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Kirchengericht:Verwaltungssenat bei dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:23.11.2018
Aktenzeichen:0135/1-2017
Rechtsgrundlage:§ 10 Nr. 4 VwGGG.EKD, § 11 VwGG.EKD, § 152a VwGO
Vorinstanzen:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen, Urteil vom 07. Dezember 2016, Az. VK 2/15
Schlagworte:Ablehnungsantrag; Befangenheit; Vorbefassung; Anhörungsrüge; Fortsetzung des Verfahrens
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Leitsatz:

Wird ein Verfahren nach einer erfolgreichen Anhörungsrüge gemäß § 65 VwGG.EKD in Verbindung mit § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO fortgesetzt, kann ein Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Verwaltungsgerichts nicht allein auf deren Vorbefassung, sondern nur auf besondere zusätzliche Umstände gestützt werden.

Tenor:

Der Ablehnungsantrag der Klägerin gegen die Mitglieder des Verwaltungssenats Dr. Gatz, Prof. Dr. Külpmann und Kennert wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Das Landeskirchenamt der beklagten Landeskirche versetzte die Klägerin in den Wartestand. Deren hiergegen erhobene Klage wies die Verwaltungskammer ab. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Revision ein. Unter näherer Darlegung rechtlicher Erwägungen hörte der Vorsitzende des Verwaltungssenats durch Verfügung vom 3. April 2018 die Beteiligten zu der Möglichkeit an, die Revision gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 VwGG.EKD durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen, weil sie keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwerfe und keine mündliche Verhandlung erfordere. Er räumte den Beteiligten eine Frist von einem Monat für eventuelle Stellungnahmen ein. Unter dem 16. Mai 2018 teilte die Geschäftsstelle dem Vorsitzenden auf dessen Anfrage mit, die Frist zur Stellungnahme sei am Vortag abgelaufen, der Bevollmächtigte der Klägerin habe keine Stellungnahme eingereicht. Daraufhin wies der Verwaltungssenat die Revision durch Beschluss vom 28. Mai 2018 zurück. Durch Schriftsatz vom 9. Juli 2018 rügte die Klägerin die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs: Sie sei zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nicht angehört worden. Auf Nachfrage teilte die Geschäftsstelle dem Vorsitzenden mit, auf das gegen Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten der Klägerin versandte Anhörungsschreiben vom 3. April 2018 sei kein Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten der Klägerin zurückgesandt worden. Der Vorsitzende des Verwaltungssenats teilte den Beteiligten daraufhin mit, das Verfahren werde auf die Rüge der Klägerin gemäß § 65 VwGG.EKD in Verbindung mit § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO fortgeführt, weil der Verwaltungssenat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt habe; er habe die Revision der Klägerin durch Beschluss zurückgewiesen, ohne den Nachweis führen zu können, dass der Bevollmächtigte der Klägerin das Anhörungsschreiben vom 3. April 2018 erhalten habe. Zugleich wies der Vorsitzende darauf hin, der Verwaltungssenat ziehe aus den Gründen des Beschlusses vom 28. Mai 2018 erneut in Erwägung, die Revision der Klägerin durch Beschluss zurückzuweisen, und gab Gelegenheit, eventuelle Stellungnahmen binnen sechs Wochen einzureichen.
Die Klägerin hat die Mitglieder des Verwaltungssenats, die an dem Beschluss vom 28. Mai 2018 mitgewirkt haben, wergen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt: Die abgelehnten Mitglieder des Verwaltungssenats hätten sich durch ihren Beschluss vom 28. Mai 2018 bereits festgelegt. Sie könne deshalb nicht mehr ernstlich erwarten, ihr Anliegen werde künftig von diesem Senat fair und neutral behandelt, zumal dem Verwaltungssenat zwei Fehler unterlaufen seien. Er habe den Zugang des Anhörungsschreibens bei ihrem Bevollmächtigten unzureichend und fehlerhaft kontrolliert und ihr das Anhörungsschreiben nicht alsbald zugesandt, nachdem der fehlgeschlagene erste Zustellung offenbar geworden sei.
Die abgelehnten Mitglieder des Verwaltungssenats haben sich zu dem Ablehnungsgrund geäußert.
II. Der Ablehnungsantrag der Klägerin ist unbegründet. Ein Mitglied eines Verwaltungsgerichts kann nach § 11 Abs. 1 VwGG.EKD wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Mitglieds zu rechtfertigen. Dabei genügt es zwar, wenn vom Standpunkt des Beteiligten aus hinreichende Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit zu zweifeln. Solche Gründe liegen hier jedoch nicht vor.
Die Klägerin macht als Ablehnungsgrund in erster Linie geltend, die abgelehnten Mitglieder des Verwaltungssenats hätten zuvor schon ihre Revision zurückgewiesen und könnten wegen dieser Vorbefassung nicht mehr unbefangen in dem fortzusetzenden Revisionsverfahren entscheiden. Diese Vorbefassung vermag jedoch für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen.
Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er bereits früher mit der Sache befasst war. Ausnahmen hiervon hat der kirchliche Gesetzgeber normiert und in § 10 Nr. 4 VwGG.EKD eine abschließende Reglung darüber getroffen, in welchen Fällen Mitglieder eines Verwaltungsgerichts auf Grund ihrer früheren Tätigkeit von der Ausübung ihres Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen sind. Ein Fall des § 10 Nr. 4 VwGG.EKD, nämlich eine Mitwirkung bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren oder im ersten Rechtszug, liegt hier indes nicht vor. Mit der gesetzlichen Wertung des abschließenden Charakters dieses Ausschlussgrundes wäre es nicht vereinbar, wenn der bloße Umstand der Vorbefassung eines Richters mir der Sache geeignet wäre, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Vielmehr müssen besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in Fällen einer anderen als der von § 10 Nr. 4 VwGG.EKD erfassten Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Diese allgemeinen Erwägungen gelten in besonderer Weise für das Verhältnis das auf Anhörungsrüge fortzusetzenden Verfahrens zu der mit der Anhörungsrüge angegriffenen vorausgehenden Entscheidung. Die Mitwirkung an der vorangegangenen Entscheidung stellt keine atypische, sondern eine durch die Verfahrensordnung vorgegebene Vorbefassung dar. Die Anhörungsrüge nach § 65 VwGG.EKD in Verbindung mit § 152a VwGO bezweckt, bei einer Verletzung rechtlichen Gehörs eine gerichtliche Selbstkorrektur zu ermöglichen. Über die Anhörungsrüge und bei deren Erfolg im fortzusetzenden Verfahren entscheidet nach § 65 VwGG.EKD in Verbindung mit § 152a Abs. 5 VwGO das Gericht, welches für die Ausgangentscheidung zuständig war, und zwar in der Besetzung, die sich aus den jeweils einschlägigen Geschäftsverteilungsplänen ergibt, und damit regelmäßig unter Mitwirkung derselben Richter, welche die Ausgangsentscheidung getroffen haben. Diese gesetzliche Festlegung lässt sich nicht durch eine Auslegung der Befangenheitsvorschriften umkehren. Das Ablehnungsverfahren nach § 11 VwGG.EKD ermöglicht in diesen Fällen vielmehr nur, besondere Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Solche besonderen Umstände, die hier zur Vorbefassung hinzutreten und die Besorgnis der Befangenheit begründen zu können, sind jedoch nicht ersichtlich.
Zwar ist der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zunächst verletzt worden, aber nicht in einer Weise, die einen Rückschluss darauf zuließe, die abgelehnten Richter hätten ihr das rechtliche Gehör aus Gründen der Voreingenommenheit abschneiden wollen.
Zum einen sind der Vorsitzenden und ihm folgend die weiteren Mitglieder des Verwaltungssenats davon ausgegangen und durften davon ausgehen, dass auch die Klägerin, wie gesetzlich vorgeschrieben, vor der beabsichtigten Entscheidung über die Revision durch Beschluss ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 52 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VwGG.EKD).
Dies ergibt sich aus der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden und seinem in der Akte enthaltenen Schriftverkehr mit der Geschäftsstelle. Die Auskunft der Geschäftsstelle, die Frist zur Stellungnahme sei für den Bevollmächtigten der Klägerin am 15. Mai 2018 abgelaufen, war irreführend. Sie erweckte den unzutreffenden Eindruck, dem Bevollmächtigten der Klägerin sei das Anhörungsschreiben zugegangen. Denn der Ablauf der nicht nach einem festen Datum, sondern nach einem Zeitraum (ein Monat) bemessenen Frist ließ sich nur feststellen, wenn der Fristbeginn, nämlich der Zugang des Schreibens bei dem Bevollmächtigten, dokumentiert durch ein von ihm zurückgesandtes Empfangsbekenntnis, aktenkundig war und das Fristende deshalb konkret berechnet werden konnte. Von einem solchen Sachverhalt musste der Vorsitzende aufgrund der Auskunft der Geschäftsstelle, welche die Originalakte mit allen Zustellnachweisen führt, als selbstverständlich ausgehen. Ob eine weiter gehende Kontrolle der Geschäftsstelle möglich oder gar geboten war, ist unerheblich, weil ein Versäumnis insoweit für den Vorwurf der Befangenheit ersichtlich unbedeutend ist. Zumal zum anderen der Verwaltungssenat sofort, nachdem ihm die fehlgeschlagene Anhörung der Klägerin bekannt geworden war, den Mangel durch die Anordnung behoben hat, das Verfahren fortzusetzen.
Zwar hat der Vorsitzende des Verwaltungssenats im fortgesetzten Verfahren die Klägerin zu der weiterhin beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nicht durch erneute Zustellung des ursprünglichen Anhörungsschreiben angehört, sondern zugleich mit der Mitteilung, das Verfahren werden wegen der unterlaufenen Verletzung rechtlichen Gehörs fortgesetzt. Für diese Anhörung sieht das Gesetz nicht vor, dass den Beteiligten die (vorläufige) Rechtsauffassung des Gerichts dargelegt wird. Es entspricht allerdings der Praxis des Verwaltungssenats, im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung des Anhörungsrechts derartige Hinweise auf die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts zu geben. Da diese (nach dem Verfahrensstand nunmehr vorläufige) Rechtsauffassung des Gerichts in dem Beschluss vom 28. Mai 2018 niedergelegt war, während sich das Anhörungsschreiben vom 3. April 2018 durch den weiteren Verfahrensgang erledigt hatte, ermöglichte das Vorgehen des Vorsitzenden in sachgerechter Weise die Wahrnehmung rechtlichen Gehörs und stellte keine Voreingenommenheit begründende Behinderung in der Prozessführung der Klägerin dar.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 11 Abs. 3 Satz 1 VwGG.EKD).