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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 18.03.2024 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/31-23 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD §§ 21 Abs. 2, 38 Abs. 3 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen, Beschluss vom 15. August 2023, Az. 2 M 19/23 |
Schlagworte: | Kündigung MAV-Mitglied, Zustimmungsersetzung |
Leitsatz:
1. Die Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der MAV nach § 21 Abs. 2 S. 2 MVG-EKD durch die Mitarbeitervertretung ist nicht auf den Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 41 MVG-EKD beschränkt; es handelt sich nicht um einen Fall der nur eingeschränkten Mitbestimmung (Aufgabe von KGH-EKD 22. November 2010, Az. I-0124/S48-10, www.kirchenrecht-ekd.de).
2. Die Zustimmung der MAV zu einer außerordentlichen Kündigung gilt nicht deshalb kraft Fiktion als erteilt, weil die Zustimmungsverweigerung nach § 21 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 38 Abs. 3 S. 1 MVG-EKD nicht unter (ausreichender) Angabe von Gründen erfolgt ist; auf die Tiefe und den Umfang der Begründung der Zustimmungsverweigerung durch die Mitarbeitervertretung kommt es nicht an. Der Dienstgeber muss bei einer schriftlichen Verweigerung der Zustimmung der MAV im kirchengerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 60 Abs. 6 MVG-EKD Tatsachen nach § 21 Abs. 2 S. 1 MVG-EKD darlegen, die ihn zur außerordentlichen Kündigung berechtigen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 15. August 2023, Az. 2 M 19/23, abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3.
Der Beteiligte zu 3. ist seit dem 1. Mai 2011 bei der Antragstellerin in der Verwaltung tätig. Die Antragstellerin betreibt eine Einrichtung der Jugendhilfe. Der Beteiligte zu 3. ist stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung.
In einem Parallelverfahren (erstinstanzliches Aktenzeichen 2 M 20/22, Aktenzeichen KGH-EKD II-0124/22-2023) haben die Beteiligten über den Umfang der Freistellung nach § 20 MVG-EKD gestritten. Die Antragsgegnerin, die bei der Antragstellerin gebildete Mitarbeitervertretung, hatte in mehreren Beschlüssen zum Ausdruck gebracht, 1,5 Freistellungen für die Mitarbeitervertretung in Anspruch nehmen zu wollen. Nach der Staffel des § 20 Absatz 2 sind bei ca. 550 Mitarbeitenden in der Dienststelle zwei Mitglieder der Mitarbeitervertretung mit jeweils der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter freizustellen. In einer weiteren E-Mail der Mitarbeitervertretung vom 23. Juni 2022 wurde der Dienststelle Folgendes mitgeteilt:
„... hiermit teilt die Mitarbeitervertretung Ihnen mit, dass Herr D bei der Durchführung einer geheimen Wahl auf der Sitzung am 22.06.2022 zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung gewählt worden ist. Auf Beschluss des Gremiums der Mitarbeitervertretung vom 22.06.2022 wird Herr D eine 19,5-Stunden-Freistellung in der Woche für Verwaltung und Stellvertretung zugesprochen. Herr D wird an jedem Dienstag und Mittwoch einer Woche ganztägig für die Mitarbeitervertretung arbeiten. Die verbleibenden ca. 3,5 Stunden wird Herr D flexibel und bedarfsorientiert für die Erledigung seiner Arbeiten einsetzen...“.
Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung haben im Dezember 2023 eine Dienstvereinbarung nach § 20 Absatz 1 MVG-EKD geschlossen. Danach ist nunmehr der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung mit 1,0 von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt; eine weitere Freistellung in Höhe von 0,25 ist für Verwaltungstätigkeiten vereinbart.
Der Beteiligte zu 3. erhielt im Jahr 2022 in der Zeit vom 2. September 2022 bis zum 2. November 2022 11 schriftliche Abmahnungen. Vorgeworfen wurde ihm, sich nicht rechtzeitig vor Beginn der MAV-Tätigkeit abgemeldet und den Ort der MAV-Tätigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitgeteilt zu haben. Mehrfach habe er MAV-Tätigkeiten ohne vorherige Mitteilung aufgenommen. In einem daraufhin zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung geführten Schiedsstellenverfahren wurde die Dienststellenleitung verpflichtet, die dem Beteiligten zu 3. erteilten Abmahnungen aus dem Zeitraum vom 2. September 2022 bis zum 2. November 2022 aus der Personalakte zu entfernen.
Erstmals am 29. Dezember 2022 hat die Dienststellenleitung gegenüber der Mitarbeitervertretung beantragt, einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. zuzustimmen. Die Schlichtungsstelle hat im kirchengerichtlichen Verfahren diesbezüglich entschieden, dass die unter dem 29. Dezember 2022 beantragte Zustimmung der Mitarbeitervertretung als erteilt gilt. Die Dienststellenleitung hat daraufhin eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen.
Streitgegenständlich ist ein erneuter Antrag der Dienststellenleitung an die Mitarbeitervertretung vom 23. Mai 2023 auf Zustimmung zu einer weiteren außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 3. habe am 15. Mai 2023 in der Zeit von 8 Uhr bis 16.30 Uhr seine vertragliche Arbeitstätigkeit verrichten müssen, er sei jedoch nicht um 8 Uhr an seinem Arbeitsplatz gewesen, sondern habe erst mit E-Mail von 9:55 Uhr mitgeteilt, dass er ab sofort wieder an seinem Arbeitsplatz erreichbar sei. Es werde vermutet, dass der Beteiligte zu 3. im Büro der Mitarbeitervertretung gewesen sei. Zudem habe der Beteiligte zu 3. sich am 22. Mai 2023 um 8:49 Uhr per E-Mail für den 22. Mai 2023 ab 15.15 Uhr für Tätigkeiten der Mitarbeitervertretung abgemeldet. Das sei nicht rechtzeitig gewesen, zudem sei der Ort der Tätigkeit nicht angegeben worden.
Die Dienststellenleitung wertet das Verhalten des Beteiligten zu 3. als beharrliche Arbeitsvertragspflichtverletzung; sie hat in dem Antrag an die Mitarbeitervertretung auf die erhebliche Anzahl an vorgreiflichen Abmahnungen verwiesen. Die Mitarbeitervertretung hat mit Schreiben vom 25. Mai 2023 die Zustimmung wie folgt verweigert:
„... teilen Ihnen mit, dass Ihr Antrag auf Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gemäß § 21 Absatz 1 MVG für Herrn D von der Mitarbeitervertretung in ihrer Sitzung am 25.05.2023 per Beschluss einstimmig abgelehnt wurde... Die Ablehnung ist Antrages erfolgte einstimmig. Des Weiteren war das Gremium entsetzt über Ihre Vorgehensweise und Ihre Begründung, die sich nachweislich auf Unwahrheiten beruft. Die gleiche Fassungslosigkeit wurde geäußert zu Ihren Abmahnungen, welche sich ebenfalls auf falsche inhaltliche Aussagen berufen...“.
Nach Eingang dieser Stellungnahme hat die Dienststellenleitung am 30. Mai 2023 das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3. aus verhaltensbedingten Gründen außerordentlich fristlos gekündigt. Mit dem am 7. Juni 2023 bei der Schlichtungsstelle eingegangenen Verfahren hat sie geltend gemacht, die schriftliche Zustimmungsverweigerung sei nicht ausreichend begründet und deshalb unbeachtlich, sodass die Zustimmung als erteilt gelte.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Mitarbeiters Herrn D als erteilt gilt,
hilfsweise,
2. festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters Herrn D vorliegt,
äußerst hilfsweise:
3. die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters Herrn D zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen,
und die Auffassung vertreten, die Schlichtungsanträge seien bereits unzulässig, weil die Kündigung bereits ausgesprochen und Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens sei.
Die gegen die Kündigung vom 30. Mai 2023 erhobene Kündigungsschutzklage war erstinstanzlich erfolgreich, das Berufungsverfahren ist anhängig.
Die Schlichtungsstelle hat dem Hauptantrag mit der angefochtenen Entscheidung entsprochen unter Hinweis darauf, die Zustimmungsverweigerung sei mangels ausreichender Begründung unwirksam, sodass die Zustimmung kraft Fiktion als erteilt gelte. Mit der Beschwerde wendet sich die Mitarbeitervertretung gegen diese Entscheidung und beantragt,
auf die Beschwerde den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen vom 15. August 2023 – 2 M 19/23 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
B.
Die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist begründet. Die Anträge sind zurückzuweisen.
1. Der Hauptantrag der Dienststellenleitung ist unbegründet. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. vom 30. Mai 2023 gilt nicht nach §§ 21 Absatz 2 Satz 4, 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD als erteilt.
a) Der Antrag der Dienststellenleitung ist zulässig. Der Zulässigkeit steht entgegen der Auffassung der Mitarbeitervertretung nicht entgegen, dass die Dienststellenleitung bereits am 30. Mai 2023 und damit vor Einleitung des Schlichtungsverfahrens die außerordentliche Kündigung erklärt hat, die der Beteiligte zu 3. vor einem staatlichen Arbeitsgericht angegriffen hat. Es ist unerheblich, dass die Frage des Eintritts der Zustimmungsfiktion im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens geprüft werden muss. Maßgeblich ist, dass zwischen der Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung in Bezug auf die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ein Rechtsverhältnis besteht, dessen Inhalt die Dienststellenleitung gegenüber der Mitarbeitervertretung durch Entscheidung der Schlichtungsstelle dahingehend feststellen können lassen muss; ob nach § 21 Absatz 2 Satz 4 MVG-EKD i.V.m. § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD die Zustimmung der Mitarbeitervertretung als erteilt gilt. Das Feststellungsinteresse erlischt erst in dem Moment, wo eine rechtskräftige Entscheidung über die ausgesprochene außerordentliche Kündigung getroffen wird. Dies ist (noch) nicht der Fall.
b) Der Antrag ist unbegründet. Die Mitarbeitervertretung hat mit Schreiben vom 25. Mai 2023 die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung rechtswirksam verweigert. Die Zustimmungsfiktion ist nicht eingetreten.
(1) Nach § 21 Absatz 2 Satz 1 MVG-EKD darf einem Mitglied der Mitarbeitervertretung nur gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die den Dienstgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Nach § 21 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD bedarf die außerordentliche Kündigung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
(2) Die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung mit Schreiben vom 25. Mai 2023 rechtswirksam verweigert. Entgegen der Auffassung der Dienststellenleitung gilt die Zustimmung nicht deshalb kraft Fiktion als erteilt, weil die Zustimmungsverweigerung nach § 21 Absatz 2 Satz 4 i.V.m. § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD nicht unter (ausreichender) Angabe von Gründen erfolgt ist. Zwar hat nach § 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD die Mitarbeitervertretung die Zustimmungsverweigerung gegenüber der Dienststellenleitung schriftlich zu begründen. Daraus folgt jedoch nicht, dass nur eine unter substantiierter Angabe von Gründen erfolgte Zustimmungsverweigerung den Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 38 Absatz 3 Satz 1 oder Satz 6 MVG-EKD zu einer außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung rechtswirksam verhindert. Die Verpflichtung der Mitarbeitervertretung, nach § 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD eine Verweigerung der Zustimmung zu begründen, ist in Umfang und Rechtsfolge im Zusammenhang mit dem jeweiligen Mitbestimmungstatbestand zu verstehen. Im Einzelnen gilt:
aa) Steht zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung eine personelle Einzelmaßnahme nach §§ 42, 43 MVG in Streit, hat die Mitarbeitervertretung ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht. Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmungsverweigerung ausschließlich auf die in § 41 Absatz 1 oder Absatz 2 MVG-EKD aufgeführten Gründe stützen. Die von der Mitarbeitervertretung angezogenen Gründe determinieren das anschließende auf Feststellung des Nichtvorliegens von Verweigerungsgründen gerichtete kirchengerichtliche Verfahren (§ 60 Absatz 5 MVG-EKD). Zwar dürfen an die schriftliche Begründung der Zustimmungsverweigerung nach § 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden (KGH-EKD 18. Juni 2012 - Az. II-0124/T36-11, www.kirchenrecht-ekd.de; JMNS Mestwerdt MVG-EKD § 38 Rn. 60); da die Mitarbeitervertretung bei einem kirchengerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren aber keine Gründe nachschieben kann, die sie innerhalb der Rügefrist nicht vorgebracht hat (KGH-EKD 7. April 2008, Az. I-0124/N80-07, www.kirchenrecht-ekd.de), muss die Zustimmungsverweigerung erkennen lassen, aufgrund welcher Tatsachen die Mitarbeitervertretung einen der in § 41 Absatz 1 und 2 abschließend aufgezählten Gründe für die Zustimmungsverweigerung als im Einzelfall zutreffend ansieht. Nur die in der schriftlichen Begründung aufgeführten Zustimmungsverweigerungsgründe werden im Verfahren nach § 60 Absatz 5 MVG-EKD geprüft.
bb) Verweigert die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung in einer Angelegenheit nach § 40 MVG-EKD, so ist die Anrufung des Kirchengerichts nach § 38 Absatz 4 Satz 2 MVG-EKG ausgeschlossen, es entscheidet die Einigungsstelle nach § 38 Absatz 4 Satz 3 auf Antrag eines der Beteiligten. Die Einigungsstelle sucht eine abschließende, umfassende und für alle Beteiligten im Einzelfall sinnvolle Regelung, sie ist aber nicht auf die Prüfung zuvor formal geltend gemachter Zustimmungsverweigerungsgründe beschränkt; ein „Nachschieben“ weiterer Einwände gegenüber dem Regelungsentwurf der Dienststelle im Verfahren vor der Einigungsstelle ist möglich (JMNS/Mestwerdt MVG-EKD § 38 Rn. 64). Deshalb kann zwar auch bei einer Angelegenheit nach § 40 MVG-EKD die Zustimmungsfiktion des § 38 Absatz 3 Satz 1 oder 6 MVG-EKD greifen; sodass eine schriftliche Zustimmungsverweigerung durch die Mitarbeitervertretung nach wie vor erforderlich ist. Die Zustimmungsfiktion tritt aber nicht bereits deshalb ein, weil es an einem bestimmten Grad der Substantiierung von Gründen fehlt. Weder ergibt sich diese Rechtsfolge aus dem Wortlaut von § 38 Absatz 3 Satz 1 oder 6 MVG-EKD (lediglich: „schriftlich die Zustimmung verweigert“), noch bedarf es nach dem Zweck des nachfolgenden Einigungsstellenverfahrens der förmlichen Angabe von Zustimmungsverweigerungsgründen.
cc) Ist wie vorliegend die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung im Streit, so ist die Mitarbeitervertretung nicht auf den Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 41 MVG-EKD beschränkt; es handelt sich nicht um einen Fall der nur eingeschränkten Mitbestimmung. Das Kirchengericht prüft bei einer Zustimmungsverweigerung durch die Mitarbeitervertretung nicht, ob es Gründe für die Zustimmungsverweigerung gegeben hat; vielmehr hat der Dienstgeber im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 60 Absatz 6 MVG-EKD Tatsachen nach § 21 Absatz 2 Satz 1 MVG-EKD darzulegen, die ihn zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Auf die Tiefe und den Umfang der Begründung der Zustimmungsverweigerung durch die Mitarbeitervertretung kommt es deshalb nicht an, die Zustimmungsverweigerung muss nicht auf bestimmte Gründe gestützt werden (JMNS/Voßkühler § 21 MVG-EKD Rn. 33; a.A. Fey/Rehren § 21 MVG-EKD § 21 Rn. 21). Soweit der Kirchengerichtshof in früherer Rechtsprechung (KGH-EKD 22. November 2010, Az. I-0124/S48-10, www.kirchenrecht-ekd.de) die Auffassung vertreten hat, Prüfungsgegenstand der Zustimmungsersetzung nach § 21 Absatz 3 MVG-EKD bei einer beabsichtigten Kündigung gegenüber einem Mitarbeitervertreter seien nur die Einwände, die die Mitarbeitervertretung in ihrer schriftlichen Zustimmungsverweigerung rechtzeitig vorgebracht habe und diese seien rechtlich nur beachtlich, soweit sie auf einem Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 41 Absatz 2 MVG-EKD beruhten, hält der Kirchengerichtshof daran nach vorstehenden Erwägungen nicht fest. Letztlich gebieten der Schutz der Mitglieder der Mitarbeitervertretung vor einer Benachteiligung und das Gebot, die Unabhängigkeit für die Ausübung des Amtes zu erhalten, das an die Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer außerordentlichen Kündigung keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Die Zustimmungsfiktion des § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD ist vorliegend deshalb nicht eingetreten, die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung rechtswirksam „schriftlich“ i.S.v. § 38 Absatz 3 Satz 1 MVG-EKD verweigert.
b) Unabhängig davon enthält die Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung vom 25. Mai 2023 eine Begründung. Die Abmahnungen, auf die die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gestützt wird, werden als inhaltlich falsch beurteilt. Damit war für die Dienststellenleitung deutlich erkennbar, dass die Mitarbeitervertretung den Kündigungssachverhalt nicht teilt. Sie war deshalb gehalten, das Kirchengericht nach § 21 Absatz 2 Satz 4 i.V.m. § 38 Absatz 4 MVG-EKD anzurufen um nach § 60 Absatz 6 MVG-EKD die Zustimmung der Mitarbeitervertretung ersetzen zu lassen.
2. Der hilfsweise zu 2. gestellte Antrag ist bereits unbegründet, weil im Verfahren der Zustimmungsersetzung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung nicht geprüft wird, ob ein Grund zur Verweigerung zur Kündigung vorliegt, sondern vielmehr, ob die Zustimmung zu ersetzen ist (§ 60 Absatz 6 MVG-EKD).
3. Der Hilfsantrag zu 3., die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters Herrn D zu ersetzen, ist unbegründet. Gründe, die die Dienststellenleitung zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen (§ 21 Absatz 2 Satz 1 MVG-EKD), liegen nicht vor. Die Beteiligten streiten über Verstöße gegen An- und Abmeldepflichten im Zusammenhang mit der Erledigung von Aufgaben der Mitarbeitervertretung. Etwaige Verstöße gegen An- und Abmeldepflichten können regelmäßig nur in besonderen Konstellationen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Vorliegend liegen diese Umstände bereits deshalb nicht vor, weil nach einem Beschluss der Mitarbeitervertretung vom 23. Juni 2022 der Beteiligte zu 3. mit der Hälfte seiner Arbeitszeit gegenüber der Dienststellenleitung als freigestellt benannt worden war. Zwar haben die Beteiligten in einem weiteren kirchengerichtlichen Verfahren über die „Wirksamkeit“ dieses Freistellungsbeschlusses nach § 20 Absatz 4 Satz 1 MVG-EKD gestritten, der Beteiligte zu 3. konnte sich aber bis zu einer Entscheidung über die „Anfechtung“ auf den Beschluss stützen und sein An- und Abmeldeverhalten daran ausrichten. Auf Grundlage dieses Beschlusses war der Beteiligte zu 3. zunächst nicht verpflichtet, den Ort seiner Mitarbeitervertretungstätigkeit anzugeben (BAG 24. Februar 2016 – 7 ABR 20/14), zudem wusste die Dienststellenleitung, wie sich aus dem Anhörungsschreiben gegenüber der Mitarbeitervertretung ergibt, dass der Beteiligte zu 3. sich am 15. Mai 2023 im Mitarbeitervertretungsbüro aufgehalten hatte. Soweit er sich am 22. Mai 2022 morgens per Email für nachmittags abgemeldet hatte zur Erledigung von Mitarbeitervertretungsaufgaben, liegt bereits kein pflichtwidriges Verhalten vor. Tatsachen, die eine außerordentliche fristlose Kündigung begründen können, liegen unter diesen Umständen nicht vor, sodass auch der äußerst hilfsweise gestellte Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen war.
C.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).