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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.05.2013
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/U37-12
Rechtsgrundlage:§ 36 MVG.EKD; §§ 23, 33 RVG
Vorinstanzen:Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz Beschluss vom 10. Oktober 2012
Schlagworte:Streitwertbeschwerde
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Leitsatz:

Bei Verhandlungen um eine Dienstvereinbarung zur Notlagenregelung vor dem Kirchenge-richt handelt es sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit, für die der Wert des Ge-genstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertre-tung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen ist.

Tenor:

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung gegen den den Verfahrenswert festsetzenden Beschluss des Kirchengerichts der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 10. Oktober 2012, Az. 26/0-6/4-789, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Im Ausgangsverfahren haben die Beteiligten erstinstanzlich über den Inhalt einer Dienstvereinbarung zur wirtschaftlichen Notlage verhandelt. Im Protokoll der Sitzung des Kir-chengerichts vom 10. Oktober 2012 ist vermerkt, dass Einigkeit darüber besteht, dass der dort anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Mitarbeitervertretung die anwaltlichen Ge-bühren auf Basis des noch festzusetzenden Gegenstandswertes abrechnen kann. Am Schluss der Sitzung ist - ausweislich des Sitzungsprotokolls "nach Anhörung der Beteiligten" - der Beschluss verkündet worden, dass der Gegenstandswert auf € 100.000 festgesetzt wird.
Gegen diesen Beschluss, dessen Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbei-tervertretung nicht feststellbar ist, haben diese mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012, beim Kirchengericht eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Durch Beschluss vom 12. Dezember 2012 hat das Kirchengericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Kirchengerichtshof der EKD zur Entscheidung vorgelegt.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung tragen vor, dass ein Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes überhaupt nicht gestellt worden sei, so dass der ange-griffene Beschluss nicht hätte ergehen dürfen. Im Übrigen betrage der Wert nicht € 100.000, sondern ca. € 300.000. Dieser Betrag entspreche ca. 80 % der Jahressonderzuwendung der betroffenen Beschäftigten.
Die Dienststellenleitung hält den Beschluss für zutreffend. Die gegen ihn erhobene Be-schwerde sei unzulässig, weil vor ihrer Einlegung ein Beschluss der Mitarbeitervertretung nicht gefasst worden sei und sich die Beschwerde gegen die Dienststellenleitung richte, die nicht verpflichtet sei, das Anwaltshonorar der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung zu zahlen. Der im Termin zur Anhörung der Beteiligten am 10. Oktober 2012 anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Dienststellenleitung habe damals ausdrücklich um eine Festsetzung des Gegenstandswertes gebeten, weil sich bereits abgezeichnet hätte, dass es wegen des anwaltlichen Honorars der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung Schwierigkeiten geben würde.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Über sie ist nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 87, § 78 Abs. 3 ArbGG, § 567 ff. ZPO durch den Senatsvorsitzenden zu befin-den. Die Beschwerde ist statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt im Sinne des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG € 200. Unter dem Wert des Beschwerdegegenstandes ist bei der Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nicht die Diffe-renz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gegenstandswert zu verstehen, son-dern die Differenz der Kosten, um die sich der Beschwerdeführer verbessern würde. Be-schwerdegegenstand des Rechtsanwaltes ist deshalb der Unterschied der Gebühren, be-rechnet nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten Wert, jeweils mit Umsatzsteuer. Eine Anwaltsgebühr bei dem vom Kirchengericht festgesetzten Wert (bis € 110.000) beträgt € 1.354. Bereits eine Anwaltsgebühr von € 2.288, die sich bei dem von den Beschwerdeführern für richtig gehaltenen Wert (bis € 330.000) ergibt, ist um € 934 höher. Selbst bei nur 0,3 Gebühren ist der erforderliche Wert der Beschwer mit € 280,20 (ohne MwSt.) schon erreicht.
Diese Beschwer ist anzunehmen, obwohl die Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeiterver-tretung bei Stellung des Antrages auf Festsetzung des Gegenstandswertes keinen bestimmten Gegenstandswert oder Mindestwert angegeben haben, sondern die Stellung eines solchen Antrags gerade bestritten haben. Maßgeblich für die Ermittlung des Wertes der Beschwer ist nicht der ursprüngliche Antrag, sondern die Beschwerde (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, § 32 Rn. 89). In der Beschwerdeschrift haben die Beschwerdeführer ausgeführt, dass sie den Gegenstandswert von € 300.000 für zutreffend halten und anstreben.
Die Beschwer ist gegeben, weil mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass von der Dienst-stellenleitung ein Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung gestellt worden ist. Dieses ergibt sich aus der Niederschrift der Sitzung des Kirchengerichts vom 10. Oktober 2012. Neben dem Umstand, dass schon zu Beginn der Sitzung festgehalten wird, dass sich die Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung nach dem noch festzusetzenden Gegenstandswert richten sollen, spricht hierfür, dass die Festsetzung ausdrücklich "nach An-hörung" der Beteiligten erfolgt sein soll. Bei diesem Geschehensablauf ist davon auszugehen, dass eine Seite eine entsprechende Festsetzung beantragt hat, wie dieses von den Ver-fahrensbevollmächtigten der Dienststellenleitung auch vorgetragen wird. Ob dieses aus-drücklich unter Benutzung des Begriffes "Antrag" oder als Bitte oder Anregung geschah, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass es eine auf Festsetzung des Gegenstandswertes gerichtete Äußerung der Verfahrensbevollmächtigten der Dienststel-lenleitung gab. Ohne eine solche als Antrag zu verstehende Äußerung wäre außerdem zu erwarten gewesen, dass der anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Mitarbeitervertretung sich gegen die erfolgte Festsetzung gewandt hätte. Es kann demgemäß dahingestellt bleiben, ob eine Beschwer auch dann vorläge, wenn ein solcher Antrag der Dienstgeberin nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststünde.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass sie gegen die Dienststellenleitung und nicht gegen die Dienststelle gerichtet ist. Im System des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD (MVG.EKD) nimmt die Dienststellenleitung die Stellung der Dienstgeberin ein. Dieses ergibt sich insbesondere aus § 36 MVG.EKD. Mit dieser Funktion ist die Dienst-stellenleitung die richtige Beteiligte in Streitigkeiten nach dem MVG.EKD.
Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es ohne Bedeutung, ob die Mitarbeitervertretung die Einlegung einer solchen Beschwerde beschlossen hat. Die Beschwerde ist nicht von der Mit-arbeitervertretung, sondern aus eigenem Recht von ihren Verfahrensbevollmächtigten einge-legt worden, die nach § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 RVG hierzu berechtigt sind. Nur bei diesen kommt es durch den Beschluss zu einer Beschwer, nicht aber bei der Mitarbeiterver-tretung. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass es sich um eine Beschwerde der Mitarbeitervertretung handeln sollte.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Der Gegenstandswert beträgt nicht mehr als € 100.000.
Die Wertfestsetzung richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, weil es keine Regelungen im Sinne des § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG gibt, die für den Gegenstandswert be-stimmend sind. Es handelt sich bei der erstinstanzlich behandelten Angelegenheit um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit. Die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung ist kein vermögensrechtlicher Streit, sondern die Wahrnehmung einer gesetzlich eingeräumten Teilhabemöglichkeit an den für das Arbeitsverhältnis zu treffenden Regelungen. Diese ist nicht auf die Durchsetzung finanzieller Interessen oder wirtschaftlicher Werte gerichtet, sondern soll die Belegschaft durch das von ihr gewählte Organ an den sonst von der Dienstgeberin allein zu treffenden Entscheidungen beteiligen. Selbst wenn es sich wie im vorliegenden Ausgangsfall um eine Regelung handelt, durch die Ansprüche der Be-schäftigten reduziert werden sollen, ist die Position der Mitarbeitervertretung nicht in erster Linie durch die Wahrnehmung von Vermögensinteressen gekennzeichnet. Sie muss vielmehr die Interessen der Beschäftigten am Fortbestand der Einrichtung und nach § 35 Abs. 1 MVG.EKD ihre Mitverantwortung für die Aufgaben der Dienststelle ebenfalls angemessen be-rücksichtigen. Es griffe deshalb zu kurz, die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte vor-rangig den rein wirtschaftlichen Interessen der Belegschaft zuzuordnen. Diese spielen sicher eine Rolle, aber keine solch bedeutende, dass es sich dabei um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelte.
Da es sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist der Wert auf € 4.000, nach Lage des Falles niedriger oder höher, nicht jedoch über € 500.000 anzunehmen. Vor-liegend hat das Kirchengericht das 25fache von € 4.000 angenommen. Dieses ist angemes-sen, weil es sich um eine Regelung mit besonderer Bedeutung für den Bestand der Einrich-tung und die finanzielle Ausstattung der Beschäftigten handelt. Andererseits handelte es sich um eine Regelung mit einer relativ überschaubaren Materie, bei der nicht zahlreiche unter-schiedliche Ansprüche in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen waren, so dass eine Überschreitung des Wertes von € 100.000 nicht angezeigt war.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten (§ 33 Abs. 9 RVG). Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.