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Kirchengericht:Verwaltungsgerichtshof der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.06.2008
Aktenzeichen:VGH 3/08
Rechtsgrundlage:§§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 86 PfDG § 4 Abs. 4 Satz 1 VwGG (UEK)
Vorinstanzen:Verwaltungskammer der Ev. Kirche im Rheinland , VK 20/2007; Fundstelle: Rechtsprechungsbeilage ABl.EKD 2009, S. 16
Schlagworte:Abberufung, Beurlaubung, Kirchliches Interesse, Mitwirkungsverbot, Nicht gedeihliches Wirken, Pfarrstelle, Sofortvollzug, Synode
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Leitsatz:

Das kirchliche Interesse am Sofortvollzug eines Abberufungsbescheids überwiegt regelmäßig das private Interesse des Pfarrers, wenn mit der Anordnung der soforti-gen Vollziehung nur eine Beurlaubung bewirkt werden soll (vgl. § 86 Abs. 1 PfDG).

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Verwaltungs-kammer der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 18. Januar 2008 wird zu-rückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Pfarrerin der Antragsgegnerin in der Kirchengemeinde C. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. August 2007, berichtigt durch Bescheid vom 11. Dezember 2007, wurde sie aus ihrer Gemeinde wegen nicht gedeihlichen Wirkens (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG) abberufen. Gegen die Abberufung hat sie Widerspruch eingelegt.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des Abberufungsbescheids an. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem an die Verwaltungskammer gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Verwaltungskammer hat den Antrag mit Beschluss vom 18. Januar 2008, auf den Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Beschluss der Verwaltungskammer aufzuheben und die sofortige Vollziehung des Abberufungsbescheides auszusetzen. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie hat erklärt, sie werde die Pfarrstelle der Antragstellerin nicht vor Abschluss des Klageverfahrens neu besetzen; die Antragstellerin müsse auch nicht vor Abschluss des Klageverfahrens aus der Dienstwohnung ausziehen.
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II.

Die Beschwerde muss erfolglos bleiben. Die Entscheidung der Verwaltungskammer, der Antragstellerin keinen vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Abberufungsbescheids zu gewähren, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechte der Antragstellerin werden durch den Sofortvollzug jedenfalls nicht verletzt, seitdem die Antragsgegnerin erklärt hat, die Pfarrstelle der Antragstellerin werde nicht vor Abschluss des Hauptsacheverfahren neu besetzt werden und die Antragstellerin könne auch bis zu diesem Zeitpunkt in der Dienstwohnung bleiben.
Vorläufiger Rechtsschutz wäre der Antragstellerin nur dann zu gewähren, wenn entweder bereits gegenwärtig sicher wäre, dass die Abberufung rechtsfehlerhaft ist, oder wenn eine Abwägung ergeben würde, dass das kirchliche Interesse am Sofortvollzug der Abberufung hinter dem privaten Interesse der Antragstellerin zurückstehen muss. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin aus ihrer Gemeinde abzuberufen, ist nicht offensichtlich fehlerhaft. Die Antragstellerin bestreitet selbst nicht, dass es zwischen ihr und Teilen der Gemeinde nicht unerhebliche Spannungen gibt. Ob diese Spannungen die Abberufung rechtfertigen, lässt sich im vorliegenden Eilverfahren nicht klären. Die Entscheidung dieser Frage muss dem Verfahren zur Hauptsache vorbehalten bleiben.
Wesentliche Folge der Anordnung des Sofortvollzugs ist, dass die Antragstellerin bis zur endgültigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf gegen den Abberufungsbescheid als abberufen gilt und deshalb in ihrer Gemeinde keinen Dienst leisten darf. Dass für diese Suspension ein überwiegendes kirchliches Interesse besteht, folgt unmittelbar aus dem Pfarrerdienstrecht. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 PfDG kann das Landeskirchenamt nämlich eine Pfarrerin oder einen Pfarrer beurlauben, wenn gegen sie ein Abberufungsverfahren eingeleitet worden ist. Die Beurlaubung hängt von keinen weiteren Voraussetzungen ab; sie ist vielmehr regelmäßige Folge allein des Abberufungsverfahrens. Nach Ausspruch der Abberufung bleibt die Beurlaubung bestehen, wie sich aus § 86 Abs. 2 PfDG ergibt. Die kirchengesetzliche Regelung beruht auf der Erfahrung, dass bei einer Abberufung typischerweise Spannungen oder andere Probleme vorhanden sind und während des Verfahrens verschärft werden können, die - nach der Einschätzung des kirchlichen Gesetzgebers - zur Vermeidung weiterer Polarisierung im Regelfall eine Beurlaubung der Betroffenen während des Verfahrens als geboten erscheinen lassen. Der kirchliche Gesetzgeber bewertet das kirchliche Interesse an der Beurlaubung so hoch, dass er für diese vorübergehende Maßnahme sogar eine Überprüfung durch die kirchlichen Verwaltungsgerichte ausschließt (vgl. § 86 Abs. 3 PfDG). Im vorliegenden Fall ist die Antragsgegnerin zwar nicht nach § 86 PfDG vorgegangen, sondern hat erst den Widerspruch der Antragstellerin zum Anlass genommen, sie für das weitere Verfahren durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Abberufungsbescheids zu beurlauben. Auch für diese Entscheidung kann sie sich jedoch auf die in § 86 PfDG enthaltene Wertung des kirchlichen Gesetzgebers, an die der Senat gebunden ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 VwGG), stützen.
Offen kann bleiben, ob das überwiegende kirchliche Interesse an der Beurlaubung der Antragstellerin auch Folgen des Sofortvollzugs rechtfertigen könnte, die bei einem Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Denn die Antragsgegnerin hat auf Anfrage des Senats ausdrücklich erklärt, die Pfarrstelle der Antragstellerin werde nicht vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens neu besetzt werden, und die Antragstellerin dürfe auch bis zu diesem Zeitpunkt in der Dienstwohnung bleiben. Durch diese Erklärung ist sichergestellt, dass der Sofortvollzug keine vollendeten Tatsachen zu Lasten der Antragstellerin schaffen kann.
Unter diesen Umständen kommt es auf den von der Beschwerde geltend gemachten Fehler im Verfahren der Verwaltungskammer nicht an. Der Verfahrensfehler liegt aber auch gar nicht vor. Zu Unrecht wendet sich die Beschwerde gegen die Mitwirkung der Vorsitzenden der Verwaltungskammer an der angefochtenen Entscheidung, weil sie Mitglied der Landessynode sei. Wie die Verwaltungskammer bereits in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 7. März 2008 zu Recht ausgeführt hat, ist nur die Zugehörigkeit zu einer Kirchenleitung oder einem Landeskirchenamt mit dem Amt eines kirchlichen Verwaltungsrichters unvereinbar (§ 4 Abs. 4 Satz 1 VwGG). Die Mitgliedschaft in der Synode steht einer Mitgliedschaft im Verwaltungsgericht nicht entgegen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VwGG); sie allein kann auch nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 3 VwGG.