.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:16.08.2021
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/23-2021
Rechtsgrundlage:§§ 21, 26, 38 MVG-EKD
Vorinstanzen:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten - Kammer Diakonisches Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V., vom 23. April 2021, Az. 3 VR MVG 37/20
Schlagworte:Beteiligung der MAV vor Ausspruch einer Kündigung
#

Leitsatz:

1) Die Dienstgeberin kann die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung mit Nichtwissen bestreiten.
2) Legt die Mitarbeitervertretung die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung daraufhin hinreichend dar, muss die Dienststellenleitung ihr auf Nichtwissen gestütztes Bestreiten dahingehend konkretisieren, in welchen einzelnen Punkten und weshalb die Behauptungen der Mitarbeitervertretung nicht als wahr zu erachten seien.Geschieht dieses nicht, ist von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung auszugehen.
3) Reicht die Unterrichtung der Mitarbeitervertretung im vorgerichtlichen Beteiligungsverfahren zur Erteilung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung nicht aus, um einen Kündigungsgrund darzulegen, kann der Tatsachenvortrag nicht erst im Verfahren vor den Kirchengerichten erfolgen. Die Dienststellenleitung muss vielmehr die Mitarbeitervertretung vollständig unterrichten. Nur auf der Basis dieser Unterrichtung kann geprüft werden, ob die Zustimmung der Mitarbeitervertretung kirchengerichtlich zu ersetzen ist. Das Verfahren vor den Kirchengerichten ist kein verlängertes Beteiligungsverfahren der Mitarbeitervertretung, sondern dient der Überprüfung, ob die Mitarbeitervertretung aufgrund der ihr mitgeteilten Tatsachen die Zustimmung hätte erteilen müssen.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten – Kammer Diakonisches Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V. – vom 23. April 2021, Az. 3 VR MVG 37/20, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung verlangt die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des zu 3 beteiligten Arbeitnehmers.
Die Dienststelle ist Träger von Assistenzleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen mit über 2.100 Plätzen. An 30 Standorten beschäftigt sie etwa 900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der im Oktober 1967 geborene, verheiratete und zwei Kindern zu Unterhalt verpflichtete Beteiligte zu 3 ist bei ihr seit dem 1. Juni 1992 beschäftigt. Seit 2005 gehört er der Mitarbeitervertretung an, deren freigestellter Vorsitzender er zumindest bis Oktober 2020 war.
Die Dienststellenleitung lud den Beteiligten zu 3 mit E-Mail vom 24. September 2020 zu einem Gespräch am 28. September 2020, in dem es darum ging, ob der Beteiligte zu 3 wiederholt Wegezeiten für den Weg zwischen seinem Wohnort und dem Büro der Mitarbeitervertretung und zurück als Arbeitszeit erfasst habe. Der Beteiligte zu 3 erklärte, dass er sich an seinem Wohnort ein- oder ausgestempelt habe, wenn er entweder dort einen Termin gehabt habe oder er an diesem Tage einen auswärtigen Termin wahrzunehmen gehabt habe, zu dem er mit dem an seinem Wohnort geparkten Dienstfahrzeug gefahren sei. Dadurch hätten sich unnötige Fahrten vermeiden lassen.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 übersandte die Dienststellenleitung dem Beteiligten zu 3 eine Aufstellung der Stempelzeiten und -orte von 2019 bis zum 15. September 2020 und forderte ihn mit Fristsetzung bis zum 12. Oktober 2020 auf, für jeden einschlägigen Tag anzugeben, warum er sich an seinem Wohnort ein- und ausgestempelt habe. Der Beteiligte zu 3 erklärte mit Schreiben vom 8. Oktober 2020, dass die Erfüllung dieser Aufforderung unzumutbar sei.
Die Dienststellenleitung stellte bei der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 den Antrag, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 zu erteilen, und kürzte die Frist zur Stellungnahme auf drei Arbeitstage bis zum 19. Oktober 2020 ab. Dem Antrag beigefügt war die dem Beteiligten zu 3 zur Verfügung gestellte Aufstellung der Stempelzeiten. Auf den bei ihr am 14. Oktober 2020 eingegangenen Antrag lud Frau F, Mitglied der Mitarbeitervertretung, für den 16. Oktober 2020 zu einer außerordentlichen Sitzung zur Beratung und Beschlussfassung über den Antrag. In der Sitzung wurde von den sieben anwesenden Mitgliedern der Mitarbeitervertretung eine mündliche Erörterung beschlossen. Diese fand am 19. Oktober 2020 statt. Der Geschäftsführer der Dienststelle erklärte die Erörterung am Ende des Erörterungstermins schriftlich für beendet. Frau F lud daraufhin für den 29. Oktober 2020 zu einer ordentlichen Sitzung der Mitarbeitervertretung zur Beratung und Beschlussfassung wegen der Beendigung der Erörterung im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahren über den Zustimmungsantrag zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3. Die sechs anwesenden Mitglieder der Mitarbeitervertretung beschlossen auf der Sitzung am 29. Oktober 2020 einstimmig, die Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Dieses teilte die Mitarbeitervertretung der Dienststellenleitung mit Schreiben vom 2. November 2020 mit.
Die Dienststellenleitung erklärte mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Beteiligten zu 3. Eine hiergegen beim Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage hatte erstinstanzlich durch Urteil vom 19. April 2021 Erfolg. Über die von der Beklagten eingelegte Berufung ist vom Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden. Der Beteiligte zu 3 nahm Anfang Juli 2021 seine Tätigkeit wieder auf.
Die Dienststellenleitung verlangt mit ihrem am 3. November 2020 beim Kirchengericht eingegangenen Antrag vorsorglich, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 zu ersetzen. Diese Zustimmung gelte bereits gem. § 21 Absatz 2 Satz 4 i.V.m. § 38 Absatz 3 Satz 1 bzw. Satz 6 MVG-EKD als erteilt. Der Geschäftsführer der Dienststelle habe erstmals am 17. Oktober 2020 Kenntnis von den Stempelorten erlangt. Anschließend sei der umfangreiche Sachverhalt ermittelt worden, Dazu sei ein Abgleich mit den Fahrtenbüchern aus dem Dienstfahrzeug vorgenommen worden, aus dem sich weitere Verdachtsmomente ergeben hätten, weil die dortigen Angaben nicht mit dem Stempelverhalten des Beteiligten zu 3 übereingestimmt hätten. Außerdem sei Einblick in den Outlook-Kalender des Beteiligten zu 3 genommen worden, dessen Inhalt ebenfalls nicht zu seinen Einlassungen gepasst hätten.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 nach § 21 Abs. 2, § 38 MVG.EKD zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hält den Antrag für unbegründet.
Das Kirchengericht hat den Antrag der Dienststellenleitung mit Beschluss vom 23. April 2021 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 6. Mai 2021 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 10. Mai 2021, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tage, begründet.
Die Dienststellenleitung hält den Beschluss des Kirchengerichts für unzutreffend. Der Beteiligte zu 3 habe über Jahre in erheblichem Maße einen Arbeitszeitbetrug dadurch begangen, dass er nicht im Büro der Mitarbeitervertretung, sondern bereits im Betrieb der Beteiligten zu 1 an seinem Wohnort seine Arbeitszeit ein- oder ausgestempelt habe. Dadurch seien die Fahrten bereits als Arbeitszeit berücksichtigt worden. Für die Antragstellerin sei dieses nicht ersichtlich gewesen, weil der Stempelort aus dem Zeiterfassungssystem nicht ersichtlich sei. Dieses habe der Beteiligte zu 3 gewusst, weil er sich bei Einführung der Zeiterfassung beim Leiter der IT danach erkundigt habe. Das zeige, dass der Beteiligte zu 3 bewusst und systematisch vorgegangen sei. Bei anderen Standorten, für die die Zeiterfassung bereits vorher eingeführt worden sei, habe der Beteiligte zu 3 sich danach nämlich nicht erkundigt. Es sei ihm also nicht um die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte gegangen. Allein durch das Einstempeln an seinem Wohnort stünden die Arbeitszeitbetrüge oder deren dringender Verdacht schon fest. Die Antragstellerin habe im Anhörungsgespräch die Mitarbeitervertretung eindringlich aufgefordert, die angeblichen Termine bzw. Tätigkeiten, die der Beteiligten zu 3 an den Tagen mit Einstempelung an seinem Wohnort wahrgenommen habe, konkret zu benennen, weil die Antragstellerin darüber keine Kenntnis haben könne. Darauf habe die Antragstellerin keine konkrete Antwort erhalten. Die Antragstellerin wisse nicht und könne es auch nicht wissen, was der Beteiligte zu 3 an den Tagen gemacht habe. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass der Beteiligte zu 3 in den fraglichen Zeiträumen nichts gemacht habe. Deshalb habe sie die Mitarbeitervertretung auch nicht über die Tätigkeiten des Beteiligten zu 3 unterrichten können. Es gebe eine Vielzahl von Tagen, für die dieses feststehe, weil der Beteiligte zu 3 keine Angaben zu seiner Tätigkeit gemacht habe. Die Stempelungen an seinem Wohnort seien überdies bereits für sich ein massiv pflichtwidriges Verhalten. Die vergütungspflichtige Arbeit habe erst an der Dienststelle und nicht an dem Wohnort begonnen. Die tag- und minutengenaue Angabe der Stempelzeiten sei deshalb für die Annahme der Arbeitszeitbetrüge aus dem Gesichtspunkt der subjektiven Determinierung ausreichend. Zu berücksichtigen sei, dass die mitarbeitervertretungsrechtliche Tätigkeit des Beteiligten zu 3 ein geschützter Bereich sei, von dem die Antragstellerin keine Kenntnis haben könne. Die Antragstellerin habe in der Anhörung der Mitarbeitervertretung ausdrücklich ausgeführt, dass der Beteiligte zu 3 sich die Fahrten von seinem Wohnort zu seinem Dienstort habe vergüten lassen, obwohl er hierauf keinen Anspruch gehabt habe. Das sei eine ausreichende Begründung für das Kündigungsbegehren. Im Übrigen sei die Mitarbeitervertretung auch mündlich angehört worden. Auch dabei habe die Antragstellerin keine Antworten erhalten, die die Stempelungen auch nur ansatzweise hätte rechtfertigen können. Der Beteiligte zu 3 hätte zu dieser Zeit Zugriff auf seinen Kalender gehabt und also Angaben machen können. Hätte der Beteiligte zu 3 entlastende Momente vorgebracht, hätte die Antragstellerin sie sicher in die Anhörung der Mitarbeitervertretung eingebracht. Im Übrigen seien die Arbeitszeitbetrüge für einen weitreichenden Zeitraum unstreitig. Die Unterlagen mit den verdachtserhärtenden Informationen hätten sich zum Zeitpunkt der Anhörung teilweise gar nicht im Besitz der Antragstellerin befunden, sondern bei der Mitarbeitervertretung. Der erstinstanzliche Schriftsatz der Antragstellerin vom 1. April 2021, in dem eine Auswertung der Stempelzeiten in Verbindung mit den Fahrtenbüchern und dem Outlook-Kalender vorgenommen worden sei, hätte rund drei volle Arbeitstage in Anspruch genommen.
Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gelte als erteilt, weil die der Mitarbeitervertretung gesetzte Frist zur Stellungnahme am 19. Oktober 2020 abgelaufen sei, ohne dass die Mitarbeitervertretung eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hätte. § 21 Absatz 2 Satz 4 MVG-EKD sei so zu verstehen, dass die Frist zur Reaktion der Mitarbeitervertretung auch bei einem Erörterungsverlangen auf insgesamt drei Arbeitstage verkürzt werden könne. Wäre dieses nicht der Fall, so könnte die Mitarbeitervertretung wegen der Frist des § 626 Absatz 2 BGB das Kündigungsansinnen der Dienststellenleitung allein durch ihr Erörterungsverlangen untergraben. Die von der Dienststellenleitung erklärte Abkürzung der Frist habe sowohl die Frist nach § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD als auch die Frist nach § 38 Absatz 3 Satz 6 MVG-EKD umfasst.
Die Mitarbeitervertretung habe die Zustimmung nicht in beachtlicher Form verweigert. Die Dienststellenleitung bestreite die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung. Es werde bestritten, dass die Ladung zur Sitzung der Mitarbeitervertretung am 29. Oktober 2020 ordnungsgemäß erfolgt sei. Das von der Mitarbeitervertretung vorgelegte Protokoll sei nicht unterschrieben. Es könne sich deshalb um einen bloßen Entwurf handeln.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten vom 23. April 2021 - § VR MVG 37/20 – abzuändern und die Zustimmung der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 zur außerordentlichen Kündigung des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung und Beteiligten zu 2, Herrn E (Beteiligter zu 3) nach §§ 21 Abs. 2, 38 MVG.EKD zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten die Beschwerde für unbegründet. Weder sei die Beteiligte zu 2 unter Vorlage der Outlook-Kalender und Fahrtenbücher angehört worden noch der Beteiligte zu 3 zu einem sich daraus etwa ergebenden Verdacht.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof hat die zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil der Antrag der Dienststellenleitung zulässig, aber unbegründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig, weil die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Kündigung des Beteiligten zu 3, einem Mitglied der Mitarbeitervertretung, verweigert hat und die Dienststellenleitung diese Zustimmung für die von ihr beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3 nach § 21 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD benötigt. Das Kirchengericht ist von der Beteiligten zu 1 fristgerecht angerufen worden.
aa) Die von der Dienststellenleitung geplante Maßnahme gilt nicht nach § 21 Absatz 2 Satz 4 MVG-EKD i.V.m. § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD als gebilligt. Die Beteiligte zu 2 hat in beachtlicher Weise im Sinne des § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD eine mündliche Erörterung beantragt. Von der Wirksamkeit dieses Verlangens ist auszugehen. Zwar hat die Beteiligte zu 1 die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung der Mitarbeitervertretung zu diesem Antrag bestritten. Von der Beteiligten zu 2 ist die Ordnungsgemäßheit daraufhin durch Vorlage der Ladung und des Protokolls der Sitzung hinreichend dargelegt worden. Zwar hat die Beteiligte zu 1 ihr Bestreiten der Ordnungsgemäßheit aufrechterhalten. Das ist aber nicht ausreichend. Konkretisiert eine Arbeitgeberin ihr auf Nichtwissen gestütztes Bestreiten trotz des konkreten Vorbringens des Betriebsrats nicht, wird es unerheblich. Die Arbeitgeberin hätte nach den Darlegungen des Betriebsrats vortragen müssen, in welchen einzelnen Punkten und weshalb die Behauptungen des Betriebsrats nicht als wahr zu erachten seien (BAG, Beschluss vom 30. September 2008, 1 ABR 54/07, Rdnr. 13; Juris). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen für das mitarbeitervertretungsrechtliche Verfahren etwa anderes gelten sollte.
bb) Aus denselben Gründen gilt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht nach § 38 Absatz 3 Satz 6 MVG-EKD als erteilt. Die Beteiligte zu 2 hat auch insoweit die Schriftstücke, aus denen sich die Ordnungsgemäßheit ihrer Beschlussfassung ergibt, vorgelegt, ohne dass die Beteiligte zu 1 ihr auf Nichtwissen gestütztes Bestreiten konkretisiert hat. Damit ist von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung auszugehen.
cc) Schließlich gilt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht deshalb als erteilt, weil die Mitarbeitervertretung sie nicht bis zum 19. Oktober 2020 verweigert hat. Der Kirchengerichtshof hat mit Beschluss vom 31. Mai 2021 in dem Verfahren II-0124/12-2021 einen auf diese Feststellung gerichteten Antrag der Dienststellenleitung rechtskräftig zurückgewiesen.
b) Der Antrag ist unbegründet. Die Dienststellenleitung hat die Mitarbeitervertretung unzureichend unterrichtet. Die von gegenüber der Mitarbeitervertretung mitgeteilten Tatsachen reichen nicht aus, um davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 3 die von der Beteiligten zu 1 angenommenen Arbeitszeitbetrüge darzulegen oder doch zumindest einen dringenden Tatverdacht solcher Arbeitszeitbetrüge zu begründen. Das Kirchengericht geht zurecht davon aus, dass die Stempelkarten allein weder die Annahme von Arbeitszeitbetrügen erlaubten noch einen dringenden Tatverdacht begründeten. Hierfür kann es nur Anhaltspunkte geben, wenn zusätzliche Indizien dafür vorliegen, dass der Beteiligte zu 3 innerhalb der gestempelten Zeiten keine mitarbeitervertretungsrechtlichen Tätigkeiten ausgeübt hat. Insoweit sind aber die Stempelkarten ohne jede Aussagekraft. Aus ihnen allein lässt sich kein Rückschluss auf die vom Beteiligten zu 3 entfalteten Tätigkeiten ziehen. Auch nicht ausreichend ist, dass der Beteiligte zu 3 überhaupt an seinem Wohnort gestempelt hat. Es ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen dieses dann eine Arbeitspflichtverletzung sein soll, wenn er seine Tätigkeit bereits an seinem Wohnort aufgenommen hat. Die Tatsachenangaben der Beteiligten zu 1 gegenüber der Mitarbeitervertretung reichen demgemäß nicht aus, um von Arbeitszeitbetrügen oder dem dringenden Tatverdacht von deren Begehung ausgehen zu können. Demgemäß gibt es keine Grundlage dafür, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu ersetzen. Reicht die Unterrichtung der Mitarbeitervertretung nicht aus, kann der Tatsachenvortrag nicht erst im Verfahren vor den Kirchengerichten erfolgen. Die Dienststellenleitung muss vielmehr die Mitarbeitervertretung vollständig unterrichten. Nur auf der Basis dieser Unterrichtung kann geprüft werden, ob die Zustimmung der Mitarbeitervertretung kirchengerichtlich zu ersetzen ist. Das Verfahren vor den Kirchengerichten ist kein verlängertes Beteiligungsverfahren der Mitarbeitervertretung, sondern dient der Überprüfung, ob die Mitarbeitervertretung aufgrund der ihr mitgeteilten Tatsachen die Zustimmung hätte erteilen müssen. Da dieses aufgrund der von der Dienststellenleitung gegenüber der Mitarbeitervertretung mitgeteilten Tatsachen nicht der Fall war, scheidet eine Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung aus.
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Beteiligte zu 1 vorträgt, dass der Abgleich zwischen Stempelzeiten, Fahrtenbüchern und Outlook-Kalendern einen erheblichen Zeitaufwand von etwa drei Arbeitstagen erfordert haben soll. Die Beteiligte zu 1 war nicht gehalten, die Zustimmung zur Kündigung bereits zu einem Zeitpunkt zu beantragen, bevor sie den Sachverhalt ausreichend ermittelt hat. Die Frist des § 626 Absatz 2 BGB beginnt erst dann zu laufen, wenn die Arbeitgeberin den Kündigungssachverhalt ermittelt hat (KR-Fischermeier, § 626 BGB Rdnr. 337). Sie macht es nicht erforderlich, bereits ohne die Ermittlung eines solchen Sachverhalts das Kündigungsverfahren einzuleiten. Die Arbeitgeberin ist nur gehalten, die gebotene Aufklärung nicht zu versäumen oder zu verzögern (KR-Fischermeier, § 626 BGB Rdnr. 349). Um eine solche Verzögerung handelt es sich aber nicht, wenn die Arbeitgeberin mit einem Abgleich von Daten überhaupt erst zu prüfen versucht, ob ein Pflichtverstoß gegeben ist.
Eine ausreichende Unterrichtung der Mitarbeitervertretung folgt nicht aus dem Grundsatz der „subjektiven Determinierung“, auf den sich die Dienststellenleitung beruft. Dieser Grundsatz bedeutet, dass die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Absatz 1 BetrVG ordnungsgemäß ist, wenn die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die Gründe mitteilt, die sie subjektiv zu der Kündigung veranlassen (BAG, Urteil vom 24. Februar 2000, 8 AZR 167/99, Rdnr. 29; Juris). Dieses ist vor dem Hintergrund bedeutsam, dass nach § 102 BetrVG nicht die Zustimmung des Betriebsrats für eine Kündigung erforderlich ist, sondern nur seine ordnungsgemäße Anhörung vor Ausspruch der Kündigung. Für diese Anhörung reicht es aus, dass die Arbeitgeberin die Gründe mitteilt, die sie „subjektiv determiniert“ haben. Darum geht es aber bei der Erteilung der Zustimmung im mitarbeitervertretungsrechtlichen Verfahren nicht. Hier ist zu prüfen, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, aufgrund dessen die Mitarbeitervertretung die Zustimmung hätte erteilen müssen. Damit will der Kirchengesetzgeber ersichtlich verhindern, dass überhaupt eine Kündigung ausgesprochen werden kann, wenn aus Sicht der Mitarbeitervertretung oder im Falle des Zustimmungsersetzungsverfahrens aus Sicht der Kirchengerichte kein Kündigungsgrund gegeben ist. Daraus folgt, dass die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht bereits zu ersetzen ist, wenn die Dienststellenleitung ihre subjektive Determinierung hinreichend dargelegt hat, sondern nur dann, wenn die der Mitarbeitervertretung mitgeteilten Tatsachen einen Kündigungsgrund ergeben.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).