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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:03.08.2020
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/29-2019
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 62, ZPO § 256 bs. 1, MVG-EKD § 30 Abs. 4
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, -,- Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Hamburg - Az.: NK-MG 5 24/2018 DWHH
Schlagworte:Eigenanteil bei der Erstattung von Verpflegungskosten auf Schulungen, Feststellungsinteresse
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Leitsatz:

1) § 256 Abs 1 ZPO findet im mitarbeitervertretungsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechende Anwendung. Gegenstand eines Feststellungsantrags können nur Rechtsverhältnisse sein. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden.
2) Es handelt sich um bloße Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, wenn die Beteiligten sich allgemein und nicht mit Bezug auf eine konkrete Schulung darüber streiten, unter welchen Voraussetzungen die Dienststellenleitung zur Erstattung der Verpflegungskosten ohne Möglichkeit einer Anrechnung von ersparten Aufwendungen verpflichtet ist.
3) Es bleibt dahingestellt, ob bei der Kostenerstattung der Abzug eines ersparten Eigenaufwandes unterbleiben muss, wenn von der Schulungsveranstalterin nur ein Gesamtpaket inklusive Verpflegung angeboten wird. Auch bei einem derartigen Komplettangebot spart der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die für die Eigenverpflegung ohne die Schulung entstehenden Kosten.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung werden der Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakoni-schen Werkes Hamburg - vom 18. März 2019, Az. NK-MG 5 24/2018 DWHH, abgeändert und die Anträge der Mitarbeitervertretung zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Mitarbeitervertretung verlangt die Feststellung, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, die für erforderliche Schulungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskosten in voller Höhe zu übernehmen.
Die Beteiligten führten im Jahre 2017 ein Verfahren vor dem Kirchengericht, in dem sie darüber stritten, ob die Dienststellenleitung berechtigt sei, wegen der ersparten Eigen-aufwendungen einen Abzug von den für die Schulung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung zu übernehmenden Verpflegungskosten vorzunehmen. In jenem Verfahren, in dem es um die Erstattung der Schulungskosten für eine konkrete Schulung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung ging, einigten sich die Beteiligten auf eine Beteiligung dieses Mitglieds an den Verpflegungskosten in Anlehnung an § 2 der Sozialversiche-rungsentgeltverordnung. Zwischen den Beteiligten vereinbarte generelle Gespräche über das „Ob“ und die Höhe eines Abzugs wegen ersparter Eigenaufwendungen blieben erfolglos.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass die Dienststellenleitung zu einer vollen Übernahme der Verpflegungskosten verpflichtet sei, weil diese notwendig mit der Schulung verbunden seien und es nicht möglich sei, Schulungen ohne solche Verpflegungskosten zu buchen. Es handele sich jeweils um Gesamtpakete, bei denen die Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer keinen Inhalt auf die Verpflegungskosten hätten. Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung brauchten sich an solchen Kosten nicht nach § 24 Absatz 2 PKTD zu beteiligen, weil sich diese Regelung ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Dienststellen, nicht aber auch kollektivrechtliche Dachverhalte beziehe.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet ist, die für erforderliche Schu-lungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskos-ten in voller Höhe zu übernehmen;
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet ist, die für erforderliche Schulungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskos-ten in voller Höhe abzüglich des in der Sozialversicherungsentgeltverordnung geregelten Wertes der Verköstigung zu übernehmen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, dass sie nach den Reisekostenregelungen nur € 24 für den ganzen Tag und € 12 für den halben Tag an Verpflegungskosten zu tragen habe.
Das Kirchengericht gab dem Hauptantrag der Mitarbeitervertretung mit Beschluss vom 18. März 2019 statt. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 8. April 2019 zugestellt wurde, legte diese mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019, der am 3. Mai 2019 beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde ein und begründete diese mit am 6. Juni 2019 beim Kirchengerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage.
Die Dienststellenleitung hält den Beschluss des Kirchengerichts für unzutreffend, weil der Antrag der Mitarbeitervertretung unzulässig und unbegründet sei. Entgegen der Ansicht des Kirchengerichts fehle ein Feststellungsinteresse für den Antrag, weil es in dem Verfahren um die bloße Klärung einer Vorfrage gehe, die weitere Streitigkeiten nicht ausschließe und deshalb keinen Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten schaffe. Die Kirchengerichte seien nicht berufen, abstrakte Rechtsfragen zu klären, weil dieses auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens hinausliefe. Es sei nicht zutreffend, gleichwohl aber vom Kirchengericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt worden, dass die Ver-pflegung „untrennbarer Bestandteil“ von Schulungsveranstaltungen sei. Jedenfalls sei die Arbeitgeberseite aber immer nur im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Übernahme der Kosten verpflichtet.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland - Kammer für den Bereich des Diakonischen Werkes Hamburg - vom 18. März 2019 (NK-MG 5 24/2018), aufzuheben und die Anträge der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Kirchengerichts für zutreffend. Es gebe außer den Reisen der Mitarbeitervertretung zu Schulungen keine Anwendung von Reisekostenregelungen in der Dienststelle im Sinne von § 24 KTD.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist begründet, weil die Anträge der Mitarbeitervertretung unzulässig sind. Die Voraussetzungen für Feststellungsanträge liegen nicht vor.
§ 256 Abs 1 ZPO findet im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechende Anwendung. Gegenstand eines Feststellungsantrags können nur Rechtsverhältnisse sein. Er kann sich insoweit auch auf Teilrechtsverhältnisse, insbesondere auf einzelne Bezie-hungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beziehen. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden. (BAG, Beschluss vom 3. Mai 2006 – 1 ABR 63/04 – Rdnr. 19, juris). Nach § 62 MVG-EKD gelten diese Grundsätze auch im mitarbeitervertre-tungsrechtlichen Verfahren vor den Kirchengerichten.
Danach ist vorliegend kein Streit um ein Rechtsverhältnis gegeben. Die Beteiligten sind sich vielmehr uneinig über bloße Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, nämlich unter welchen Voraussetzungen die Dienststellenleitung zur Erstattung der Verpflegungskosten auf von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung besuchten Schulungen ohne Möglichkeit einer Anrechnung von ersparten Aufwendungen verpflichtet ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses eine ausreichend konkrete Fragestellung wäre, wenn es - wie vom Kirchengericht angenommen - tatsächlich so wäre, dass Schulungen nur „im Gesamtpaket“, also mit voller Verpflegung und ohne Möglichkeit der Abwahl von Verpfle-gung, gebucht werden könnten. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Es gibt Schulungs-anbieterinnen, die die Möglichkeit zu verschiedenen Verpflegungsvarianten (Übernachtung mit Frühstück oder keine Übernachtung, Halb- oder Vollpension) anbieten oder bei denen die Unterkunft oder Übernachtung gesondert bei der Schulungsstätte gebucht werden müssen. Ein allgemeiner Zwang zur Buchung der Vollpension besteht nicht. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob nicht selbst bei einem solchen Zwang zur Vollpension eine pauschale Anrechnung von ersparten Eigenaufwendungen möglich und zulässig wäre. Da es jedenfalls nicht so ist, dass mit einer Schulung zugleich die Kosten der Verpflegung anfallen, betreffen die von der Mitarbeitervertretung gestellten Anträge nur eine Vorfrage. Ob und inwieweit eine Erstattung von Verpflegungskosten ohne Anrechnung ersparten Eigenaufwandes zu erfolgen hat, kann nur unter den Bedingungen der jeweiligen Schulung, insbesondere des Schulungsortes und damit des erforderlichen Verpflegungsbedarfs sowie des von der Schulungsanbieterin gemachten Verpflegungs-angebotes geklärt werden. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob der Berücksichtigung eines ersparten Eigenaufwandes tatsächlich entgegensteht, dass nur ein Gesamtpaket inklusive Verpflegung angeboten wird. Auch bei einem derartigen Komplettangebot spart der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die für die Eigenverpflegung ohne die Schulung entstehenden Kosten. Es besteht deshalb auch in diesen Fällen die Möglichkeit einer Berücksichtigung ersparter Aufwendungen (BAG, 28. Februar 1990, 7 ABR 5/89; Juris, Rdnr. 29 ff).
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).