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Kirchengericht: | Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 25.11.2019 |
Aktenzeichen: | 0134/2-2019 |
Rechtsgrundlage: | DG.EKD § 16 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Amtspflichtverletzung, Veruntreuung von Geldern |
Leitsatz:
Durch die wiederholte Veruntreuung von Bestattungsgebühren aus der Friedhofskasse einer Gemeinde schädigt ein Pfarrer das Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit so erheblich, dass dies in der Regel zu seiner Entfernung aus dem Dienst (§ 18 DG.EKD) führen muss. Lediglich besondere Umstände, die belegt sein müssen, rechtfertigen es, ausnahmsweise nur auf eine Amtsenthebung unter Versetzung in den Ruhestand (§ 16 DG.EKD) zu erkennen und von einem Entzug der Rechte aus der Ordination (§ 17 DG.EKD) abzusehen.
Tenor:
Der Beklagte wird unter Versetzung in den Ruhestand seines Amtes enthoben (§ 16 DG.EKD).
Von einer Entziehung der Rechte aus der Ordination wird abgesehen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, § 43 DG.EKD.
Gründe:
I.
Der Beklagte wurde 1965 geboren. Er ist noch mit seiner Ehefrau verheiratet. Die Eheleute haben sich aber auf dem Hintergrund von der Landeskirche gegen sie erhobener strafrechtlicher und disziplinarrechtlicher Vorwürfe getrennt und betreiben die Scheidung. Ihre drei Kinder wurden 1994, 1996 und 1997 geboren. Das jüngste Kind lebt noch bei seiner Mutter. Die beiden älteren Kinder sind bereits eigenständig. Nach seinem zweiten theologischen Examen wurde der Beklagte mit Wirkung vom 1. Mai 2000 in den pfarramtlichen Hilfsdienst der Landeskirche aufgenommen, zum Kandidaten des Pfarramtes ernannt und der Kirchengemeinde A als Pastor coll. zugewiesen. 2001 wurde der Beklagte für die restliche Zeit seines pfarramtlichen Hilfsdienstes in die Kirchengemeinde B versetzt. Im Mai 2001 wurde er durch Herrn Pastor C, den damaligen Präses des Synodalverbandes, ordiniert und zugleich nach erfolgreicher Wahl in der Kirchengemeinde B vom Synodalrat unter Berufung in ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit zum Pfarrer ernannt. Mit Wirkung vom 30. Juni 2013 wechselte der Beklagte in die Kirchengemeinde D, nachdem er vom Moderamen der Gesamtsynode zum dortigen Pfarrer ernannt worden war. Diese Planstelle nach der Besoldungsgruppe A 14 (Erfahrungsstufe 12) besetzt der Beklagte seither bis zur heutigen Verhandlung.
Er ist bis zu den diesem Verfahren zugrunde liegenden Vorwürfen weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.
II.
1. Der Beklagte war in der Zeit von Mai 2001 bis Ende Juni 2013 in der Kirchengemeinde B als Pfarrer tätig. Seine Ehefrau war seit April 2004 bis Ende März 2016 ebenfalls dort beschäftigt und zwar als Rechnungsführerin und als Gemeindesekretärin. In dieser Funktion war sie im Rahmen der Aufgabenumschreibung in § 27 der Kirchenverfassung der Landeskirche u.a. für den Zahlungsverkehr und die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinde zuständig. Dazu erhielt sie mit Datum vom 19. April 2004 eine umfassende Vollmacht über sämtliche Konten und Sparbücher der Gemeinde bei der Volksbank E. Daneben hatte sie Zugriff auf verschiedene Bareinnahmen der Gemeinde, die u.a. aus Kollekten und aus der Vermietung des Gemeindehauses zu privaten Zwecken herrührten. Während seiner Pfarrtätigkeit in der Kirchengemeinde B war der Beklagte überwiegend Vorsitzender des Kirchenrates, der die Verwaltung der Kirchengemeinde zu leiten und zu kontrollieren hatte. Anfang 2016 gab es im Rahmen einer Prüfung der von der Ehefrau des Beklagten erstellten Jahresrechnung für 2014 durch die Rechnungsprüfungsstelle der Landeskirche erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in der Gemeindeverwaltung, bei deren weiterer Untersuchung die Ehefrau des Beklagten einräumte, in den Jahren 2014 und 2015 Geld von Konten der Kirchengemeinde für private Zwecke verwendet zu haben. Die daraufhin vom Landeskirchenamt angeordnete Sonderprüfung, die sich auf den Zeitraum ab 2012 konzentrierte, ergab schließlich, dass die Ehefrau des Beklagten in weitaus größerem Umfang als zunächst von ihr eingeräumt Vermögenswerte der Kirchengemeinde veruntreut und dies zum Teil durch die Fälschung von Obligo-Übersichten der Volksbank E gegenüber dem Kirchenrat und dem Rechnungsprüfungsamt verschleiert hatte.
2. Mit Schreiben vom 13. Januar 2017 erstattete die von der Kirchengemeinde B beauftragte Kanzlei auf der Grundlage eines zuvor erstellten umfassenden Prüfungsberichtes zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegen die Eheleute bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen aller in Betracht kommenden Delikte. Mit Schreiben vom selben Tag leitete der Kirchenpräsident der Landeskirche gegen den Beklagten gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 des Disziplinargesetzes der EKD (DG.EKD) ein Disziplinarverfahren ein, das wegen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 DG.EKD zunächst ausgesetzt wurde. Eine vorläufige Dienstenthebung parallel dazu erfolgte nicht.
3. Nach Anklageerhebung gegen die Ehefrau des Beklagten wurde diese im Dezember 2017 - rechtskräftig seit Ende Dezember 2017 - vom Schöffengericht wegen Urkundenfälschung in drei Fällen in Tatmehrheit mit Untreue in Tatmehrheit mit gewerbsmäßiger Untreue in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Über den im Strafverfahren festgestellten Schaden weit hinausgehend wurde zivilrechtlich in einem Urteil des Arbeitsgerichts von Oktober 2019 erstinstanzlich auf eine Schadenssumme von 220.161,81 € erkannt. In dem von der Ehefrau des Beklagten angestrengten Berufungsverfahren soll es allerdings nach Angaben der Beteiligten des vorliegenden Verfahrens kurz vor dem Abschluss eines Vergleichs stehen, durch welchen die vorstehende Summe sich voraussichtlich vermindern wird.
4. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen einer Beteiligung an den mutmaßlichen Straftaten seiner Ehefrau wurde mit Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2017 gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Der Beklagte bestritt durchweg, von den strafrechtlichen Verfehlungen seiner Ehefrau Kenntnis gehabt zu haben. Dazu ließ er sich dahingehend ein, dass es zwischen den Eheleuten sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich eine Arbeitsteilung gegeben habe, wonach seine Ehefrau allein für die finanziellen Angelegenheiten zuständig gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass die Ehefrau diese Schilderung des Beklagten bestätigte und sich auch aus den gesichteten Unterlagen und den Zeugenvernehmungen keine zwingenden gegenteiligen Rückschlüsse ziehen ließen, verneinte die Staatsanwaltschaft bezüglich des Beklagten insoweit einen hinreichenden Tatverdacht.
5. Mit Schreiben vom 29. September 2017 wurde das Disziplinarverfahren gem. § 29 Abs. 2 DG.EKD fortgesetzt und Herr Landeskirchenrat F vom Landeskirchenamt einer anderen Landeskirche zum Ermittlungsführer bestellt. Am 28. November 2017 wurde das Disziplinarverfahren erneut gemäß § 29 Abs.1 DG.EKD ausgesetzt, weil die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Beklagten wegen neuer Beweise, die im Wesentlichen den Hauptvorwurf der hier vorliegenden Disziplinarklage betrafen, wieder aufgenommen hatte.
6. Am 26. Januar 2018 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beklagten Anklage zum Amtsgericht - Strafrichter -, mit welcher sie ihm zur Last legte, in der Zeit vom 2. April 2012 bis zum 31. Dezember 2012 eine Untreue mit einem Schaden von 4.333,61 € zum Nachteil seiner früheren Kirchengemeinde B begangen zu haben. Dieses Verfahren stellte das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung des Beklagten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss vom 16. Februar 2018 gemäß § 153a Abs. 2 StPO für die Dauer von sechs Monaten unter Auflage ein, innerhalb dieser Frist eine Geldbuße von 6.000,00 € an die Landeskasse zu zahlen und den durch die Tat verursachten Schaden der Kirchengemeinde B in Höhe von 4.333,61 € auszugleichen. Nachdem der Beklagte diese Auflagen erfüllt hatte, wurde das Verfahren durch das Gericht mit Beschluss vom 21. August 2018 endgültig eingestellt und damit rechtskräftig abgeschlossen.
7. Mit unter 6. oben vorbezeichneter Anklageerhebung wurde der Beklagte nach vorheriger Anhörung mit Bescheid des Kirchenpräsidenten der Landeskirche vom 21. Februar 2018 gem. § 44 DG.EKD vorläufig des Dienstes enthoben. Diese Anordnung gilt noch unverändert fort. Von einer Kürzung der Bezüge des Pfarrers ist bislang abgesehen worden.
8. Bereits mit Schreiben des Kirchenpräsidenten der Landeskirche vom 23. April 2018 wurden noch vor der Erfüllung dieser Auflagen die Ermittlungen im Disziplinarverfahren gegen den Beklagten wieder aufgenommen und wegen des durch erfolgter Einstellung im Strafverfahren ersichtlichen disziplinarrechtlichen Überhangs um den Vorwurf aus der Anklageschrift vom 26. Januar 2018 erweitert. Nach abschließenden Ermittlungen durch den Ermittlungsführer erhielten der Beklagte und sein Rechtsbeistand Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen nochmals zu äußern.
Der zusammenfassende Ermittlungsbericht des Ermittlungsführers wurde dem Kirchenpräsidenten der Landeskirche am 29. März 2019 zugesandt.
9. Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 26. Juni 2019 beim Kirchengericht der EKD - Eingang dort am 4. Juli 2019 - im Wesentlichen wegen der Veruntreuung von kirchlichen Geldern gemäß § 266 StGB, daneben weiterhin wegen der Missachtung der gebotenen Sorgfalt in der gemeindlichen Verwaltung, in der pfarramtlichen Geschäftsführung sowie in Vermögens- und Geldangelegenheiten gegen den Beklagten Disziplinarklage und kündigte zunächst an, in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu stellen, gegen den Beklagten die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst gemäß § 18 DG.EKD zu verhängen. Bezüglich des genauen Inhaltes der Disziplinarklage und der darin erhobenen Vorwürfe wird auf Bl. 2-19 der Disziplinarakte und die dort aufgeführten Anlagen Bezug genommen. Auf eine Anfrage des Vorsitzenden Richters, ob sich die Klägerin auch mit einer milderen Maßnahme gem. § 16 DG.EKD (Amtsenthebung unter Versetzung in den Ruhestand) einverstanden erklären könne, habe das Moderamen entschieden, gegebenenfalls auch eine mildere Maßnahme, hier: die Amtsenthebung unter Versetzung in den Ruhestand, mittragen zu können. Da der Beklagte das Recht der öffentlichen Wortverkündigung dazu nutzen könnte, insbesondere vor der betroffenen Gemeinde sein Verhalten zu rechtfertigen und sich in der Opferrolle darzustellen, sehe das Moderamen auch zur Vermeidung gleich gelagerter Taten im kirchlichen Dienst zusätzlich die Notwendigkeit, gemäß § 17 DG.EKD den Entzug der Rechte des Beklagten aus der Ordination zu beantragen. Der Beklagte erhob gegen eine Maßnahme nach § 16 DG.EKD keine Einwendungen, widersprach aber der zusätzlichen Forderung der Landeskirche.
10. Mit Blick auf die unpräzise Beschreibung der weiteren dem Beklagten zur Last gelegten Dienstverfehlungen und deren schwierig möglicher Nachweisbarkeit wurde die Disziplinarklage der Klägerin im allseitigen Einvernehmen durch Beschluss der Kammer gemäß § 59 DG.EKD auf den Vorwurf der Untreue gemäß § 266 StGB und eines damit einhergehenden Dienstvergehens beschränkt.
III.
1. Die Kammer ist im Rahmen der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu folgenden Feststellungen gelangt: Der Beklagte war in der Zeit von Mai 2001 bis Ende Juni 2013 in der Kirchengemeinde B als Pfarrer und während dieser Zeit auch überwiegend als Kirchenratsvorsitzender tätig. Bei der Kirchengemeinde handelt es sich gemäß § 6 der Verfassung der Landeskirche um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er hatte gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 dieser Verfassung gegenüber der Gemeinde eine Vermögensbetreuungspflicht. Obwohl der Beklagte sich nach eigenen Angaben um die Geldangelegenheiten der Gemeinde nur kümmerte, wenn dies für ihn unumgänglich war, suchte er am 2. April 2012 aus von ihm heute nicht mehr nachvollziehbarem Grund eine Filiale der Sparkasse auf, bei der die Kirchengemeinde bereits seit geraumer Zeit keine Konten mehr führte. Der für ihn dort zuständigen Mitarbeiterin stellte er sich als Pfarrer der Kirchengemeinde B vor und gab an, für die Gemeinde ein Girokonto eröffnen zu wollen. Zur Legitimation legte er seine Ordinationsurkunde und seinen Personalausweis vor. In dem Formular zum Abschluss des Girovertrages zwischen der Sparkasse und der Kirchengemeinde B kreuzte der Beklagte an, dass die Kontoauszüge persönlich abgeholt oder per Kontoauszugsdrucker durch den Beklagten als allein Zeichnungsberechtigten erstellt werden sollten. Auf der Unterschriftkarte zu diesem Vertrag war der Beklagte als Alleinzeichnungsberechtigter eingetragen. Dem Beklagten war dabei ohne Zweifel bewusst, dass er durch die eigenmächtige Kontoeröffnung gegen § 25 Abs. 1 S. 1 der Verfassung der Landeskirche verstieß. Danach verwaltet der Kirchenrat das Vermögen der Kirchengemeinde einschließlich des Vermögens der nicht rechtsfähigen Stiftungen und Einrichtungen (hier: des Gemeindefriedhofs) der Kirchengemeinde sowie der Diakoniekasse. Weder vor der Kontoeröffnung noch danach in der nächsten Kirchenratssitzung am 2. Mai 2012 und auch in der Folgezeit bis zu seinem Ausscheiden aus der Gemeinde informierte er den Kirchenrat, dessen Vorsitzender er war, über die Existenz dieses Girokontos bei der Sparkasse. Auch im Rahmen der Rechnungsprüfung für das Jahr 2012 durch das Rechnungsprüfungsamt der Landeskirche zeigte er die Eröffnung des Kontos nicht an. Das tat er bewusst nicht, weil er das Konto gezielt dazu nutzen wollte, an den kirchlichen Kontrollmechanismen vorbei aus Anlass zweier Beerdigungen angefallene Friedhofsgebühren auf das Konto überweisen und sich diese ohne Wissen und Genehmigung der anderen Mitglieder des Kirchenrates zum Großteil bar auszahlen zu lassen.
Das geschah im Einzelnen wie folgt:
Mit einem Gebührenbescheid vom 10. April 2012 erhielt Frau G, eine Angehörige eines am 2. April 2012 auf dem Friedhof der Gemeinde B beigesetzten Mannes, vom Gemeindebüro die Aufforderung, die anlässlich der Beisetzung entstandenen Gebühren in Höhe von 2.230,00 € auf das vom Beklagten bei der Sparkasse am Beerdigungstag eröffnete Konto zu überweisen. Da das Schreiben nicht unterzeichnet war und auch keine weiteren Hinweise auf den Verfasser oder die Verfasserin enthielt, konnte nur der Beklagte selbst oder eine nicht ermittelte dritte Person die geänderte, der Gemeinde offiziell nicht bekannte Kontoverbindung darin eingetragen haben. Der angeforderte Betrag ging am 18. April 2012 auf dem vorgenannten Konto ein. Mit einem weiteren Gebührenbescheid vom 24. April 2012 erhielt Frau H, eine Angehörige eines zwei Tage nach der Kontoeröffnung am 4. April 2012 auf dem Gemeindefriedhof beigesetzten Mannes die Aufforderung, in gleicher Weise wie zuvor Friedhofsgebühren in einer Gesamthöhe von 2.362,41 € zu überweisen. Dieser Betrag wurde dem vom Beklagten eröffneten Konto bei der Sparkasse am 3. Mai 2012 gutgeschrieben. Nachdem der Beklagte bereits am selben Tag für die Bezahlung einer Ledertasche, die er nach eigenen Angaben für dienstliche Zwecke verwenden wollte, von dem besagten Konto 175,00 € hatte abbuchen lassen, hob er am 4. Mai 2012 und am 23. Mai 2012 jeweils 2.000,00 € in bar ab, wobei er den Empfang jeweils auf dem Barauszahlungsbeleg mit seiner Unterschrift bestätigte. Danach fanden bis zur Aufdeckung der Existenz dieses Kontos keine vom Beklagten veranlassten Kontobewegungen mehr statt. Ob der Beklagte die abgehobenen Bargeldbeträge privat für sich verwendet hat oder diese - wie er angibt - über das Gemeindebüro wieder der Gemeinde hat zukommen lassen, konnte nicht geklärt werden. Ein entsprechender Geldeingang war jedenfalls im Gemeindebüro als Bareinzahlung nicht zu verzeichnen.
2. Die vorstehenden Feststellungen insbesondere zum objektiven Tatgeschehen beruhen im Wesentlichen auf der Ermittlungsakte im Disziplinarverfahren und insbesondere auf den darin befindlichen Unterlagen zur Kontoeröffnung und -führung, die in Augenschein genommen wurden und deren Richtigkeit der Beklagte in der Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat.
3. Zu dem daraus abgeleiteten Vorwurf der Untreue zum Nachteil seiner früheren Gemeinde lässt der Beklagte sich wie folgt ein:
Er könne sich trotz intensiven Nachdenkens nicht mehr daran erinnern, aus welchem Grund er das Konto bei der Sparkasse eröffnet habe, und bedaure, die Gemeinde B insofern im Unklaren lassen zu müssen. Er betone nachdrücklich, dass er das Konto nicht habe verheimlichen wollen. Zum Zeitpunkt der Information über dessen Existenz durch seinen Anwalt habe er es nicht mehr präsent gehabt. Am selben Abend habe eine Kirchenratssitzung stattgefunden, anlässlich derer er den Vizepräsidenten der Landeskirche sogleich darüber informiert habe, dass da etwas aufgetaucht sei. Er vermute, dass diese Finanzvorfälle „an ihm vorbeigerauscht“ seien. Die Tatsache der Kontoeröffnung sei ihm nicht mehr präsent gewesen. Der Vorfall habe fünf Jahre zurückgelegen. Er habe versucht, sich an die damaligen Begleitumstände zu erinnern. Zum damaligen Zeitpunkt sei er beruflich und privat sehr angespannt gewesen. Er habe neben seiner ordentlichen Tätigkeit in der Kirchengemeinde B eine Vakanzvertretung in einer anderen Kirchengemeinde zugeteilt bekommen. Dort habe er Konfirmandenunterricht erteilt. Er habe den Kirchenrat in B darüber informiert, dass der Umfang seiner beruflichen Verpflichtungen in beiden Kirchengemeinden zu groß gewesen sei; auf Verständnis sei er aber nicht gestoßen. Ganz im Gegenteil: Im Anschluss an den Konfirmandenunterricht habe er einen weiteren Vertretungsauftrag erhalten. Eine Kirchengemeinde sollte an einen Kirchenkreis angeschlossen werden. Auch hier habe er als Vakanzvertreter die ganze Abwicklung begleiten müssen. Zusätzlich habe es im familiären Bereich belastende Probleme gegeben. Anfang 2012 habe sich seine Tochter mit Einverständnis ihrer Eltern wegen Anpassungsschwierigkeiten nach einer langen Krankheit selbst in die Psychiatrie eingewiesen. Daneben habe es zwei weitere Kinder gegeben, um die er sich habe kümmern müssen, was ihm aber nur unzureichend gelungen sei. Die beiden Geschwister hätten während der ganzen Zeit schon sehr zurückstecken müssen.
Der Beklagte räumte ein, den folgenden, üblichen Ablauf bei Eingang einer Rechnung wohl nicht eingehalten zu haben: Zunächst erfolge eine kurze Sichtung der Rechnung durch den Pfarrer oder Kirchmeister, anschließend eine Hinterlegung im Gemeindebüro. Jede Rechnung müsse doppelt geprüft und sodann mit zwei Unterschriften vertretungsberechtigter Gemeindeglieder versehen werden, bevor sie in der Sitzung dem Kirchenrat zur Einsicht vorgelegt werde. Der Kirchenrat entscheide so auch, wem Kontovollmacht erteilt werde. Vorliegend habe nur seine Unterschrift vorgelegen, so dass der an sich vorgeschriebene Ablauf nicht eingehalten worden sei. Vermutlich habe er vergessen, dass die Kontoeröffnung eigentlich noch in einer Kirchenratssitzung hätte behandelt werden müssen.
4. Am Ende der Beweisaufnahme stellt der Vertreter der Klägerin den bereits angekündigten Antrag, den Beklagten unter Versetzung in den Ruhestand seines Amtes zu entheben. Darüber hinaus beantragt er für die Klägerin, dem Beklagten die Rechte aus der Ordination zu entziehen.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise auf die Maßnahme der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand unter Beibehaltung der Rechte aus der Ordination zu erkennen.
IV.
1. Die Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD ist für die Entscheidung über die Vorwürfe aus der Disziplinarklage der Klägerin zuständig. Diese hat sich als Gliedkirche den Bestimmungen des Disziplinargesetzes der EKD (nachfolgend DG.EKD) vom 28. Oktober 2009 (ABl. EKD 2009 S. 316, 2010, S.263) und damit deren Disziplinargerichtsbarkeit unterworfen. Über die Ermächtigung in § 4 Abs. 4 DG.EKD hat sie gem. § 1 des Kirchengesetzes der Evangelisch-reformierten Kirche zur Ausführung des Disziplinargesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 20. Mai 2011 (GVBl. d. Ev.-ref. Kirche Bd. 19 S. 184) den Kirchenpräsidenten zur Disziplinaraufsicht führenden Stelle bestimmt, so dass dieser vorliegend auch befugt war, Disziplinarklage gegen den Beklagten zu erheben.
2. Die Disziplinarklage ist im Wesentlichen auch begründet.
Diese Einlassung des Beklagten zur subjektiven Seite seines Fehlverhaltens stellt sich für die Kammer ohne vernünftige Zweifel als Schutzbehauptung dar, weil die Gesamtheit der unstreitig feststehenden Tatsachen keinen anderen vernünftigen Grund dafür liefern kann, in derart massiver, nicht allein pflichtwidriger, sondern strafbarer Weise die Vermögensinteressen seiner alten Kirchengemeinde zu verletzten. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Begehung dieser Tat auf Grund der von ihm glaubhaft geschilderten beruflichen und familiären Belastungen unter einem großen Druck gestanden hat. Das allein vermag aber das Verhalten und die fehlende Erinnerung des Beklagten daran nicht ernsthaft zu erklären, geschweige denn zu entschuldigen. Die Kammer weist darauf hin, dass es sich vorliegend nicht um eine Spontantat oder eine Kurzschlussreaktion des Beklagten auf eine plötzliche finanzielle Notlage, sondern um eine sorgfältig vorbereitete und durchdachte Finanzmanipulation handelt, die durch verschiedene Maßnahmen des Beklagten gegen eine Aufdeckung durch kirchliche Kontrollmechanismen zusätzlich abgesichert wurde. Die Kammer verweist insoweit nur auf den vom Beklagten festgelegten Umgang mit den Kontoauszügen, auf seine Alleinzeichnungsberechtigung, auf die Veränderung des Gemeindekontos allein in den ergangenen Gebührenbescheiden zu den Friedhofskosten der beiden Beisetzungen, auf die Barabhebung von jeweils 2.000,00 € in einem zeitlichen Abstand von mehr als zwei Wochen und „Kontostilllegung“ danach. All diese Einzelhandlungen fügen sich für die Kammer zu einem Gesamtbild, das nur den Schluss zulässt, dass der Beklagte sich - wie von der Staatsanwaltschaft und vom Strafrichter zu Recht angenommen - vorsätzlich gehandelt und sich damit wegen Untreue strafbar gemacht hat, wobei es für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichend ist, dass der Beklagte eine sog. schwarze Kasse angelegt hat, mit Hilfe derer er Vermögenswerte der Gemeinde verschleiern und deren Kontrolle entziehen konnte. Eines Nachweises, dass der Beklagte die abgehobenen Barbeträge für sich privat verwendet hat, bedurfte es nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bei diesen Handlungen schuldunfähig oder in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt war, liegen ersichtlich nicht vor und sind auch nicht vorgetragen worden.
V.
1. Die dem Beklagten damit insgesamt anzulastende Straftat der Untreue gemäß § 266 StGB und dadurch zugleich verwirklichte Dienstpflichtverletzung des § 25 Abs. 1 S. 1 der Kirchenverfassung der Landeskirche stellt zwar eine Verfehlung dar, die - wie von der Klägerin ursprünglich angestrebt - grundsätzlich auch geeignet sein kann, eine Entfernung aus dem Dienst gemäß § 18 DG.EKD zu rechtfertigen. Der Beklagte hat im Ergebnis durch sein Verhalten gerade als Pfarrer die Glaubwürdigkeit der Landeskirche und ihrer Verkündigung in erheblichem Maße beeinträchtigt. Darauf galt es, in diesem Verfahren zu reagieren und dazu beizutragen, das Ansehen der Kirche, die Funktionsfähigkeit ihres Dienstes und eine auftragsgemäße Amtsführung zu sichern. Dabei hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass die Verfehlung parallel zu den aufgedeckten und abgeurteilten Straftaten seiner Ehefrau begangen wurde, wobei trotz eines nahe liegenden Anfangsverdachts eine Mitverantwortlichkeit des Beklagten dafür und im umgekehrten Fall seiner Ehefrau nicht nachweisbar war. So ist es auch strafrechtlich wegen der Tat des Beklagten nicht zu einer förmlichen Verurteilung gekommen. Der Beklagte kann sich nach rechtskräftiger Entscheidung gemäß § 153 a StPO weiterhin als nicht vorbestraft bezeichnen. Der Beklagte hat den durch die Tat angerichteten Vermögensschaden der Kirchengemeinde ausgeglichen und hat sich zu der Verantwortung auch für den Schaden bekannt, der durch die Straftaten seiner Ehefrau angerichtet worden ist. Das Disziplinarverfahren gegen ihn ist seit nunmehr über drei Jahren anhängig. Der Beklagte ist darüber hinaus seit dem 21. Februar 2018 vorläufig des Dienstes enthoben und damit nicht mehr in seiner Gemeinde in C tätig. Er wohnt inzwischen in einer anderen Stadt. Die Kammer ist daher im Rahmen einer Gesamtabwägung der Tatumstände und der persönlichen Situation des Beklagten zu dem Ergebnis gelangt, dass vorliegend als alleinige Reaktion darauf die mildere Disziplinarmaßnahme der Amtsenthebung unter Versetzung in den Ruhestand gemäß § 16 DG.EKD ausreichend ist, um den in § 1 des DG.EKD umschriebenen Zwecken eines kirchlichen Disziplinarverfahrens zu genügen. Der Beklagte, der aus Sicht der Kammer insgesamt das Unrecht seines Verhaltens erkannt und eingestanden hat, steht ersichtlich vor den Trümmern seines bisherigen Lebens und sollte daher durch eine Entfernung aus dem Dienst nicht endgültig in den persönlichen und wirtschaftlichen Abgrund gestürzt werden. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Beklagte, der bis zu diesem Vorfall seinen Dienst ordnungsgemäß und gewissenhaft ausgeführt hat, die Chance verdient hat, sein Leben neu zu ordnen.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin hielt die Kammer es auch nicht für erforderlich, über diese Maßnahme hinaus einen Entzug der Rechte aus der Ordination gemäß § 17 DG.EKD auszusprechen. Die Kammer versteht durchaus die ursprüngliche Sorge der Klägerin, der Beklagte könne im Rahmen der Wortverkündung den Versuch unternehmen, sich als Opfer der Kirche darzustellen. Diese Gefahr sieht die Kammer aktuell in der oben beschriebenen neuen Lebenssituation des Beklagten nicht mehr. Der Vorsitzende hat den Beklagten darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung nachdrücklich belehrt, dass eine zukünftige Thematisierung seines Verhaltens in der Wortverkündung einen erneuten Disziplinarverstoß mit einer möglichen Reaktion der Entfernung aus dem Dienst darstellen würde, wenn dadurch das Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit beschädigt werden könnte. Auch hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass der Beklagte eine Beschäftigung im kirchlichen Bereich anstreben und erhalten kann, mit welcher er Verantwortung für den Umgang mit Finanzmitteln übernehmen müsste, so dass insoweit auch eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen erscheint. Dadurch dass dem Beklagten die Rechte aus der Ordination verbleiben, wird seine Suche nach einem Hinzuverdienst zur stark gekürzten Pension nicht über Gebühr eingeschränkt und er erhält zugleich die Möglichkeit, wie angekündigt an der Schadenswiedergutmachung mitzuwirken.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 43, 79 DG.EKD.
(Es folgt die Rechtsmittelbelehrung; auf den Abdruck wird verzichtet.)