).
Danach ist die Mitgliedschaft von Frau B in der Mitarbeitervertretung nicht nach § 18 Abs. 1 Buchst. e) MVG erloschen, so daß der angefochtene Beschluß auch im übrigen aufzuheben und der diesbezügliche Antrag der Mitarbeitervertretung zurückzuweisen war.