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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.07.2016
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/42-2015
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 41 Abs. 1 Buchstabe a) TV-L § 12 Abs. 1 Satz 3 Kirchliche Entgeltordnung zum TV-L Entgeltgruppe 9 Fallgruppe a) Entgeltgruppe 9 Fallgruppe b) Teil II Abschnitt 4.2
Vorinstanzen:Az.: 2015-9 D Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck Beschluss vom 6. November 2015
Schlagworte:Eingruppierung einer Schuldnerberaterin
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Leitsatz:

Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen, die als Fachberater in der Schuldnerberatung tätig sind und zu deren Klientel auch die in der Protokollnotiz zu Teil II Abschnitt 20.4 der Entgeltord-nung zum TV-L benannten Personengruppen gehören, üben eine "schwierige" Tätigkeit i.S. der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe a) der Kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L aus.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss des Kirchenge-richts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 6. November 2015 - 2015-9 D - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Mitarbeiterin. Frau D ist für die Dienststelle seit dem 1. Februar 2015 in der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks tä-tig. Sie ist nach Beendigung ihres Studiums der Sozialpädagogik mit Studienschwerpunkt Schuldnerberatung und kurzer Tätigkeit in der Stadt E als Schuldnerberaterin zur Dienststelle gewechselt.
Frau D obliegen die Aufgaben der Information, Beratung und Begleitung von Rat- und Hilfe-suchenden, die sich an die Fachberatungsstelle gewandt haben, ggf. auch von Angehörigen und sonstigen Kontaktpersonen. Dazu gehören die problemorientierte Beratung und Beglei-tung, auch vor und nach stationären Aufenthalten und/oder ambulanten Therapien, die Krisen-intervention und Vermittlung, die fallbezogene Beratung und Kommunikation mit anderen psychosozialen und/oder medizinischen Diensten, die Dokumentation, die Öffentlichkeitsar-beit und die Teilnahme an Dienstbesprechungen.
Nachdem die Mitarbeitervertretung der von der Antragstellerin begehrten Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 9 a) des Teils II der kirchlichen Ent-geltordnung zum TV-L widersprochen hat und die nachfolgende Erörterung erfolglos geblie-ben ist, hat die Antragstellerin nach Eingang der Zustimmungsverweigerung am 17. März 2015 fristgerecht das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet.
Sie vertritt die Auffassung, die übertragene Tätigkeit sei eine typische Aufgabe einer Sozialar-beiterin, so dass die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 Fallgruppe b) des Teils II der Ent-geltordnung zum TV-L Teil II zu erfolgen habe.
Die Antragstellerin hat - sinngemäß - beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zu-stimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 9 Fallgruppe b) Stufe 3 der kirchlichen Entgeltordnung zum TV-L Abschnitt 4.2 gegeben ist.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, Schuldnerberater seien in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert. Das Kirchengericht hat den Antrag zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, die der Mitarbeiterin übertragene Tätigkeit erfülle die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9 Fallgrup-pe a), weil sie schwierig sei. Mit der frist- und formgerecht eingereichten begründeten Be-schwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Kirchengericht hat zutreffend er-kannt, dass die der Mitarbeiterin übertragenen Tätigkeiten nicht nach Entgeltgruppe 9 Fall-gruppe b) der kirchlichen Entgeltordnung TV-L II Abschnitt 4.2 führt, sondern nach Entgelt-gruppe 9 Fallgruppe a) zu vergüten sind. Die beabsichtigte Maßnahme verstößt damit gegen eine Rechtsvorschrift i.S.v. § 41 Abs. 1 Buchstabe a) MVG-EKD.
1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L ist die/der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätig-keit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich ge-nommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 sind Arbeits-vorgänge Arbeitsleistungen (einschl. Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufga-benkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeits-ergebnis führen.
2. Danach ist für die Eingruppierung der Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe 9 nicht die Fall-gruppe b) sondern die Fallgruppe a) einschlägig.
a) Die übertragene Tätigkeit der Schuldnerberatung ist nicht trennbar und deshalb als Ein-heit zu begreifen. Sämtliche Arbeitsschritte dienen der Beratung und Begleitung der Schuld-ner bei ihrer Entschuldung, so dass insgesamt von einem großen Arbeitsvorgang auszugehen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
b) Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tä-tigkeit sind grundsätzlich in die Entgeltgruppe 9 Fallgruppe b) einzugruppieren, wenn sie eine ausbildungsentsprechende Tätigkeit verrichten. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 Fallgruppe a) kommt in Betracht, wenn eine "schwierige" Tätigkeit übertragen ist; Beschäftig-te erhalten dann eine monatliche Entgeltgruppenzulage gemäß Anlage 11 Abschnitt I Nr. 5 der Entgeltordnung zum TV-L. Schwierige Tätigkeiten sind in der Protokollerklärung zu Teil II Abschnitt 20.4 der Entgeltordung zum TV-L definiert und beinhalten z.B. die Beratung von Suchtmittel-Abhängigen, HIV-Infizierten oder Aidskranken, die begleitende und nachgehende Fürsorge für (ehemalige) Heimbewohner und Strafgefangene und die Koordinierung der Ar-beiten mehrerer Beschäftigter mindestens der Entgeltgruppe 9.
c) Danach kann eine "schwierige" Tätigkeit einerseits vorliegen, wenn die zu betreuende Klientel "schwierig" ist; wie das Tätigkeitsbeispiel der Koordinierung der Tätigkeit mehrerer Beschäftigter und der ausdrückliche Zusatz "z.B." zeigen, können aber auch weitere Tätigkei-ten "schwierig" i.S.d. Protokollnotiz sein. Das Klientel einer Schuldnerberatungsstelle lässt sich keiner Beispielsgruppe eindeutig zuordnen und ist nicht auf diese Gruppen beschränkt. Alle in der Protokollnotiz benannten Personengruppen sind aber auf Grund ihrer besonderen Situati-on tendenziell anfällig für zerrüttete Vermögensverhältnisse. Finanzielle Schwierigkeiten kön-nen aus einer Suchtmittelabhängigkeit resultieren, ihre Ursache in einem Heim- oder Gefäng-nisaufenthalt haben oder aber als Folge einer HIV-Infizierung nach dem Verlust des Arbeits-platzes auftreten. Die Schwierigkeit der Tätigkeit der Schuldnerberater resultiert daraus, den Umgang mit allen in der Protokollnotiz benannten Personengruppen sicher beherrschen und im konkreten Fall die besondere Situation bei der Beratung berücksichtigen zu können.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).