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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:01.04.2016
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/12-2016
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 30 Abs. 2 Satz 1 § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG.EKD a.F. § 61 Abs. 4 Satz 2
Vorinstanzen:Az.: I-16-2015 Kirchengericht - MVG - für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - Kammer für das Diakonische Werk der Ev. Kirche in Mitteldeutschland e.V. - Beschluss vom 14. Januar 2016
Schlagworte:Kostentragung für rechtsanwaltlichen Beistand
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Leitsatz:

1. Die Dienststelle trägt nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD die im kirchengerichtlichen Verfahren entstandenen erforderlichen Kosten des Rechtsbeistands der Mitarbeitervertretung.
2. Eines vorherigen Antrags an die Dienststellenleitung vor der Beauftragung des Rechtsbeistands bedarf es nicht; die in § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG.EKD in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung normierte Antragspflicht ist durch Kirchengesetz vom 29. Oktober 2009 (ABl.EKD 2009, S. 349) gestrichen und durch den im geltenden Recht enthaltenen allgemeinen Verweis auf § 30 MVG-EKD ersetzt worden.
3. Soweit die Entscheidung des Kirchengerichtshofs der EKD vom 30. März 2012 (II-0124/S61 -10) dahingehend verstanden werden kann, dass die Antragspflicht auch nach der zum 1. Januar 2010 erfolgten Rechtsänderung des § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG-EKD (weiter) gilt, wird daran nicht festhalten.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss des Kirchengerichts - MVG - für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - Kammer für das Diakonische Werk der Ev. Kirche in Mitteldeutschland e.V. - vom 14. Januar 2016, Az. I-16-2015, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten haben über die Verletzung des Mitbestimmungsrechts der bei der Dienststelle gebildeten Mitarbeitervertretung aus § 42 Buchstabe d) MVG-EKD gestrit-ten. Vorausgegangen war, dass einer auf der Intensivstation der Dienststelle tätigen und in die Entgeltgruppe 8 AVR eingruppierten Mitarbeitenden zunächst für drei Monate eine niedriger bewertete Tätigkeit auf einer anderen Station übertragen worden war, sie so-dann für einen Monat wieder ihrem alten Arbeitsplatz und seit dem 1. Mai 2015 wieder auf einem niedriger bewerteten Arbeitsplatz eingesetzt worden war. Eine der Antragstel-lerin im April 2015 übermittelte Aufstellung der Umsetzungen sah eine befristete Umset-zung nicht vor. Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren eingeleitet und die Feststellung der Verletzung ihres Beteiligungsrechtes aus § 42 Buchstabe d) MVG-EKD begehrt. Nachdem die Dienststellenleitung erklärt hat, dass die Umsetzung lediglich bis zum 31. Juli 2005 geplant war, hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt, es ist durch Beschluss des Kirchengerichts eingestellt worden.
Das Kirchengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Dienststellenleitung verpflichtet, die Kosten der Hinzuziehung des Rechtsanwaltes der Antragstellerin zu übernehmen. Hiergegen wendet sich die Dienststellenleitung mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde. Das Kirchengericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Kirchengerichtshof der EKD zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 63 Abs. 1 S. 3 MVG-EKD, § 78 ArbGG, §§ 567 ff. ZPO ist gegen den Kostenbeschluss des Vorsitzenden Richters das Rechts-mittel der sofortigen Beschwerde gegeben (KGH.EKD, Beschluss vom 26. Februar 2014 - II-0124/W6-14, www.kirchenrecht-ekd.de).
III. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Kirchengericht hat die Dienststellenleitung zu Recht zur Übernahme der Kosten des Rechtsanwaltes der Antragstellerin verpflichtet.
1. Nach § 61 Abs. 4 Satz 1 MVG-EKD können die Beteiligten zu ihrem Beistand jeweils eine Person hinzuziehen; nach Satz 2 dieser Vorschrift findet für die Übernahme der Kosten § 30 MVG-EKD Anwendung. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD trägt die Dienststelle die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden erforderlichen Kosten, bei der die Mitarbeitervertretung gebildet ist. Die Mitarbeitervertretung hat in Bezug auf die Prüfung der Erforderlichkeit der Einschaltung eines Verfahrensbevollmächtigten einen Beurteilungsspielraum. Sie muss bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Verfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 30. März 2012, Az. II-0124/S60-10, www.kirchenrecht-ekd.de). Die Gewährung von effektivem Rechtsschutz und die Herstellung von Verhandlungs- und Verfahrensparität mit der Dienststelle ist dabei ein wesentliches Kriterium, welches die Mitarbeitervertretung im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit zu berücksichtigen hat; zudem ist das Kosteninteresse der Dienst-stelle zu berücksichtigen (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 30. März 2012, Az. II-0124/S60-10, a.a.O.).
2. Das Kirchengericht hat in der Sache zutreffend erkannt, dass nach Maßgabe dieses Beurteilungsspielraums die Beauftragung eines Rechtsbeistands erforderlich war und damit ein Kostenerstattungsanspruch aus § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG-EKD, § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD besteht. Auf die zutreffenden Ausführungen des Kirchengerichts wird Bezug genommen. Es ist nicht fernliegend, dass die mit einer Unterbrechung von nur einem Monat erneut vorgenommene Umsetzung auf einen niedriger bewerteten Arbeitsplatz das Mitbestimmungsrecht aus § 42 Buchstabe d) MVG-EKD auslösen konnte und es war naheliegend, diese Frage unter Einschaltung eines Rechtsbeistands einer Klärung zuzuführen.
3. Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht dem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Kostenübernahme vor der Beauftragung des Rechtsbeistands nicht bei der Dienstellenleitung beantragt hat. Die in § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG.EKD vom 6. November 1992 in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung normierte Antragspflicht ist durch Kirchengesetz vom 29. Oktober 2009 (ABl. EKD 2009, S. 349) gestrichen und durch den im geltenden Recht enthaltenen allgemeinen Verweis auf § 30 MVG-EKD ersetzt worden. Nach dieser Rechtsänderung trägt die Dienststelle nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD die durch die Tätigkeit der Mitarbeiter-vertretung entstehenden erforderlichen Kosten, dies beinhaltet auch die Einschaltung eines Rechtsbeistands in einem kirchengerichtlichen Verfahren, ohne das es eines vorherigen Antrags an die Dienststellenleitung bedarf. Ausdrücklich geregelt ist eine Antrags- bzw. Zustimmungspflicht nunmehr nur noch in § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD für die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu einzelnen Punkten der Tagesordnung ei-ner Sitzung der Mitarbeitervertretung (§ 25 Abs. 2 MVG-EKD) bzw. einer Mitarbeiter-versammlung (§ 31 Abs. 3 MVG-EKD); dies bezieht auch vorbereitenden Tätigkeiten eines Sachverständigen mit ein. Eine Erstreckung der Antrags- und Zustimmungspflicht des § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD auf den Fall der Beauftragung eines Rechtsbeistands für ein kirchengerichtliches Verfahren findet im Wortlaut der Norm, die ausdrücklich auf die Fälle des § 25 Abs. 2 und § 31 Abs. 3 MVG-EKD bezogen ist, keine Stütze. Soweit die Entscheidung des Kirchengerichtshofs der EKD vom 30. März 2012 (II-0124/S61-10) dahingehend verstanden werden kann, dass die Antragspflicht auch nach der zum 1. Januar 2010 erfolgten Rechtsänderung des § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG-EKD (weiter) gilt, wird daran nicht festhalten.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).