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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.03.2012
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/S61-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), Beschluss vom 22. Juli 2010 - 2 M 38/10
Schlagworte:Kostentragung für rechtsanwaltliche Verfahrensvertretung
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Leitsatz:

Die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung kann nicht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD gestützt werden, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache erstmals in der Beschwerdebegründungsschrift vorgetragen und nicht bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist klargestellt wird, dass diese neu vorgetragene Tatsache unstreitig ist. Denn dann könnte diese notwendige Klärung erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgenommen werden. Das aber setzt die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung voraus.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 22. Juli 2010 - Az. 2 M 38/10 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Mitarbeitervertretung beantragt festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet sei, die Kosten für die rechtsanwaltliche Vertretung der Mitarbeitervertretung im Verfahren vor der Schlichtungsstelle unter dem Aktenzeichen 2 M 38/10 zu tragen.
In jenem, von der Mitarbeitervertretung durch ihre Verfahrensbevollmächtigte angestrengten Verfahren, ging es um die Feststellung, dass die Dienststellenleitung verpflichtet sei, der Mitarbeitervertretung eine Leseberechtigung für die in einem EDV-Programm hinterlegten Arbeitszeitkonten und Dienstpläne einzuräumen.
Dem Hauptsacheantrag hat die Schlichtungsstelle stattgegeben. Den Antrag auf Kostentragung hat sie mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Mitarbeitervertretung deren Übernahme nicht zuvor bei der Dienststellenleitung beantragt gehabt habe (Beschluss des Vorsitzenden vom 22. Juli 2010).
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde. Sie trägt nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 9. November 2010 nebst Anlage vor, dass sie unter dem 14. April 2010 einen entsprechenden Antrag für die Mitarbeitervertretung bei der Dienststellenleitung gestellt habe. Sie habe den Kostenübernahmeantrag versehentlich nicht mit überreicht. Eine rechtsanwaltliche Vertretung sei erforderlich gewesen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EG MVG-Lippe (Ges. u. VOBl. 1997 Bd. 11 S. 257, 2004 Bd. 13 S. 269, 2005 Bd. 13 S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD sind nicht gegeben.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 23. Februar 2011 - II-0124/T20-11 - www.kirchenrecht-ekd.de). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Solche Zweifel liegen hier nicht vor. Nach dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung im Beschwerderechtszug ist nicht zu erwarten, dass die Entscheidung im Ergebnis anders ausfallen würde, als die Vorinstanz entschieden hat.
aa) Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kostenübernahme daran scheitere, dass die Mitarbeitervertretung vor der Beauftragung keinen Antrag auf Kostenübernahme bei der Dienststellenleitung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 gestellt habe. Diese Würdigung der Vorinstanz trifft zu. Aus dem gesamten Vorbringen der Antragstellerin im ersten Rechtszug ergibt sich auch nicht andeutungsweise, dass sie bei der Dienststellenleitung einen solchen Antrag gestellt oder auch nur einen entsprechenden Beschluss gefasst habe.
Erstmals in der Beschwerdebegründung trägt die Mitarbeitervertretung unter Vorlage einer Ablichtung vor, unter dem 14. April 2010 einen solchen Antrag gestellt zu haben; sie habe den Kostenübernahmeantrag versehentlich nicht mit überreicht. Die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung kann nicht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD gestützt werden, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache - Beantragung der Kostenübernahme nach § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD - erstmals in der Beschwerdebegründungsschrift vorgetragen und nicht bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist klargestellt wird, dass diese neu vorgetragene Tatsache unstreitig ist. Denn dann könnte diese notwendige Klärung erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgenommen werden. Das aber setzt die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung voraus.
bb) Doch selbst wenn der Senat zu Gunsten der Mitarbeitervertretung unterstellt, sie habe einen solchen Antrag gestellt, ist die Beschwerde nicht nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen für die Pflicht der Dienststelle, die Kosten der Heranziehung der verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin zu tragen, liegen nicht vor.
(1) Die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung als Verfahrensbevollmächtigter herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle nur zu tragen, wenn und soweit diese Heranziehung erforderlich war (st. Rechtsprechung seit VerwG.EKD, Beschluss vom 11. Juli 1997 - 0124/A16-96 - NZA 1997, 1303; KGH.EKD, Beschluss vom 28. November 2011 - I-0124/T18-11- www.kirchenrecht-ekd). Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass bei objektiver Betrachtung entweder der Sachverhalt und/oder die Rechtsfrage(n) als schwierig anzusehen sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Mitarbeitervertretung bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Begebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Verfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten konnte. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat die Mitarbeitervertretung nicht allein anhand ihrer subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Sie ist vielmehr gehalten, die Interessen der Dienstgemeinschaft an einer sachgerechten Ausübung des kirchlichen Amtes eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung einerseits und die berechtigten Interessen der Dienststelle andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat sie auch die Kostenbelange der Dienststelle zu berücksichtigen (KGH.EKD, Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/N65-07 - www.kirchenrecht-ekd.de).
(2) Hieran gemessen durfte die Mitarbeitervertretung nicht davon ausgehen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zwecks Einleitung des Hauptsacheverfahrens i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als erforderlich anzusehen war. Der Sachverhalt, wie auch die Rechtslage, sind - auch aus dem Blickwinkel einer Mitarbeitervertretung - als unkompliziert und einfach einzuordnen. Daran ändert auch die Einlassung der Dienststellenleitung vom 18. März 2010 nichts. Auch die Antragsschrift weist keinerlei Anzeichen für die von der Mitarbeitervertretung allein nicht zu bewältigende Tatsachenlage oder Rechtslage auf. Wie dem Senat aus der Vielzahl der Verfahren bekannt ist, hat die antragstellende Mitarbeitervertretung eine große Streiterfahrung.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).