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Kirchengericht:Disziplinarhof der EKD
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:10.12.2014
Aktenzeichen:0125/1-14
Rechtsgrundlage:DiszG VELKD, § 122 Abs. 2 Halbsatz 2, § 121 Abs. 2 Nr. 2, § 120 Abs. 2, § 119 Abs. 1 Satz 2
Vorinstanzen:Disziplinarkammer der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Az. H 0278 DiszK vom 02.07.2014
Schlagworte:Kostenfestsetzung für rechtsanwaltlichen Beistand
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Leitsatz:

1. Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde im Geltungsbereich des DiszG VELKD.
2. Das Kirchenrecht kann nicht die Vergütung des im Disziplinarverfahren tätigen Verteidigers regeln. Das entzieht sich dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, da die Mandatserteilung an den Verteidiger und dessen Vergütungsanspruch dem staatlichen Recht unterliegt.
3. Die Ausgestaltung des Disziplinarverfahrens unterliegt dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Deshalb hat der Gesetzgeber den Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts, der als Verteidiger im Disziplinarverfahren tätig wird, nicht dem sechsten Teil, sondern den allgemeinen Regelungen im zweiten Teil des VV RVG unterstellt.

Tenor:

Auf die außerordentliche Beschwerde wird der Beschluss des Vorsitzenden der Disziplinarkammer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 2. Juli 2014 (Az.: H 0278 DiszK) aufgehoben und die Beschwerde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gegen den Kostenbescheid des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Disziplinarkammer vom 25. April 2014 kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I. Auf Antrag des Beschwerdeführers hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Disziplinarkammer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern die ihm auf der Grundlage des Beschlusses des Kirchengerichtshofs der EKD - Senate in Disziplinarsachen - vom 13. Februar 2013 (Az.: 0125/1-11) zu erstattenden Kosten auf 4.103,60 € festgesetzt.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hat der Vorsitzende der Disziplinarkammer diesen Kostenbescheid dahingehend abgeändert, dass diese dem Beschwerdeführer lediglich 1.298,19 € nebst Zinsen zu erstatten hat.
Hiergegen richtet sich die außerordentliche Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Wiederherstellung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Disziplinarkammer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern erstrebt.
II.
1. Die außerordentliche Beschwerde ist zulässig. Zwar bestimmt § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 DiszG VELKD, dass die Beschwerdeentscheidung des Vorsitzenden der Disziplinarkammer endgültig ist. Daraus ergibt sich, dass dessen Entscheidung nicht der Anfechtung unterliegt. Etwas Anderes gilt ausnahmsweise jedoch dann, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden der Disziplinarkammer greifbar gesetzeswidrig ist. In diesen Fällen ist jedenfalls im Bereich kirchlichen Disziplinarrechts ausnahmsweise die außerordentliche Beschwerde statthaft. Dabei wird nicht übersehen, dass jedenfalls im Geltungsbereich der ZPO und der VwGO seit der Einführung von § 321a ZPO und § 152a VwGO die Zulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde bei Verletzungen anderer Verfahrensrechte als der Verletzung rechtlichen Gehörs unterschiedlich beurteilt wird (vgl. hierzu Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl., § 152a Rn. 4, vor § 124 Rn. 7 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 321 a Rn. 4). Das anwendbare kirchliche Disziplinarrecht kennt aber keine den §§ 321a ZPO, 152a VwGO vergleichbare Regelung; anders als im Disziplinargesetz der EKD vom 28. Oktober 2009 (ABl.EKD S. 316) ist auch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der VwGO (vgl. § 7 Abs. 1 DG.EKD) nicht vorgesehen. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde beurteilt sich deshalb entsprechend dem Rechtszustand vor Einführung der genannten Vorschriften aufgrund des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220). Nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverwaltungsgerichts war eine von Gesetzes wegen unanfechtbare gerichtliche Entscheidung nur dann ausnahmsweise mit der außerordentlichen Beschwerde anfechtbar, wenn sie greifbar gesetzeswidrig ist. Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit liegt bei qualifizierten, schlicht nicht mehr hinnehmbaren Rechtsanwendungsfehlern vor. In solchen Fällen war im staatlichen Verfahrensrecht allgemein anerkannt, dass auch dann, wenn ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist, ausnahmsweise eine Korrektur durch die nächsthöhere Instanz möglich ist, da nur dadurch das Vertrauen in die Rechtsprechung wiederhergestellt werden kann (vgl. zur Rechtslage vor Einführung des § 321a ZPO/ § 152 a VwGO: BGHZ 28, 349, 350; MDR 1988, 37; BVerwG, Beschluss vom 3. März 1997 - 8 B 32/97 - juris m.w.N.). Im kirchlichen Recht kann insoweit nichts Anderes gelten.
2. Die Beschwerde ist auch begründet, da der Beschluss des Vorsitzenden der Disziplinarkammer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 2. Juli 2014 greifbar gesetzeswidrig ist.
a) Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit liegt vor, wenn die Entscheidung jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. etwa zu § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 3 FGO: BFH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - II B 129/13; BVerwG, Beschluss vom 3. März 1997 - 8 B 32/97 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die Entscheidung des Vorsitzenden der Disziplinarkammer steht offensichtlich zu dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck sowohl von §§ 119 Abs. 1 Satz 2, 120 Abs. 2 DiszG VELKD wie auch den einschlägigen Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (nachfolgend RVG) in Widerspruch.
b) Zutreffend geht der Vorsitzende der Disziplinarkammer noch davon aus, dass die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern nach dem unanfechtbaren Beschluss des Kirchengerichtshofs der EKD - Senate in Disziplinarsachen - vom 13. Februar 2013 die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Richtig ist zudem, dass damit die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers nach § 120 Abs. 2 DiszG VELKD zu erstatten hat und diese insbesondere die Kosten für einen beauftragten Verteidiger umfasst, abgesehen davon, dass vorliegend die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 2 DiszG VELKD einschlägig sein dürfte.
Der Vorsitzende meint nun, dass das DiszG VELKD keine eigenständigen Regelungen dazu enthalte, wie die Höhe der "notwendigen Auslagen" im Sinne des § 120 Abs. 2 DiszG VELKD zu berechnen sei, und diese Regelungslücke dadurch zu schließen sei, dass die staatlichen Regelungen - mithin das RVG - entsprechend anzuwenden seien. Dies ist zum einen widersprüchlich und zum anderen nicht nachvollziehbar. Der Vorsitzende geht selbst davon aus, dass unter dem Begriff der notwendigen Auslagen auch Rechtsanwaltskosten fallen. Dies geht auch aus § 120 Abs. 2 in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Nr. 2 DiszG VELKD hervor, worauf der Vorsitzende zuvor auch hingewiesen hat. Insoweit setzt sich er sich mit seinen vorangegangenen Ausführungen in Widerspruch. Zudem kann das Kirchenrecht nicht die Vergütung des Verteidigers regeln. Dies entzieht sich dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, da die Mandatserteilung an den Verteidiger und dessen Vergütungsanspruch dem staatlichen Recht unterliegt. Ist der Verteidiger in dem Disziplinarverfahren tätig geworden, so erwächst ihm nach dem staatlichen Recht ein Vergütungsanspruch. Vor diesem Hintergrund ist eine Regelungslücke - deren Vorhandensein im Übrigen auch nicht ansatzweise begründet wird - nicht ersichtlich. Auch wird aus den Ausführungen des Vorsitzenden nicht klar, welche staatlichen Regelungen er entsprechend zur Ausfüllung der schlicht behaupteten Lücke heranziehen will. Die von dem Beschwerdeführer an seinen Verteidiger zu zahlende Vergütung ergibt sich aus der Anwendung des RVG.
Soweit die Ausführungen des Vorsitzenden der Disziplinarkammer dahingehend zu verstehen sein sollten, dass er innerhalb des RVG eine Regelungslücke als gegeben ansieht - dies steht freilich in einem ausdrücklichen Widerspruch zu seiner vorangegangenen Aussage, es gehe nicht darum, dass das RVG eine Lücke enthalte -, ist darauf hinzuweisen, dass die von ihm propagierte entsprechende Anwendung von VV RVG Nrn. 6200, 6207 und 6208 in einem klaren Widerspruch zum Wortlaut des RVG steht. Die genannten Gebührentatbestände gelten anerkanntermaßen nur für Disziplinarverfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz, den Disziplinarordnungen der Länder, der Wehrdisziplinarordnung, dem Deutschen Richtergesetz, der Bundesnotarordnung und den Landesgesetzen. Nicht anzuwenden sind sie demgegenüber auf Disziplinarverfahren, die von öffentlichen Religionsgesellschaften auf der Grundlage von Kirchenrecht durchgeführt werden (Klees in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., RVG Nr. 6200-6216 VV Rn. 2; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, Vorb. 6.2 VV Rn. 2; Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., Vorb. 6.2 Rn. 6; Schneider in Riedel/Süßbauer, RVG, 9. Aufl., VV Teil 6 Rn. 19; a. A. nur - allerdings ohne nähere Begründung - Wahlen/N. Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., VV Vorb. 6.2. Rn. 6). Diese Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs findet seine Rechtfertigung darin, dass es dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften obliegt, wie sie Disziplinarverfahren regeln. Sie können diese in Anlehnung an das staatliche Recht ausgestalten, diese aber auch völlig anders ausgestalten. Anders als das staatliche Recht entzieht sich der Bereich kirchlicher Disziplinarverfahren somit einer abstrakten Betrachtungsweise. Daher hat der Gesetzgeber den Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts nicht dem 6. Teil des Vergütungsverzeichnisses (nachfolgend VV RVG), sondern den allgemeinen Regelungen im 2. Teil VV RVG unterstellt. Vor diesem Hintergrund ist aber die von dem Beschwerdeführer vorgelegte Gebührenabrechnung seines Verteidigers zutreffend auf der Grundlage der damit einschlägigen allgemeinen Regelung in VV RVG Nr. 2300 durchgeführt worden.
3. Der Senat kann selbst über die Beschwerde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gegen den Kostenentscheid des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Disziplinarkammer vom 25. April 2014 entscheiden. Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Soweit die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern die Gebührenrechnung des Verteidigers des Beschwerdeführers dahingehend beanstandet, dass der Ansatz der 2,5-fachen Geschäftsgebühr fehlerhaft sei, verkennt sie, dass dem Verteidiger insoweit ein Ermessen zur Seite steht, das nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., 2300 VV Rn. 26 in Verbindung mit § 14 Rn. 5). Solche Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Rechtslage war schwierig und hatte für den Beschwerdeführer - nicht zuletzt auch aufgrund der mit dem Verfahren einhergehenden Presseberichterstattung - eine erhebliche Bedeutung. Zudem stellten auch das hohe Alter und der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers besondere Anforderungen an das Mandatsverhältnis. Auch ist der angesetzte Gegenstandswert nicht zu beanstanden. Seine Berechtigung folgt aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG a.F. bzw. § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG n.F.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 2 DiszG VELKD.