.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.03.2012
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/S60-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), Beschluss vom 22. Juli 2010 - 2 M 39/10
Schlagworte:Kostentragung für rechtsanwaltliche Verfahrensvertretung
#

Leitsatz:

1. Die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung als Verfahrensbevollmächtigter herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle nur zu tragen, wenn und soweit diese Heranziehung erforderlich war.
2. Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass bei objektiver Betrachtung entweder der Sachverhalt und/oder die Rechtsfrage(n) als schwierig anzusehen sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Mitarbeitervertretung bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Begebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Verfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten konnte.
3. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat die Mitarbeitervertretung nicht allein anhand ihrer subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Sie ist vielmehr gehalten, die Interessen der Dienstgemeinschaft an einer sachgerechten Ausübung des kirchlichen Amtes eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung einerseits und die berechtigten Interessen der Dienststelle andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat sie auch die Kostenbelange der Dienststelle zu berücksichtigen (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/N65-07 - www.kirchenrecht-ekd.de).
4. § 33 Abs. 3 MVG.EKD gebietet einen vorherigen vergeblichen Versuch der Einigung durch ein Gespräch.
a) Ohne vergebliche Durchführung eines Versuchs der internen Einigung durch ein Gespräch und ohne förmliche schriftliche Feststellung, dass die Einigung gescheitert sei, darf eine externe Stelle nicht angerufen werden. Zu solchen externen Stellen zählt auch die Kirchengerichtsbarkeit.
b) Ohne die Einhaltung dieser Verfahrensregelungen ist eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes zwecks Einleitung und Betreibens eines kirchengerichtlichen Beschlussverfahrens in eben derselben Angelegenheit regelmäßig nicht erforderlich.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 22. Juli 2010 - Az. 2 M 39/10 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Mitarbeitervertretung beantragt festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet sei, die Kosten für die rechtsanwaltliche Vertretung der Mitarbeitervertretung im Verfahren vor der Schlichtungsstelle unter dem Aktenzeichen 2 M 39/10 zu tragen.
In jenem, von der Mitarbeitervertretung durch ihre Verfahrensbevollmächtigte angestrengten Verfahren, ging es um die Feststellung, dass die Verlagerung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten (Kaffee-, Teekochen) auf die in der Pflege eines Wohnbereichs nach § 40 Buchstabe i) MVG.EKD mitbestimmungspflichtig sei. Dem Hauptsacheantrag hat die Schlichtungsstelle stattgegeben. Den Antrag auf Kostentragung hat sie mit der Begründung zurückgewiesen, dass rechtanwaltlicher Beistand nicht erforderlich gewesen sei, weil es sich um einen unkomplizierten und rechtlich einfachen Sachverhalt gehandelt habe (Beschluss des Vorsitzenden vom 22. Juli 2010).
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde. Sie meint nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 9. November 2010, dass für die Mitarbeitervertretung eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich gewesen sei.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EG MVG-Lippe (Ges. u. VOBl. 1997 Bd. 11 S. 257, 2004 Bd. 13 S. 269, 2005 Bd. 13 S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD sind nicht gegeben.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 23. Februar 2012 - II-0124/T20-11 - www.kirchenrecht-ekd.de). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Solche Zweifel liegen hier nicht vor. Nach dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung im Beschwerderechtszug ist nicht zu erwarten, dass die Entscheidung im Ergebnis anders ausfallen würde, als die Vorinstanz entschieden hat.
aa) Die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung als Verfahrensbevollmächtigter herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle nur zu tragen, wenn und soweit diese Heranziehung erforderlich war (st. Rechtsprechung seit VerwG.EKD, Beschluss vom 11. Juli 1997 - 0124/A16-96 - NZA 1997, 1303; KGH.EKD, Beschluss vom 28. November 2011 - I-0124/T18-11- www.kirchenrecht-ekd.de). Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass bei objektiver Betrachtung entweder der Sachverhalt und/oder die Rechtsfrage(n) als schwierig anzusehen sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Mitarbeitervertretung bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Begebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Verfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten konnte. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat die Mitarbeitervertretung nicht allein anhand ihrer subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Sie ist vielmehr gehalten, die Interessen der Dienstgemeinschaft an einer sachgerechten Ausübung des kirchlichen Amtes eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung einerseits und die berechtigten Interessen der Dienststelle andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat sie auch die Kostenbelange der Dienststelle zu berücksichtigen (KGH.EKD, Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/N65-07 - www.kirchenrecht-ekd.de).
bb) Hieran gemessen durfte die Mitarbeitervertretung nicht davon ausgehen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zwecks Einleitung des Hauptsacheverfahrens i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als erforderlich anzusehen war. Der Sachverhalt ist ebenso einfach, wie die Rechtslage.
An der einfachen Tatsachenlage ändert die Antwort der Dienststellenleitung vom 31. März 2010 nichts. Zumindest hätte es nahe gelegen, wenn die Mitarbeitervertretung auf diese unbefriedigende Antwort nochmals erwidert und ihre Auffassung über die Mitbestimmungs-pflichtigkeit verdeutlicht hätte, bevor sie die Schlichtungsstelle anruft.
Einen vorherigen vergeblichen Versuch der Einigung durch ein Gespräch gebietet zudem § 33 Abs. 3 MVG.EKD. Ohne vergebliche Durchführung eines Versuchs der internen Einigung durch ein Gespräch und ohne förmliche schriftliche Feststellung, dass die Einigung gescheitert sei, darf eine externe Stelle nicht angerufen werden. Zu solchen externen Stellen zählt auch die Kirchengerichtsbarkeit. Ohne die Einhaltung dieser Verfahrensregelungen ist eine Beauftragung eines Rechtsanwaltes zwecks Einleitung und Betreibens eines kirchengerichtlichen Beschlussverfahrens in eben derselben Angelegenheit regelmäßig nicht erforderlich, auch oder gar erst recht dann nicht, wenn - gerichtsbekannt - aus der Einrichtung äußerst viele mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten vor die Kirchengerichtsbarkeit gebracht werden.
Auch die Rechtslage ist einfach. Es ist mehr als nur naheliegend, bei der in Rede stehenden organisatorischen Maßnahme der Dienststellenleitung an § 40 Buchstabe i) MVG.EKD zu denken. Die Mitarbeitervertretung hat hieran auch gedacht, wie ihr Schreiben an die Dienststellenleitung vom 25. März 2010 zeigt.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).