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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 25.07.2022 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/1-22 |
Rechtsgrundlage: | § 41 Absatz 1 Lit. a) MVG-EKD, § 42 Buchstabe k) MVG-EKD, § 8 Absatz 3 und 4 Satz 1 TzBfG |
Vorinstanzen: | Kirchengericht - MVG - für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - Kammer für das Diakonische Werk Ev. Kirchen in Mitteldeutschland e.V. vom 17.11.2021, Az. II-19-2020 |
Schlagworte: | Mitbestimmung im Hinblick auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Individualarbeitsverhältnis |
Leitsatz:
1) Sieht eine Dienstvereinbarung vor, dass die Arbeitszeit in Dienstplänen festgelegt werden, die von der Mitarbeitervertretung mitzubestimmen sind, so gilt dieses auch für die Arbeitsszeit einer Teilzeitbeschäftigten, die sich in den in der Dienstvereinbarung festgelegten Arbeitszeiten hält.
2) Das Mitbestimmungsrecht nach § 42 lit. k MVG umfasst regelmäßig die Ablehnung des Teilzeitwunsches der Arbeitnehmerin, weil die Dienstgeberin annimmt, dass betrieblichen Gründe der gewünschten Verteilung der Arbeitszeiten entgegenstehen.
3) Die Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung ist auch dann berechtigt, wenn die Ablehnung des Antrags zu Unrecht erfolgt, weil der Wunsch nach Lage der Arbeitszeiten nicht berücksichtigt werden soll.
Tenor:
Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 13. Juli2022, Az. 2 M 54/21, wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten sich über die Frage, ob die Mitarbeitervertretung einen Grund für die Verweigerung der Zustimmung zur Ablehnung des Altersteilzeitantrages einer Mitarbeiterin hatte.
Die Mitarbeiterin, die mit einem Umfang von 0,5 VK in Teilzeit als Diätassistentin in dem von der Dienststelle betriebenen Krankenhaus tätig ist, stellte einen Antrag auf Altersteilzeit im Blockmodell für die Zeit vom 1. Februar 2022 bis zum 31. Januar 2025. Die Dienststellenleitung unterrichtete die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 19. November 2021 darüber, dass sie beabsichtige, diesen Antrag zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 verweigerte die Mitarbeitervertretung die Zustimmung. Am 23. Dezember 2021 leitete die Dienststellenleitung das vorliegende Verfahren beim Kirchengericht ein.
Die Dienststellenleitung hat die Auffassung vertreten, dass sie bei der beabsichtigten Ablehnung des Antrags der Mitarbeiterin dem Erfordernis billigen Ermessens genügt habe. Es bestehe ein kontinuierlicher und steigender Bedarf an Diätassistentinnen und Diätassistenten. Die Personaldecke sei seit längerer Zeit extrem knapp. Eine Verteilung des Arbeitsvolumens der Mitarbeiterin sei nicht möglich. Bereits seit Jahren bewürben sich bei der Dienststelle keine geeigneten Fachkräfte mehr. Es sei auch ab dem begehrten Beginn der Freistellungsphase am 1. August 2023 damit zu rechnen, dass keine geeignete Nachfolgerin gefunden werden könne. Der Zweck der Altersteilzeit, Anreize für die Neubesetzung von Stellen zu schaffen, könne gerade dann nicht erreicht werden, wenn der Arbeitsmarkt keine Nachbesetzung zulasse. Die von der Mitarbeiterin angeführten persönlich/familiären Belange genügten nicht, um eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen zu können. Die finanziellen Belastungen durch eine Altersteilzeit durch Aufstockung des Entgelts, Abführung zusätzlicher Beiträge zur Rentenversicherung und die gebotenen Rückstellungen seien ein ausreichender Grund für die Ablehnung des Antrags.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Ablehnung des Altersteilzeitantrages von Frau D vom 07.09.2021 bestand.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Einhaltung billigen Ermessens nicht ersichtlich sei. Bislang habe die Dienststelle Stellen für Diätassistenten oder -assistentinnen nicht ausgeschrieben. Sie habe ferner nicht vorgetragen, was sie dafür getan habe, qualifiziertes und engagiertes Personal einzuwerben. Die Dienststellenleitung dürfe den Wunsch der Beschäftigten nach Altersteizeit nicht bewerten.
Das Kirchengericht hat den Antrag der Dienststellenleitung mit Beschluss vom 13. Juli 2022 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 28. Juli 2022 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 4. August 2022, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und zugleich die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 28. Oktober 2022 beantragt. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung begründete die Dienststellenleitung die Beschwerde mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2022, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage.
Die Dienststellenleitung hält den Beschluss des Kirchengerichtshofs für unzutreffend, weil sie ermessensfehlerfrei über den Antrag der Mitarbeiterin entschieden habe. Ihre Entscheidung lasse erkennen, dass sie ihre und die Interessen der Mitarbeiterin gleichermaßen berücksichtigt habe. So lasse bereits ihr Anschreiben an die Mitarbeitervertretung erkennen, dass die bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Zusammenhang zwischen den von der Mitarbeiterin genannten Gründen und der begehrten Altersteilzeitregelung abgewogen worden seien. Auf Seiten der Dienststelle sei der kontinuierliche und steigende Bedarf an Diätassistentinnen und -assistenten zu berücksichtigen. Die Personaldecke in diesem Bereich sei extrem knapp. Aufgrund des im Allgemeinen bekannten Fachkräftemangels im Gesundheitswesen sei die Verteilung des Arbeitsvolumens der Mitarbeiterin nicht möglich gewesen. Der Dienstellenleitung sei nicht möglich und zumutbar gewesen, das Risiko einer dauerhaft unbesetzten Stelle in Kauf zu nehmen, um der Mitarbeiterin den Wechsel in die Altersteilzeit zu ermöglichen. Durch jede Altersteilzeit entstünden finanzielle Lasten, unter anderem durch die Aufstockung des Entgelts, die Abführung zusätzlicher Beiträge zur Rentenversicherung, durch Mehrkosten für tarifliche Zuschläge und im Blockmodell auch durch die Rückstellungen. Bei der als gemeinnützig anerkannten Dienststelle bestehe ein berechtigtes Interesse daran, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Die finanziellen Belastungen und Risiken, auf die die Dienststellenleitung ihre Ablehnung stütze, seien als ausreichender Grund ohne Weiteres anzuerkennen. Diese seien neben der möglicherweise entstehenden Nachbesetzungsproblematik und den Interessen der Mitarbeiterin maßgeblich für die Ablehnung. Das von der Beschäftigten beabsichtigte Blockmodell helfe den von der Mitarbeiterin genannten Gründen wie etwa einer gegenwärtigen Überlastung aus familiären oder persönlichen Gründen nicht ab, da es dazu führe, dass die Mitarbeiterin erst ab dem 1. August 2023 zusätzliche Freizeit haben würde.
Die Dienstellenleitung beantragt,
die Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen,
und
unter Abänderung des Beschlusses der Schlichtungsstelle vom 13.07.2022 (Az. 2 M 54/21) festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach §§ 42 lit. k), 41 MVG-EKD zur Ablehnung des Altersteilzeitantrages der Frau D vom 07.09.2021 vorliegt und die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Ablehnung des Altersteilzeitantrages der Frau D vom 07.09.2021 zu ersetzen.
II.
Die Beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG-EKD.
2. Nach § 63 Absatz 2 Satz 1 MVG-EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Absatz 2 Satz 2 MVG-EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keiner dieser Gründe liegt vor.
a) Der Annahmegrund zu § 63 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 MVG-EKD liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegengesetzten Entscheidung genügt nicht (st. Rspr. KGH.EKD, z.B. Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, 36; Beschluss vom 20. April 2009 - I-0124/R10-09; Beschluss vom 1. September 2009 - I-0124/R26-09 - ZMV 2010, 34; Beschluss vom 27. Januar 2010 - II-0124/P36-08 - z.V.v.; Beschluss vom 12. April 2010 - I-0124/S13-10 - ZMV 2010, 264).
Ernsthafte Zweifel am Ergebnis der Entscheidung bestehen nicht, weil die Entscheidung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein wird.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Dienststellenleitung bei ihrer beabsichtigten ablehnenden Entscheidung billiges Ermessen im Sinne von § 315 Absatz 1 und 3 Satz 1 BGB gewahrt hat. Die vorgebrachten wirtschaftlichen Belastungen reichen ebenso wenig wie etwaige Nachbesetzungsschwierigkeiten nicht aus, um annehmen zu können, dass die Sachentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird.
Die Dienststellenleitung darf zwar den Altersteilzeitantrag der Mitarbeiterin nach billigem Ermessen analog § 315 BGB ablehnen, weil die Abänderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter vereinbart werden „kann“. Indessen ist auch nach ihrem Vorbringen in der Beschwerdeinstanz nicht erkennbar, dass die Dienststellenleitung die Grenzen billigen Ermessens (§ 315 BGB) gewahrt hat. Die Ausübung des Ermessens ist „billig“ i.S. des § 315 Absatz 1 und 3 Satz 1 BGB, wenn die Dienststellenleitung die wesentlichen Umstände des Falles und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Vorliegend ist nur erkennbar, dass die Dienststellenleitung ihre Interessen als Arbeitgeberin ins Feld geführt hat, nicht aber, dass sie alle wesentlichen Umstände des Falles wie die bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeiterin berücksichtigt hat. Auch in ihrem Beschwerdevorbringen stellt die Dienststellenleitung auf die finanziellen Belastungen ab, die ihr regelmäßig durch eine Altersteilzeit im Blockmodell entstehen, ohne irgendwelche konkreten Überlegungen anzustellen, aus welchen Gründen diese einem Altersteilzeitantrag entgegenstehen sollen. Immerhin geht die Altersteilzeitordnung nicht davon aus, dass allein die finanzielle Belastung generell ausreichend für die Ablehnung eines Antrags sei, denn diese finanzielle Belastung besteht bei jedem Altersteilzeitantrag im Blockmodell. Soweit die Dienststellenleitung auf die knappe Personaldecke und Nachbesetzungsschwierigkeiten hinweist, ist nicht erkennbar, dass diese tatsächlich vorliegen. Die Dienststellenleitung hat nämlich nicht angegeben, welche Versuche sie unternommen hat, die Personaldecke zu verbessern. Ihre allgemeinen Ausführungen zum Arbeitsmarkt lassen nicht erkennen, dass und welche Schritte sie unternommen hat, um etwaige Nachbesetzungen zu ermöglichen. Ihre Annahme, dass sie keine Diätassistentin ausscheiden lassen könne, weil die Stelle nicht nachbesetzt werden könne, ist deshalb nicht hinreichend nachvollziehbar. Ebenso ist nicht erkennbar, welche Maßnahmen die Dienststellenleitung intern unternommen hat, um einen Ersatz zu qualifizieren. Ihr Vorbringen zur fehlenden Nachbesetzungsmöglichkeit der Stelle ist damit nicht hinreichend nachvollziehbar. Das führt dazu, dass nicht angenommen werden kann, dass die insoweit von der Dienststellenleitung in ihre Ermessensentscheidung eingestellten Überlegungen beachtlich sind. Soweit die Dienststellenleitung im Übrigen auf die Gemeinnützigkeit hinweist, ist diese im Geltungsbereich der Altersteilzeitordnung keine Heraushebungsmerkmal, sondern dürfte auf fast alle privaten Träger zutreffen. Es bedürfte deshalb spezieller, auf ihre wirtschaftliche und finanzielle Situation bezogener Überlegungen, warum die finanziellen Belastungen durch die Altersteilzeit im Blockmodell nicht zumutbar sind. Solche Überlegungen sind nicht ersichtlich.
Es kommt deshalb gar nicht darauf an, ob den Interessen der Mitarbeiterin möglicherweise durch eine andere Ausgestaltung der Altersteilzeit besser gedient wäre. Die insoweit von der Dienststellenleitung angestellten Überlegungen lassen aber ebenfalls nicht erkennen, dass sie billiges Ermessen ausgeübt hat. Sie beschränkt sich auf die Feststellung, dass sie ein anderes Modell geeigneter fände. Darum geht es aber nicht, weil sie über den konkret von der Mitarbeiterin gestellten Antrag zu befinden hat, der auf die Altersteilzeit im Blockmodell gerichtet ist. Wie die Dienststellenleitung die Interessen der Arbeitnehmerin an diesem Antrag bewertet hat, ist nicht im Einzelnen ersichtlich. Erkennbar ist nur, dass die Dienststellenleitung im Ergebnis ihre nicht näher spezifizierten finanziellen und wirtschaftlichen Interessen höher bewertet als die Interessen der Klägerin. Das lässt keine Ausübung billigen Ermessens erkennen.
b) Die Beschwerde war auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 63 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 MVG-EKD zur Entscheidung anzunehmen, weil es für die Entscheidung über die Beschwerde nicht auf eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ankommt. Wie soeben ausgeführt, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, ohne dass solche Rechtsfragen zu klären wären.
c) Der Zulassungsgrund der Divergenz nach § 63 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 MVG-EKD wird nicht geltend gemacht.
d) Schließlich liegt kein Verfahrensfehler im Sinne des § 63 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 MVG-EKD vor, auf dem der Beschluss beruhen kann.
III.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).