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Kirchengericht:Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:24.03.2023
Aktenzeichen:0134/1-2022
Rechtsgrundlage:DG.EKD § 18
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Anfangsverdacht eines schweren Dienstvergehens wegen des Verdachts häuslicher und sexualisierter Gewalt, Beachtung Beschleunigungsgebot, Pflicht der Disziplinarbehörde zur Aufklärung des Sachverhaltes nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, Unschuldsvermutung und Fürsorgepflicht gegenüber der beschuldigten Person
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Leitsatz:

Die von den beiden geschiedenen Ehefrauen eines beklagten Pfarrers gegen diesen erhobenen Vorwürfe insbesondere der häuslichen und sexualisierten Gewalt, begründen ohne Zweifel den Anfangsverdacht eines schweren Dienstvergehens, das grundsätzlich eine vorläufige Suspendierung mit dem Ziel einer Entfernung aus dem Dienst rechtfertigt. Dieser Anschein allein entbindet die Disziplinarbehörde aber nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung, diese Sachverhalte nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes, der Unschuldsvermutung und der Fürsorgepflicht gegenüber dem Pfarrer umfassend aufzuklären. Das gilt vor allen Dingen dann besonders, wenn die von den Belastungszeuginnen beschriebenen Taten zum Teil sehr lange zurück liegen, überwiegend nicht zum Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gemacht wurden und es auch im bisherigen beruflichen Leben des Pfarrers keinerlei Hinweise auf solche Verhaltensmuster gegeben hat.

Tenor:

Die Disziplinarklage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten.

Gründe:

I. Feststellungen zur Person des Beklagten:
Pfarrer A wurde 1963 geboren und im Dezember 1963 getauft. 1969 zog die Familie nach B um, wo der Beklagte die erste Grundschulklasse besuchte. Nach einem weiteren Umzug schloss er in dieser Stadt die Grundschule ab und wechselte zum Gymnasium.
1978 wurde er konfirmiert. Während eines Aufenthaltes in Frankreich reifte bereits in ihm der Entschluss, Theologie zu studieren. Nach seinem Abitur 1984 nahm er deshalb ab dem Wintersemester 84/85 dieses Studium auf. Sein Schwerpunkt war von Beginn an die praktische Theologie.
Der Beklagte hat eine 1966 geborene jüngere Schwester, die Zeugin C, die ledig ist, in B lebt und dort als Sozialpädagogin arbeitet.
Der Beklagte ist seit 1991 Vater eines nichtehelichen Sohnes. Nach eigenen Angaben soll die Mutter des Kindes seinen am Wochenbett gemachten Heiratsantrag zurückgewiesen haben. Die Gründe dafür sind der Kammer nicht bekannt. Soweit hier ersichtlich ist der Beklagte seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber diesem Kind nachgekommen. Der Sohn ist inzwischen erwachsen und lebt in Österreich. Er hält bis heute in unregelmäßigen Abständen Kontakt zu dem Beklagten, seinem leiblichen Vater.
Seine erste Ehe schloss der Beklagte mit der Pfarrerin D 1999, demnach im Alter von 36 Jahren, zeitlich zu Beginn seines Probedienstes im Kirchenkreis E. Diese Ehe wurde auf Antrag des Beklagten 2001 vom Amtsgericht aufgehoben.
2003 schloss der Beklagte mit der Realschullehrerin F die zweite Ehe. In diese brachte die Zeugin ihre 1996 geborene Tochter G ein, die aus einer zuvor geschiedenen Ehe der Zeugin stammte und im Nachhinein vom Beklagten nicht adoptiert wurde. 2004 kam der gemeinsame Sohn H zur Welt. Der Beklagte wohnte mit seiner jungen Familie zunächst ab August 2002 in der […] zur Miete. Nach dem Erwerb einer Doppelhaushälfte lebte der Beklagte dort mit seiner Familie bis Januar 2009. Nachdem seine Ehefrau ihm bekannt gegeben hatte, sich endgültig von ihm trennen zu wollen, zog der Beklagte zunächst für drei Monate zu einem Freund, damit die Zeugin F Gelegenheit hatte, ohne weitere Probleme ihren Auszug zu organisieren. Diese Ehe des Beklagten wurde 2011 auf Antrag des Beklagten nach Ablauf des Trennungsjahres vom Amtsgericht geschieden.
Seine dritte Ehe schloss der Beklagte mit der Zeugin I 2012 (standesamtlich) und 2013 (kirchlich). Traupfarrer war seinerzeit der Zeuge J. Aus dieser Beziehung ist die 2012 nichtehelich geborene Tochter K hervorgegangen. Der Beklagte lebte bis zur Trennung von seiner Frau mit ihr und seinen beiden Kindern in seinem Wohnungseigentum in B. Diese Ehe wurde ebenfalls auf Antrag des Beklagten 2021 vom Amtsgericht geschieden. Seit der Trennung lebt seine geschiedene Ehefrau mit der Tochter K in der Nähe ihrer Eltern. Die Zeugin I ist dort in ihrem erlernten Beruf als Apothekenhelferin berufstätig.
II. Feststellungen zum beruflichen und dienstlichen Werdegang des Beklagten:
Der Beklagte, der unierten Bekenntnisses ist, absolvierte 1995 seine erste theologische Prüfung mit der Note „befriedigend“. Danach arbeitete er zeitweilig als Vertreter für Haushaltsgeräte bis zu seiner erstmaligen Berufung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Vikar 1997. Er wurde in dieser Funktion in die Kirchengemeinde […] berufen. Danach absolvierte er 1999 für sechs Monate ein Sondervikariat beim […]. Im Rahmen dieser Abordnung war er insbesondere für die seelsorgerliche Betreuung von Beamten des dortigen Sondereinsatzkommandos (SEK) zuständig, was ihn nach eigenen Angaben nachhaltig beeindruckt und auch für seine zukünftige berufliche Laufbahn geprägt hat. Nach erfolgreichem Abschluss der zweiten theologischen Prüfung 1999, ebenfalls mit der Note „befriedigend“, begann er zum 01.10.1999 seinen Probedienst mit Vertretungsaufgaben im Kirchenkreis E. 2002 wurde er Pfarrer der 2. Pfarrstelle der evangelischen Kirchengemeinde […]. 2007 wurde er durch Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden zum Pfarrer der 1. Pfarrstelle der evangelischen Kirchengemeinde […] gewählt. Dieses Amt nahm der Beklagte in den folgenden Jahren sehr engagiert und mit großem persönlichem Einsatz wahr. Seine Gemeinde schätzte ihn deshalb sehr. Er ist ungeachtet des vorliegenden Verfahrens bis heute in seiner Gemeinde sehr beliebt, was sich in zahlreichen positiven Stellungnahmen von Gemeindegliedern widerspiegelt, die sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens über den Weggang des Beklagten betroffen gezeigt und ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht haben. Hervorzuheben sind neben der Organisation von Kindergottesdiensten besondere Projekte, die der Beklagte mit jugendlichen Gemeindegliedern initiiert hat. Diese richteten sich in vorbildlicher Art und Weise u. a. gegen rechte Gewalt und gegen Umweltverstöße, worüber auch in der Presse berichtet wurde. Daneben war der Beklagte über viele Jahre nebenamtlich und in jeder Hinsicht beanstandungsfrei als Religionslehrer in einer Realschule und an einem Gymnasium tätig. Nach dem Bekanntwerden der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe gegenüber dem Beklagten insbesondere durch den nachstehend erwähnten Zeitungsartikel wurde dem Beklagten mit seinem Einverständnis 2020 ein allgemein-kirchlicher Auftrag gemäß § 25 des Pfarrdienstgesetzes der EKD im evangelischen Kirchenkreis […] mit dem Aufgabeninhalt „Vertretungsaufgaben im Kirchenkreis“ erteilt.
Mangels gegenteiliger Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der Beklagte bislang strafrechtlich jedenfalls in verwertbarer Art und Weise nicht in Erscheinung getreten ist.
Darüber hinaus ergeben sich aus seiner Personalakte auch keinerlei andere Hinweise auf Beanstandungen seiner Person oder seines Dienstes.
III. Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen des Beklagten
Der Beklagte verdient z. Z. ca. 4500 € netto. Darin ist ein Kinderanteil i.H.v. ca. 259 € enthalten, den er für seinen seit September 2019 in seinem Haushalt lebenden Sohn H erhält. Daneben zahlt der Beklagte den gesetzlichen Unterhalt für seine minderjährige Tochter K, die nach der Scheidung bei ihrer Mutter lebt. Der Beklagte ist Eigentümer der von ihm bewohnten Doppelhaushälfte. Im Rahmen der Finanzierung des Erwerbs ist der Beklagte noch zu monatlichen Zahlungen in unbekannter Höhe verpflichtet. Ob darüber hinaus weitere Verbindlichkeiten bestehen, ist der Kammer ebenfalls nicht bekannt.
IV. Schilderung des bisherigen Verfahrensganges:
2020 erhielt die Klägerin von einer Presseveröffentlichung im Lokalteil einer Tageszeitung Kenntnis, die folgende Überschrift hatte: „Evangelischer Pfarrer aus B soll seine Ehefrau geschlagen haben.“ Im Text dazu heißt es dann wörtlich: „Gegen einen evangelischen Pfarrer aus B liegt eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt vor. Der Seelsorger ist offenbar nicht zum ersten Mal gewalttätig geworden. Anfang Dezember 2019 hat die Ehefrau eines evangelischen Pfarrers aus B ihren Mann wegen häuslicher Gewalt angezeigt. Laut ihrer Aussage soll er sie mehrfach geschlagen haben. Die Redaktion hat aus sicherer Quelle von diesem Vorfall gehört. Der […] Seelsorger soll nicht zum ersten Mal wegen körperlicher Gewalt innerhalb der Familie angezeigt worden sein. Der erste Fall liegt aber vertraulichen Informationen zufolge schon länger zurück.“ Auslöser für diese Berichterstattung war offensichtlich eine Strafanzeige, die die dritte Ehefrau des Beklagten, die Zeugin I 2019 bei der Polizei in B erstattet hatte, nachdem es im Haus in B zu einem Streit mit dem Beklagten gekommen war, der in häusliche Gewalt eskaliert sein sollte. Wer diese Informationen an die Presse weitergeleitet hat, konnte im Hinblick auf das insoweit bestehende Zeugnisverweigerungsrecht der Presse zur Identität ihrer Informanten im Rahmen dieses Verfahrens nicht festgestellt werden. Jedenfalls löste diese Veröffentlichung Vorermittlungen der Personalabteilung in der Dienststelle der Klägerin zur Prüfung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beklagten aus. Zu diesem Zweck wurde das gegen den Beklagten bei der Staatsanwaltschaft B unter dem Az. […] eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen häuslicher Gewalt angefordert und ausgewertet. Daraus ergab sich, dass das Verfahren bereits am 2020 eingestellt worden war, nachdem die Zeugin I in einer gemeinsamen Vereinbarung mit dem Beklagten erklärt hatte, den gegen diesen gestellten Strafantrag unwiderruflich zurückzunehmen und von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Weitere Maßnahmen wurden daraufhin zunächst von der Klägerin nicht getroffen.
Per E-Mail übersandte die leitende Pfarrerin L einer evangelischen Frauenhilfe 2020 dem zuständigen Dezernenten in der Dienststelle der Klägerin einen von der Zeugin F verfassten und zur Weitergabe autorisierten Bericht über „Erfahrungen mit […]“, in welchem sie plakativ eine Vielzahl von zum Teil strafrechtlich schwerwiegenden Vorwürfen erhob, durch welche sie den Beklagten erheblich belastete.
Mit weiterer E-Mail vom selben Tage leitete Pfarrerin L eine an sie gerichtete E-Mail der dritten Ehefrau des Beklagten, der Zeugin I, an den zuständigen Dezernenten weiter, in welcher diese sich ebenfalls nachdrücklich über den Beklagten beschwerte und ihn wie die Zeugin F plakativ mit u.a. strafrechtlich relevanten Vorwürfen massiv belastete.
In der Folgezeit bemühten sich die zuständigen Personaldezernenten zunächst darum, das Einverständnis der beiden Zeuginnen mit einer persönlichen Vernehmung in der Dienststelle der Klägerin zu erlangen, um die erhobenen Vorwürfe zu konkretisieren und gegebenenfalls weiter aufklären zu können.
Parallel dazu wurde auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Informationen zu möglichen dienstrechtlichen Verfehlungen des Beklagten eine Vorlage an die Kirchenleitung gemacht, mit welcher beantragt wurde, gegen den Beklagten ein förmliches Disziplinarverfahren einzuleiten.
Der entsprechende Beschluss erging antragsgemäß am 05.10.2020. Er wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 07.10.2020 zur Kenntnisnahme und Stellungnahme zugeleitet.
Mit Schreiben vom 16.10.2020 bestellte sich Rechtsanwältin M unter Bezugnahme auf das vorgenannte Schreiben für den Beklagten als Verfahrensbevollmächtigte und beantragte Akteneinsicht, die ihr mit Schreiben der Klägerin vom 22.10.2020 durch Übersendung einer Kopie der Disziplinarakte gewährt wurde. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 20.11.2020 nahm der Beklagte umfassend zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung.
Für den 10. bzw. 15.12.2020 setzten die Ermittlungsführer bezüglich der beiden Belastungszeuginnen jeweils einen Vernehmungstermin mit einem möglichen Fortsetzungstermin am Folgetag fest und luden die Verfahrensbeteiligten dazu vor. Diese Termine mussten wegen Erkrankung beider Ermittlungsführer auf Februar 2021 verschoben werden.
Erst am 17.02.2021 und in einem Fortsetzungstermin am 19.03.2021 wurde die Zeugin F von den Ermittlungsführern im Beistand ihres Verfahrensbevollmächtigten und von Frau Pfarrerin L vernommen, wobei diese Vernehmungen auf Antrag der Zeugin in persönlicher Abwesenheit des Beklagten stattfanden. Der Beklagte selbst hatte Gelegenheit, aus einem getrennten Raum heraus per Video die Vernehmung zu verfolgen.
In gleicher Weise wurde die Zeugin I im Beistand ihrer Verfahrensbevollmächtigten, und von Frau Pfarrerin N, am 11.03. bzw. 20.04.2021 ebenfalls auf ihren Antrag unter Ausschluss der Anwesenheit des Beklagten vernommen.
Obwohl beide Zeuginnen im Rahmen ihrer Vernehmungen gegenüber dem Beklagten strafrechtliche Vorwürfe erhoben hatten, die zum Teil als Verbrechen (u.a. Vergewaltigung in drei Fällen) einzustufen und deshalb noch nicht verjährt waren und es zum Teil noch nicht sind (Verjährungsfrist: 20 Jahre), sahen die Ermittlungsführer von einer Aussetzung des Verfahrens und einer Vorlage der Disziplinarakten an die Staatsanwaltschaft ab, weil sie befürchteten, dass die Zeuginnen dort keine Aussagen mehr machen würden.
Im Rahmen einer persönlichen Anhörung durch die beiden Ermittlungsführer am 06.07.2021 konnte der Beklagte in Anwesenheit seiner Verfahrensbevollmächtigten zu den durch die Zeugenvernehmungen konkretisierten Vorwürfen nochmals eingehend Stellung nehmen.
Zur weiteren Sachaufklärung hielten die beiden Ermittlungsführer allerdings lediglich noch die Vernehmung der Zeugin O für erforderlich, die am 20.09.2021 stattfand. Die Zeugin O verzichtete auf Hinzuziehung eines Beistandes.
Mit Schriftsatz vom 01.10.2021 stellte die Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten den Antrag, den Zeugen P, Trauzeuge bei der zweiten Eheschließung des Beklagten, und den Zeugen Q, einen sehr guten Freund, insbesondere zum Zeitpunkt der von der Zeugin F behaupteten dritten Vergewaltigung zu vernehmen. Mit Schreiben vom 12.10.2021 lehnten die Ermittlungsführer diese Beweiserhebungen ab, weil nach ihrer Auffassung diese Vergewaltigung wesentlich später als im Jahr 2005 – wie ursprünglich angegeben - stattgefunden haben musste. Mit selben Schreiben wurde dem Beklagten gemäß § 37 DG.EKD ein von den Ermittlungsführern gefertigter Ermittlungsbericht zur Stellungnahme binnen einer Frist von einem Monat zugeleitet, der bei seiner Verfahrensbevollmächtigten am 15.10.2021 einging. Eine von der Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten gefertigte Stellungnahme erfolgte innerhalb der gesetzten Frist nicht.
Am 30.11.2021 beschloss die Klägerin auf der Grundlage eines vom Ermittlungsführer gefertigten Entwurfs gegen den Beklagten Disziplinarklage beim Kirchengericht der EKD mit dem Ziel zu erheben, ihn gemäß § 18 DG.EKD aus dem Dienst zu entfernen. Zugleich sollte gegen den Beklagten gemäß § 44 Absatz 1 DG.EKD eine vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wozu der Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2021 mit Fristsetzung bis zum 06.12.2021 angehört wurde. Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine von der Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten gefertigte Stellungnahme noch innerhalb der Frist rechtzeitig zugegangen ist, weil der Faxanschluss der Beklagten beim Fristablauf nicht in Betrieb war. Die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten erfolgte am 07.12.2021. Sie dauerte bis zum 24.03.2023 an. Wegen der dadurch ausgelösten psychischen Belastungen ist der Beklagte seitdem fortlaufend in ärztlicher Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie gewesen, der ihn auch bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren krankgeschrieben hat. Eine Kürzung der Dienstbezüge des Beklagten erfolgte bislang nicht.
Mit Schreiben vom 30.11.2021 - Eingang beim Kirchengericht am 02.12.2021 - wurde gegen den Beklagten die bereits angekündigte Disziplinarklage erhoben, die zusammengefasst folgende Vorwürfe zum Gegenstand hatte:
  1. die erste Vergewaltigung der Zeugin F im Dachgeschoß in der […],
  2. das Werfen des Babys H aufs Sofa am 03.10.2004,
  3. das Stehenlassen von G vor der Haustüre bei Minustemperaturen am 02.12.2004,
  4. das Schlagen von G mit einer Fliegenklatsche,
  5. die Bedrohung der Zeugin und der Kinder G und H mit dem braunen Klappmesser am 02.12.2004,
  6. die sexuellen Übergriffe gegenüber der Zeugin F nach Weihnachten 2004,
  7. die Vergewaltigung der Zeugin F neben dem schlafenden H,
  8. die Vergewaltigung der Zeugin F im Büro September 2006 oder September 2007,
  9. die Nichtüberweisung der Hälfte der Mieteinnahmen für die Untervermietung der Mitteletage […] auf das Konto der Zeugin F,
  10. die Stalkinghandlungen gegenüber der Zeugin F nach ihrem Auszug,
  11. das mehrfache schnelle Fahren mit dem Auto über den Reiterhof von Familie R,
  12. die sexuelle Belästigung der Zeugin F nach der Trennung,
  13. das Abdrängen des Ehepaars O in der Nähe der […],
  14. die Drohung die Zeugin F zu erschießen,
  15. das Zufahren mit dem Auto auf die Zeugin F auf dem Reiterhof R im Frühjahr 2009 und ihre damit verbundene Nötigung zur Seite zu springen,
  16. die schriftlichen Drohungen gegenüber der Zeugin F,
  17. die Drohungen des Beklagten, der Zeugin F und ihren Pferden etwas anzutun („Sie werde Blut weinen.“),
  18. die außereheliche Beziehung des Beklagten zu Pfarrerin S,
  19. die Körperverletzung der Zeugin I im Frankreichurlaub im Sommer 2019 (Aufforderung des Beklagten an die Zeugin, sich in die Venen zu schneiden und die Mitwirkung an dieser Körperverletzung durch Führen der Hand der Zeugin),
  20. die körperlichen und psychischen Angriffe gegenüber der Zeugin I zwischen dem Frankreichurlaub und dem 4. Dezember 2019,
  21. die Geschehnisse am 4. Dezember 2019 (insbesondere Entreißen und Zerstören des Handys und Körperverletzung der Zeugin I),
  22. das Sperren der Zugänge von i-Pad und Computer der Zeugin I nach dem 4. Dezember 2019.
Bezüglich der näheren Einzelheiten zu diesen Tatvorwürfen wird auf den Inhalt der oben näher bezeichneten Klageschrift verwiesen.
Mit Schreiben vom 06.12.2021 hat der Vorsitzende der Disziplinarkammer der Klägerin mitgeteilt, dass die eingereichte Disziplinarklage mit erheblichen Mängeln und Lücken behaftet sei, die es der Disziplinarkammer unmöglich machen würden, die darin erhobenen Vorwürfe gegen den beklagten Pfarrer im Rahmen eines kirchengerichtlichen Verfahrens sachgerecht aufzuklären. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schreibens Bezug genommen. Um Beseitigung der Mängel und auch um Durchführung ergänzender Ermittlungen wurde die Klägerin binnen möglichst kurzer Frist gebeten.
Mit Schreiben vom 12.01.2022 – Eingang bei Gericht am 19.01.2022 – hat die Klägerin eine am 11.01.2022 überarbeitete Fassung der Disziplinarklage vorgelegt, mit welcher bereits einige Mängel beseitigt worden sind.
Gleichwohl hat auch diese Disziplinarklage den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen, insbesondere weil sie keine geordnete Sachdarstellung enthalten hat und weil auch bezüglich der Einzelvorwürfe eine Reihe von Beweisproblemen unberücksichtigt geblieben ist. Das hat den Vorsitzenden veranlasst, nochmals in einem neunseitigen Schreiben vom 28.02.2022, auf dessen Inhalt insoweit Bezug genommen wird, die Mängel im Einzelnen darzulegen und in geeigneten Fällen eine Verfahrenseinstellung bzw. Beschränkung des Verfahrensstoffes anzuregen.
Mit Schreiben vom 15.03.2022 – Eingang bei Gericht am 28.03.2022 – hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie mit der weiteren Bearbeitung des Disziplinarklageverfahrens eine Rechtsanwältin beauftragt habe. Diese legitimierte sich mit Schreiben vom 17.05.2022 unter Vorlage der Originalvollmacht der Klägerin und kündigte die erbetene Neufassung der Klageschrift bis spätestens 15.06.2022 an.
Diese nochmals am 04.07.2022 geänderte Fassung der Klageschrift ging hier allerdings erst am 07.07.2022 ein.
Der Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten wurde Gelegenheit gegeben, auch zu dieser Neufassung der Klageschrift Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 09.09.2022 – Eingang bei Gericht am 12.09.2022 - beantragte diese das gegen den Beklagten eingeleitete Verfahren insgesamt einzustellen und die ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung aufzuheben.
Im Hinblick auf die bis dahin schon erhebliche Dauer des Disziplinarverfahrens, die dem Beklagten nicht anzulasten ist, sah sich der Vorsitzende veranlasst, auch die von der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Neufassung der Klageschrift nicht zu akzeptieren, sondern die Anfertigung einer Disziplinarklageschrift nach Maßgabe des Gerichts zu fordern. Dazu stellte der Vorsitzende mit Beschluss vom 21.09.2022 zunächst im allseitigen Einvernehmen der Beteiligten die Vorwürfe unter Nummern. 2, 3, 6, 9, 11,13, 16, 20 und 22 ein. Bezüglich der Vorwürfe unter Nummern 4 und 17 erfolgte eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 59 DG. EKD. Unter Berücksichtigung dieser erheblichen Reduzierung des Klagevolumens forderte er die Klägerin auf, nunmehr unter Hinweis auf die Rechtsfolgen aus § 58 Absatz 3 DG.EKD bis zum 25.10.2022 eine aktualisierte und im Übrigen auch den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Klageschrift vorzulegen.
Dieser Verpflichtung ist die Klägerin mit ihrer Disziplinarklage vom 25.10.2022 – hier am selben Tage per Telefax eingegangen – zumindest in zeitlicher Hinsicht nachgekommen. Nach umgehender Zustellung der Disziplinarklage an den Beklagten und an seine Verfahrensbevollmächtigte reichte diese mit Schreiben vom 11.11.2022 – eingegangen bei Gericht am 15.11.2022 – eine umfangreiche Schutzschrift für den Beklagten ein, mit welcher sie nochmals sehr ausführlich auf die aus Sicht des Beklagten weiterhin bestehenden schweren Mängel der Disziplinarklage hinwies.
Im Einvernehmen mit der Beklagtenseite sah das Gericht mit Blick auf die allein der Klägerseite anzulastenden Verfahrensverzögerungen, die eine massive Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes in Disziplinarverfahren darstellen, davon ab, vor einer mündlichen Verhandlung weitere Beweiserhebungen anzuordnen. In Abstimmung mit den Beteiligten beraumte der Vorsitzende in der Folgezeit fünf Termine zur mündlichen Verhandlung an und zwar am 20.01, 24.01., 03.03., 08.03 und 24.03.2023.
Gegenstand dieser mündlichen Verhandlungen waren zunächst die folgenden Vorwürfe:
  1. die erste Vergewaltigung der Zeugin F im Dachgeschoß in der […],
  2. die Bedrohung der Zeugin F und der Kinder G und H mit dem braunen Klappmesser am 02.12.2004,
  3. die Vergewaltigung der Zeugin F neben dem schlafenden H,
  4. die Vergewaltigung im Büro September 2006 oder September 2007,
  5. die Stalkinghandlungen gegenüber der Zeugin F nach ihrem Auszug,
  6. die Drohung, die Zeugin F zu erschießen,
  7. das Zufahren mit dem Auto auf die Zeugin F auf dem Reiterhof R im Frühjahr 2009 und ihre damit verbundene Nötigung zur Seite zu springen,
  8. die außereheliche Beziehung des Beklagten zu Pfarrerin S,
  9. die Körperverletzung der Zeugin I im Frankreichurlaub im Sommer 2019 (Aufforderung des Beklagten an die Zeugin, sich in die Venen zu schneiden und die Mitwirkung an dieser Körperverletzung durch Führen der Hand der Zeugin),
  10. die Geschehnisse am 4. Dezember 2019 (insbesondere Entreißen und Zerstören des Handys und Körperverletzung der Zeugin I).
In der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2023 wies der Vorsitzende nochmals darauf hin, dass die mit der Disziplinarklage erhobenen Stalkingvorwürfe (zu vgl. Nr. 5 der vorstehenden Auflistung) nur wenig konkret benannt oder gar dokumentiert seien, was es dem Beklagten nahezu unmöglich mache, sich gegen diese Vorwürfe sachgerecht zu verteidigen. Aus diesem Grunde regte der Vorsitzende an, diese Vorwürfe im Zeitraum Januar bis März 2009 ebenfalls fallen zu lassen und aus der Klageschrift herauszunehmen. Damit erklärte sich die Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin in Abstimmung mit dem Ermittlungsführer einverstanden.
Der Beklagte erhielt zunächst Gelegenheit, zusammenhängend zu den durch die Zeugin F erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Anschließend wurde diese Zeugin in Anwesenheit ihrer Zeugenbeistände vernommen. Anders als im disziplinarischen Ermittlungsverfahren war sie damit einverstanden, dass der Beklagte bei dieser Vernehmung im Sitzungssaal anwesend war.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2023 erhielt der Beklagte Gelegenheit, zusammenhängend zu den durch die Zeugin I erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auch diese Zeugin wurde im Anschluss daran in Anwesenheit ihrer Zeugenbeistände vernommen, wobei auch diese Zeugin damit einverstanden war, dass der Beklagte während ihrer Vernehmung persönlich anwesend war.
Darüber hinaus vernahm die Kammer im Laufe der mündlichen Verhandlungen die folgenden Zeugen und Zeuginnen:
T am 20.01.2023,
H am 24.01.2023,
C am 24.01.2023,
P am 24.01.2023,
U am 03.03.2023,
Q am 03.03.2023,
V am 03.03.2023,
W am 03.03.2023,
X am 08.03.2023 und
G am 08.03.2023.
Soweit die Kammer zum Verhandlungstermin am 08.03.2023 die Eheleute Y als Zeugen vorgeladen hatte, sind diese nach telefonischer Vorabinformation nicht erschienen, weil sie nach eigenen Angaben durch ihre Aussage das ohnehin schon stark angespannte Verhältnis zum Beklagten, ihrem Nachbarn, nicht noch mehr belasten wollten.
In der Verhandlung vom 08.03.2023 verlas der Vorsitzende die Antwort auf eine schriftliche Befragung der Schulleiterin des […]Gymnasiums.
Der Zeuge Z, der ursprünglich dem Vorsitzenden zugesagt hatte, ebenfalls zu einem Fragenkatalog schriftlich Stellung zu nehmen, war dazu im Nachhinein nicht mehr bereit, was er der Geschäftsstelle des Kirchengerichtes fernmündlich mitgeteilt hatte.
Zwei darüber hinaus noch in Betracht kommende Zeugen waren auf eine entsprechende fernmündliche Anfrage des Vorsitzenden ebenfalls nicht bereit, im vorliegenden Verfahren auszusagen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Verfahrensverlaufes wird auf den Inhalt der Ermittlungsakten, der Personalakten, der beigezogenen Straf- und Zivilakten und der Gerichtsakten zur Disziplinarklage Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2023 stellt die Vertreterin der Klägerin nach dem Abschluss der Beweisaufnahme den Antrag,
den Beklagten gemäß § 18 DG.EKD aus dem Dienst zu entfernen.
Unter Bezugnahme auf die Disziplinarklage vom 25.10.2022 führt sie zur Begründung aus, dass sich die darin umschriebenen Tatvorwürfe – mit Ausnahme von Tatvorwurf Nr. 5, der nicht aufrechterhalten werde – in vollem Umfang bestätigt hätten. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich allesamt um schwere Amtspflichtverletzungen handele, die in der Gesamtheit eine Entfernung des Beklagten aus dem Dienst nach sich ziehen müssten.
Die Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten stellt den Antrag,
die Disziplinarklage insgesamt abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den gesamten Beklagtenvortrag außerhalb und während der mündlichen Verhandlung.
V. Sachliche Zuständigkeit
1. Die Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD ist für die Entscheidung über die Vorwürfe aus der vorliegenden Disziplinarklage in erster Instanz zuständig. Seit dem 01.07.2010, d.h. mit dem Inkrafttreten des neuen Disziplinargesetzes der EKD vom 28.10.2009 (ABl. EKD 2009 S. 316,2 1010 S. 263), hat sich die Klägerin als Gliedkirche der EKD deren kirchlicher Gerichtsbarkeit in Disziplinarsachen unterworfen.
2. Die Disziplinarkammer ist weiter mit Blick auf den in der Klageschrift umrissenen mutmaßlichen Tatzeitraum (2002-2019) nicht durch ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs gemäß § 22 Absatz 1 DG.EKD an einer Sachentscheidung gehindert. Dem Beklagten werden im Rahmen der vornehmlich von seinen beiden geschiedenen Ehefrauen beschriebenen häuslichen Gewalt unter anderem schwere Sexualverbrechen und Körperverletzungen zur Last gelegt, die in ihrer Gesamtheit im Falle des Nachweises grundsätzlich gemäß § 18 DG.EKD die Entfernung aus dem Dienst und damit die für einen aktiven Pfarrer härteste, einer Verjährung nicht unterliegende Maßnahme rechtfertigen können.
3. Ein in § 86 Absatz 1 Satz 2 DG.EKD verankertes Rückwirkungsverbot steht der Durchführung dieses Disziplinarverfahrens nicht entgegen, weil die dem Beklagten im mutmaßlichen Tatzeitraum von 2002-2019 zur Last gelegten Amtspflichtverletzungen auch nach dem vor dem 01.07.2010 geltenden Disziplinarrecht grundsätzlich eine Entfernung aus dem Dienst zugelassen hätten.
VI. Prüfung der Begründetheit der Disziplinarklage
Die Disziplinarklage ist nach dem Ergebnis einer umfangreichen Beweisaufnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, die sich insgesamt über fünf Tage erstreckte, nicht begründet.
1. Vorbemerkung:
Die Kammer trifft zum Hintergrund der dem Beklagten zur Last gelegten Amtspflichtverletzungen zunächst einige Feststellungen, die bei der Bewertung der Einzelvorwürfe von großer Bedeutung sind und die die von der Kammer getroffene Beweiswürdigung unterlegen sollen.
Gemäß § 7 Absatz 1 DG.EKD i.V.m. § 123 Satz 3 VwGO i.V.m. § 261 StPO hat die Kammer über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach ihrer freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Sie hat sich von den Grundsätzen leiten lassen, die das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung dazu aufgestellt hat. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Die für die Überführung eines Beklagten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen. Zwar ist zur Überführung des Beklagten keine „mathematische“ Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und erschöpfend sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. März 2016 – 2 WD 8.15 – juris Rn. 19 f. m.w.N. und vom 3. Mai 2016 – 2 WD 15.15 – juris Rn. 16 ff.). Dies gilt namentlich dann, wenn eine Ahndung – wie vorliegend - auf der Grundlage der Aussage jeweils einer einzigen Zeugin erfolgen soll. Zwar ist das Tatgericht nicht grundsätzlich schon dann aufgrund des Zweifelssatzes an einer Verurteilung gehindert, wenn „Aussage gegen Aussage“ steht und außer der Aussage der jeweils einzigen Belastungszeugin keine weiteren belastenden Indizien vorliegen. Bei einer derartigen Sachlage muss allerdings die Aussage dieser Zeugin einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden. Hier ist eine lückenlose Ermittlung und anschließende Gesamtwürdigung der Indizien sowie aller anderen Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, von besonderer Bedeutung. Das gilt insbesondere dann, wenn die Belastungszeuginnen in der Verhandlung ihre Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhalten oder sich – wie vorliegend – sogar die Unwahrheit von Aussageteilen herausstellt. Dann muss das Gericht regelmäßig auch außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe ermitteln, die es ermöglichen, solchen Zeugenaussagen dennoch zu glauben. Gelingt dies dem Gericht nicht, ist der Beklagte nach dem Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ freizustellen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98 – juris Rn. 15; OVG Koblenz, Urteil vom 7. März 2017 – 3 A 10699/16 – NVwZ-RR 2017,974–Rn. 33 ff.). Verbleiben danach vorliegend nicht nur theoretische Zweifel daran, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen hat, so ist die Disziplinarklage in Ermangelung weiterer Aufklärungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ abzuweisen (zu vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – 2 WD 36/09 – Buchholz 450.2 § 106 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 14).
Dazu hat die Kammer vorab folgendes festgestellt:
Das vorliegende Verfahren gegen den Beklagten ist offensichtlich dadurch ausgelöst worden, dass die dritte Ehefrau des Beklagten, die Zeugin I, zunächst im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Beklagten im Vorfeld der Ehescheidung sich von einem Rechtsanwalt hat vertreten lassen, der zuvor bereits als Verfahrensbevollmächtigter für die zweite Ehefrau des Beklagten, die Zeugin F, tätig war. Als dieser von den mutmaßlichen Vorwürfen der häuslichen Gewalt des Beklagten gegenüber der Zeugin I erfuhr, gab er dieser den - aus Sicht der Kammer standesrechtlich bedenklichen - Rat, sich doch einmal mit der Zeugin F in Verbindung zu setzen, der nach seiner Erinnerung ähnliches widerfahren sein sollte. In der Folgezeit kam es dann zu einem persönlichen Kontakt zwischen den beiden Zeuginnen und einem anschließenden „Erfahrungsaustausch“. Auffällig war für die Kammer in diesem Zusammenhang besonders, dass die Zeugin F plötzlich Taten erinnerte, die in ihrem eigenen Scheidungsverfahren überhaupt nicht angesprochen worden sind. Auch ist die Zahl der Personen, die davor von der angeblich erfahrenen sexualisierten Gewalt Kenntnis erlangt hatten, sehr gering. Insoweit hat die Zeugin F lediglich ihre „beste Freundin“ T benannt, der sie sich anlässlich ihres ersten Auszuges aus dem gemeinsamen Haus anvertraut haben will. Auch will die Zeugin nicht ihrer Mutter über ihre Gewalterfahrungen mit dem Beklagten berichtet haben, obwohl diese durch ihr langjähriges Engagement in einem Frauenhaus, an dessen Etablierung sie mitgearbeitet hat, sicherlich eine gute Ratgeberin gewesen wäre, insbesondere nach der ersten mutmaßlichen „Vergewaltigung“, als die Zeugin mit dem Beklagten noch nicht verheiratet war. Auch ihre leibliche Tochter, die Zeugin G, will von den angeblichen Vergewaltigungen ihrer Mutter durch den Beklagten bislang nichts gehört haben. Für die Kammer ist dann im Laufe des Verfahrens deutlich geworden, warum die Zeugin F diese Taten nicht zum Anlass genommen hat, selbst die Scheidung von dem Beklagten zu beantragen. So ist es der Beklagte gewesen, der trotz all seiner Bemühungen, die Ehe mit der Zeugin F zu retten, am Ende feststellen musste, dass diese ihn mit einem gemeinsamen Kollegen an der Realschule, nämlich dem Zeugen Z, betrogen hatte und damit selbst aus der Ehe ausgebrochen war. Genau diese Tatsache hat die Zeugin F im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Kammer verheimlichen wollen, indem sie auf wiederholte Frage des Vorsitzenden, ob sie mit dem Zeugen Z ein sexuelles Verhältnis gehabt habe, geantwortet hat, dass dieser lediglich ein väterlicher Freund gewesen sei, der sie in der schwierigen Trennungsphase vom Beklagten psychisch unterstützt habe. Dass dies eine bewusste falsche Aussage war, hat die Zeugin F selbst einräumen müssen, als sich durch eine vom Vorsitzenden angekündigte Befragung des Zeugen Z abzeichnete. In diesem Moment erkannte die Zeugin, dass sie einer möglichen Falschaussage überführt werden könnte. Aus diesem Grund trat sie die sog. Flucht nach vorn an und räumte über einen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten ein, in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt zu haben. Vorgeblich geschah dies, um einem Wunsch des Zeugen Z nachzukommen, nicht in dieses Verfahren hineingezogen zu werden. Die Kammer hat allerdings nicht verkannt, dass dies in erster Linie geschah, um selbst in dem Konflikt mit dem Beklagten nicht ungünstig dazustehen. In diesem Kontext war es für die Kammer auch nicht verwunderlich, dass die Zeugin die Frage des Vorsitzenden, warum sie die gewaltsamen Übergriffe des Beklagten nicht zeitnah zur Anzeige gebracht habe, dahingehend beantwortete, dass ihr diese Vorwürfe in der damaligen Situation niemand geglaubt hätte. Diese Einschätzung der Beweissituation veränderte sich für die Zeugin F erst, als sie in der Zeugin I ein weiteres mutmaßliches Opfer des Beklagten kennenlernte.
Die Kammer hat sich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, warum die Zeugin F nach fast zehn Jahren, in denen sie im Großen und Ganzen im Verhältnis zu ihrem geschiedenen Ehemann, dem Beklagten, über keine nennenswerten Probleme mehr berichten konnte, plötzlich im Zusammenwirken mit der Zeugin I Maßnahmen ergriffen hat, die dem Beklagten solch erheblichen Schaden zufügen sollten. Die Kammer ist sich aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Verfolgung von Taten, die sexualisierte Gewalt zum Gegenstand haben, stets der Tatsache bewusst, dass Opfer häufig sehr lange Zeit brauchen, um sich Dritten gegenüber zu öffnen und über solche Taten zu berichten. Damit einhergehende Traumatisierungen sind der Kammer hinlänglich bekannt. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass es im vorliegenden Fall um eine andere Ausgangssituation geht, weil insbesondere die von der Zeugin F behaupteten schweren Sexualstraftaten aufgrund der von ihr beschriebenen Gesamtumstände sehr zweifelhaft sind. So hat die Kammer vorliegend festgestellt, dass die Zeugin F in dem Zeitpunkt, als die Zeugin I zu ihr Kontakt aufgenommen hat, über den Beklagten aktuell sehr verärgert war, weil aus ihrer Sicht dieser den gemeinsamen Sohn H, der 2019 gerade 15 Jahre alt geworden war, massiv bedrängt haben sollte, bei der Mutter aus- und beim Vater, dem Beklagten, einzuziehen. Auf der anderen Seite war auch die Zeugin I verärgert, weil der Beklagte nunmehr in die Familie, die er mit ihr und der kleinen Tochter K gegründet hatte, auch noch seinen leiblichen Sohn aus zweiter Ehe aufgenommen hatte. Damit drängte sich für die Kammer die in vielen Fällen entscheidende Frage auf: Cui bono? (Wem nützt es, wenn der Beklagte in einem Disziplinarverfahren aus dem Amt entfernt wird?) Insoweit glaubt die Kammer den beiden Zeuginnen nicht, dass es ihnen allein darum ging, zukünftig zu verhindern, dass der Beklagte als Pfarrer mit derart negativen, ja sogar kriminellen Eigenschaften weiterhin für die Evangelische Kirche tätig sein darf. Die beiderseitigen wahren Interessen der Zeuginnen sind für die Kammer deutlich ersichtlich. Die Zeugin F war zunächst als Mutter zutiefst enttäuscht, dass ihr Sohn sich letztlich dem Vater zugewandt hatte, um bei ihm in B zu leben. Das Argument ihres Sohnes, der trotz des Wegzuges nach […] weiterhin zu dem 35 km entfernten Gymnasium in […] zur Schule ging und durch den Umzug zum Vater einfach nur näher bei seinen Freunden sein wollte, akzeptierte sie überhaupt nicht. Sie vermutete vielmehr dahinter eine Rachemaßnahme Ihres geschiedenen Mannes. Durch diesen aus ihrer Sicht unverständlichen Auszug verlor sie darüber hinaus nicht nur das Kindergeld für H, sondern war ihrerseits gegenüber dem Beklagten auch zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Außerdem fehlte durch den Weggang auf dem Bauernhof, den sie gemeinsam mit ihrem neuen Ehemann inzwischen erworben hatte, eine wertvolle Arbeitskraft, die bei der Bewirtschaftung des Hofes mithelfen konnte. Wie sehr dieser Weggang die Zeugin getroffen hat, konnte die Kammer daraus ableiten, dass die Zeugin nach dem Auszug abrupt den Kontakt zu ihrem Sohn gänzlich abgebrochen und erst kurz vor dem Beginn dieses Verfahrens vorsichtig wieder aufgenommen hat. Nachdem sie wiederum erfahren hatte, dass der Sohn im vorliegenden Verfahren als Zeuge ausgesagt hatte, hat sie bezeichnenderweise den Kontakt wieder völlig abgebrochen. Auf der anderen Seite hat die Kammer die Interessen der Zeugin I in den Blick genommen. Diese hatte zu H, dem leiblichen Sohn des Beklagten, keine engere Beziehung als Stiefmutter aufbauen können. Sie hat ihm von vornherein zu verstehen gegeben, dass sie ihn in der Familie nicht akzeptieren würde. Abgesehen davon, dass er den Beklagten, ihren Ehemann, nun zeitlich mehr in Anspruch nahm, war er auch im Haushaltsbudget ein zusätzlicher Kostenfaktor. Als sich dann noch nach der vom Beklagten eingeräumten Affäre mit der Pfarrerin S die Scheidung von dem Beklagten abzeichnete, hoffte die Zeugin, durch das massive Vorgehen gegen den Beklagten zu erreichen, dass sie das im Eigentum des Beklagten stehende Wohnhaus am […] in B zukünftig mit ihrer Tochter K allein bewohnen dürfte, was ihr aber durch das Familiengericht im Wohnungszuweisungsverfahren deutlich verweigert worden ist. So hatten die Zeuginnen jedenfalls zeitweise eine große Übereinstimmung darin, dem Beklagten nachhaltig zu schaden. Diese Interessenverbundenheit der beiden Zeuginnen konnte die Kammer auch im Verlauf des Verfahrens daran feststellen, dass sich die Zeugin I im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mit dem Beklagten dahingehend verständigt hatte, gemeinsam für die Tochter K einzustehen und ihr ungeachtet der Spannungen gute Eltern zu sein. Aus diesem Grunde hatte die Zeugin über ihre Verfahrensbevollmächtigte dem Gericht mitteilen lassen, dass sie im Verfahren keine Aussage und insoweit von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle. Nachdem die Zeugin F davon erfahren hatte, nahm sie umgehend mit der Zeugin I Kontakt auf, um sie zu bedrängen, diesen Entschluss rückgängig zu machen. Sie wies die Zeugin nachdrücklich darauf hin, dass durch diese Entscheidung die zuvor gemachten Aussagen entwertet würden und es nicht zu einer Verurteilung des Beklagten kommen könnte. Dadurch ist es der Zeugin F letztlich gelungen, die Zeugin I zu bewegen, dennoch in der mündlichen Verhandlung auszusagen. In der folgenden Beweisaufnahme musste die Kammer nun feststellen, dass die beiden Ex-Ehefrauen des Beklagten es bei der Umsetzung Ihres Vorhabens mit der Wahrheit nicht so genau genommen haben. So sind beide Zeuginnen gemeinsam zum […]-Gymnasium in B gefahren, um dort bei der Schulleiterin über ihre gemeinsamen Gewalterfahrungen mit dem Beklagten, der an dieser Schule über viele Jahre Religionsunterricht erteilt hat, zu berichten. Beide Zeuginnen haben stets - auch in der mündlichen Verhandlung noch - behauptet, dass dieses Gespräch vorab vereinbart worden und man nicht – wie vom Beklagten behauptet – unangemeldet dort erschienen sei. Diese Aussage war schlichtweg falsch, weil die Schulleiterin im Rahmen der schriftlichen Beantwortung der entsprechenden Frage des Vorsitzenden geantwortet hat, dass eine vorherige Abstimmung des Termins nicht stattgefunden habe. Aus Sicht der Kammer leuchtet dies auch ein, weil die Schulleiterin den Zeuginnen F und I sogleich einen Termin verweigert hätte, wenn sie vorher erfahren hätte, worum es diesen bei dem Besuch eigentlich ging. Auch soweit die Zeugin F behauptet hat, von der Zeugin W, einer ihr angeblich vom Reiterhof bekannten Mitarbeiterin der Kirchengemeinde, auf die Presseveröffentlichung bezüglich des Beklagten hin angerufen worden zu sein, hat eine entsprechende Befragung dieser Zeugin ergeben, dass auch diese Behauptung falsch war. Die Zeugin W hat im Rahmen ihrer Vernehmung glaubhaft bekundet, dass die Zeugin F, die sie nur flüchtig vom Reiterhof her kennen würde, sie angerufen habe, um unaufgefordert über ihre eigenen und auch über die Gewalterfahrungen der Zeugin I zu berichten.
Umso bemerkenswerter erscheint es der Kammer, dass sich aus den Personalakten, den Ermittlungsakten im Disziplinarverfahren und auch aus den Beiakten keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass der Beklagte gewalttätig veranlagt und darüber hinaus sexuell umtriebig gewesen ist. Die Kammer kann es sich nicht vorstellen, dass der Beklagte mit diesen von den Zeuginnen behaupteten charakterlichen Schwächen in seiner gesamten Dienstzeit weder in der Gemeinde noch in den Schulen, in welchen er Religionsunterricht erteilt hat, noch in seinem Freundes- und Bekanntenkreis auffällig geworden ist. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Beklagte vom Naturell her durchaus in der Lage gewesen sein konnte, sehr zornig und aufbrausend zu sein. Allerdings soll er dabei nach den Wahrnehmungen und Angaben außenstehender Personen niemals gewalttätig geworden sein. Für die Kammer zeichnet sich von der Berufsauffassung und vom Engagement her ein durchweg positives Bild vom Beklagten ab.
Unter Berücksichtigung der vorgeschilderten Umstände hatte daher die Kammer allen Anlass, die in der Disziplinarklage der Klägerin zuletzt noch aufgeführten Vorwürfe sehr kritisch daraufhin zu überprüfen, ob es über die Aussagen der Zeuginnen hinaus weitere Realkennzeichen gibt, die den unzweifelhaften Schluss darauf zulassen, dass der Beklagte sich in der ihm vorgeworfenen Form eines Dienstvergehens schuldig gemacht hat.
2. Beweiswürdigung im Einzelnen
a) Taten zum Nachteil der Zeugin F:
aa) Vergewaltigung im August/September 2003
Im Sommer 2003, kurz nach ihrer Eheschließung im August und nachdem die Zeugin F und der Beklagte in ihre erste eigene Wohnung unter der Anschrift […] eingezogen waren, spielte sich an einem Tag um 22.30/23.00 Uhr im Schlafzimmer im Dachgeschoss bei eingeschaltetem Licht folgendes ab:
Da es keine Verdunklungsmöglichkeiten gab, musste das Fenster immer mit einem Bettlaken zugehängt werden. Das Fenster befand sich in einem sehr großen Erker. Es war so groß und breit, dass man ohne Hilfsmittel nicht an die Kante des Fensters gelangen konnte. Die Zeugin F stieg auf einen Stuhl, um das Bettlaken hinter dem Fenster einzuklemmen.
Zu dieser Zeit befand sich der Beklagte unten im Wohnzimmer und die Tochter G schlief in ihrem Kinderzimmer. Die Zeugin F fiel beim Einhängen des Bettlakens zusammen mit dem Stuhl nach hinten um und kam rücklings seitlich zum Liegen. Sie hatte aufgrund des Sturzes einen Filmriss und lag benommen am Boden. In dieser Situation kam der Beklagte ins Zimmer und beugte sich über sie. Statt ihr hoch zu helfen oder danach zu fragen, ob ihr etwas passiert sei oder wie es ihr gehe, zog er die Zeugin F aus. Diese stand noch unter Schock und verstand zunächst nicht, was da passierte. Als er ihr den Slip auszog, wurde ihr klar, was er vorhatte, und sie fragte ihn „Was soll das? Was machst Du da?". Hierauf antwortete der Beklagte „Ich wollte Dich endlich einmal vögeln, ohne dass Du Dich wehren kannst." Die Zeugin F war darüber, dass der Beklagte die Situation ausnutzen und sich Befriedigung verschaffen wollte, geschockt und paralysiert. Sie sagte ,,Lass das!" „Ich kann das jetzt nicht!", „Geh weg!“ und stieß ihn dabei auch weg. Die Zeugin F, die seinerzeit 58 kg wog, hatte gegen den ca. 80 kg schweren, über ihr stehenden Mann, keine Chance sich zu wehren. Der Beklagte setzte sich über den von der Zeugin F geäußerten Willen hinweg, beugte sich über sie, verlagerte sein Gewicht auf ihren Oberkörper und drang in sie ein. Das Ganze dauerte 5-10 Minuten. Die Zeugin F fühlte sich in der Situation und auch danach gefangen und sah keine Möglichkeit, den Beklagten umgehend wieder zu verlassen oder gar anzuzeigen.
Beweiswürdigung:
Unabhängig von den Zweifeln, die sich bereits aus den in der Vorbemerkung geschilderten Umständen für die Kammer ergeben, scheint der Kammer der vorstehend von der Zeugin F geschilderte Tathergang aus einer Reihe von weiteren Gesichtspunkten sehr zweifelhaft zu sein.
Der Beklagte selbst hat sich zu diesem Vorwurf dahingehend eingelassen, dass er sich zwar an einen Vorfall erinnern könne, bei dem seine Ex- Ehefrau vom Stuhl gestürzt sei, als sie das Fenster im Schlafzimmer verdunkeln wollte, dass er jedoch zu diesem Zeitpunkt im Erdgeschoss gewesen sei und lediglich einen dumpfen Knall gehört habe. Kurz danach sei die Zeugin F humpelnd die Treppe hinuntergekommen und habe ihm von dem Sturz berichtet. Ernstlich verletzt habe sie sich dabei nicht. Die von der Zeugin beschriebene Situation im Schlafzimmer, in welcher er die Benommenheit der Zeugin ausgenutzt haben soll, um diese gleichsam wehrlos zu entkleiden und zu vergewaltigen, stellt er entschieden in Abrede.
Diese Einlassung des Beklagten lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegen. Ein wichtiges Überprüfungskriterium für die Kammer ist stets die Frage, ob das Aussageverhalten der Zeugin konstant war. Wenn man vorliegend das erste Schreiben betrachtet, das die Zeugin F an ihren Opferbeistand, die Pfarrerin L, gerichtet hat, dann fällt auf, dass darin bezogen auf diesen Vorfall nur vom Auskleiden der Zeugin und der abfälligen, menschenverachtenden Bemerkung des Beklagten die Rede ist. Dass es danach mehr oder weniger auch tatsächlich zu einer Vergewaltigung gekommen sei, wird nicht ausdrücklich erwähnt. Das ist erst später in der Vernehmung durch die Ermittlungsführer konkret beschrieben worden. Weiterhin hält die Kammer es für bemerkenswert, dass die Zeugin F gerade bezüglich der von ihr behaupteten schweren Sexualstraftaten (Vergewaltigung in drei Fällen) verlässliche Angaben zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht machen konnte. Gerade mit Blick auf den ersten Vorwurf muss die Kammer feststellen, dass noch in der Disziplinarklage aufgrund der Angabe der Zeugin davon ausgegangen wird, dass sich dieser Vorfall nach der Hochzeit im Jahr 2003 und kurz nach dem Einzug in die Wohnung […] in B zugetragen haben soll. Erst im Laufe der mündlichen Verhandlung hat sich dann nach Vorlage einer Meldebescheinigung bezüglich der vorgenannten Wohnung herausgestellt, dass der Beklagte und die Zeugin die Wohnung bereits im Jahr 2002 bezogen haben, so dass sich diese Vergewaltigung ereignet haben müsste, als der Beklagte und die Zeugin noch nicht verheiratet waren. Davon ist dann letztlich auch die Klägerin ausgegangen. Mit Blick darauf, dass die Zeugin zu diesem Zeitpunkt bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich hatte und auch für ein Kind aus dieser Beziehung verantwortlich war, ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass diese Zeugin, die nach eigener Wahrnehmung der Kammer und auch nach den Bekundungen der gehörten Zeugen über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügt, sich auf diese für einen Pfarrer ungeheuerliche und menschenverachtende Bemerkung, die mit einem christlichen Grundverständnis in keiner Weise in Einklang zu bringen ist, nicht veranlasst gesehen hat, sich von dem Beklagten unverzüglich zu trennen, Dies wäre umso dringender geboten gewesen, weil die Zeugin nach eigener Bekundung weitere Hinweise darauf gehabt haben will, dass der Beklagte nicht nur eine helle, sondern auch eine dunkle Seite hatte. Besonders ist der Kammer aufgefallen, dass die Zeugin in den Vernehmungen vor der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren nicht erwähnt hat, aufgrund verschiedener Funde in der Wohnung des Beklagten ebenfalls Hinweise darauf gehabt zu haben, dass dieser einen ausschweifenden, wenn nicht sogar zügellosen Sexualtrieb hatte. Erst in der Vernehmung vor der Kammer hat die Zeugin angesprochen, dass sie nach dem Einzug in die gemeinsame Wohnung […] in B im Kühlschrank des Beklagten Fläschchen mit Pheromonen und im Kleiderschrank eine Tüte mit Damenslips gefunden haben will. Dazu soll der Beklagte gesagt haben, dass es sich um eine Art Trophäensammlung gehandelt habe, die noch aus seiner vorehelichen Zeit stammen sollte. In diesem Zusammenhang hält es die Kammer für auffällig, dass auch die dritte Ehefrau des Beklagten, die Zeugin I in der Wohnung diese so genannte Trophäensammlung gefunden haben will und dies der Kammer auch im Rahmen ihrer gerichtlichen Aussage mitgeteilt hat.
Entgegen der Auffassung der Ermittlungsführer hat die Kammer es daher für erforderlich gehalten, nach weiteren Realkennzeichen zu suchen, die einen Beleg dafür liefern könnten, dass es sich um ein Geschehen gehandelt hat, welches der Zeugin tatsächlich widerfahren ist. Im Ergebnis hat die Kammer dazu keine weiteren Hinweise gefunden. Soweit die Zeugin angegeben hat, sich nach dem ersten Auszug aus der Wohnung ihrer besten Freundin, der Zeugin T anvertraut zu haben, konnte diese im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Kammer lediglich vage Angaben zu etwaigen Sexual- und Gewaltdelikten des Beklagten machen, die nicht dienlich waren, diesen Tatvorwurf und weitere zu erhärten. Schließlich hat die Kammer zur Kenntnis genommen, dass die Zeugin F nach diesem Vorfall den Beklagten trotzdem geheiratet, wenig später mit ihm einen Sohn bekommen und danach ein gemeinsames Haus, sowie zwei Pferde gekauft hat. All diesen Schritten gehen wichtige Lebensentscheidungen voraus, die auf dem Hintergrund der von der Zeugin im Nachhinein beschriebenen Vergewaltigungstaten mehr als fragwürdig erscheinen müssen.
Im Ergebnis ist daher die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass dem Beklagten dieser Vergewaltigungsvorwurf nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann.
ab) Bedrohung der Zeugin F und der Kinder G und H mit einem braunen Klappmesser am 02.12.2004:
Die Eheleute hatten am 02.12.2004 eine Auseinandersetzung wegen des Verhaltens des Beklagten gegenüber seiner Stieftochter G. In dieser Situation beschloss die Zeugin F, die Kinder anzuziehen und ihre Sachen einzupacken, um mit ihnen ein Wochenende bei ihren Eltern zu verbringen. Damit wollte sie zur Auflösung des Konfliktes beitragen. Die Zeugin machte sich und die Kinder fertig. G war in der Küche und stand hinter ihrer Mutter. Daneben saß H schon im Autositz. Als die Zeugin ihrem Ehemann vorschlug, mit den Kindern zu ihren Eltern zu fahren, damit sie dort zur Ruhe kommen könnten, reagierte der Beklagte fürchterlich wütend und äußerte, sie wolle sich wohl von ihm trennen. Er drohte ihr an, ihr die Kinder wegzunehmen. Eher wolle er nach […] auswandern, so dass die Zeugin für was auch immer keinen Unterhalt bekommen würde. Er würde alles daransetzen, die Zeugin F zu ruinieren. Er warf dabei mit Kissen, mit CDs und mit Spielzeug um sich. Er rannte hin und her, packte die Zeugin kurz am Arm und ließ sie wieder los. Sie stand in der Tür der Küche, die eher klein war. Der Beklagte hielt sich am Küchenfenster ca. 2,5 bis 3 Meter von der Zeugin F entfernt auf. Die Kinder befanden sich hinter ihr. In der Küche lag ein braunes Klappmesser, das nur der Beklagte benutzen durfte. Es handelte sich um ein Messer mit einem braunen Holzgriff, das in ausgeklapptem Zustand ca. 20 cm lang war und hauptsächlich dazu diente, die Silberhaut an Fleisch zu lösen. In der aktuell beschriebenen Situation spielte der Beklagte mit dem Messer an seinen Pulsadern und an seiner Hand. Dabei hielt er das Messer in seiner rechten Hand und zog es durch die linke Hand, ohne sich dabei zu verletzen. Er sagte: „Ihr werdet schon sehen." und zeigte mit seinem Messer auf seine linke Pulsschlagader, danach mit dem Messer auf Frau F und erklärte: "Jetzt reicht es aber. Entweder wir sind gleich alle tot oder ich bring mich jetzt um." G rannte hierauf hoch in ihr Zimmer. Frau F blieb bei ihrem Mann stehen, weil sie Sorge hatte, dass er sich was antut. Sie versuchte, beruhigend auf den Beklagten einzureden, indem sie sagte: "Leg das Messer weg. Wir finden eine Lösung für unser Problem. Ich möchte nicht, dass jemandem was passiert, auch Dir nicht. Beruhige Dich erstmal.“ Damit hatte sie Erfolg. Als H hinter der Zeugin F zu weinen begann, drehte sie sich um. In diesem Moment legte der Beklagte das Messer wieder weg.
Beweiswürdigung:
Der Beklagte hat die von der Zeugin F beschriebene Bedrohungssituation am 02.12.2004 insofern bestritten, als er angegeben hat, das angeblich zur Bedrohung eingesetzte Messer lediglich in der Hand gehalten zu haben, weil er in der Küche gerade etwas vorbereiten wollte. Bei diesem Vorfall stellt sich die Beweissituation für die Kammer allerdings etwas differenzierter dar. Zu diesem Punkt ist nämlich neben der Zeugin F auch deren Tochter G vernommen worden. Diese hat nach Auffassung der Kammer die damalige familiäre Situation sehr authentisch und ohne eine überschießende Belastungstendenz beschrieben. Sie hat im Rahmen ihrer Vernehmung keinen Hehl daraus gemacht, dass sie zu dem Beklagten als Stiefvater kein gutes Verhältnis hatte. Mit Blick auf die auch durch die Kammer nicht auszuschließenden Zornesausbrüche des Beklagten hat sie nach eigenen Angaben in der damaligen Situation angesichts des Beklagten mit dem Messer in der Hand fürchterliche Angst bekommen, ist deshalb in ihr Schlafzimmer gerannt und hat sich dort versteckt. Bei der Schilderung dieser Situation erlitt die Zeugin offensichtlich einen sog. Flash Back, der sie gefühlsmäßig überwältigte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Das war für die Kammer einmal mehr ein Beleg dafür, wie sehr gerade Kinder durch vor ihren Augen ausgetragene Streitigkeiten in der Ehe psychisch belastet und häufig sogar langfristig traumatisiert werden. Für eine besondere Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin spricht, dass sie sich insoweit mit ihrer Mutter nicht abgesprochen haben kann, weil sie ein Detail berichtet hat, über das die Zeugin F die Kammer im Unklaren gelassen hat. Nach Angaben der Zeugin G sollen nämlich der Beklagte und die Zeugin F nach dem Vorfall beide zusammen in ihr Schlafzimmer gekommen sein, um sie zu beruhigen. Insbesondere der Beklagte soll ihr dabei gesagt haben, dass sie keine Angst haben müsse und dass das alles nicht so ernst gemeint gewesen sei. Der Zeuge H soll zwar bei diesem Ereignis ebenfalls anwesend gewesen sein, er konnte allerdings mit Blick auf sein damaliges Alter dazu keine sachdienlichen Angaben machen. Im Ergebnis hält die Kammer es daher für durchaus denkbar, dass sich dieser Vorfall zumindest in groben Zügen strafrechtlich bewertet als sog. Bedrohung gemäß § 241 StGB so oder ähnlich zugetragen hat. Die Frage, ob diese heute noch als disziplinarrechtlich relevant verwertet werden kann, kann erst am Ende im Rahmen einer zusammenfassenden Bewertung des gesamten Beweisergebnisses beantwortet werden.
ac) Vergewaltigung der Zeugin F neben H Januar/Februar 2005:
Nach verschiedenen Ereignissen um die Weihnachtszeit konnte die Zeugin F ca. 4-6 Wochen jegliche sexuellen Kontakte mit dem Beklagten vermeiden bzw. er akzeptierte ihre ablehnende Haltung.
An einem Nachmittag, der zeitlich zwischen Ende Januar 2004 und Mitte Februar 2005 lag, kam der Beklagte in das Schlafzimmer, in dem die Zeugin F zu dieser Zeit mit H gerade einen Mittagsschlaf machte. Die Zeugin lag rechts, H links an der Stelle, wo der Beklagte sonst schlief, beide jeweils mit einer Bettdecke. Der Beklagte gab ihr zu verstehen, dass er jetzt mit ihr Sex haben wolle. Die Zeugin weigerte sich und wies ihn außerdem darauf hin, dass sie das nicht wolle, wenn das schlafende Kind neben ihnen liege. Die Zeugin war zu dieser Zeit mit einem T-Shirt und einer Unterhose bekleidet. Der Beklagte zog daraufhin seine Hose aus und ließ sich mittig auf das Bett fallen. Er griff hierbei unter die Decke und in den Schritt der Zeugin F, die auf dem Rücken lag. Er schob einfach den Slip beiseite, drang in sie ein und vollzog den Geschlechtsakt, bis er befriedigt war. Die Zeugin hatte Sorge, dass H aufwachen könnte und verhielt sich daher still und passiv Als der Beklagte fertig war, stand er auf, zog sich an und verließ den Raum.
Beweiswürdigung:
Bei diesem von der Zeugin F erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung stellt sich für die Kammer die Beweislage ähnlich dar wie im eingangs der Beweiswürdigung beschriebenen Fall. Auch hier war für die Zeugin eine zeitliche Einordnung des Vorfalles im Nachhinein schwierig. Ebenso ist die von der Zeugin als Hintergrund geschilderte Situation, in welcher es zu einer Vergewaltigung gekommen sein soll, für die Kammer nur schwer nachzuvollziehen. Insbesondere erscheint es der Kammer nicht glaubhaft, dass es dem Beklagten gelungen sein soll, in Gegenwart des schlafenden Säuglings, der nach Angaben der Zeugin F stets Schwierigkeiten beim Einschlafen hatte, gegen den Willen der Zeugin mit ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die Kammer will zwar nicht ausschließen, dass der Beklagte zu diesem oder einem anderen Zeitpunkt ins Schlafzimmer gekommen ist, um mit der Zeugin einvernehmlich Sex zu haben, dass er aber davon Abstand genommen hat, nachdem ihm die Zeugin bedeutet hatte, nicht im gemeinsamen Mittagsschlaf mit dem damals 8 bis 9 Monate alten Säugling gestört werden zu wollen. Auch zu diesem Vorfall hat die Zeugin T zu möglichen Erzählungen der Zeugin F keine konkreteren Angaben machen können. Weitere Realkennzeichen konnte die Kammer nicht ermitteln, so dass sie auf dem Hintergrund der Vorbemerkung auch hier erhebliche Zweifel daran hat, von einem belastbaren Tatnachweis ausgehen zu können.
ad) Vergewaltigung der Zeugin F im Büro im September 2007:
Die Zeugin F zog erstmals im März 2006 aus dem gemeinsamen Haus aus. Der Beklagte machte ihr daraufhin den Vorschlag, das Haus in drei getrennte Bereiche aufzuteilen, um die Zeugin zum Wiedereinzug zu bewegen. Diese ließ sich darauf ein und zog im August 2006 wieder ein. Die Aufteilung des Hauses sah so aus, dass der Beklagte unten wohnte, in der Mitte H und die Zeugin und G oben im ausgebauten Dachgeschoss. Bis ca. November 2006 funktionierte das Zusammenleben. Danach konsumierte der Beklagte abends häufiger Alkohol und die Zeugin sah sich gezwungen, abends eine Kommode vor die Etagentür zu schieben, um dem Beklagten den Zugang zur Etage "abzuschneiden". Es war der Zeugin nicht möglich, die genauen Tage anzugeben, zu denen die jeweiligen Taten stattgefunden haben. Sie konnte es lediglich zeitlich eingrenzen und hat bezüglich der Vergewaltigung im Büro angegeben, dass diese an einem Sonntagnachmittag vor den Geburtstagen der beiden Eheleute, die am 21.09 bzw. 23.09 liegen, stattgefunden habe. Da sie außerdem angegeben hat, dass es erst drei Monate nach ihrem Wiedereinzug im August 2006 wieder mit den Problemen anfing, kann sich die Tat aber nicht im September 2006, sondern muss ggf. im September 2007 und zwar zwischen dem 01. und 16.09.2007 ereignet haben. Der Beklagte hatte zu dieser Zeit in seinem Arbeitszimmer das vormalige Bett der Eheleute stehen und nutzte dieses seit dem Wiedereinzug der Zeugin allein. Frau F hatte ihr eigenes Schlafzimmer in der ersten Etage und man schlief in der Regel getrennt.
Die Stimmung war an dem fraglichen Wochenende ganz gut und man war sich an diesem Nachmittag auf der unteren Etage wieder etwas nähergekommen. Die Eheleute hatten schon begonnen, den Kaffeetisch zu decken, und sind dann gemeinsam ins Arbeitszimmer gegangen. Sie wollten vermeiden, dass G unter Umständen nach unten kommt und sie in einer Situation vorfindet, die für Kinder nicht geeignet ist. Man landete dann tatsächlich nackt gemeinsam in dem Bett im Arbeitszimmer und die Zeugin war auch zunächst bereit, mit dem Beklagten zu schlafen. Sie lagen mit dem Kopf zur Tür und mit den Füßen zum Fenster. Nachdem er in sie eingedrungen war und der Sexualakt seinen Lauf nahm, wurde das Ganze jedoch so gewaltvoll und heftig, dass die Zeugin F den Akt abbrechen wollte und dies auch äußerte. Die Art und Weise, wie der Beklagte in sie eingedrungen war, die Heftigkeit, die Geschwindigkeit und das Gewicht, mit dem er sich auf ihr abstützte, führten dazu, dass sie „Hör auf! Du tust mir weh!" und „Ich will das so nicht!" sagte. Der Beklagte ignorierte dies und setzte den Geschlechtsverkehr fort. Die Zeugin F versuchte sich zu wehren, hatte aber keinen Erfolg. Als ihr das klar wurde, hat sie es einfach über sich ergehen lassen. Die Zeugin war von dem Vorfall so mitgenommen, dass sie beim anschließenden Kaffeetrinken mit den Kindern kein Wort sprechen konnte und auch den restlichen Tag nicht mehr sprach. Darüber waren beide Kinder sehr erschrocken, worauf der Beklagte meinte, dass sie sich nicht so anstellen soll. Auch in diesem Fall hat sich die Zeugin F geschämt und weder Anzeige erstattet noch einen Arzt aufgesucht.
Beweiswürdigung:
Über die bereits zu den beiden anderen Vergewaltigungsvorwürfen geäußerten Bedenken hinaus sieht die Kammer diesen Vorwurf besonders kritisch, weil er zunächst widerspiegelt, wie kompliziert die Beziehung zwischen dem Beklagten und der Zeugin F gewesen sein muss. Die Zeugin F schildert hier nämlich nach all den vorangegangenen Vorfällen eine Situation, in der es einvernehmlich zu einem Sexualverkehr mit dem Beklagten kommen sollte. Besonders irritierend war für die Kammer, dass auch bezüglich dieses Tatzeitpunktes bei der Zeugin längere Zeit Ungewissheit herrschte und dass erst nach einer langen Phase des Überlegens ihr klar wurde, dass dieser Vorfall nicht 2005, sondern erst im Jahr nach ihrem Wiedereinzug im Jahr 2006, nämlich im September 2007 ereignet haben soll. Besonders bemerkenswert erschien es der Kammer, dass die Zeugin F im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Ermittlungsführer der Klägerin bei der Schilderung der Vergewaltigung berichtet hat, dabei auf ein Bild der Gottesmutter Maria geschaut und sich zutiefst geschämt zu haben. Dabei sei sie nach einem Vermerk des Ermittlungsführers emotional sehr aufgewühlt und den Tränen nahe gewesen. In der Vernehmung vor der Kammer hat die Zeugin allerdings diesen Erinnerungsmoment überhaupt nicht erwähnt, insbesondere ist es der Kammer aufgefallen, dass die Zeugin die von ihr behaupteten Vergewaltigungstaten relativ flüssig und ohne emotionale Pausen schildern konnte. So überwiegen auch bei dieser angeblichen Tat des Beklagten die Zweifel, so dass auch insoweit der Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden ist.
ae) Drohung, die Zeugin F zu erschießen:
Im April 2010 wurden die Forderungen zurückzukommen vom Beklagten immer massiver geäußert. Als die Zeugin F sich weigerte, drohte er damit, sie zu erschießen. Das Ganze geschah nach dem Ende eines Umgangskontaktes mit H. Der Beklagte hatte diesen nach Hause gebracht und stand noch in der Eingangstür. Man geriet über die Weigerung der Zeugin F, zu ihm zurückzukommen, in Streit. In diesem Streit sagte der Beklagte zur Zeugin F: "Wenn Du jetzt nicht zurückkommst, dann erschieße ich Dich." Die Zeugin F forderte den Beklagten daraufhin auf, sofort die Wohnung zu verlassen. Anschließend informierte sie ein im gleichen Haus wohnendes Ehepaar über die Bedrohung und traf Absprachen zu möglichen Hilfestellungen, falls der Beklagte wieder auftauchen sollte. Sie sollte sich dann laut im Hausflur bemerkbar machen. An einem der auf den Vorfall folgenden Wochenenden kam H von seinem Besuch vom Vater zurück und erzählte, der Papa habe nun ein Gewehr im Arbeitszimmer auf dem antiken Schrank liegen, das er ihm auch gezeigt habe. Die Zeugin F fühlte sich ernsthaft bedroht und erstattete deshalb am 02.05.2010 bei der Polizeiwache Anzeige wegen Bedrohung mit einer Schusswaffe. Als der Beklagte daraufhin Post von der Staatsanwaltschaft bekam, fuhr er damit umgehend zur Zeugin F in die […] Straße. Er regte sich auf und erklärte ihr, dass es sich um ein Missverständnis handele. Sowohl H als auch sie hätten ihn falsch verstanden, was ihm leidtäte. Der Beklagte bat mit Blick auf mögliche dienstliche Konsequenzen darum, die Anzeige zurückzunehmen und versprach, dass dann Ruhe einkehren würde. Die Zeugin F ließ sich davon überzeugen und die Anzeige durch ihren damaligen Rechtsanwalt zurücknehmen. Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 24.06.2010 gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, nachdem die Zeugin F erklärt hatte, nicht mehr aussagen zu wollen.
Beweiswürdigung:
Bezüglich dieses Vorwurfes gibt es mit Blick auf die Vorbemerkung neben der Aussage der Zeugin F als Realkennzeichen die Tatsache, dass sie im Zusammenhang mit der vom Beklagten gegen sie ausgesprochenen Bedrohung am 02.05.2010 bei der Polizeiwache eine Strafanzeige erstattet hat. Dafür, dass der Beklagte damals tatsächlich im Besitz einer scharfen Schusswaffe gewesen ist, gibt es keine belastbaren Beweismittel. Die Kammer geht davon aus, dass seitens der Polizeibehörde seinerzeit bei der Staatsanwaltschaft strafprozessuale Maßnahmen (Durchsuchung/Beschlagnahme) beantragt worden wären, wenn es zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen illegalen Waffenbesitz des Beklagten gegeben hätte. Im Ergebnis kann man zwar davon ausgehen, dass vorliegend vom Beklagten wiederum im Rahmen der Eskalation eines Streites zwischen den Ehegatten eine Bedrohung gemäß § 241 StGB begangen worden ist. Deshalb gehören solche Taten auch zu den so genannten Privatklagedelikten, die gerade in problematischen Beziehungen häufiger begangen werden, ohne dass eine ernste Absicht dahintersteckt. Bezeichnenderweise ist auch im vorliegenden Fall durch die Staatsanwaltschaft eine umgehende Einstellung des Verfahrens erfolgt, weil die Zeugin F im Einvernehmen mit dem Beklagten mitgeteilt hatte, gegen diesen keine Aussage mehr machen zu wollen. Für die Kammer ist es daher unverständlich, dass dieser Vorfall nunmehr nach mehr als zehn Jahren von der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Disziplinarverfahrens wieder aufgegriffen wird, um dem Beklagten in diesem Zusammenhang ein Dienstvergehen vorzuwerfen. Auch hier soll die Frage, ob dieses Vergehen noch disziplinarrechtlich verwertet werden kann, in der zusammenfassenden Würdigung des Beweisergebnisses am Ende beantwortet werden.
af) Das Zufahren mit dem Auto auf die Zeugin F auf dem Reiterhof im Frühjahr 2009 und ihre damit verbundene Nötigung zur Seite zu springen
Im Frühjahr 2009, als es schon eine Umgangsregelung für die Wochenenden mit H gab, befand sich die Zeugin F an einem Nachmittag mit den Kindern G und H auf dem Reiterhof R in […]. Es war früher Abend ungefähr zwischen 17:00 und 18:00 Uhr. Es war schon dämmrig bis dunkel, aber es gab Flutlichtstrahler mit Bewegungsmeldern, welche angingen. Sie waren ohnehin gerade im Begriff zu gehen, als der Beklagte in den Aufenthaltsraum kam und erklärte, er wolle mit der Zeugin F sprechen und sie bitten, mit nach draußen zu kommen. Die Zeugin F bat darauf die Zeugin O, auf die Kinder aufzupassen und ging mit dem Beklagten auf den Parkplatz. In dem folgenden Gespräch ging es dann u.a. um seine Forderung gegenüber der Zeugin F, mehr für das Haus zu zahlen, aber auch zu ihm zurückzukommen. Darüber kam es zum Streit zwischen den Noch-Eheleuten. Etwa 3-5 Minuten später kam H aus dem Aufenthaltsraum rausgelaufen, weil er zu seinem Vater wollte. Die Zeugin O lief mit G hinterher und bekam dabei mit, wie die Zeugin F und der Beklagte auf dem Hof diskutierten und dabei aufgebraust gestikulierten. Als der Beklagte feststellen musste, dass die Zeugin F sich auf nichts einließ, nahm er H, packte ihn ins Auto und sagte zur Zeugin: „Ich habe Dir ja gesagt, dass H dann weg ist. Tür auf, Kind rein, Tür zu". Die Zeugin F versuchte, das Kind wieder aus dem Auto herauszuholen und den Beklagten aufzuhalten, indem sie sich hinten an seiner Jacke festhielt. Als der Beklagte eine Hand frei hatte, schubste er die Zeugin F weg und sie fiel hin. Der Beklagte sprang auf seinen Fahrersitz und fuhr los, um auf dem Parkplatz zu wenden und anschließend mit erhöhter Geschwindigkeit über den Hof Richtung Ausfahrt zu fahren. Der Hof ist an dieser Stelle beengt, etwa 5-6 Meter breit. Die Zeugin F stellte sich in die Mitte des Hofes, um ihn aufzuhalten. Sie stand in Höhe des Ausgangs des Stalls bzw. auf der Höhe des Eingangs vom Reitplatz. Als der Beklagte seinen Wagen gewendet hatte, stellte die Zeugin sich in den Weg vor sein Auto in Fahrtrichtung. Der Beklagte fuhr zügig los und machte keine Anstalten, zu bremsen. Die Zeugin F sah den Beklagten vielleicht 20 Meter auf sich zu fahren. Das Auto fuhr deutlich mehr als Schrittgeschwindigkeit. Die Zeugin F sprang auf die Motorhaube, hielt sich kurz vorne fest und rollte dann auf der Fahrerseite ab. Der Beklagte hätte zu dem Zeitpunkt, als sie zur Seite gesprungen ist, noch abbremsen oder ausweichen können. Der Hof war bereit genug. Die Zeugin O stand auf der Beifahrerseite. Anschließend ist der Beklagte vom Hof gefahren und abgebogen. Die Zeugin F kam ins Straucheln; als sie sich aufrichtete, war der Beklagte schon um die Ecke. Die Zeugin F stürzte, trug aber keine ernsthaften Verletzungen davon; eine ärztliche Behandlung war nicht notwendig.
Als sie wieder stand, lief die Zeugin F etwa 2-3 Schritte dem Auto hinterher. Die Zeugin war hierauf sehr aufgebracht. Sie fragte nach einem Telefon, da sie ihres nicht bei sich trug. Die Zeugin O gab ihr darauf ihr Telefon, damit sie die Polizei rufen konnte. Frau F entfernte sich mit dem Telefon, so dass die Zeugin O das Weitere nicht hören konnte. Nach dem Telefonat kam die Zeugin F wieder und gab der Zeugin O das Telefon zurück. Sinngemäß sagte sie ihr: „Die Polizei kann mir jetzt nicht helfen, ich fahre zum Beklagten nach Hause." Die Stallgemeinschaft war inzwischen auf das Geschehen aufmerksam geworden und auch auf den Hof gekommen. Sie fragten, ob es Frau F gut ginge und ob sie mit der Zeugin F zusammen dem Beklagten hinterherfahren sollten. Die Zeugin F lehnte dies ab, setzte sich mit G ins Auto und fuhr dem Beklagten hinterher. Da sie nur sehen konnte, dass er in Richtung […] fuhr, ist sie dann auf gut Glück zum Beklagten nach Haus. Dort stand tatsächlich sein Auto vor der Tür und der Beklagte öffnete auch die Haustür, als sie klingelte. Er forderte sie auf, ins Haus zu kommen, um alles zu besprechen. Das lehnte die Zeugin F aus Angst jedoch ab und forderte ihn auf, er solle ihr sofort das Kind rausgeben, da sie sonst die Polizei benachrichtigen würde. Darauf schickte der Beklagte seinen Sohn H zur Mutter nach draußen.
Beweiswürdigung:
Bezüglich dieses Vorfalles bedarf es nach Auffassung der Kammer einer differenzierteren Beweiswürdigung, weil neben der Aussage der Hauptbelastungszeugin F in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Parteien die schriftliche Aussage der Zeugin O verlesen worden ist. Das Protokoll über ihre Vernehmung enthält eine entsprechende Belehrung über eine mögliche Verlesung des Protokolls und damit das Einverständnis der Zeugin. Darüber hinaus ist als unmittelbare Tatzeugin auch G, die Tochter der Zeugin F, vernommen worden.
Der Beklagte selbst hat diesen Vorwurf im Rahmen seiner Einlassung zur Disziplinarklage bestritten, weil er ihn angeblich ganz anders in Erinnerung hatte. Er konnte sich sogar noch an das genaue Datum dieses Vorfalls erinnern. Er sei am 5. Januar 2009 zum Stall gefahren, um mit der Zeugin F wegen ihres Verhältnisses mit dem Kollegen Z zu reden, wovon er kurz zuvor erst erfahren habe. Zu der Zeit sei es im Außenbereich sehr kalt gewesen. H habe draußen gestanden und offensichtlich gefroren. Er habe daher zu F gesagt, dass er jetzt H mit zu sich nach Hause nehme. Als er vom Hof gefahren sei, habe er F auf keinen Fall angefahren. Diese habe zu dem Zeitpunkt seitlich neben dem Auto gestanden, so dass er sie gar nicht habe anfahren können. Die Zeugin O hat im Rahmen ihrer Vernehmung am 20.09.2021 demgegenüber angegeben, dass der Beklagte H ins Auto gesetzt habe und losgefahren sei. Nach dem Wenden seines Fahrzeuges sei er über den Hof Richtung Ausfahrt gefahren. Dabei habe die Zeugin F in Höhe des Ausgangs des Stalls gestanden. Als der Beklagte zurückgekommen sei, habe die Zeugin sich in den Weg vor das Auto des Beklagten gestellt, um ihn anzuhalten. Der Beklagte habe aber keine Anstalten gemacht zu bremsen. Da sei die Zeugin F auf die Motorhaube gesprungen und habe sich kurz vorne festgehalten, dann habe sie sich auf der Fahrerseite abgerollt. Sie, die Zeugin O, selbst habe auf der Beifahrerseite gestanden, die Zeugin F sei ins Straucheln geraten, sei wieder aufgestanden und sei dem Auto kurz hinterhergelaufen. Die Zeugin G hat in der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2023 den Vorfall dahingehend geschildert, dass sich nicht nur ihre Mutter, sondern viele Leute vor den PKW des Beklagten gestellt hätten, um ihn am Wegfahren zu hindern. Genau konnte sich die Zeugin jedoch noch an die Positionen ihre Mutter und an die Zeugin O erinnern. Auf die konkrete Frage des Vorsitzenden, ob sie noch wisse, wer genau vor dem Wagen gestanden habe, hat die Zeugin angegeben, dass dies nach ihrer Erinnerung die Zeugin O gewesen sei. Wo zu diesem Zeitpunkt ihre Mama gestanden habe und was sie gemacht habe, wisse sie nicht mehr. Sie habe auch keine Erinnerung daran, dass ihre Mutter auf die Motorhaube des Pkws gesprungen sei. Die Situation sei sehr dynamisch gewesen und deshalb sei es schwierig, sich noch konkret an diese Abläufe zu erinnern. So könne sie auch heute nicht mehr sagen, ob sich ihre Mutter damals bei dieser Aktion verletzt hatte. Auch diese Aussage der Zeugin G spiegelt deutlich wider, dass sie sich insoweit mit ihrer Mutter nicht abgesprochen haben kann. Die Aussage ist wiederum sehr authentisch. Sie liefert eine weitere Version für das Tatgeschehen, die doch ganz erheblich von den Schilderungen der Zeuginnen F und O abweicht. Die Kammer ist fest davon überzeugt, dass die Tochter der Zeugin F es auf jeden Fall in Erinnerung behalten hätte, wenn ihre Mama damals vom Beklagten auf die Motorhaube „aufgeladen“ worden und wenn sie dann seitlich heruntergefallen wäre. Demgegenüber kann die Kammer nicht ausschließen, dass die Zeugin O aus falsch verstandener Solidarität mit ihrer Reitkollegin im Rahmen ihrer Vernehmung eine Gefälligkeitsaussage für die Zeugin F gemacht hat. Mit Blick auf die grundsätzliche Skepsis, die man bei den Beklagten belastenden Aussagen der Zeugin F haben muss, sind auch bezüglich dieses Vorfalls bei der Kammer insgesamt erhebliche Zweifel hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufes aufgekommen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch hinsichtlich dieses Tatgeschehens der Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden und die Klage abzuweisen ist.
b) Taten zum Nachteil der Zeugin I
ba) Außereheliche Beziehung zu Pfarrerin S:
Im Oktober 2017 entdeckte die Zeugin I auf dem gemeinsam genutzten Computer eine von ihrem Ehemann, dem Beklagten, eingerichtete CD-Seite, für Verhältnisse mit anderen Frauen. Sie machte Ausdrucke von dieser Seite, weil der Beklagte immer suggerierte, dass sie sich diese Dinge nur einbilde. Auf der Seite hieß es z.B. „Wenn Du Interesse an einer unbeschreiblichen Affäre hast, sag mir doch, woher du kommst. Ich suche ein erotisches Abenteuer im Kreis […]." Die Zeugin I sprach den Beklagten darauf an, der versprach, diese Seite zu kündigen. Die Kündigung nahm er im Beisein der Zeugin I vor. Als der Beklagte und seine Frau das Schlafzimmer vom Erdgeschoss in die erste Etage verlegten, fand die Zeugin I beim Aufräumen des Schrankes eine Tüte mit Frauen-Unterhosen, die nicht von ihr stammten. Im Zeitraum 2017 bis 2019 musste die Zeugin feststellen, dass der Beklagte mehrfach Nachrichten und Mails von Dating-Seiten bekommen hatte. Anschließend, ab Mai 2019, nahm der Beklagte ein außereheliches Verhältnis zur Pfarrerin S auf. Die Zeugin I hatte die von dieser mit ihrem Ehemann ausgetauschten Nachrichten wahrgenommen und wurde von Pfarrerin S sogar unter anderem Namen angeschrieben. U.a. erfuhr die Zeugin I von der außerehelichen Beziehung auch aufgrund eines Handy-Backups, das dazu geführt hat, dass sie die an die E-Mail-Adresse des Beklagten gerichteten Nachrichten erhielt, die sie nach eigenen Angaben nicht gelöscht hat. Die außereheliche Beziehung führte dazu, dass die Eheleute häufig stritten. Die Zeugin I hatte dabei den Eindruck, dass der Beklagte versuchte, bei jeder Kleinigkeit Streit zu provozieren. Sie hat danach erfahren, dass der Beklagte und Pfarrerin S sich hierzu dazu abgesprochen hatten. Im Mai/Juni 2019 trafen sich die Zeugin I und der Beklagte mit dessen Schwester im […]-Park in B, weil sie die Hoffnung hatte, dass diese sie und ihren Mann, den Beklagten, wieder zueinander bringen könnte. Dort versprach der Beklagte, jeden Kontakt zu Frau Pfarrerin S zu beenden. Die Zeugin I musste jedoch feststellen, dass er auch danach weiterhin Kontakt zu seiner Amtskollegin hatte. Es gab danach einen heftigen Streit, nach dem die Zeugin mit Verdacht auf einen Schlaganfall in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Bei der Zeugin I wurde ein gutartiger Gehirntumor festgestellt. Hierauf versprach der Beklagte erneut, dass alles aufhören und sie alles zusammen durchstehen würden.
Beweiswürdigung:
Vorab kann die Kammer zu diesem Vorwurf feststellen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, zu seiner Pfarrerkollegin, die eine ehemalige Studienkommilitonin war, nach einem Treffen auf dem Kirchentag in B eine außereheliche Beziehung angeknüpft und auch trotz gegenteiliger Versprechungen gegenüber der Zeugin I fortgesetzt zu haben. Soweit daraus dem Beklagten eine dienstliche Verfehlung zum Vorwurf gemacht worden ist, muss die Kammer auf die Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift vom 25.10.2022 hinweisen, wonach man auf die Anregung des Vorsitzenden hin keine Veranlassung gesehen habe, bei der zuständigen Landeskirche anzuregen, gegen die Pfarrerin S ein Disziplinarverfahren wegen des Ehebruchs einzuleiten. Dazu heißt es in der Klageschrift vom 25.10.2022 unter B IX auf Seite 9 unten wörtlich: „Ein Disziplinarverfahren gegen Frau Pfarrerin S wurde bei der […] nicht angeregt… Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Ehescheidungen durch die […] nicht mehr disziplinarisch verfolgt werden. Auch wird es hingenommen, wenn diese Ehescheidungen aufgrund eines zeitlich während der noch bestehenden Ehe erfolgten Kennenlernens einer neuen Partnerin oder eines neuen Partners erfolgten.“ Nach Auffassung der Kammer muss dieser Grundsatz dann allerdings auch beim Beklagten angewendet werden.
In diesem Zusammenhang merkt die Kammer an, dass die Zeugin I, die nach Aussage ihres Stiefsohnes H „toxisch eifersüchtig“ sei, widerrechtlich das Handy des Beklagten ausspioniert und darauf befindliche Fotos des Beklagten und seiner Geliebten, der Pfarrerin S, beim Geschlechtsverkehr fotografisch gesichert haben will, um den Nachweis des Ehebruchs durch den Beklagten zu erbringen. Ablichtungen dieser Fotos hat die Zeugin I dem Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung zu Beweiszwecken übergeben wollen. Die Kammer hat zunächst diese Bilder unbesehen in einen verschlossenen Umschlag gegeben und später entschieden, diese Bilder nicht zu verwerten, weil das damit im Zusammenhang stehende Beweisthema - nämlich der Ehebruch durch den Beklagten - von diesem eingeräumt worden war.
Im Ergebnis lässt sich jedenfalls nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Klägerin aus der außerehelichen Beziehung des Beklagten zur Pfarrerin S ein vorwerfbares Dienstvergehen nicht ableiten, so dass auch insoweit die Disziplinarklage abzuweisen ist.
bb) Körperverletzung im Sommerurlaub 2019 in Frankreich:
Am Abend des 24./25.07.2019 in Frankreich - es war der dritte Tag des gemeinsamen Urlaubs - saßen die Eheleute auf der Terrasse des angemieteten Ferienhauses und tranken gemeinsam Wein. Die Zeugin I wollte mit dem Beklagten die Ausflüge, die man machen wollte, besprechen. Der Beklagte sagte dann, er habe eine Bekannte in […]. Diese habe dort eine Ferienwohnung. Er arbeite mit ihr und finde sie toll. Es handelte sich dabei um Frau U, die zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet war und vier Kinder hatte. Sie war Musikdozentin, lebte neu in der Gemeinde und hatte seit Dezember 2018 den Kindergottesdienst begleitet. Im Juli 2019 machte sie mit ihren vier Kindern in […] bei ihrer Mutter Urlaub. Die Zeugin I kannte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Zeugin lehnte deshalb die vom Beklagten vorgeschlagene Fahrt nach […] ab, worüber die Eheleute in heftigen Streit gerieten. Der Beklagte warf seiner Ehefrau vor, dass sie eifersüchtig sei und ihm generell Bekanntschaften verbieten würde. Die Zeugin I wollte sich dem lautstarken und aggressiven Verhalten ihres Mannes entziehen und ins Bett gehen. Das Bett befand sich in der oberen Etage und war über eine Treppe erreichbar. Zu diesem Zeitpunkt schlief die gemeinsame Tochter K bereits dort oben. Als die Zeugin I nach oben gehen wollte, kam der Beklagte hinterher und versperrte ihr den Weg über die Treppe. Diese war nicht so breit, dass sie an ihm vorbei gehen konnte. K war inzwischen wach geworden und weinte. Daraufhin wollte die Zeugin ihren Mann zur Seite schieben. Daraus entwickelt sich eine körperliche Auseinandersetzung, im Rahmen derer die Brille des Beklagten mit einer Glasstärke von minus 7 Dioptrien zerstört wurde. Darüber wurde der Beklagte sehr wütend, packte die Zeugin I vor der Treppe am rechten Arm und drehte ihr diesen auf den Rücken. Die Zeugin hatte dabei das Gefühl, dass er ihr den Arm brechen würde. Er hielt sie so fest und schleppte sie in den Küchenbereich. Schließlich schubste er sie so, dass sie zu Boden fiel, setzte sich mit seinem Gewicht auf sie und drückte sie nach unten. Es kam zu einem Kampf und irgendwann gelang es der Zeugin I sich zu befreien. Zugeschlagen hat der Beklagte dabei nicht. Nachdem sich die Zeugin befreit hatte, stand der Beklagte plötzlich mit einem Brotmesser (mit einer Länge von 20-30 cm) vor ihr, drückte ihr das Messer in die Hand und forderte sie auf, sich in die Venen zu schneiden. Als die Zeugin I das Messer auf den Tisch legen wollte, drückte er mit seiner Hand ihr Handgelenk fest und wollte ihr "helfen", sich in ihre Venen zu schneiden. In dieser Situation stand er hinter ihr, die Mitte seines Oberkörpers befand sich hinter ihrer rechten Schulter. Seine rechte Hand war an ihrem rechten Handgelenk und seine linke Hand an der Mitte ihres linken Oberarmes. Frau I konnte dadurch ihren linken Oberarm, welcher nicht auf einem Gegenstand auflag, nicht wirklich bewegen. Auf diese Weise wurden der Zeugin I vier oder fünf Schnitte an ihrem linken Handgelenk zugefügt. Als der Beklagte die Schnitte sah, ließ er plötzlich los. Die Schnitte waren nach zwei Wochen abgeheilt, aber noch mehrere Monate danach sichtbar. Die Venen wurden dabei nicht verletzt. Auf eine ärztliche Behandlung der Schnitte hat die Zeugin I verzichtet.
Beweiswürdigung:
Auch dieser von der Zeugin I erhobene Vorwurf einer gefährlichen Körperverletzung durch den Beklagten weist nach Auffassung der Kammer einige Besonderheiten auf, die eine sehr differenzierte Beweiswürdigung erforderlich machen.
Der Beklagte hat sich zu der vorstehenden Tatschilderung wie folgt eingelassen: I und er hätten mit Vorliebe ihre Urlaube in Frankreich verbracht. So auch im Sommer 2019. Sie hätten in […] ein Ferienhaus angemietet. Kurz nach dem Eintreffen dort habe er per Handy die Einladung der Zeugin U, einer Bekannten aus seiner Gemeinde, erhalten. Diese sei als geborene Spanierin mit ihrer Familie in […] in ihrem dortigen Wohneigentum im Urlaub gewesen und habe ihn und seine Familie zu einem Besuch eingeladen. Die Zeugin U, von Beruf Musikpädagogin, habe er dienstlich näher kennengelernt weil er mit ihr Gottesdienste vorbereitet habe. I habe sich fürchterlich über dieser Einladung aufgeregt und habe ihm sogar gleich eine Affäre mit U unterstellt. Dabei sei sie handgreiflich geworden und habe ihm die Brille aus dem Gesicht geschlagen; er habe dann nur noch verschwommen gesehen, dass I plötzlich mit einem Messer dagestanden und sich in den Arm geritzt habe. K habe zu diesem Zeitpunkt auf dem Sofa gelegen. Er habe I das Messer weggenommen und ihren Arm verbunden. Da er nicht gewusst habe, wie tief die Schnitte gewesen seien, habe er I vorsichtshalber ins Krankenhaus bringen wollen. Das habe I aber rigoros abgelehnt. Für ihn sei der Urlaub danach gelaufen gewesen und er habe gleich wieder abreisen wollen. Soweit I in ihrer Vernehmung angegeben habe, dass er sie geschnitten habe, sei das absolut nicht wahr und physikalisch auch unmöglich. Er sei stark kurzsichtig und hätte – wie bereits gesagt – kaum bzw. nur verschwommen etwas gesehen. In diesem Zustand hätte er das Messer gar nicht so zielgerichtet führen können. Das ergebe alles keinen Sinn. K könne dies zwar sicher bezeugen, aber er, der Beklagte wolle sie nicht durch eine Vernehmung dazu belasten. Am nächsten Morgen habe er, der Beklagte, mit seiner Schwester gesprochen und habe sie um Rat gefragt. Sie habe ihm geraten, den Urlaub fortzusetzen, wenn I dies wolle. I habe dem zugestimmt, weil der Urlaub auch schon bezahlt gewesen sei. Sie hätten den Urlaub dann ohne nennenswerten Streit fortgesetzt.
Nach dieser Einlassung des Beklagten soll es sich bei den Messerschnitten, die die Zeugin bei diesem Vorfall davongetragen haben will, um die Folgen eines vorgetäuschten Selbstmordversuches der Zeugin gehandelt haben. Die Kammer musste sich daher mit der Frage intensiv befassen, ob und inwieweit es weitere Beweismittel gibt, die Realkennzeichen für die eine oder andere Version liefern. Sowohl nach der Einlassung des Beklagten als auch nach der Aussage der Zeugin waren beide an dem Abend des Vorfalls nach dem Genuss von ca. je 1 l Rotwein in einem Maße alkoholisiert, dass nach Auffassung der Kammer zumindest eine Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Auf diesem Hintergrund stellt sich für die Kammer die Frage, aus welchem Grund der Beklagte in der Situation das Messer nicht selbst in die Hand genommen haben soll, um der Zeugin Schnitte am Handgelenk unmittelbar zuzufügen. Auf dem Hintergrund der Tatsache, dass die Zeugin I sehr eifersüchtig und damit sehr skeptisch gegenüber ihrem Ehemann war, hat die Kammer bereits Zweifel an der Schilderung des Tathergangs durch die Zeugin. Die Kammer hätte grundsätzlich in Erwägung ziehen können, auch die zur mutmaßlichen Tatzeit anwesende Tochter der Eheleute zu vernehmen. Abgesehen davon, dass dies nicht dem Willen des Beklagten und seiner Ehefrau entsprach, weil beide ihre Tochter durch eine solche Vernehmung nicht zusätzlich traumatisch belasten wollten, wäre eine solche Vernehmung nur unter Bestellung einer so genannten Ergänzungspflegschaft möglich gewesen, im Rahmen derer eine Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes hätte getroffen werden müssen. Davon hat die Kammer Abstand genommen, weil im Rahmen der Vernehmung der Zeugin U sich weitere Realkennzeichen ergeben haben, die dafürsprechen, dass der von der Zeugin I geschilderte Tathergang so nicht richtig war. Zunächst einmal hat die Zeugin U unabhängig von ihrer schriftlichen Stellungnahme zu dem erfolgreichen Wirken des Beklagten in der Kirchengemeinde der Kammer noch einmal nachdrücklich vermittelt, dass der Beklagte als Pfarrer in der Gemeinde eine sehr gute Arbeit gemacht und keinerlei Anlass geliefert hat, sich über ihn in welcher Form auch immer zu beschweren. Auf den konkreten Vorfall hin angesprochen hat die Zeugin erklärt, dass sie im Sommer 2019 mit ihren Töchtern in […] gewesen sei. Dort habe ihre Familie ein Ferienhaus besessen. Da in diesem genug Platz für alle gewesen sei, habe sie den Beklagten mit seiner Familie zu einem Besuch nach […] eingeladen. Zu der Zeit sei der Beklagte nicht weit davon entfernt im Urlaub in Frankreich gewesen. Der Beklagte habe jedoch abgesagt und mitgeteilt, dass es seiner Frau nicht gut gehe. Einige Tage später habe sie eine SMS von einer bis dahin für sie unbekannten Nummer erhalten. Die SMS sei von der Zeugin I gewesen. Sie habe ihr mitgeteilt, dass ihr Mann den Besuch in […] abgesagt habe, weil es ihr nicht so gut gegangen sei. Nun gehe es ihr aber wieder besser und sie würde gerne mit ihrer Familie kommen wollen, weil sie sich schuldig fühle, dass der Besuch wegen ihr nicht habe stattfinden können. Der Beklagte wisse nicht, dass sie ihr, der Zeugin, schreibe, habe sie weiter mitgeteilt. Diese SMS konnte die Zeugin der Kammer in der mündlichen Verhandlung noch im Original auf ihrem Handy zeigen. Aus weiteren SMS, die die beiden Zeuginnen danach untereinander ausgetauscht haben, ergibt sich deutlich, dass die ursprünglich aus Eifersucht entstandenen Bedenken der Zeugin I gegenüber der Zeugin U völlig ausgeräumt waren. Zwischen den beiden Zeuginnen ist nach übereinstimmenden Aussagen aller Beteiligten in der Folgezeit eine gute Bekanntschaft entstanden, im Rahmen derer die Zeugin U die Zeugin I auch besucht habe. Es konnte daher auch unzweifelhaft festgestellt werden, dass diese SMS vom Handy der Zeugin I abgeschickt worden war. Die Kammer verwundert es nicht, dass die Zeugin I in der mündlichen Verhandlung darüber nichts berichtet hat. In der SMS spiegelt sich nämlich wider, dass die Zeugin wohl eingesehen hatte, durch ihr eigenes Verhalten zur Eskalation beigetragen zu haben. Daneben hat auch die Zeugin C, die Schwester des Beklagten, bestätigt, dass ihr Bruder sie offensichtlich am Morgen nach diesem Vorfall angerufen und um Rat gefragt habe, was er nun machen solle.
Diese Umstände haben die bereits bestehenden Zweifel der Kammer bezüglich des von der Zeugin I geschilderten Tatablaufes so erhärtet, dass hier ebenfalls nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu entscheiden war.
bc) Körperverletzung und häusliche Gewalt am 4. Dezember 2019:
Am 4. Dezember 2019 schubste der Beklagte die Zeugin I ohne Mantel und Schuhe aus dem Haus. Sie stand daraufhin nur mit Hose und Pulli bekleidet barfuß vor dem Haus. Als er sie aus dem Haus drängte, knallte er die Tür so zu, dass das Sicherheitsglas zersplitterte. Nach ca. 10 Minuten, die sie vor der Tür verbringen musste, kam er auf sie zu und schrie sie an. Der Beklagte verließ anschließend das Haus, um seinen Sohn H zu suchen, so dass die Zeugin I das Haus wieder betreten konnte. Grund für die Auseinandersetzung war, dass der Beklagte seiner Ehefrau schon im November 2019 erzählt hatte, dass er am Wochenende vom 6. bis 8. Dezember 2019 auf eine Fortbildung in die Nähe von […] fahren würde. Die Zeugin I stellte allerdings fest, dass es zu der Zeit in […] keine entsprechende Fortbildung für Pfarrer gab und sprach ihn darauf an. Zuvor hatte sie außerdem am Abend des 03.12.2019 festgestellt, dass sich der Beklagte eine neue E-Mail-Adresse eingerichtet hatte, die er für den Nachrichtenaustausch mit seiner Geliebten, der Pfarrerin S, nutzte. Die Zeugin I las den Chatverlauf und erfuhr so, dass Pfarrerin S sich im Streit mit ihrem eigenen Ehemann befand und dem Beklagten vorgeschlagen hatte, dass beide mit ihren Partnern heftiger streiten sollten, damit diese ihre Sachen packen und sich von ihnen trennen würden. Die Zeugin I fotografierte diesen Chatverlauf ab und speicherte ihn. Am 4. Dezember 2019 sprach sie den Beklagten darauf an, ob er wirklich am Wochenende zu einer Fortbildung fahren würde, was der Beklagte bejahte. Daraufhin teilte sie ihm mit, dass sie über seine Affäre Bescheid wisse und jetzt auch die Beweise dafür auf ihrem Handy habe. Sie erklärte ihm, dass sie mit K ausziehen würde und die Scheidung wolle. Die Eheleute brachten zunächst die Tochter K zur Schule, um anschließend alles zu besprechen. Der Beklagte wollte allerdings unbedingt das Handy seiner Frau haben, um die angeblich darauf gespeicherten Beweise zu sehen. Hierüber gerieten sie erneut in einen heftigen Streit, als der Beklagte seiner Frau das Handy wegnehmen wollte, um zu sehen, was sie dort tatsächlich gespeichert hatte. Sie standen sich schließlich gegenüber, als der Beklagte mit Gewalt versuchte, das Handy an sich zu bringen. Dabei schubste er seine Frau mit beiden Händen zu Boden, drehte ihren Arm um und riss ihr das Handy aus der Hand. Die Zeugin lag schließlich auf ihrer linken Seite vor dem Bett. Als sie aufstand, befand sich der Beklagte ihr gegenüber vor dem Bett in der Mitte des Zimmers. Sie versuchte nun, ihr Handy zurückzubekommen. Der Beklagte verhinderte dies jedoch, indem er sie wiederholt von sich wegstieß. Als sie schließlich im Schlafzimmer vor dem Bett standen, hielt der Beklagte das Handy in der rechten Hand. Plötzlich schlug er seiner Frau mehrmals mit der Hand ins Gesicht. Sie versuchte, sich durch Vorhalten ihrer Hände zu schützen. Gleichzeitig bemühte sie sich weiterhin, ihr Handy zurückzubekommen. Die Zeugin I geht davon aus, dass der Beklagte sie mit der Hand geschlagen hat, in der er das Handy hielt. Er traf sie mit dem Handy oder mit der Hand einmal an der rechten Schläfe, einmal an der linken Schläfe und einmal am linken Schlüsselbein. Die Verletzungen waren sofort sichtbar Auf der Stirn der Zeugin I waren zwei Beulen, links größer, rechts kleiner zu sehen. Am Auge war ein Kratzer und am Schlüsselbein war ebenfalls eine Verletzung sichtbar. Die Verletzungen wurden unmittelbar nach dem Vorfall am gleichen Tag kurz nach 12 Uhr von der Zeugin durch selbst gefertigte Fotos dokumentiert, um später nachweisen zu können, wie sich diese Verletzungen verschlimmert hatten oder deutlich sichtbarer wurden. Daneben wurde der Verletzungsbefund abends auch noch durch die herbeigerufene Polizei dokumentiert. Irgendwann schubste der Beklagte die Zeugin I, als sie immer noch vor dem Bett standen, so heftig, dass sie zwei bis drei Meter weiter, fast am anderen Ende des Zimmers, wo sich die Tür befand, landete. Gleichzeitig schmiss er das Handy mit Schwung auf den Boden und trat mit den Schuhen darauf, um es zu zerstören. Als dies wegen der Schutzhülle nicht gelang, legte er das Handy unter einen Fuß des Bettes und sprang auf dem Bett herum. Als die Zeugin I nach unten gehen und vom Festnetztelefon die Polizei anrufen wollte, kam der Beklagte hinterher und riss das Kabel aus der Wand, um dies zu verhindern. Anschließend ging er in die Küche, nahm ein Obstmesser mit einer scharfen Klinge und versuchte damit, das Handy zu zerstören. Die Zeugin I ging in dieser Situation nach oben. Sie wollte sich dort anziehen und anschließend wegfahren. Auf dem Weg nach oben verfolgte der Beklagte sie, bedrängte sie und schubste sie schließlich aus dem Haus, wo sie sich - wie eingangs beschrieben - barfuß und nur mit Hose und Pulli bekleidet wiederfand und einige Zeit draußen verbrachte, bis der Beklagte das Haus verließ, um seinen Sohn zu suchen. Als […], der (volljährige) Sohn aus erster Ehe der Zeugin, gegen 17.30 Uhr nach Hause kam, brachte dieser sie auf ihre Bitte hin zur Polizeiwache, wo sie gegen den Beklagten Anzeige wegen häuslicher Gewalt erstattete. In diesem Zusammenhang wurde der Beklagte zunächst für zehn Tage und nach einer Verlängerung für insgesamt drei Wochen des Hauses verwiesen.
Beweiswürdigung:
Auch mit diesem letzten Vorwurf, der wahrscheinlich Auslöser der Presseveröffentlichung war, durch die das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten unter anderem ausgelöst worden ist, hat sich die Kammer sehr eingehend befasst, da sie in gewisser Weise Parallelen zu dem zuvor bewerteten Sachverhalt erkennen konnte.
Der Beklagte hat sich im Wesentlichen wie folgt dazu eingelassen: Die Zeugin I habe sich in der Nacht zum 4. Dezember 2019 unerlaubten Zugriff auf seine E-Mail-Postfächer verschafft. Dabei habe sie gesehen, dass er - der Beklagte - in Kontakt mit Pfarrerin S gestanden habe. Seine Ehefrau sei deswegen erneut vor Eifersucht ausgerastet. I habe ihm gesagt, ihn nun in der Hand zu haben und ihn „auszuschlachten“. Sie habe dabei ihr Handy in der Hand gehalten, als es zu einer Rangelei mit ihr gekommen sei, weil er das Handy haben wollte. Dabei sei das Handy auf den Boden gefallen. I sei darauf hin zum Fenster gestürzt, habe dies geöffnet und habe bereits ein Bein herausgehalten. Er sei sogleich zu ihr geeilt, weil er befürchtet habe, dass sie aus dem Fenster springen könne. Er habe sie zurückziehen wollen. I sei dabei ins Stocken gekommen und auf den Nachttisch gestürzt. I sei anschließend aufgestanden und zu H heruntergegangen, der alles gehört haben musste. Ihn habe I dann weggestoßen und dessen Handy an sich genommen. Seiner Einschätzung nach habe es sich auch in diesem Fall um einen vorgetäuschten Suizid gehandelt. Obwohl I wegen der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen ärztliche Hilfe benötigt habe, habe sie diese abgelehnt. I sei zur Polizei gegangen und habe ihn wegen häuslicher Gewalt angezeigt. Er, der Beklagte, habe daraufhin Hausverbot erteilt bekommen und sei mit H ausgezogen. Im Scheidungsverfahren habe I berichtet, eine Beule an der Stirn gehabt zu haben, die zum Auge heruntergerutscht sei. Von dem anderen Suizidversuch in Frankreich habe I im Scheidungsverfahren nichts berichtet.
Im Hinblick auf die Ausführungen in der Vorbemerkung und auf die Beweiswürdigung zum Vorfall in Frankreich hat die Kammer diesen Vorfall auch sehr sorgfältig dahingehend überprüft, welche weiteren Realkennzeichen es für die von der Ehefrau des Beklagten geschilderte Version des Geschehens gibt. Zunächst einmal hat die Kammer die Lichtbilder von den Verletzungen der Zeugin in Augenschein genommen, die sie durch den angeblich tätlichen Angriff des Beklagten davongetragen haben will. Nach dem vom Beklagten beschriebenen Ablauf des Geschehens erscheint es aus Sicht der Kammer durchaus möglich, dass diese Hämatome im Rahmen des Gerangels durch ein Sturzgeschehen und nicht durch gezielte Schläge mit der Hand verursacht worden sein können. Zur Zeit des Vorfalls hielt sich auch H, der Sohn des Beklagten, im Arbeitszimmer seines Vaters auf, wo er nach seinem Einzug auch schlief. Dieser Zeuge hat zunächst berichtet, zu seiner Stiefmutter insgesamt kein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Er habe stets gespürt, dass diese ihn nur widerwillig in ihrer Familie geduldet habe. Konkret auf den vorliegenden Vorfall hin angesprochen beschreibt der Zeuge, am Morgen des 4. Dezember 2019 wegen eines Studientages schulfrei gehabt und länger geschlafen zu haben. Plötzlich habe er von oben ein Poltern gehört und lautes Diskutieren. Dann habe er gehört, wie ein Fenster geöffnet worden sei. Anschließend habe er gehört, dass jemand die Treppe heruntergestürmt sei. Dann sei die Tür aufgegangen und I sei hektisch ins Zimmer gekommen. Sie habe, ohne ihn zu fragen, sein Handy aus der Hand genommen und sei wieder aus dem Raum hinausgelaufen. Sein Vater sei ebenfalls ins Zimmer gekommen, sei währenddessen aber ruhig geblieben. Die Situation sei ihm selbst komisch vorgekommen, aber er habe dann seine Sachen gepackt und sei nach B gefahren, um den Tag mit seinen Freunden zu verbringen. Abends sei beim gemeinsamen Abendessen die Polizei gekommen und habe seinem Vater Hausverbot erteilt. Er habe dann mit seinem Vater erst bei seinem Patenonkel übernachtet und später in einem Hotel in der Umgebung. Einen Hilfeschrei seiner Stiefmutter will der Zeuge an diesem Morgen nicht gehört haben. Weiterhin habe er auch bei seiner Stiefmutter keine sichtbaren Verletzungen erkannt. I habe zeitweilig unter dem Licht vorm Haus gestanden. Auch da habe er keine Verletzungen bemerkt. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die Haustür zersplittert gewesen sei. Insgesamt hatte die Kammer von diesem Zeugen, der im Zeitpunkt seiner Vernehmung kurz vor dem Abitur stand, einen recht guten Eindruck bekommen. Er hat keine überschießende Entlastungs-Tendenz in seiner Aussage erkennen lassen. Wenn er seinem Vater hätte helfen wollen, hätte er ohne Probleme sagen können, dass er zufällig auch gesehen habe, dass die Zeugin versucht habe, aus dem Fenster zu springen. Die Aussage dieses Zeugen war sehr reflektiert und auch in Bezug auf seine leibliche Mutter nicht polarisierend.
Er hat der Kammer deutlich machen können, dass sein Vater sicherlich von Natur aus ein sehr lebhafter, energiegeladener Mensch sei und dass man ihn sehr selten ruhig erleben könne. Auf der anderen Seite hat er allein dadurch, dass er im Alter von 15 Jahren den Entschluss gefasst hat, zu seinem Vater zu ziehen, auch signalisiert, dass dieser im Rahmen seiner Erziehung sich nicht so erheblich fehlverhalten haben kann, wie es seine Mutter versucht hat, den Ermittlungsführern und auch dem Gericht zu vermitteln. Diese Aussage rundet für die Kammer das gewonnene Gesamtbild der Persönlichkeit des Beklagten ab. Es unterscheidet sich sehr deutlich von den lediglich plakativ negativen Beschreibungen seiner beiden Ex-Frauen, die ihm ohne konkrete Belege maßlose sexuelle Ausschweifungen und Fantasien, wahllose Untreuehandlungen und Gewaltübergriffe vorgeworfen haben. Besonders auffällig ist dabei, dass es dafür weder aus dem privaten noch aus dem beruflichen Umfeld des Beklagten entsprechende Hinweise gegeben hat. Der Zeuge P, Trauzeuge des Beklagten und bester Freund, sowie der Zeuge Q haben durchweg positiv von ihren Erfahrungen mit dem Beklagten berichtet. Die Zeugin I hat zwar berichtet, sich mit ihren ehelichen Problemen auch an den stellvertretenden Superintendenten V gewandt zu haben, der ihr allerdings nach eigenen Angaben nicht habe helfen können. Das hat die Kammer insofern nachvollziehen können, als der Zeuge V Trauzeuge der Eheleute gewesen ist und deshalb mit Blick auf das Seelsorgegeheimnis offiziell nicht tätig werden durfte. Der Zeuge V hat in seiner Vernehmung ebenfalls die dienstliche Integrität des Beklagten in vollem Umfang bestätigt. Insgesamt betrachtet hat die Kammer daher auch bei diesem Vorfall erhebliche Zweifel, dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie er von der Zeugin I geschildert worden ist.
3. Abschließende Bewertung des Beweisergebnisses:
Im Rahmen der vorstehenden Würdigungen der dem Beklagten vorgeworfenen Disziplinarvergehen ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorwürfe unter den Nummern 1, 3, 4, 7, 9 und 10 nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ dem Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können.
Der Vorwurf unter Nummer 5 ist bereits im Laufe der Hauptverhandlung fallen gelassen worden. Bezüglich der Vorfälle unter Nummern 2 und 8 schließt die Kammer nicht aus, dass der Beklagte sich insoweit jeweils einer Bedrohung schuldig gemacht hat. Im Hinblick darauf, dass die Zeugin F selbst damals auf eine strafrechtliche Verfolgung verzichtet hat, sind die Vorfälle nicht so gewichtig, als dass man darauf heute noch eine disziplinarische Sanktion verhängen könnte. Auch insoweit ist daher die Disziplinarklage abzuweisen.
Damit steht für die Kammer ein Ergebnis fest, dass die Klägerin sich bei Beginn dieses Verfahrens sicherlich nicht hat vorstellen können. Aus Sicht der Kammer ist es sehr bedauerlich, dass die Aufklärung der gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe aufgrund von Versäumnissen, die der Klägerin anzulasten sind, sehr lange Zeit gedauert hat.
Die Kammer musste feststellen, dass die erforderlichen Ermittlungen nicht zielgerichtet und auch nicht mit der nach § 8 DG.EKD gebotenen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Besonders kritisch sieht die Kammer auch, dass die Ermittlungsführer im Rahmen des gegen den Beklagten gerichteten Disziplinarverfahrens offensichtlich nur die mutmaßlichen Opferbelange in den Blick genommen haben, ohne auf der anderen Seite im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinem Pfarrer angemessen zu würdigen, dass dieser in der gesamten Dienstzeit seine Aufgaben in Kirche und Schule beanstandungsfrei und mit Engagement durchgeführt und damit zum Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit beigetragen hat. Mögliche Entlastungszeugen wurden im Ermittlungsverfahren nicht vernommen.
Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen, die in der Praxis des Gerichtes keinen Einzelfall betreffen, wird die Kammer zukünftig auf die Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes ihr besonderes Augenmerk richten und insbesondere die Möglichkeiten der Fristsetzung nach § 58 Abs. 3 DG.EKD stringent ausschöpfen. Im Hinblick auf die in einschlägigen Verfahren erforderlichen Spezialkenntnisse der Ermittlungsführer, die in der allgemeinen Gerichtsbarkeit durch die gezielte Ausbildung von Sonderdezernentinnen und -dezernenten gewährleistet werden, sieht die Kammer die Notwendigkeit, dazu in den die Disziplinaraufsicht führenden Stellen strukturelle Überlegungen zur Verbesserung der Ermittlungsqualität und der professionellen Kompetenz von Ermittlungsführern anzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Absatz 4 DG.EKD i.V.m. § 154 Absatz 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
(Es folgt die Rechtsmittelbelehrung. Auf den Abdruck wird verzichtet.)