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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.09.2018
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/34-2018
Rechtsgrundlage:§ 5 DiakonieG der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Diakonischen Konferenz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland e.V. - Kammer I Schleswig-Holstein - vom 8. Dezember 2017, I-07/17-RD-
Schlagworte:Erster Weg - kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht
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Leitsatz:

Die Festlegung von Arbeitsvertragsbedingungen ohne partnerschaftliche Arbeitnehmerbeteiligung (sog. „erster Weg“) ist kein kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2b) DiakonieG.
Die Mitarbeitervertretung hat ein Recht zur Verweigerung der Zustimmung zu einer Eingruppierung in eine Vergütungsordnung, die nicht auf dem zweiten oder dritten Weg zustande gekommen ist und deshalb kein kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2b) DiakonieG ist (Aufgabe von KGH.EKD 13. Dezember 2010 - I-0124/R83-09-).

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Diakonischen Konferenz in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland e.V. - Kammer I Schleswig-Holstein - vom 8. Dezember 2017, Az. I-07/17-RD- abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen. htungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 11. Dezember 2009 - Az.: I-37/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zur Eingruppierung neueingestellter Mitarbeiterin-nen.
Die Antragstellerin betreibt diakonische Einrichtungen, u.a. hat sie im Wege des Betriebsübergangs die stationäre Senioreneinrichtung „Seniorenhaus B“ übernommen. Auf die Arbeitsverhältnisse in der bis zum Betriebsübergang in der Dienststelle beschäftigten Mitarbeitenden finden die Regelungen des TVöD-K Anwendung.
Die Antragstellerin wendet auf die Arbeitsverhältnisse neu eingestellter Mitarbeiter/innen (wie auch in ihren anderen Einrichtungen) Arbeitsvertragsbedingungen an, die in Aufbau, Struktur und Inhalt den AVR-DD entsprechen. Auch die Entgeltgruppen sind entsprechend den AVR-DD geordnet, die Vergü-tungssätze sind aber pauschal um 15% im Vergleich zu den AVR-DD abgesenkt. Die Antragstellerin gibt diese Arbeitsvertragsbedingungen, die weder auf dem zweiten noch auf dem dritten Weg zustan-de gekommen ist, den Arbeitsverhältnissen vor und macht sie zum Inhalt der Arbeitsverträge.
Antragsgegner war zunächst die Gemeinsame Mitarbeitervertretung - H (§ 5 Abs. 2 MVG-EKD). Im Zuge der Mitarbeitervertretungswahlen 2018 ist eine örtliche Mitarbeitervertretung gewählt worden, die jetzige Antragsgegnerin. Eine gemeinsame Mitarbeitervertretung besteht nicht mehr. Die nunmehr ge-wählte Mitarbeitervertretung für die Dienststelle ist am Verfahren beteiligt worden.
Die Antragstellerin ist eine diakonische Einrichtung der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschlandland, sie unterliegt dem Diakoniegesetz der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland (nachfolgend DiakonieG) vom 11. Oktober 2013. Nach § 2 DiakonieG unterstützt und fördert die Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland die in ihrem Bereich bestehenden diakonischen Werke und Einrichtungen und die Wahrnehmung des diakonischen Auftrages durch die Mitglieder. § 5 regelt die Zuordnung diakonischer Einrichtungen zur Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland wie folgt:
„1. Den Diakonischen Werken - Landesverbänden wird nach Artikel 116 Abs. 1, dritte Alternative in Verbindung mit Artikel 121 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung die Aufgabe übertragen, mit der Aufnahme von Mitgliedern, soweit sie nicht bereits einer Kirche zugeordnet sind, zugleich über deren Zuordnung zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zu entscheiden.
2. Die Zuordnung setzt voraus, dass die Mitglieder in ihren Satzungen und in der praktischen Arbeit dem Auftrag der Kirche verpflichtet sind und eine kontinuierliche Verbindung zur Evange-lisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland gewährleistet ist. Dies ist anzunehmen, wenn sie die folgenden Kriterien in einer Gesamtschau erfüllen:
a) Die diakonischen Einrichtungen verfolgen kirchlich-diakonische Zwecke und Aufgaben;
b) sie gewährleisten die kontinuierliche Verbindung mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
- durch Mitwirkung der Diakonischen Werke - Landesverbände bei Satzungs- und Ge-sellschaftsvertragsänderungen,
- durch Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts und
- durch Personen, die aufgrund eines kirchlichen Auftrags in der Einrichtung als gebo-rene oder gewählte Organmitglieder mitwirken;
c) sie fördern und stärken das diakonische Selbstverständnis ihrer Mitarbeitenden;
d) sie ermöglichen die seelsorgerliche Begleitung der Mitarbeitenden und derjenigen, denen der diakonische Dienst gilt;
e) sie sind der Gemeinwohlorientierung im Sinne der Aufgabenordnung verpflichtet und stel-len dies auch für den Fall der Auflösung oder Aufhebung sicher.
3. Zugeordnete Mitglieder müssen kirchliches Mitarbeitervertretungs- und Datenschutzrecht an-wenden.“
In einem Grundsatzpapier „Die Diakonie als Arbeitgeberin, Selbstverständnis und Grundsätze eines kirchlich-diakonischen Arbeitsrechtes auf dem Gebiet der Nordkirche“ haben die Diakonischen Lan-desverbände, verschiedene große Einrichtungen und der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Grundsätze eines kirchengemäßen Arbeitsrechts definiert, die erfüllt sein müssen, damit das in der Einrichtung angewandte Arbeitsrecht als kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht im Sinne von § 5 Abs. 2b) DiakonieG qualifiziert werden kann.
Danach wird die Erfüllung der Grundsätze unterstellt, wenn ein Einrichtungsträger auf alle in der Ein-richtung bestehenden Arbeitsverhältnisse für den Bereich der Nordkirche und ihrer Diakonie vereinbar-te Tarifverträge (Kirchlicher Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag - KAT, Kirchlicher Tarifvertrag Diakonie-KTD etc.) oder auf dem dritten Weg zustande gekommene Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR-DD, AVR-DW M-V, Kirchliche Arbeitsvertragsordnung Mecklenburg-Pommern - KAVO M-P etc.) anwendet.
Nach II. des Arbeitspapiers bemisst sich die Erfüllung der theologisch begründeten Vorgaben für kirchengemäße Arbeitsverhältnisse nicht nach dem Verfahren, in dem kollektive Arbeitsbedingungen für kirchengemäße Arbeitsverhältnisse zustande gekommen sind, sondern nach den materiellen Inhal-ten der jeweiligen kollektiven Arbeitsbedingungen. Die Beschränkung des Blickes auf die Festlegung von Verfahrensregeln zur Festlegung kollektiver Arbeitsbedingungen auf den verschiedenen Wegen der Arbeitsrechtssetzung (zweiter, dritter oder erster Weg) verstelle den Blick auf den maßgeblichen Beurteilungsgegenstand des materiellen Inhalts der jeweiligen Arbeitsbedingungen.
Nach II. Ziffer 4 „Themenbereich - Einzelne Arbeitsvertragsbedingungen“ sollen in kirchengemäßen Arbeitsverhältnissen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, nach II. 4 Ziffer 1) muss das Entgelt mindes-tens so bemessen sein, dass es dem branchenüblichen Entgelt in der jeweiligen Region entspricht. Es stellt danach eine Selbstverständlichkeit dar, dass die für die jeweiligen Branchen bzw. allgemein ge-setzlich geregelten Mindestlöhne einzuhalten sind.
Vorgegeben werden weiter bestimmte Maßgaben zur Durchführung geringfügiger Beschäftigungsver-hältnisse, für die Befristung von Arbeitsverhältnissen, für Kündigungsschutzvorschriften, betriebliche Altersversorgung, Leiharbeit etc.
In einer Mitgliederversammlung am 8. November 2016 hat das Diakonische Werk Schleswig-Holstein, Landesverband der Inneren Mission e.V. das Arbeitspapier bestätigt.
Das Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz der EKD vom 13. November 2013 (ARRGG-EKD) ist in der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland bis zur Verkündung dieser Entscheidung noch nicht in glied-kirchliches Recht übernommen worden.
Die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter/innen in der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche werden geregelt durch das Kirchengesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Ar-beitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Ar-beitsrechtsregelungsgesetz-ARRG) vom 9. Juni 1979.
§ 1 „Tarifvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen“ regelt wie folgt:
„Die Arbeitsbedingungen der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen, ihrer Kirchenkreise, Kirchengemeinden und deren Verbände einschließlich ihrer rechtlich unselbstständigen Dienste, Werke und Einrichtungen sind nach den zwischen dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien (VKDA-NEK) und den Mitarbeiterorganisationen (Gewerkschaften) abgeschlossenen Tarifverträgen sowie den sonstigen vom VKDA-NEK nach Maßgabe seiner Satzung getroffenen Regelungen zu gestalten. Dies gilt für die Kirchenkreise, Kirchengemeinden und deren Verbände einschließlich ihrer rechtlich unselbstständigen Dienste, Werke und Einrichtungen nur, soweit sie Mitglieder des VKDA-NEK sind.“
§ 3 Abs. 2 ARRG bestimmt die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge und Regelungen des VKDA-NEK für die Mitarbeiter der verfassten Kirche. § 4 ARRG öffnet den Weg für Notlagenregelungen.
Die Antragstellerin hat die Mitarbeiterinnen I (zum 15. Januar 2017), J und K (zum. 1. Februar 2017) eingestellt. Die zu dem Zeitpunkt noch existierende gemeinsame Mitarbeitervertretung hat der Einstel-lung zugestimmt, aber der Eingruppierung jeweils widersprochen, weil die angewendete Arbeitsrechts-setzung nicht den Bestimmungen der Satzung des Diakonischen Werks Rendsburg entspreche. Sie sei auf dem ersten Weg zustande gekommen, die neu eingestellten Mitarbeitenden erhielten gegen-über den übernommenen Mitarbeitenden eine um 20% geringere Vergütung; diese Vergütungsrege-lung/Vergütungshöhe sei mit dem Gedanken der Dienstgemeinschaft nicht vereinbar und stünde im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz.
Nach Beendigung der Erörterung hat die Antragstellerin form- und fristgerecht mit Antrag vom 9. März 2017 beim Kirchengericht Antrag auf Feststellung eingereicht, dass Zustimmungsverweigerungsgrün-de für die Mitarbeitervertretung nicht bestehen.
Die Antragstellerin hat beantragt, festzustellen,
1. dass ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin I in die Entgeltgruppe 4 Einarbeitungsstufe der Eingruppierungsordnung der Antragstellerin nicht bestanden hat,
2. dass ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin J in die Entgeltgruppe 3 Basisstufe der Eingruppierungsordnung der Antragstellerin nicht be-standen hat,
3. dass ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin K in die Entgeltgruppe 3 Einarbeitungsstufe der Eingruppierungsordnung der Antragstellerin nicht bestanden hat.
Die Antragsgegnerin bzw. die zuvor gebildete gemeinsame Mitarbeitervertretung haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen und darauf verwiesen, Vergütungsregelungen auf dem ersten Weg könnten der Eingruppierung in der Dienststelle nicht zugrunde gelegt werden; dies u.a. deshalb, weil dies dem Grundgedanken der Dienstgemeinschaft, wie er in der Präambel zum anwendbaren Mitarbeitervertre-tungsgesetz der EKD niedergelegt sei, widerspreche.
Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Auffassung, sie sei nicht auf eine Vergütungsordnung beschränkt, die auf dem zweiten bzw. dritten Weg entstanden sei. Nach den rechtlichen Vorgaben der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland sei die Anwendung einer auf dem ersten Weg entstandenen Ver-gütungsordnung nicht untersagt. Die zur Anwendung kommende Vergütungsordnung stelle kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht nach § 5 Abs. 2 DiakonieG dar. Maßgeblich sei, dass in einer Ge-samtschau die Mitglieder dem Auftrag der Kirche verpflichtet seien und eine kontinuierliche Verbin-dung zur Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland gewährleistet sei. Diese Voraussetzung erfülle die zur Anwendung gekommene Vergütungsordnung. Da das Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz der EKD 2013 nicht im Bereich der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland gelte, sei die Anwendung einer auf dem ersten Weg entstandenen Vergütungsordnung möglich.
Das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Diakonischen Konferenz in der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland e.V. - Kammer I Schleswig-Holstein - hat durch Beschluss vom 8. Dezember 2017, Az. I-07/17-RD dem Antrag entsprochen. Mit der frist- und formgerecht einge-legten, begründeten und vom Kirchengerichtshof der EKD angenommenen Beschwerde begehrt die nunmehrige Mitarbeitervertretung und Antragsgegnerin Abänderung des Beschlusses.
Sie beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Dia-konischen Konferenz in der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland e.V. - Kammer I Schleswig-Holstein vom 8. Dezember 2017 (I-07/17-RD) abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der rechtlichen Ausführungen wird verwiesen auf die zu den Akten gereichten erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Mitarbeitervertretung hat nach § 41 Abs. 1 Buchstabe a) MVG-EKD einen Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu den streitgegen-ständlichen Eingruppierungen, weil die Antragstellerin kein kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht nach § 5 Abs. 2b) DiakonieG zur Anwendung bringt (1.); eine Vergütungsordnung, die auf dem „ersten Weg“ ohne paritätischen Einbezug der Dienstnehmerseite zustande kommt und einseitig den Arbeits-verhältnissen zugrunde gelegt wird, verstößt zudem gegen den die Antragstellerin verpflichtenden Grundsatz der Dienstgemeinschaft aus der Präambel des MVG-EKD (2.).
1. Die von der Dienststelle zur Anwendung gebrachte Vergütungsordnung (AVR-DD minus 15 %) ist kein kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht nach § 5 Abs. 2b) DiakonieG.
a) Synodales Kirchenrecht ist Ausfluss des nach Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (BVerwG 22. Oktober 2014 – 2 BVR 661/12 – Rn. 90; HevKR/Anke § 4 Randziffer 26 ff.). Der kirchliche Arbeitgeber ist als Normad-ressat im kirchlichen Rechtskreis an die kirchengesetzlichen Vorgaben gebunden. Wendet er eine kir-chengesetzlich nicht legitimierte Vergütungsordnung an, kann die Mitarbeitervertretung einer Eingrup-pierung die Zustimmung verweigern (st. Rspr. KAGH 12. Oktober 2007 - M 03/07 - ZMV 2008, 29; KGH.EKD, Beschluss vom 10. Dezember 2012 - II-0124/U5-12; Beschluss vom 8. September 2011 - I-0124/S67-10 - www.kirchenrecht-ekd.de). Die Verletzung kirchengesetzlicher Vorgaben berührt nicht die Wirksamkeit entgegenstehender vertraglicher Vereinbarungen (BAG 24. Mai 2018 - 6 AZR 308/17), kirchengesetzliche Vorgaben können die Anwendung der gebotenen Arbeitsrechtsregelung nicht er-zwingen, weil sie nicht die Rechtsmacht haben, die normative Wirkung dieser Regelungen im privaten Arbeitsverhältnis anzuordnen (BAG aaO, Rn. 38 m.w.Rspnw). Kirchenrechtlich ist die Anwendung einer kirchengesetzlich nicht ausreichend legitimierten Vergütungsordnung aber Rechtsverstoß im Sinne von § 41 Abs. 1 Buchstabe a) MVG-EKD, der zur Verweigerung der Zustimmung zu einer Eingruppierung nach § 42 Buchstabe c) MVG-EKD berechtigt (KGH.EKD, Beschluss vom 10. Dezember 2012 - II-0124/U5-12 - a.a.O.).
b) Die auf dem ersten Weg zustande gekommene Vergütungsordnung der Antragstellerin mit einer um 15% abgesenkten Vergütung ist kein kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 b) DiakonieG. Die Norm verpflichtet die diakonischen Einrichtungen auf die Gewährleis-tung einer kontinuierlichen Verbindung mit der Evangelischen Kirche in Deutschland u.a. durch die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts.
aa) Bereits der Wortlaut der Bestimmung und der durch ihn vermittelte Wortsinn (vgl. insoweit BAG 31. Januar 2018 – 10 AZR 722/16) sprechen dafür, dass eine einseitig ohne Beteiligung der Dienst-nehmerseite zustande gekommene und den Arbeitsverträgen vorgegebene Vergütungsordnung nicht den Vorgaben von § 5 Abs. 2 Satz 2b) DiakonieG entsprechen. Nach allgemeinem kirchlichen Ver-ständnis ist „kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht“ zunächst Arbeitsvertragsrecht, welches auf dem Dritten Weg zustande kommt. In der in beiden Kirchen vorherrschenden Begehung des Dritten Wegs kommt nämlich unverändert die Überzeugung zum Ausdruck, dass nach dem Selbstverständnis der Kirchen jede Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, der gemeinsam von Dienstgebern und Dienstnehmern erfüllt wird, die in der Dienstgemeinschaft vereint sind. Diese Dienstgemeinschaft spiegelt sich nicht nur in der Organisation der täglichen Arbeit sondern auch in den Verfahrensstrukturen einer partnerschaftlichen Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen wider (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 211; Joussen/HevKr § 7, Rn. 26). Gleichermaßen in der Evangelischen Kirche als kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht anerkannt (vgl. § ARGG.EKD 2013; BAG 20. November 2012, BAGE 143, 354 (383)) ist der Zweite Weg, indem auch unter Beteiligung der (in Gewerkschaften organisierten) Dienstnehmerseite die Arbeitsvertragsbedin-gungen festgelegt werden. Mit der ausdrücklichen Verpflichtung auf „kirchlich-diakonisches Arbeits-vertragsrecht“ fehlen im Wortlaut der Norm jegliche und greifbare Anhaltspunkte, dass der synodale Gesetzgeber der Nordkirche dem Begriff des kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrecht darüber hinaus einen anderen (weiteren) Bedeutungsgehalt beimessen wollte; eine Ermächtigung für die Dienstgeber, einseitig ohne Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen Arbeitsvertragsbedingungen und Entgelthöhe zu bestimmen, gibt es nicht.
bb) Eine Auslegung des Gesamtzusammenhangs der Regelungen, die Anhaltspunkte für den wirkli-chen Willen des Gesetzgebers geben kann (vgl. nur BAG 24. Januar 2017 - 3 AZR 372/15 - Rn. 32 m.w.N.) bestätigt dieses Ergebnis. Nach § 5 Abs. 3 DiakonieG müssen der Nordkirche zugeordnete Mitglieder u.a. kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht und damit das MVG-EKD anwenden. Das Mitar-beitervertretungsgesetz der EKD bestimmt in seiner Präambel, dass alle Frauen und Männer, die be-ruflich in Kirche und Diakonie tätig sind, als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Erfüllung des Auf-trages mitwirken; die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbin-det danach Dienststellenleitung und Mitarbeiter/innen zu einer Dienstgemeinschaft und verpflichtet sie zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Der Gestaltung des kirchlichen Dienstes wird damit das Leitbild der Dienstgemeinschaft zugrunde gelegt. Richtet eine Religionsgemeinschaft ihr kollektives Arbeits-rechtsregelungsverfahren am Leitbild der Dienstgemeinschaft aus, so bezweckt sie damit, einer allein an wirtschaftlichen Interessen der Dienstgeberseite orientierten Festsetzung der Arbeitsbedingungen entgegen zu wirken (KGH.EKD, Beschluss vom 10. Dezember 2012 - II-0124/U5-12 - a.a.O.; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 100). Kirchliches Arbeitsvertragsrecht entspricht in diesem Fall nur dann kirchlich-diakonischen Grundsätzen, wenn die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer an den jeweiligen Entscheidungen sowohl durch die Zusammensetzung der Kommission als auch durch das im jeweiligen Kirchengesetz geregelte Verfahren gesichert ist und damit zumindest gleich-wertige Durchsetzungschancen bestehen (KGH.EKD, Beschluss vom 10. Dezember 2012, aaO.).
Die Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland verpflichtet ihre diakonischen Werke und Einrichtungen in derselben Norm auf die Anwendung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts (§ 5 Abs. 2 Satz 2b DiakonieG) und auf das Leitbild der Dienstgemeinschaft (§ 5 Abs. 3 DiakonieG). Dies bedeutet in Bezug auf die Auslegung des Begriffes „kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrechts“, dass nur eine kollektive, die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer an den jeweiligen Rechtssetzungen gewähr-leistende Vergütungsordnung kirchengemäß und kirchlich-diakonisch im Sinne von § 5 Abs. 2 DiakonieG sein kann.
Ergänzt wird dieses Verständnis und die Auslegung des Begriffes „kirchlich-diakonisches Arbeitsver-tragsrechts“ dadurch, dass sich der synodale Gesetzgeber durch Kirchengesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche durch Arbeitsrechtsregelungsgesetz vom 9. Juni 1979 auf tarifvertragliche Regelungen der Arbeitsbedingungen verpflichtet hat; dies zeigt, dass einseitig vorgegebenes Arbeitsvertragsrecht nicht kirchlich-diakonisch i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2b DiakonieG ist. Für ein anderes Normverständnis gibt es keine in Wortlaut und Systematik angelegten Anhaltspunkte.
cc) Die Einwände der Antragstellerin sind unergiebig.
(1) Die bisher nicht erfolgte Übernahme des ARGG-EKD 2013 in gliedkirchliches Recht bewirkt lediglich, dass das ARGG-EKD 2013 die Ev.- Luth. Kirche in Norddeutschland und seine nachgelagerten Einrichtungen normativ nicht bindet. Daraus ergibt sich aber kein anderes Normverständnis von § 5 DiakonieG, das einseitig gesetztes Arbeitsvertragsrecht nach Wortlaut und Systematik nicht legi-timiert.
(2) Das Arbeitspapier der Diakonischen Werke und die entsprechende Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung sind für die Auslegung des synodalen Gesetzes unmaßgeblich, die normun-terworfenen diakonischen Werke haben nicht die Befugnis zur Normauslegung. Eine normative Er-mächtigung des synodalen Gesetzgebers zu definieren, welchen Maßgaben kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht genügen soll, gibt es nicht. Soweit die Diakonischen Werke nach § 5 Abs. 1 DiakonieG über die Zuordnung zur Nordkirche entscheiden, ist ihnen diese Aufgabe nur nach den Maßgaben des § 5 Abs. 2 DiakonieG übertragen; eine Befugnis, eigenes Normverständnis der Entscheidung über die Zuordnung zugrunde zu legen, beinhaltet dies nicht. Es ist deshalb grundsätzlich unerheblich, welche Maßgaben das Arbeitspapier für die Gestaltung kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrechts enthält; gleichermaßen ist unerheblich, welches Verständnis die diakonischen Werke in ihrer Mitgliederver-sammlung dem Begriff des kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrecht zugrunde gelegt haben.
(3) Weiter ist unerheblich, dass Vergütungsordnungen im Bereich der Diakonischen Werke der Nordkirche offensichtlich bereits seit geraumer Zeit auf dem ersten Weg zustande kommen und den Arbeitsverträgen zugrunde gelegt werden. Zwar kann ein allgemein gelebtes Normverständnis bei der Auslegung berücksichtigt werden; dies muss im Wortlaut der Norm aber einen greifbaren Anker haben, daran fehlt es. Maßgeblich ist deshalb auch nicht, ob Aufsichtsorgane der Ev.- Luth. Kirche in Norddeutschland ein bestimmtes Arbeitsvertragsrecht geduldet oder nicht geduldet haben; maßgeb-lich ist die Auslegung des synodalen Gesetzgebungswillens.
Entspräche es dem Willen des synodalen Gesetzgebers, einseitig gesetztes Arbeitsvertragsrecht als kirchlich-diakonisches Arbeitsvertragsrecht zuzulassen, ohne dass eine Mitwirkung der Dienstnehmerseite an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen erfolgt, bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; eine gleichzeitige Verpflichtung der Diakonischen Werke auf das MVG-EKD und den Begriff der Dienstgemeinschaft wäre damit aber nicht zu vereinbaren (vgl. 2).
(4) Die Entscheidung des Kirchengerichtshofs der EKD vom 13. Dezember 2010 (I-0124/R83-09 - www.kirchenrecht-ekd.de) steht nicht entgegen. Nach den damaligen Feststellungen entsprach die seinerzeit zur Anwendung gekommene Vergütungstabelle materiell den AVR.DW.EKD, vorliegend wird eine um 15% abgesenkte Vergütung vereinbart. Soweit die Entscheidung vom 13. Dezember 2010 dahingehend verstanden werden kann, dass es maßgeblich auf die Satzungsbestimmungen des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein und darauf ankommt, ob eine „wesentlich gleiche Arbeitsrechts-regelung“ gegenüber dem zweiten oder dritten Weg vorliegt, wird daran nach vorstehenden Erwägun-gen nicht festgehalten; maßgeblich sind die Vorgaben des synodalen Gesetzgebers.
2. Die Verweigerung der Zustimmung der Antragsgegnerin ist auch bereits deshalb begründet, weil eine denkbare Gestattung einer Arbeitsrechtssetzung auf dem ersten Weg und die gleichzeitige Verpflichtung der Einrichtungen auf das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD und die Dienstgemein-schaft kirchenrechtlich nicht zu vereinbaren sind; die Organisation der Einrichtungen nach dem Prinzip der Dienstgemeinschaft und die einseitige Festlegung von Arbeitsvertragsbedingungen schließen sich aus. Möchte der kirchliche Gesetzgeber die Festlegung von Arbeitsvertragsbedingungen auf dem ersten Weg ermöglichen, so ist dies nicht möglich, wenn zeitgleich eine Verpflichtung auf dem Begriff der Dienstgemeinschaft und des Mitarbeitervertretungsgesetzes der erfolgt. Eine Vergütungsfindung auf dem ersten Weg ist außerhalb des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD unter der Regie des Betriebsverfassungsgesetzes möglich und hat ggf. die Bildung von Betriebsräten anstelle von Mitarbeitervertretungen zur Folge.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).