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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:30.01.2017
Aktenzeichen:I-0124/25-2016
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 30 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) Az.: 2 M 60/15
Schlagworte:Anwaltliche Vertretung
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Leitsatz:

Die Mitarbeitervertretung kann eine anwaltliche Unterstützung nur dann nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD für erforderlich halten, wenn es eine konkrete gerichtliche Auseinandersetzujng gibt, für die anwaltli-che Hilfe benötigt wird. Das ist nicht der Fall, wenn die anwaltliche Vertretung für die Mitarbeitervertretung die Zustimmung für eine personelle Einzelmaßnahme verweigert.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 17. März 2016, Az. 2 M 60/15, abgeändert und der Antrag der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit der Beteiligten zu 1. zu tragen.
Die Beteiligte zu 1. ist die in einer Dienststelle der Beteiligten zu 2. gebildete Mitarbeitervertre-tung, die aus drei Personen besteht. In der Dienststelle, in der etwa 50 Beschäftigte tätig sind, werden Jugendliche in Wohngruppen betreut.
Die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung ist seit fünf bis sechs Jahren deren Mitglied, die beiden weiteren Mitglieder seit vier und zwei Jahren. Die Vorsitzende und eines der Mitglieder haben bislang an den Schulungen "MVG I" und "MVG II" teilgenommen.
Die Beteiligte zu 2. beantragte mit Schreiben vom 28. Juli 2014 bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Umsetzung einer Mitarbeiterin von der Gruppenleiterin zur pädagogi-schen Mitarbeiterin sowie zur Herabgruppierung von der EG 9 zur EG 8. Am 13. August 2014 fand eine Erörterung statt. Die Erörterung wurde von der Dienststelle mit Schreiben vom 14. August 2014 für beendet erklärt.
Im Umlaufverfahren beschloss die Mitarbeitervertretung am 21. August 2014 fernmündlich, sich in der Angelegenheit anwaltlich beraten und außergerichtlich und gerichtlich vertreten zu lassen. Die Geschäftsordnung der Mitarbeitervertretung sieht die Möglichkeit eines Beschlus-ses im Umlaufverfahren vor.
Die von der Mitarbeitervertretung beauftragte Anwältin fertigte ein Schreiben zur Verweige-rung der Zustimmung zu der personellen Maßnahme, das die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 22. August 2014 an die Beteiligte zu 2. weiterleitete.
Die Beteiligte zu 2. leitete wegen der Verweigerung der Zustimmung kein Verfahren vor dem Kirchengericht ein. Stattdessen leitete die Beteiligte zu 1. ein kirchengerichtliches Verfahren mit dem Antrag ein, dass die Beteiligte zu 2. die Mitarbeiterin weder herabgruppieren noch umsetzen dürfe. Die Beteiligte zu 2. erklärte am 17. Juni 2015 vor dem Kirchengericht, dass an der personellen Maßnahme nicht festgehalten werde.
Für ihre Fertigung der Zustimmungsverweigerung verlangte die anwaltliche Vertreterin von der Beteiligten zu 2. vergeblich die Zahlung von Vergütung.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit ihrer anwaltlichen Vertreterin bei der Verweigerung der Zustimmung von der Beteiligten zu 2. zu bezahlen sei. Sie habe die Mitarbeitervertretung vorgerichtlich vertreten, um die Gründe der Zustimmungs-verweigerung umfassend aufzuzeigen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Dienststelle zu verpflichten, die Mitarbeitervertretung von den Kosten für die an-waltliche Vertretung anlässlich der außergerichtlichen Vertretung zu dem Verfahren 2 M 13/15 der Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche von West-falen in Höhe eines Betrages von € 337,06 brutto, Liquidation Nr. 291/2015, freizustel-len.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie meint, dass die außergerichtliche Vertretung der Mitarbeitervertretung allenfalls als Sach-verständige tätig gewesen sei, nicht aber als anwaltliche Vertretung. Ihre Einschaltung wäre nicht erforderlich gewesen, weil das Abfassen solcher Schreiben von der Mitarbeitervertre-tung geleistet werden müsste.
Die Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz hat dem Antrag der Mitarbei-tervertretung mit Beschluss vom 17. März 2016 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Beteiligten zu 2. am 22. April 2016 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016, beim Kirchengerichtshof eingegangen am 4. Mai 2016, Beschwerde eingelegt und die-se mit Schriftsatz vom 7. Juni 2016, beim Kirchengerichtshof eingegangen am 10. Juni 2016, begründet.
Die Beteiligte zu 2. meint, dass die Voraussetzungen für die die Beauftragung einer anwaltli-chen Vertreterin nicht gegeben gewesen seien. Weder habe es sich um die Vertretung in ei-nem Rechtsstreit gehandelt noch sei die Vertretung erforderlich gewesen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertre-tungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - Zweite Kammer - in Münster (Westf.) vom 17. März 2016, zugestellt an uns am 22. April 2016, Aktenzeichen 2 M 60/15, in der Fassung des (Berichtigungs-)Beschlusses vom 24. Mai 2016 den Antrag, die Antrags-gegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin von den Kosten für die anwaltliche Vertre-tung anlässlich der außergerichtlichen Vertretung zu dem Verfahren 2 M 13/15 der Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche von Westfalen in Höhe eines Betrages von € 337,06 brutto, (Liquidation Nr. 291/2015) freizustellen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, dass die Voraussetzungen für eine anwaltliche Vertretung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD gegeben gewesen seien. Die Zustimmungsverweigerung habe dazu gedient, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Der Beteiligten zu 2. hätte aufgezeigt werden sollen, dass die von ihr beabsichtigten Maßnahmen jedenfalls mit den gestellten Anträgen nicht in Gänze zu erreichen sein würden. Die Beteiligte zu 2. hätte die Mitarbeiterin trotz des nicht abgeschlossenen Beteiligungsverfahrens in die EG 8 herabgruppiert.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist begründet.
a) Die Beteiligte zu 2. ist nicht verpflichtet, die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit der Verfah-rensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD zu tragen.
Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durch den Betriebsrat bestehen folgende Grund-sätze:
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebs-rats entstehenden Kosten zu tragen. Der Betriebsrat hat grundsätzlich die Möglichkeit zu wäh-len, ob er seine Interessen in einem Beschlussverfahren selbst vertreten oder sich dazu einer Rechtsanwältin bedienen will. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung hat der Arbeitgeber nur dann zu übernehmen, wenn der Betriebsrat sie bei pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände für erforderlich halten konnte. Die Frage der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht allein nach seinen subjektiven Bedürfnissen zu beantworten. Vielmehr hat er die Interessen der Be-legschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtig-ten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat er auch die Kostenbelange des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist wie in den sonstigen Fällen des § 40 BetrVG auf die Prüfung beschränkt, ob die Hinzuziehung unter den konkreten Umständen der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats diente und der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksich-tigt, sondern bei seiner Entscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbeson-dere an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht, Rechnung getragen hat (BAG, Be-schluss vom 15. November 2000, 7 ABR 24/00, Rdnr. 13 bis 16).
Regelmäßig wird ein Rechtsanwalt, der vom Betriebsrat zur Beratung über eine vom Arbeitge-ber vorgeschlagene Betriebsvereinbarung hinzugezogen wird, als Sachverständiger im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG tätig. Das gilt auch dann, wenn diese Person dem Betriebsrat seine Sachkunde nicht neutral, sondern an den Interessen des Betriebsrats ausgerichtet zur Verfü-gung stellen soll. Die dabei entstehenden Kosten sind nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG erstattungsfähig. Entspricht die Heranziehung einer sachkundigen Per-son nicht den besonderen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, kann die Kostentra-gungspflicht des Arbeitgebers für den in dieser Vorschrift geregelten Sachverhalt nicht auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützt werden.
Zur Tätigkeit des Betriebsrats, dessen Kosten der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tra-gen hat, gehört auch die Einleitung und die Durchführung arbeitsgerichtlicher Beschlussverfah-ren, die geeignet sind, ein vom Betriebsrat geltend gemachtes Mitbestimmungsrecht durchzu-setzen. Dazu zählt auch die außergerichtliche Geltendmachung eines konkreten Mitbestim-mungsrechts gegenüber dem Arbeitgeber mit dem Ziel, die bereits beschlossene Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entbehrlich zu machen (BAG, Beschluss vom 15. November 2000, 7 ABR 24/00, Rdnr. 25 und 26).
Nach diesen Grundsätzen, die auch für entsprechend gestaltete Regelungen der §§ 30 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MVG-EKD gelten, durfte die Mitarbeitervertretung die Beauftragung einer Rechtsanwältin nicht nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD für erforderlich halten. Ein kirchenge-richtliches Verfahren, für das die Mitarbeitervertretung eine anwaltliche Vertretung für erforder-lich halten durfte, gab es nicht. Die Beteiligte zu 2. hatte ein solches Verfahren noch nicht ein-geleitet. Ob dieses geschehen würde oder sie sich von einer - von wem auch immer geschrie-benen Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung - abhalten lassen würde, war nicht ersichtlich. Vor Verweigerung der Zustimmung konnte es für die Mitarbeitervertretung noch gar keine Anhaltspunkte dafür geben, ob von der Beteiligten zu 2. versucht werden wür-de, gerichtlich feststellen zu lassen, dass kein Grund für die Verweigerung der Zustimmung nach § 41 Abs. 1 MVG-EKD vorliegt. Für ein Gerichtsverfahren, das die Beteiligte zu 2. einlei-ten könnte, durfte die Mitarbeitervertretung die Beauftragung einer Anwältin deshalb nicht für erforderlich halten.
Die Mitarbeitervertretung durfte die Beauftragung auch nicht für ein eigenes Gerichtsverfahren gegen die Beteiligte zu 2. für erforderlich halten. Die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens waren nicht ansatzweise ersichtlich.
Das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung war nicht umstritten, wie die Beteiligung der Mitarbeitervertretung durch die Beteiligte zu 2. zeigt. Für ein auf Feststellung des Mitbe-stimmungsrechts gerichtetes kirchengerichtliches Verfahren gab es deshalb überhaupt keine Grundlage.
Die Mitarbeitervertretung hatte bei Beauftragung der Maßnahme noch nicht einmal zu dem Antrag der Dienststellenleitung Stellung genommen, so dass sie nicht davon ausgehen konnte, dass die Dienststellenleitung wegen der noch gar nicht erfolgten Verweigerung der Zustimmung durch die Mitarbeitervertretung ein kirchengerichtliches Verfahren einleiten würde.
Ferner gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Verweigerung der Zustimmung durch die Mitarbeitervertretung von der Dienststellenleitung ignoriert werden würde, so dass die Mitarbeitervertretung ihrerseits Anlass zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens wegen dieses Verhaltens der Dienststellenleitung haben könnte. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung zur Beauftragung der anwaltlichen Vertretung gab es keine Anzeichen für ein solches Verhalten der Beteiligten zu 2.
Gibt es damit keinen Anlass dafür, dass die Mitarbeitervertretung die Beauftragung einer An-wältin für ein kirchengerichtliches Verfahren für erforderlich halten durfte, kommt es nicht da-rauf an, dass die Mitarbeitervertretung beschlossen hat, dass die Rechtsanwältin sie auch im Gerichtsverfahren vertreten soll. Es ist schon nicht ersichtlich, um was für ein Gerichtsverfah-ren es sich dabei handeln sollte. Vor allen Dingen aber ändert eine solche Beschlussfassung nichts daran, dass es an der weiteren Voraussetzung für die Beauftragung fehlt, weil es noch gar keine konkreten Anhaltspunkte für ein solches Verfahren gab.
b) Die Beteiligte zu 2. ist nicht nach § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD zur Tragung der Kosten der anwaltlichen Vertretung verpflichtet, weil die Voraussetzungen dieser Regelung nicht erfüllt sind. Es mag sein, dass die Mitarbeitervertretung anwaltliche Hilfe benötigt hätte. Keine Mitar-beitervertretung mit noch so langer Erfahrung ist in der Lage, mit jeder Fragestellung umgehen zu können. Für die Fälle solchen Beratungsbedarfs sieht das Gesetz in § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD ein Verfahren vor, das die Mitarbeitervertretung nicht einmal eingeleitet hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Dienststellenleitung zur Zahlung der Kosten verpflich-tet sein kann, wenn sie deren Übernahme aus sachwidrigen Gründen verweigert hat.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).
Nause Bock Neuendorf