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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.06.2012
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/R90-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 42 Buchst. a), § 40 Buchst. d)
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), Beschluss vom 12. November 2009 - 2 M 74/09
Schlagworte:Vorübergehende Erhöhung des arbeitsvertraglichen Stundenkontingents
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Leitsatz:

Die einzelvertraglich vereinbarte vorübergehende (befristete) Erhöhung der Stundenkontingente betrifft nicht den Mitbestimmungstatbestand "Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ..." (§ 40 Buchstabe d) MVG.EKD), sondern, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, wegen der bei erheblicher Erhöhung des arbeitsvertraglichen Stundenkontingents einstellungsgleichen Wirkung, den Mitbestimmungsgegenstand "Einstellung" (Bestätigung von VerwG.EKD, Beschluss vom 2. Februar 1998 - 0124/B22-97 - ZMV 1998, 133).

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 12. November 2009 - Az. 2 M 74/09 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung und die betroffenen Mitarbeiterinnen haben für die Zeit von Mai 2009 bis August 2009 die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit als Nachtwachen durch auf jeweils einen Monat befristete Zusatzverträge zum jeweiligen Arbeitsvertrag erhöht. Die Dienststellenleitung hat die antragstellende Mitarbeitervertretung über die Erhöhung der Arbeitszeiten schriftlich unterrichtet, sie aber nicht dazu angehört. Zudem ist die Mitarbeitervertretung in dienststellenüblicher Art und Weise zur "Mehrarbeit" angehört worden.
Die Mitarbeitervertretung hat geltend gemacht, sie hätte wegen der Erhöhung der Stundenkontingente nach § 40 Buchstabe d) MVG.EKD (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ...) angehört werden müssen. Sie hat deshalb die Schlichtungsstelle angerufen, ohne zuvor eine Einigung mit der Dienststelle über diesen Mitbestimmungsgesichtspunkt versucht zu haben.
Sie hat beantragt,
1. der Dienststellenleitung aufzugeben, es zu unterlassen, eine Verlängerung der betriebsüblichen/arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit betreffend der in Nachtschicht beschäftigten Mitarbeiterinnen (sog. Nachtwachen) anzuordnen, zu vereinbaren, zu dulden oder entgegenzunehmen, solange die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung hierzu nicht erteilt hat oder die Zustimmung durch die Schlichtungsstelle/den Kirchengerichtshof rechtskräftig ersetzt worden ist, es sei denn, es liegen Notstandsfälle im Sinne der Rechtsprechung vor,
2. festzustellen, dass eine Vereinbarung der betriebsüblichen/arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit betreffend der in Nachtschicht beschäftigten Mitarbeiterinnen (sog. Nachtwachen) durch Anordnung, Duldung, Entgegennahme seitens der Dienststellenleitung oder durch Vereinbarung der Dienststellenleitung und diesen Mitarbeiterinnen der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegen, es sei denn, es liegen Notstandsfälle im Sinne der Rechtsprechung vor.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die einzelvertragliche Erhöhung der Stundenkontingente sei wegen erhöhter Ausfallzeiten infolge Urlaubs und Erkrankung erforderlich gewesen. Zur darüber hinausgehenden Mehrarbeit sei die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die Schlichtungsstelle hat die Anträge zurückgewiesen. Einschlägig sei § 42 Buchstabe a) MVG.EKD (Mitbestimmung bei der Einstellung). Die Anträge seien aber nicht auf mitbestimmungsrechtlich erhebliche Fälle der einer Einstellung gleichstehenden Erhöhung der Stundenkontingente beschränkt worden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde. Sie meint, die Beschwerde sei wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses anzunehmen. Sie habe ihr Begehren nicht auf § 42 Buchstabe a) MVG.EKD, sondern auf § 40 Buchstabe d) MVG.EKD gestützt. Dies habe die Schlichtungsstelle verkannt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EG MVG-Lippe (Ges. u. VOBl. 1997 Bd. 11 S. 257, 2004 Bd. 13 S. 269, 2005 Bd. 13 S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD sind nicht gegeben.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 28. November 2011 - I-0124/T40-11 - www.kirchenrecht-ekd.de). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Solche Zweifel liegen hier nicht vor. Nach dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung im Beschwerderechtszug ist nicht zu erwarten, dass die Entscheidung im Ergebnis anders ausfallen würde, als die Vorinstanz entschieden hat.
Der rechtliche Ansatz der Schlichtungsstelle trifft entgegen der Ansicht der Beschwerde im Hinblick auf den mitgeteilten Sachverhalt zu. Das Begehren der Mitarbeitervertretung ist im ersten Rechtszug allein auf die einzelvertraglich vereinbarte vorübergehende (befristete) Erhöhung der Stundenkontingente der Nachtwachen gestützt worden. Die einzelvertraglich vereinbarte vorübergehende (befristete) Erhöhung der Stundenkontingente betrifft nicht den Mitbestimmungstatbestand "Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ..." (§ 40 Buchstabe d) MVG.EKD), sondern, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, wegen der bei erheblicher Erhöhung des arbeitsvertraglichen Stundenkontingents einstellungsgleichen Wirkung, den Mitbestimmungsgegenstand "Einstellung" (§ 42 Buchstabe a) MVG.EKD, vgl. VerwG.EKD, Beschluss vom 2. Februar 1998 - 0124/B22-97 - ZMV 1998, 133). Daran führen auch die wortreichen rechtlichen Ausführungen in der Beschwerde nicht vorbei.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).