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Kirchengericht: | Verwaltungsgerichtshof der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 10.02.2003 |
Aktenzeichen: | VGH 2/00 |
Rechtsgrundlage: | PfDG §§ 49 Abs. 1, 84 Abs. 1 |
Vorinstanzen: | Verwaltungskammer, Ev. Kirche von Westfalen, VK 6/98, Fundstelle: Rechtsprechungsbeilage ABl.EKD 2004, S.10 |
Schlagworte: | Abberufung, Pfarramt, Gemeindefrieden, Verhalten (pflichtwidriges) |
Leitsatz:
- Eine gedeihliche Führung des Pfarramtes ist der Pfarrerin oder dem Pfarrer unter anderem dann unmöglich, wenn sich eine Gemeinde derart entzweit hat, dass sie in die gegnerische Gruppen zerfallen ist, deren eine sich außer Stande sieht, den Dienst der Pfarrerin oder des Pfarrers anzunehmen.
- Ein pflichtwidriges Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers ist nicht Voraussetzung für die Abberufung mangels gedeihlichen Wirkens.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 12. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Abberufung aus seiner Pfarrstelle durch die Beklagte.
Der Kläger steht als Pfarrer im Dienst der Beklagten. Er hatte eine von insgesamt fünf Pfarrstellen in der Evangelischen Kirchengemeinde D. inne.
Das Presbyterium der Kirchengemeinde stellte durch Beschluss vom 29. August 1996 fest, eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger sei nicht mehr möglich. Es beantragte deshalb, den Kläger nach § 49 Abs. 1 Buchst. b des Pfarrerdienstgesetzes (PfDG) in der seinerzeit geltenden Fassung abzuberufen. Der Antrag wurde dem Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises … zur Zustimmung vorgelegt. Der Kreissynodalvorstand verlangte eine Benennung nachprüfbarer Tatsachen. Daraufhin konkretisierte das Presbyterium die Begründung seines Antrags und nannte mehrere Gründe für die beantragte Abberufung: Der Kläger gehe sehr großzügig bis inkorrekt mit Geldern der Gemeinde um. Sein Arbeitseinsatz sei mangelhaft. So habe er beispielsweise den Kindergottesdienst 1993 eingestellt. Im Presbyterium und in dessen Ausschüssen, namentlich im Jugendausschuss und im Strukturausschuss, bestünden ständig Konflikte mit dem Kläger. Ständige Auseinandersetzungen gebe es ferner mit dem Gospelchor und dessen Leiter. Das Vertrauensverhältnis zum Kläger sei zerrüttet. Das schlage sich in einem häufigen Wechsel von Presbytern nieder. Der Kläger verhalte sich selbstherrlich. Er beharre hartnäckig auf seiner Position und mache dadurch Kompromisse unmöglich. Durch die Art seiner Argumentation verstärke er die Gegensätze noch. Die gemeinsame Erledigung von Aufgaben werde dadurch blockiert oder unerträglich verzögert.
Der Kreissynodalvorstand stimmte dem Antrag am 21. August 1997 zu. Das Landeskirchenamt beschloss am 6. Januar 1998, das Abberufungsverfahren gegen den Kläger einzuleiten. In ihrer Sitzung vom 22./23. April 1998 beschloss die Kirchenleitung, den Kläger gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG in der Fassung vom 15. Juni 1996 aus seiner Pfarrstelle abzuberufen. Das Landeskirchenamt gab dem Kläger diese Entscheidung durch Bescheid vom 23. April 1998 bekannt. In diesem Bescheid ist als Grundlage der Abberufung § 84 Abs. 2 PfDG bezeichnet. Insoweit berichtigte das Landeskirchenamt den Bescheid durch Schreiben vom 7. Mai 1998 dahin, dass Grundlage der Abberufung § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG sei. Zur Begründung der Abberufung ist in dem Bescheid unter anderem ausgeführt: Die Vielzahl und die Dauer unerfreulicher Auseinandersetzungen hätten das Verhältnis zwischen dem Presbyterium sowie Gemeindegliedern und dem Kläger zerrüttet. Anhaltspunkte für eine Wende zum Besseren bestünden nicht. Zahlreiche Gespräche mit dem Superintendenten und dem Landeskirchenamt hätten den Konflikt nicht beilegen können.
Der Kläger hat Klage erhoben und zu ihrer Begründung vorgetragen: Ein Grund für seine Abberufung bestehe nicht. Die gedeihliche Führung seines Pfarramtes sei ihm nicht unmöglich. Seine Gemeinde sei diejenige seiner Pfarrstelle. Diese stehe voll hinter ihm, einschließlich der Presbyter aus seinem Pfarrbezirk. Grobe Verstöße und Zuwiderhandlungen habe selbst die Kirchenleitung nicht feststellen können. Es gehe um bloße Missstimmigkeiten. Sie lägen lange zurück und seien darauf zurückzuführen, dass Menschen unterschiedlichen Naturells, verschiedenen Charakters und oftmals gegensätzlicher Ideologien miteinander arbeiten müssten. Alle dem Gesamtpresbyterium angebotenen Brücken auf dem Weg zueinander seien nicht begangen worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 22./23. April 1998 auf Abberufung des Klägers aus der 5. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde D., Kirchenkreis …, aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Vertiefung der Gründe der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht, dem Kläger sei ein gedeihliches Wirken in der Evangelischen Kirchengemeinde D. nicht mehr möglich.
Die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen hat durch Vernehmung von insgesamt zwölf Zeugen Beweis erhoben über die für die Abberufung des Klägers, angeführten Gründe. Sie hat sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen: Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Abberufung sei noch § 49 Abs. 1 Buchst. b PfDG alter Fassung. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Dem Kläger sei die gedeihliche Führung seines Pfarramtes unmöglich geworden. Pflichtwidrigkeiten des Klägers müssten dafür nicht festgestellt werden. Die Abberufung habe keinen disziplinarischen Charakter. Der Kläger habe zwar auch Positives bewirkt. Das Eintreten von Gemeindegliedern für ihn zeige, dass er bei ihnen anerkannt sei. Im Einzelnen habe hierüber nicht Beweis erhoben werden müssen. Auch wenn ein großer Teil der Gemeindeglieder auf der Seite des Klägers stünde und vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeite, sei eine Abberufung nicht ausgeschlossen. Für sie reichten Gegensätze in der Gemeinde aus, welche die erforderliche vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem beachtlichen Teil der Gemeindeglieder nicht mehr als möglich erscheinen ließen. Abzustellen sei dabei auf die Verhältnisse in der Gemeinde insgesamt und nicht nur auf die Verhältnisse in dem Pfarrbezirk, dem die Pfarrstelle des Klägers zugeordnet sei. Die einzelnen Feststellungen reichten zwar je für sich nicht aus, eine gedeihliche Führung des Pfarramtes in Frage zu stellen. Einzelne gegen den Kläger erhobene Vorwürfe hätten sich zudem in der Beweisaufnahme nicht bestätigt, wie der unkorrekte Umgang mit Gemeindegliedern und eine mangelnde Predigttätigkeit. Die verbleibenden Tatsachen trügen jedoch in ihrer Gesamtheit die Beurteilung, dass die notwendige Dienstgemeinschaft des Klägers mit den Presbytern, den anderen Pfarrern in der Gemeinde sowie den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern so gestört sei, dass von der Möglichkeit gedeihlicher Führung des Pfarramtes nicht mehr die Rede sein könne. Stil und Verhalten des Klägers sei von Amtsbrüdern, Presbytern sowie Mitarbeitern als so belastend empfunden worden, dass sie dies als nicht mehr hinnehmbar betrachtet hätten. Deshalb sei eine Presbyterin aus dem Presbyterium ausgeschieden; eine andere Presbyterin habe sich geweigert, erneut für das Presbyterium zu kandidieren. Das Verhalten des Klägers habe ferner zum Ausscheiden des Kirchenmusikers und Chorleiters sowie zur Trennung des Chores geführt. Die Kirchenleitung habe schließlich ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend: Die Voraussetzungen einer Abberufung aus der Pfarrstelle mangels gedeihlicher Führung des Pfarramtes lägen nicht vor. Das Pfarramt bestehe nicht nur aus einer Teilnahme an den Sitzungen des Presbyteriums und seiner Ausschüsse, sondern in erster Linie in der Verkündung des Wortes Gottes und der Zusammenarbeit mit Menschen. Insoweit verkenne die Verwaltungskammer seine gute und anerkennenswerte Arbeit. Sie habe von einer Ausnahme abgesehen nur Zeugen gehört, die der Beklagte benannt habe. Es dürfe nicht sein, dass eine Minderheit, die innerhalb der Gemeinde eine Machtposition habe, einen Pfarrer abberufen lassen könne, der aufgrund seiner Persönlichkeit schwierig sei und seine eigene Meinung habe und in den verschiedenen Gremien darstelle. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Eine Abwägung mit seinen Interessen habe nicht stattgefunden. Die Abberufung sei unverhältnismäßig. Vor einer Abberufung hätte die Beklagte Vermittlungsgespräche führen oder eine Supervision durchführen lassen müssen.
Der Kläger beantragt, | |
das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 12. November 1999 zu ändern und den Beschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 22./23. April 1998 auf Abberufung des Klägers aus der 5. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde D. aufzuheben. | |
Der Beklagte beantragt, | |
die Berufung zurückzuweisen. |
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist unter anderem darauf hin, der Kläger habe auf die Vernehmung der von ihm benannten Zeugen ausdrücklich verzichtet.
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Verwaltungskammer hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Kirchenleitung der Beklagten, den Kläger aus seiner Pfarrstelle abzuberufen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 49 Abs. 1 Buchst. b PfDG in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung, nicht hingegen § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG vom 15. Juni 1996. Sachlich bestehen zwischen den beiden Bestimmungen keine Unterschiede. Deshalb ist es unschädlich, dass die Kirchenleitung ihre Entscheidung auf den noch nicht anwendbaren § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG gestützt hat. Dies alles hat die Verwaltungskammer in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt; die Beteiligten sind diesen Ausführungen im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt deshalb auf sie Bezug.
Nach § 49 Abs. 1 Buchst. b PfDG kann ein Pfarrer im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn ein Tatbestand vorliegt, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung seines Pfarramtes unmöglich macht.
Eine gedeihliche Führung seines Pfarramtes ist dem Pfarrer unter anderem dann unmöglich gemacht, wenn sich eine Gemeinde in sich derart entzweit hat, dass sie in gegnerische Gruppen zerfallen ist, deren eine sich außerstande sieht, den Dienst des Pfarrers anzunehmen, und die sich so seinem Wirken entzieht. Denn dann ist der Pfarrer außerstande, seinen Auftrag in der Gemeinde gegenüber allen Gemeindegliedern zu erfüllen, die sonst generell bereit sind, Seelsorge und Wortverkündigung anzunehmen. Ein Pfarrer kann und muss es nicht allen Gemeindegliedern recht machen. Auch in einer christlichen Kirche sind sachliche Auseinandersetzungen und Meinungsunterschiede nicht zu vermeiden. Wenn sie gelegentlich zu persönlichen Spannungen führen, ist das nur natürlich. Diese muss der Pfarrer wie auch die Gemeinde ertragen. Die Grenzen, innerhalb deren eine gedeihliche Führung des Pfarramtes noch möglich ist, werden jedoch überschritten, wenn eine nachhaltige, auf andere Weise nicht mehr zu behebende Störung im Verhältnis des Pfarrers nicht nur zu einzelnen Gemeindegliedern, sondern zu wesentlichen Teilen der Gemeinde oder zu einer nicht unbeträchtlichen Gruppe von Gemeindegliedern eingetreten ist (VGH der EKU, Urteil vom 16. November 1990 – VGH 13/89 – RsprB ABl. EKD 1992, 12 <15>).
Ein pflichtwidriges Verhalten des Pfarrers ist hingegen nicht Voraussetzung seiner Abberufung. Es kommt ebenfalls nicht ausschlaggebend darauf an, ob er die Umstände zu vertreten hat, die ihm die weitere gedeihliche Führung seines Pfarramtes unmöglich machen. Seine Abberufung ist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn ihm die Schuld für eine Entzweiung zuzuweisen ist. Es reicht aus, wenn die objektiven Umstände ein gedeihliches Wirken in der Gemeinde nicht mehr zulassen. Deshalb ist ohne Belang, welche Gruppe oder welches Gemeindeglied – möglicherweise auch der Pfarrer – die Parteiung ausgelöst hat. Ebenso wenig ist entscheidend, wem der größere Anteil an der Entstehung dieser Lage zuzuschreiben ist (VGH der EKU, Urteil vom 16. November 1990 – VGH 13/89 – RsprB ABI. EKD 1992, 12 <14>).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Verwaltungskammer gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme zu Recht angenommen, dem Kläger sei eine gedeihliche Führung seines Pfarramtes unmöglich geworden.
In dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Abberufung des Klägers bestanden tief greifende Auseinandersetzungen, in die der Kläger einbezogen war. Diese Auseinandersetzungen haben zu einer nicht mehr behebbaren Störung im Verhältnis des Klägers zu einer nicht unbeträchtlichen Gruppe der Gemeindeglieder geführt. Diese haben eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger verweigert, weil sie glaubten, die ständigen Auseinandersetzungen mit ihm nicht mehr ertragen zu können. Dabei hat die Verwaltungskammer zu Recht auf die Kirchengemeinde … und deren Gemeindeglieder abgestellt und nicht nur auf den Pfarrbezirk, dem die Pfarrstelle des Klägers zuzuordnen ist. Der Kläger hat sein Pfarramt in der Kirchengemeinde D. wahrzunehmen; ob er dies noch gedeihlich kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen in dieser Kirchengemeinde.
Die Auseinandersetzungen stellten sich insbesondere als ein Streit um die Person des Klägers und um die Art seiner Amtsführung dar. Sie beschränkten sich nicht auf einzelne Themen, sondern entzündeten sich immer wieder an der Art, in welcher der Kläger mit dem Presbyterium und deren Mitgliedern sowie Mitarbeitern der Gemeinde umging. Ein nicht unerheblicher Teil des Presbyteriums hat das Verhalten des Klägers als selbstherrlich empfunden. Er hat bei dem Kläger die Bereitschaft zum Kompromiss vermisst, die für ein gedeihliches Zusammenwirken in der Gemeinde erforderlich ist. Einzelne Vorgänge beleuchten dabei nur beispielhaft den Konflikt, der sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat.
Als bezeichnend für den Umgang des Klägers mit dem Presbyterium haben die Pfarrer und Presbyter, die die Verwaltungskammer als Zeugen vernommen hat, etwa angeführt, wie der Kläger den Kindergottesdienst in der Friedenskirche eingestellt hat. Der Kläger hat dem Presbyterium die Einstellung des Kindergottesdienstes lediglich mitgeteilt, war aber nicht bereit, mit den anderen Pfarrern der Gemeinde und mit dem Presbyterium über den Sinn dieser Entscheidung zu sprechen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger zu einer Beratung der Angelegenheit im Presbyterium verpflichtet war oder ob sein Standpunkt richtig war, er sei berechtigt, den Kindergottesdienst ohne Zustimmung des Presbyteriums einzustellen. Dass der Kläger sich dem Wunsch nach einer inhaltlichen Aussprache entzogen hat, ist jedenfalls von einem erheblichen Teil der Mitglieder des Presbyteriums als Missachtung dieses Gremiums empfunden worden, im Übrigen auch von solchen Presbytern aus seinem Pfarrbezirk, wie dem Zeugen O., die für den Kläger eingetreten sind. Dieser Zeuge hat in seiner schriftlichen Stellungnahme, die er seiner Zeugenaussage beigefügt hat und auf die der Kläger in seiner Berufung verwiesen hat, hierin lediglich deshalb keinen Grund für eine Abberufung des Klägers gesehen, weil das Presbyterium das Verhalten des Klägers jahrelang hingenommen habe.
Insgesamt hat sich bei einem erheblichen Teil des Presbyteriums der Eindruck verfestigt, dass der Kläger von der Richtigkeit seiner Auffassungen unverrückbar überzeugt ist, deshalb nicht bereit ist, von ihm getroffene oder gewünschte Maßnahmen in Frage zu stellen, sondern seine Auffassung kompromisslos durchzusetzen sucht. Aus ihrer Sicht hat diese Kompromisslosigkeit des Klägers die Arbeit des Presbyteriums bis zur Unerträglichkeit erschwert. So hat der Kläger sich nicht mit den Ergebnissen gemeinsamer Dienstbesprechungen der Pfarrer oder Beratungen in den Ausschüssen des Presbyteriums abgefunden, wenn sie seine Zustimmung nicht fanden. Er hat vielmehr im Presbyterium seine abweichende Auffassung vorgebracht und durchzusetzen versucht, mit der Folge, dass die erreichte Vorklärung letztlich nutzlos blieb. Bereits erledigte Punkte hat er immer wieder zur Sprache gebracht, wenn er das Ergebnis nicht billigte. Gefielen ihm sich abzeichnende Entscheidungen nicht, hat er Sitzungen des Presbyteriums verlassen, dabei teilweise Vertreter ihm nicht genehmer Auffassungen beschimpft.
Die dadurch entstandene Gegnerschaft zwischen dem Kläger und einem erheblichen Teil des Presbyteriums hat sich zunehmend verhärtet. Dies hat seinen Niederschlag insbesondere darin gefunden, dass eine Presbyterin, die Zeugin N., wegen der von ihr als unerträglich empfundenen Auseinandersetzungen mit dem Kläger von ihrem Amt zurückgetreten ist. Eine andere Presbyterin hat sich aus eben diesen Gründen nach Ablauf ihrer Amtszeit nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung gestellt. Wegen dieser Verhärtung sind die Versuche gescheitert, im Gespräch zu einer Versöhnung zu kommen. Gescheitert ist namentlich der letzte dieser Versuche, die Verhärtungen aufzulösen und zu einem Neuanfang zu kommen. Er fand statt, bevor das Presbyterium beschloss, die Abberufung des Klägers einzuleiten. Aus der Sicht des Presbyteriums ist das Gespräch an der kompromisslosen Haltung des Klägers gescheitert, der diesen Versuch als Tribunal empfand, vor dem er zu Kreuze kriechen solle. Diese eigene Einschätzung des Klägers zeigt letztlich, dass auch aus seiner Sicht eine Grundlage für eine Bereinigung des Verhältnisses nicht mehr bestand.
Dass dem Pfarrer die gedeihliche Führung seines Pfarramtes nicht mehr möglich ist, ist allerdings nicht stets schon dann anzunehmen, wenn die Presbyter mehrheitlich oder gar einhellig eine weitere Zusammenarbeit für unmöglich halten. Anderenfalls könnte eine Mehrheit des Presbyteriums einen ihm missliebigen Pfarrer gleichsam „abwählen“. Spannungen zwischen Pfarrer und Presbyterium können sich auf diesen Personenkreis beschränken, der unmittelbar an der Leitung der Kirchengemeinde beteiligt ist. Sie lassen dann das Wirken des Pfarrers als Seelsorger und als vorrangigen Träger der Wortverkündigung im Verhältnis zu den übrigen Gemeindegliedern gänzlich unberührt. Das Presbyterium verkörpert aber andererseits einen nicht unwesentlichen Teil der Gemeinde. Nicht behebbare Spannungen zwischen dem Pfarrer und dem Presbyterium oder einem Teil des Presbyteriums sind regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass zumindest unterschwellig solche Spannungen über den engen Kreis der direkt Betroffenen hinaus die Gemeinde erfassen. Unerheblich ist nur eine Verweigerungshaltung des Presbyteriums, die sich als rechtsmissbräuchlich erweist (VGH der EKU Urteil vom 27. November 1992 – VGH 4/92 – RsprB ABl. EKD 1994, 13 <14>).
Von einer solchen missbräuchlichen Verweigerungshaltung kann hier nicht die Rede sein. Die Spannungen zwischen dem Kläger und zumindest Teilen des Presbyteriums haben konkrete Vorgänge zum Hintergrund, ohne dass -wie erwähnt -festgestellt werden müsste, wer dafür verantwortlich ist, dass sich diese Vorfälle zu nicht mehr behebbaren Konflikten verfestigt haben. Die Spannungen zwischen dem Kläger und einem wesentlichen Teil des Presbyteriums bestanden zudem unabhängig von dessen jeweiligen Mitgliedern, die im Laufe der Jahre gewechselt hatten, ohne dass sich an den Auseinandersetzungen etwas änderte.
Darüber hinaus ist es nicht nur zwischen erheblichen Teilen des Presbyteriums und dem Kläger zu tief greifenden Auseinandersetzungen gekommen. Der Kläger war auch in Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern der Gemeinde verwickelt. Beispielhaft ist insoweit der Streit mit dem Zeugen B.. Er war zeitweise in der Gemeinde als Kirchenmusiker angestellt und leitete einen Gospelchor, in dem der Kläger mitsang. Der Grund dieser Auseinandersetzung ist im Verfahren dunkel geblieben; er ist für dieses Verfahren auch unerheblich. Bezeichnend ist nur die Art, wie die Auseinandersetzung geführt wurde. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als der Kläger gegenüber dem Chorleiter B. und in Gegenwart weiterer Personen den Chor unter dessen Leitung nach Aussagen der Zeugen als (so wörtlich) einen „Haufen Scheiße“ bezeichnete. Mehrere Gespräche zwischen dem Zeugen B. und dem Kläger unter Vermittlung von anderen Pfarrern und Presbytern konnten keine Versöhnung oder wenigstens eine normale Arbeitsgrundlage wieder herstellen. Die Fronten hatten sich schließlich so verhärtet, dass auch eine Entschuldigung des Klägers gegenüber dem Chor den Bruch nicht mehr zu beheben vermochte. Weil der Kläger aus der Übungsstätte nicht weichen wollte, ist der überwiegende Teil der Chormitglieder abgezogen, während der Kläger mit den wenigen Verbliebenen einen „Gegenchor“ aufmachte. Das damit manifest gewordene dauernde Zerwürfnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt. Dass man sich arrangiert habe, indem man sich aus dem Weg gegangen sei, wie der Kläger erklärt hat, belegt nicht eben eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, sondern deren Scheitern.
Engagierte Gemeindeglieder haben sich schließlich teilweise von der aktiven Mitarbeit in der Gemeinde abgewandt, weil sie sich durch den Kläger vor den Kopf gestoßen fühlten. Der Anlass zum Streit war letztlich banal, der Streit schaukelte sich dennoch in durchaus bezeichnender Weise bis zum Bruch auf. Einige Gemeindemitglieder hatten in Eigeninitiative eine Krippe gebastelt und in der Kirche aufgestellt. Nachdem hierüber die Presse berichtet hatte, ohne dass der Kläger an dem Vorgang beteiligt gewesen war, hat er die Krippe aus der Kirche entfernt. Dies verschwieg er den Betroffenen zunächst, machte ihnen aber Vorwürfe, weil er als zuständiger Pfarrer nicht vor dem Pressebericht informiert gewesen sei. Der Kläger mag damit zwar „im Recht“ gewesen sein. Aber nicht darauf kommt es an, sondern auf das Ergebnis der vom Kläger gesuchten Auseinandersetzung: Engagierte Gemeindemitglieder waren verprellt.
Der Verwaltungsgerichtshof konnte wie schon die Verwaltungskammer von der Vernehmung weiterer Zeugen absehen. Er kann unterstellen, dass diese Zeugen ein aus ihrer Sicht positives Wirken des Klägers in seiner Gemeinde bekunden können. Dass der Kläger in der Gemeinde auch Gutes bewirkt hat und Teile der Gemeinde hinter ihm stehen, ändert nichts an den Voraussetzungen der Abberufung, nämlich einer nicht behebbaren Störung im Verhältnis zu wesentlichen Teilen der Gemeinde.
Die Beklagte hat das Ermessen fehlerfrei ausgeübt, das ihr bei der Abberufung eines Pfarrers zusteht. Die Beklagte hat zwar in dem Bescheid, mit dem sie dem Kläger dessen Abberufung mitgeteilt hat, nicht ausdrücklich dessen Belange gegen die Notwendigkeit seiner Abberufung abgewogen. Das lässt aber nicht darauf schließen, die Beklagte habe von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Sie hat namentlich gesehen, welche Belastungen ihre Entscheidung für den Kläger nach sich zieht. Seine persönlichen Verhältnisse waren der Kirchenleitung bekannt. Sie hat aber auch in Würdigung dieser Umstände die Abberufung für erforderlich angesehen. Das ist in der Vorlage im Einzelnen dargestellt, die dem Beschluss der Kirchenleitung zugrunde lag. Jedenfalls unter dieser Voraussetzung konnte die Beklagte noch durch ihren Vortrag im Prozess den Bescheid um die bisher nicht mitgeteilten Ermessenserwägungen ergänzen.
Die Kirchenleitung durfte die Abberufung des Klägers auch in Ansehung der für ihn daraus erwachsenden Schwierigkeiten für nicht vermeidbar halten, nachdem zuletzt der Versuch gescheitert war, unter Hinzuziehung eines Pfarrers aus einer Nachbargemeinde im Gespräch zu einer Versöhnung und einem Neuanfang zu kommen. Auch insoweit ist wiederum unerheblich, ob dieser Versuch an dem Kläger oder anderen Teilnehmern dieses Gesprächs gescheitert ist. Maßgeblich ist nur, dass dieses Scheitern Ausdruck der inzwischen erreichten und offensichtlich nicht mehr auflösbaren Verhärtung war, die der Kirchenleitung aus ihrer Sicht keine andere Wahl ließ, als den Konflikt durch eine Abberufung des Klägers zu beheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 3 VwGG.